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Re: Was vom Tage übrigblieb ...

Verfasst: Di 13. Jun 2023, 05:05
von Maulwurf
Gretel & Hänsel (Oz Perkins, 2020) 7/10

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Die Mutter kann die Kinder nicht mehr ernähren und jagt sie fort. Also ziehen Hänsel und Gretel, nein Verzeihung, Gretel & Hänsel, durch den unendlich erscheinenden finsteren und ach so bitterkalten Wald, bis sie an ein Häuschen kommen. Und wer hätte es gedacht, dort wohnt eine alte Frau, die ihnen Speis und Trank (und sicher auch Pfefferkuchen fein) sowie ein Bett für die Nacht bietet. Doch der Preis dafür ist hoch.

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Regisseur Oz Perkins hätte es sich sehr leicht machen können. Die Geschichte ist ja nun als halbwegs bekannt vorauszusetzen, also hätte er durchaus auf die Macht der Bilder vertrauen können. Die Storyline vernachlässigen, und dafür mit Hilfe überbordender Eindrücke und modernster Computertechnik eine visuelle Achterbahnfahrt vom Stapel lassen, die durch ihre Knalleffekte geschickt verbirgt, dass dahinter eigentlich gar nichts ist.

Alternativ hätte er natürlich auch die Geschichte an sich mit vielen schweren Dialogen versehen und großartige und namhafte Schauspieler hinter die bedeutungsschwangeren Dialoge setzen können, die mit müden Blicken inmitten gefälliger Kulissen wichtige Worte aufsagen und hinterher ihre Gage abholen.

Auf beide Varianten war ich gefasst, und tatsächlich bin ich von vornherein mit einer gesunden Abwehrhaltung an den Film herangegangen. Nach dem kürzlich gesehenen HAGAZUSSA, der sich der ersten der beiden Möglichkeiten verschrieben hatte und damit eine gehörige Portion Langeweile verbreitete, ärgerte ich mich ziemlich, dass nun GRETEL & HÄNSEL ins Haus flatterte und aus zeitlichen Gründen auch recht schnell gesehen werden musste. Mist, wieder so ein dummer, moderner Horrorfilm, der die narrative Ideenlosigkeit der amerikanischen Drehbuchautoren illustriert, und diese Armut mit ach so tollen Effekten übermalen muss. So dachte ich bei mir.

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Was soll ich sagen, GRETEL & HÄNSEL hat mich tatsächlich ganz kalt erwischt und mir gezeigt, dass außerhalb(!) der USA auch heute noch richtig gute Genrefilme gemacht werden können. Die Story wird geschickt ummontiert, auch andere Märchen der Grimms werden unauffällig referenziert, und ohne den Grundaufbau zu ändern werden die Versatzstücke des ursprünglichen Märchens wunderbar unauffällig in eine fast hypnotische Bilderflut eingebaut, die, ohne dabei das Story-Telling zu vernachlässigen, den Zuschauer restlos in eine andere Welt zieht. Die Wälder, das Hexenhaus, das Licht ... Immer wieder dieses Licht, das von Kameramann Galo Olivares in Variationen eingesetzt wird, bei denen mir nicht einmal bekannt war dass Licht so aussehen kann. Und vor oder neben oder hinter dieses Licht werden dann die Schauspieler gesetzt, die zwar zum Teil recht wichtige Dialoge aufzusagen haben, unterbrochen von viel Stille und Denkanstoß, diese Arbeit aber so bravourös erledigen, dass man gar nicht auf die Idee kommt, dass man hier einem drögen Arthouse-Film aufsitzen könnte. Dialoge, Licht und Stimmung passen zusammen wie Lebkuchen und kleine Kinderhände – GRETEL & HÄNSEL entpuppt sich beim Sehen als mächtige Einheit gotischen Grusels, die es nicht nötig hat durch splatterige Effekte oder Jump Scares Eindruck zu schinden, sondern stattdessen durch eine ruhige Atmosphäre ein deutliches Mehr an Unbehagen einzuflößen als dies die meisten “Horror”filme der letzten 30 Jahre jemals könnten. Die Stimmung im Film, untermalt durch den kongenialen Klangteppich von Robert Coudert, ähnelt der Musik des schwedischen Dark-Ambient-Projekts Arcana, wobei der Begriff Dark Ambient auch die Stimmung des Films beschreibt. Im Gegensatz zum Beispiel zu dem erwähnten HAGAZUSSA gibt Oz Perkins nämlich ein angenehmes Erzähltempo vor, welches Langeweile kontinuierlich vermeidet. Das Schnitttempo ist relativ hoch, aber bei weitem nicht so hoch dass es zum Gewitter wird. Die Bilder kommen in aller Ruhe zur Geltung, und das Ergebnis ist wie eine Neudefinition eines gotischen Schauermärchens: Dunkel, ruhig, abgründig ... Keine nervigen Teenies, die von einem bösen Hexenkult nacheinander geschnetzelt werden, sondern ein junges Mädchen, das auf die Frage stößt, was sie mit der ihr offensichtlich gegebenen Gabe der Magie anfangen soll: Ihren geliebten kleinen Bruder opfern und den Weg in die Finsternis beschreiten? Oder ein Leben mit der Natur und dem Licht leben?

Das ist zu gruselig. Dann siehst Du Dinge, die es noch gar nicht gibt. Und Dinge, die es vielleicht doch gibt ...

GRETEL & HÄNSEL ist unheimlich, nicht gruselig. Und dieser feine Unterschied zeigt sich in der Qualität des Gesehenen. Und dürfte auch der Grund sein, warum meine 18-jährige Tochter den Film nicht gruselig fand, er aber meiner Frau und mir sehr gut gefallen hatte. Wohl offensichtlich ein Film für die ältere Generation, die keine Blut- und Schmodderorgien benötigt, um sich unruhig an der Sofalehne zu schuppern ...

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Re: Was vom Tage übrigblieb ...

Verfasst: Fr 16. Jun 2023, 05:28
von Maulwurf
Die Marx Brothers im Krieg (Leo McCarey, 1933) 9/10

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An sich bin ich ja eher die Sorte Mensch, die zum Lachen in den Keller geht. Zumindest zähle ich mich zu dieser Kategorie. Aber wenn ich meine Lieblingsfilme so anschaue, dann sind da erstaunlich viele Komödien dabei. Frank Capras ARSEN UND SPITZENHÄUBCHEN gehört zu meinen Top-Drei-Filmen überhaupt, Billy Wilders EINS, ZWEI, DREI erzeugt immer noch ernsthafte Atemnot wegen seines hohen Tempos, Édouard Molinaros OSCAR reizt mich jedes Mal zu Lachtränen, und DIE MARX BROTHERS IM KRIEG ist von solchen Erlebnissen auch nicht mehr weit weg. Einige der besten und berühmtesten Szenen der Marx Brothers sind hier vertreten: Der Kampf am Popcorn-Stand (der gleichzeitig das bekannte Hütchenspiel neu definiert) oder der Wettbewerb der Nachtgespenster vor dem Spiegel. Klassiker des Slapsticks und der grenzenlosen Anarcho-Komödie.

Mit dem Alter und der (filmischen) Erfahrung erkenne ich hier aber noch viel mehr, nämlich eine böse und höhnische Abrechnung mit dem Production Code, der zwar 1933 noch nicht ultimativ durchgesetzt wurde, den Studios aber schon länger im Genick saß, und gerade Freigeister wie die Marx Brothers in ihrer Kreativität beschnitt. „Dies sind die Gesetze meiner Regierung“ singt Groucho: „Kein Rauchen, keine schmutzigen Witze, und auch das Pfeifen ist verboten. Heil, heil Freedonia. Wer Kaugummi kaut wird verfolgt und landet im Kittchen. Jede Form des öffentlichen Genusses wird angezeigt und verboten. Ich bin sehr streng, so muss es sein. Wir sind im Land der Freiheit!“ Passend dazu dann das Outfit von Raquel Torres, das selbst nach heutigen Maßstäben puren, intensiven Sex verheißt. Die Dame könnte nackt kaum unverhüllter sein …

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Handlung hat es selbstverständlich auch ein wenig: Rufus T. Firefly (Groucho) wird auf Geheiß von Mrs. Teasdale Herrscher von Freedonia, der Heimat der Mutigen und Aufrechten, ahnt aber nicht, dass der Botschafter von Sylvanien, Trentino (dessen ursprünglich vorgesehener Name eigentlich Ambassador Frankenstein of Amnesia war), zusammen mit der Tänzerin Vera Marcal Freedonia in einen Krieg ziehen will, damit er das Land übernehmen kann. Warum er das will? Keine Ahnung, und das ist auch nebensächlich. Auf jeden Fall setzt Trentino zwei Spione auf Firefly an, Chicolino und Pinky. Und damit haben wir eigentlich bereits die komplette Handlung im Kasten: Trentino beleidigt Firefly, der Krieg beginnt, und Firefly hat in jeder Kampfszene ein anderes Outfit an: Napoleonischer General, Pfadfinder, Davy Crockett, …

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Slapstick und Anarchie feiern hier fröhliche Urständ, etwa wenn Chicolino und Pinky (Chico und Harpo) versuchen in das Haus von Gloria Teasdale zu kommen, sich aber dabei selbst im Wege stehen und auf geradezu klassische Art immer dann an der Tür stehen wenn die Tür zu ist, und hinter dem Gebüsch hocken wenn sie offen ist. Beziehungsweise das Szenario noch erweitern: Harpo rennt durch die offene Tür und sperrt Chico aus. Chico klingelt, Harpo öffnet, kommt raus, sucht Chico, während dieser durch die Tür rennt und sie schließt. Also klingelt Harpo, Chico kommt raus, sucht Harpo hinter der Hecke, und währenddessen nutzt der Diener, der eigentlich draußen die Klingelnden gesucht hat, die Gunst der offenen Tür, rennt ins Haus und schließt die Tür – Harpo und Chico sind wieder draußen. Und dies alles natürlich in einem irrwitzigen Tempo. Solche Filmmomente zu beschreiben ist schwierig bis unmöglich – Wer die Szenen kennt lächelt bereits bei der Erinnerung, alle anderen langweilen sich zu Tode …
Natürlich ist da auch noch Margaret Dumont, Groucho Marx‘ biedere Sparrings-Partnerin – Kann ein Film, der mit einer Zeile von Margaret Dumont beginnt, eigentlich schlecht sein? Oder ist so ein Film nicht bereits ein sarkastisches Statement wider das Spießertum schlechthin? „Ich habe meinen Mann bis zu seinem Ende in den Armen gehalten und geküsst.“ „Also Mord!
Und nicht zu vergessen der Auftritt von Edgar Kennedy, einem beliebten Schurken in den Filmen von Laurel & Hardy, der hier das macht was er nunmal am Besten konnte: Oft spielte er einen Polizisten, dessen Gesicht anzeigt, wie sehr es in ihm brodelt, angesichts des ihm dargebotenen, sich dann in stummer Verzweiflung die Mütze zurückschiebt, seinen kahlen Schädel kratzt oder mit der Hand über sein Gesicht fährt. (1) Slowburn-Komik wie man sie sich nur wünschen kann.

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Und sonst? Die Entstehung des Filmtitels kann in der englischen Wikipedia nachgelesen werden: "Duck soup" was American English slang at that time; it meant something easy to do. Conversely, "to duck something" meant to avoid it. When Groucho was asked for an explanation of the title, he quipped, "Take two turkeys, one goose, four cabbages, but no duck, and mix them together. After one taste, you'll duck soup for the rest of your life." (2). Das Musikstück Stars and strips forever von John Philip Souza, in Deutschland in den 70ern als Werbemusik des Putzmittels Der General verwurstet, scheint mich, nachdem ich vor einigen Wochen erst in Nunnally Johnsons DAS UNSICHTBARE NETZ darüber gestolpert bin, dieses Jahr zu verfolgen. Hier will Harpo in der Nacht lautlos einen Tresor öffnen, und als er meint es geschafft zu haben, hat er stattdessen das Radio eingeschaltet, das laut und dröhnend ebendiese Musik schmettert. Der Versuch das Radio auszuschalten oder zu zerstören schlägt fehl, die Musik geht immer weiter, bis Harpo die längst zerstörten Reste des Radios irgendwann durch ein geschlossenes Fenster wirft. Und wir reden hier immer noch von einem heimlichen Einbruch …! Szenen der Marx Brothers werden oft in Anarchie und/oder Chaos aufgelöst, dies dabei aber so dermaßen lustig, dass sogar die Filmcrew zeitweise den Dreh unterbrechen musste - Keiner konnte mehr arbeiten, weil sich alle vor Lachen den Bauch halten mussten …

Und wenn das jetzt alles etwas zerrissen klingt möchte ich mich entschuldigen. Zum einen sind gerade die frühen Filme der Marx-Brothers schlichtweg Nummernrevuen mit nur rudimentärem Handlungskitt, da wird auch ein Text schnell mal zu einer zusammenhanglosen Nummernrevue. Und zum anderen ist es wie erwähnt einfach sehr schwer so etwas zu beschreiben – Wie beschreibt man Komik mit ernsten Worten …?

An sich bin ich ja eher die Sorte Mensch, die zum Lachen in den Keller geht. Aber wenn ich atemlos aus einer Filmkomödie komme und erst einmal durchschnaufen muss, dann kann an dieser Selbsteinschätzung etwas nicht stimmen. Oder es ist ein Film der Marx Brothers.

(1) https://de.wikipedia.org/wiki/Edgar_Kennedy
(2) https://en.wikipedia.org/wiki/Duck_Soup_(1933_film)

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Re: Was vom Tage übrigblieb ...

Verfasst: Mo 19. Jun 2023, 05:17
von Maulwurf
Crypt of the condemned (Jess Franco, 2012) 4/10
Crypt of the condemned II (Jess Franco, 2012) 3/10

Irgendwo in den Tiefen des Internets begraben.jpg
Irgendwo in den Tiefen des Internets begraben.jpg (7.4 KiB) 295 mal betrachtet

Altmännerfantasien, festgehalten auf experimentellem Videomaterial: In der Wohnung von Jess Franco räkeln sich sechs junge nackte Frauen, filmen sich gegenseitig, und spielen aneinander rum. Dazu ertönen von der Tonspur Maurice Ravel und Paul Hindemith, Johan Sebastian Bach und Bela Bartok, die gelegentlich von Stan Kenton sowie einer eigenartigen kleinen Geschichte über eine Prinzessin unterbrochen werden, die ihren Prinzen ersticht und darum dem Teufel gehört. Zwischengeschnitten werden Bilder eines Friedhofs, eines steinernen Engels sowie ein meeresumbrandeter Felsen, der verteufelt aussieht wie ein weibliches Dreieck. Ende der Inhaltsangabe. Ach ja, ich vergaß, dass gelegentlich eine Art Monstergebrüll zu hören ist. Oder sowas ähnliches zumindest …

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Nein, leicht macht es Señor Franco einem nicht mit seinem Alterswerk. Wo PAULA-PAULA noch gekonnt mit visuellen Spielereien arbeitet, ist CONDENADAS in erster Linie ein bloßes, zeitlupengesteuertes Abfilmen weiblicher Schönheit. Natürlicher Schönheit wohlgemerkt – Keine der Frauen ist künstlich aufgehübscht, keine ist nuttig geschminkt, und dass Carmen Montes deutlich sichtbar einen Tampon spazierenträgt, untermauert diese Feststellung nur umso mehr. Dazu kommen ein paar eingestreute visuelle Effekte die ein Gewitter darstellen sollen, sowie Tricks mit Spiegeln und Fernsehgeräten, in denen quasi die andere Seite des Zimmers (und einmal auch Jess Franco selber ) gezeigt wird. Auf diese Art entsteht sehr schnell eine leicht erotische Atmosphäre, die aber durch die Tonspur immer wieder konterkariert wird – Spätestens wenn Klassik, Jazz und verlangsamt abgespielte Erzählung sich miteinander vermengen, entsteht je nach Zuschauer schnell ein Gefühl der Verstörung oder auch des Überdrusses. Doch dann lächelt Fata Morgana wieder in die Kamera, ihre Augen sagen Nimm mich, und es entsteht schnell wieder diese besondere Stimmung, die das Alterswerk Francos so oft auszeichnet. Doch auch dann muss angemerkt werden, dass sinfonische Dichtung und sich streichelnde Mädchen nur bedingt zusammen passen, und Bild und Ton in diesem Film kaum ein einziges Mal eine Einheit ergeben, oft die Musik sogar die Stimmung der Bilder zerreißt.

Das Problem bei CONDENADAS ist einfach, dass der Film außer ein paar sich räkelnden Schönheiten nichts bietet. Keine Geschichte, keine Spannung, kaum einmal Erotik, und nach 72 Minuten gibt es dann den zweiten Teil, der im Prinzip genauso weitergeht, nur dass das ganze irgendwann noch langweiliger ist. Dafür passt die Musik aber und an ein klein wenig besser zu den Bildern …
Ich persönlich vergebe hier mit wohlwollendem Franco-Bonus 4 von 10 Zeitlupen (für den ersten Teil, der zweite bekommt 3 von 10 Spiegeln für die gesteigerte Ideenlosigkeit), aber ich möchte darauf hinweisen, dass auch außerordentlich niedrigere Bewertungen kritiklos möglich wären. CONDENADAS ist eine Nullnummer vor dem Gott der Videotechnik, ein Nichts an Verpackung oder Inhalt. Eine Gruppe nackter Frauen die lasziv in die Kamera schauen, ohne dabei irgendetwas Sinnvolles zu tun. Stephen Thrower schreibt zu CONDENADAS sinngemäß, dass es einen Preis hat, die Filme von Jess Franco komplett zu sammeln, und CONDENADAS (bzw. LA CRIPTA DE LAS MALDITAS*) ist dieser Preis. In der Wohnung sitzen und sich einen alten Mann anschauen, wie er über den Möglichkeiten der modernen Videotechnik gar nicht mehr weiß was er damit anstellen könnte, während da draußen Millionen schönerer, sinnvollerer oder einfach nur befriedigenderer Dinge auf einen warten, bedeutet unweigerlich, 148 Minuten seines eigenen Lebens wegzuschmeißen …

* LA CRIPTA DE LAS MALDITAS ist der gleiche Film wie LA CRIPTA DE LAS CONDENADAS. „Spannend“, nicht? MALDITAS wurde 2008 von Franco gedreht, und der Produzent von PAULA-PAULA kam dann 2012 auf die Idee, Franco zu fragen, ob er MALDITAS nicht mit einer anderen Musik hinterlegen möchte. Gesagt, getan – Ravel und Hindemith ersetzen in CONDENADAS den zeitgenössischen Score von Ludo, Antoine y Thomas, und fertig ist ein neuer Franco-Film, beziehungsweise durch die Teilung der Laufzeit sogar zwei „neue“ Filme. Puh …

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Re: Was vom Tage übrigblieb ...

Verfasst: Do 22. Jun 2023, 05:12
von Maulwurf
The embalmer (Dino Tavella, 1965) 6/10

Irgendwo in den Tiefen des Internets begraben.jpg
Irgendwo in den Tiefen des Internets begraben.jpg (7.4 KiB) 281 mal betrachtet

Ein Monster geht um in Venedig, und es lässt schöne junge Mädchen spurlos verschwinden. Der Polizeichef weiß selbstverständlich, dass die Sache mit dem Mörder nur von der Lügenpresse erfunden wurde, und in Wirklichkeit machen die Mädchen halt das, was junge Mädchen so machen: Sie laufen von zuhause fort. Aber der Journalist Andrea, der dank der Freundschaft zum Inspektor an jedem „Tatort“ rumtrampeln und Spuren suchen darf, ist sich sicher, dass ein Mörder umgeht. Eine weibliche Reisegruppe aus Rom ist ebenfalls unterwegs, und Andrea verliebt sich in die Leiterin Maureen. Doch Maureen ist jung und schön, und damit ein potentielles Opfer. Wird der furchtlose Journalist sich gegen den ignoranten Polizeichef und den noch viel dümmeren Verleger seiner eigenen Zeitung durchsetzen können?

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Die toten Augen des schwarzen Abts mit der Maske? Da sieht man mal, was die Edgar Wallace- Filme der Rialto tatsächlich für einen Einfluss hatten. IL MOSTRO DI VENEZIA ist rein prinzipiell erstmal ein weiterer Wallace-Film, komplett mit maskiertem Mörder, gruseliger Mordserie, stimmungsvollen Settings, furchtlos-attraktivem Ermittler und dümmlichem Polizeichef. Nur dieses Mal halt nicht in Hamburg gedreht sondern in Venedig, und diesen Umstand auch sinnvoll ausnutzend. Denn der Mörder, dies ist kein wirklicher Spoiler, ist als Froschmann unterwegs und zieht die jungen Mädchen ins Wasser, wo sie jämmerlich ersaufen müssen. In seinem geheimen Labor unter den Kanälen balsamiert er sie dann ein um ihre Schönheit zu bewahren:

Death cannot destroy you. I have preserved your beauty for the ages.
Und:
You are even more lovely then you were in the other life.

Die filmischen Begriffe Edgar Wallace und Giallo hier trennen zu wollen wäre nicht machbar, und abgesehen davon auch Unfug. Zu sehr miteinander verwoben sind diese beiden Begriffe, und zu sehr haben sich diese cineastischen Universen gegenseitig befruchtet. IL MOSTRO DI VENEZIA hätte als ultimative Antwort Italiens auf die Wallace-Filme ein Riesenknaller werden können, wenn nicht … Ja, wenn nicht die Regie jemandem überlassen worden wäre, der mangels Ideen öfters einmal schlichtes Füllmaterial einfügt, und wenn nicht billigste Schauspieler genommen worden wären. Die Kamera gibt sich alle Mühe, und vor allem im Showdown in den Gewölben und Gruften sind dank der tollen Bilder Stimmung und Spannung mit Händen zu greifen. Auch die tristen Ansichten eines offensichtlich herbstlichen Venedigs machen viel her und verleihen der etwas morbiden Grundstimmung viel Flair. Aber die beiden Hauptdarsteller, eine gewisse Maureen Brown als Reiseleiterin Maureen (zumindest in der mir vorliegenden englischsprachigen Fassung, die italienische Wikipedia meint, dass der Rollenname Miss Morris sei …) und ein Luigi Martocci als Andrea sind beide so vollkommen untalentiert, dass es kein Wunder ist, dass beide keinen weiteren filmischen Eintrag in ihrer Vita haben. Dazu ein Handlungsablauf, der des Öfteren mal etwas wackelt und ruckelt, plötzlich springt ein Sarg auf und eine peinliche Adriano Celentano-Kopie trullert ein vollkommen unpassendes Lied, die beiden Comic Reliefs Straßenkehrer und Gepäckträger sind auch nur bedingt komisch, und die lustigste (wirklich!) Szene hat es, wenn die alte Tante mit ihrem jugendlichen Professor-Neffen Twist tanzt.

Nein, es ist nicht alles Gold. Das Budget war merklich winzig, und so überlebt der Film in erster Linie dank der erstklassigen Kameraarbeit von Mario Parapetti, dessen bemerkenswerteste Einträge Filme sind wie KATARSIS (der von 1965), DJANGO TÖTET LEISE oder DREI NONNEN AUF DEM WEG ZUR HÖLLE. Sagt die IMDB … Die Musik ist ein ganz offensichtlicher Versuch Peter Thomas zu kopieren, und hat ihre guten und passenden Momente, allerdings tritt gelegentlich auch mal das Gegenteil ein. Und wenn dann schlechte Schauspieler zu unpassender Musik agieren … Na ja, dann braucht man sich hinterher nicht wundern, warum die Kritiken nicht gerade wohlwollend ausfallen.

Mir persönlich hat es gefallen. Viel Gothic-Horror, viel Giallo, viel Edgar Wallace, ein sehr spannendes Showdown und ein Ende, das ich so niemals erwartet hätte. Keine unentdeckte Perle am italienischen Genrehimmel, aber auch bei weitem nicht so schlecht wie oftmals kolportiert. Allerdings hat es schon seinen Grund, warum nicht mal die italienische Filmdatenbank die meisten der Nebendarsteller listet. Wobei ich furchtbar gerne wüsste, wer die dunkelhaarige Schönheit ist, die sich irgendwann mal telefonierend im Handtuch räkelt und dabei viel Erotik versprüht …

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Re: Was vom Tage übrigblieb ...

Verfasst: So 25. Jun 2023, 07:02
von Maulwurf
100.000 Dollar für Ringo (Alberto De Martino, 1965) 5/10

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Eine Anmerkung vorab: Ich werde alle verwendeten Namen so schreiben, wie sie von den tollen deutschen Synchronsprechern ausgesprochen wurden. Vielleicht wird so die Stimmung ein wenig gehoben, und Probleme wegen anderslautender Schreibweisen werden per Dekret auch gleich aus dem Weg geräumt …

Also, was passiert hier? Eine blonde Frau reitet durch die Wüste, auf der Flucht von den Indianern. In einer Satteltasche ihr kleines Kind. Irgendwann steigt sie ab und flüchtet mit Gewehr in einen Graben, Pferd und daran angehängtes Kind schickt sie per Klaps einfach weiter. Die Indianer kommen und die Frau liefert den Roten einen harten aber vergeblichen Kampf. Da schaltet sich ein Fremder ein, der hinter einem Felsen sitzt und die Angreifer alle zusammenschießt. Er kommt von den Felsen herunter, die Frau und er schauen sich an – Und dann nimmt er einen herumliegenden Speer und tötet die Frau.

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Wenn der Film in dieser Härte und Qualität weitergehen würde, dann wäre ich der letzte der was zu Meckern hätte. Aber leider verflacht die Sache dann zunehmend. Der Fremde, es handelt sich um Tom Cherry, den örtlichen Großmotz, aktiviert seine Leute in der Stadt und gemeinsam überfallen sie das Indianerdorf, weil schließlich haben die Indianer ja in der Wüste gerade eine Frau usw. Ein Massaker findet statt, aber das von den Indianern mittlerweile gefundene Kind namens Shane und eine junge Frau können entkommen. Na ja, und ungefähr 100 andere Indianer auch, inklusive des Häuptlings. Sieben Jahre später reitet ein Mann durch die Gegend. Alle halten ihn für den Ehemann der damals angeblich von den Indianern getöteten blonden Frau, und Tom Cherry und seine Brüder sind sofort auf dem Kriegspfad. Dieser Mann muss getötet werden, er könnte schließlich die Geschäfte mit der mexikanischen Armee stören, und er könnte sogar die Wahrheit über seine tote Frau herausfinden. Wie dies auch immer vonstatten gehen soll, denn es gab es ja eigentlich(!) weder Überlebende noch Zeugen. Dieser fremde Reiter, der eigentlich Ringo heißt, aber nach und nach die ihm aufgezwungene Identität von Ward Cluster annimmt, schießt ein paar von Cherrys Leuten (sind das dann Kirschenmännchen???) über den Haufen, trifft den Kopfgeldjäger Tschuk, reitet in Arschlochhausen ein, macht Ärger, und reitet weiter auf die Farm des ihm unbekannten Ward Cluster (denn er ist ja in Wahrheit Ringo). Dort schwelgt er in den Erinnerungen Clusters (häh?) und trifft er den blinden José, der die Wahrheit über den Tod von Clusters Frau kennt. Außerdem ist da noch eine Indianerin, die den kleinen Shane im Schlepptau hat, der sofort mit lauten „Papa, Papa“-Rufen auf ihn zustürmt. Ach ja, und vorher haben wir noch den Säufer Ihf kennengelernt, der die Trennung von Deborah nicht verkraftet hat. Deborah ist mittlerweile die Frau von Tom Cherry („Ich werde diese Stadt nicht verlassen, denn sie gehört mir. Und Du kannst mich nicht verlassen, denn Du gehörst ebenfalls mir.“), was Ihf zwar Scheiße findet, aber den Fäusten der Cherry-Brüder kann er nicht wirklich viel entgegensetzen. Ringo/Ward entscheidet derweil, den Geschäften von Cherry Einhalt zu gebieten: Die Zeit der Kirschen ist vorbei. Ein Motiv dazu hat er zwar nicht, aber man kann ja auch mal einfach nur so Gutes tun. Und Tschuk reitet mit, weil es um viel Geld geht. Was zumindest als Motiv durchgeht …

Also, die Dramatis Personae ist aufgestellt: Ringo/Ward scheint mit Tom Cherry noch eine Kirsche rupfen zu müssen Es könnte aber auch ein ganzer Kirschbaum sein, man weiß es nicht genau. Tschuk ist hinter dem Kopfgeld von Cherry her, Shane ist hinter Papa her, Ihf hinter Deborah, und die Indianer finden Ward ziemlich doof und trauen ihm nicht, sind aber nicht wirklich hinter ihm her. Ward entpuppt sich dann letzten Endes als Gerechtigkeitsfanatiker, der aus Cherry Kirschmarmelade machen will, einfach weil dieser mit den Mexikanern schmutzige Geschäfte macht. Aber dem geldgeilen Tschuk gönnt er das von den Mexikanern gehortete Geld, die titelgebenden 100.000 Dollar, dann wiederum auch nicht und behält die Kohlen einfach. Der Indianerfrau spielt er einen auf große Liebe vor, nimmt ihr dann aber zum Schluss sogar Shane weg (was zu der Schlussfolgerung führt, dass Kinder viel Geld kosten, und durchaus ein Plan verfolgt wurde). Dazwischen grimassiert er wie ein Eichhörnchen auf Speed – Im Ernst, Richard Harrison hat einige echt packende Kampfszenen in diesem Film, die er mit großer Bravour hinbekommt und die wirklich stark sind. Aber vernünftiges (im Sinne von emotionales) schauspielern ist hier gerade gar nicht angesagt: Harrison mimt sogar so enthemmt, das daneben Fernando Sancho als Tschuk, (könnte da vielleicht Chuck gemeint sein?), Sancho also bleibt neben Harrison wider Erwarten sogar recht blass.

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Wer sehr viel Eindruck macht ist der ursprünglich deutschstämmige Gérard Tichy als Tom Cherry, der in diesen Jahren sehr gut im Geschäft war, und in einigen Western sein gutaussehend-verderbtes Gesicht hingehalten hat. Der Mann krempelt im Zweifelsfall gerne auch mal die Ärmel hoch und peitscht seine Geliebte zu Tode – Das ist doch wenigstens noch Einsatz. Da werden keine Handlanger bemüht, der Mann möchte noch selber Spaß bei der Arbeit haben. Als Boss einer Banditenbande sicher nicht das verkehrteste Vorgehen …
Und Massimo Serato als Ihf darf nicht vergessen werden. Serato als Hansdampf in allen Gassen, bezogen auf die verschiedenen Genres in denen er immer zuverlässig dabei war, hat hier die undankbare Rolle des weinerlichen Schlappschwanzes, der nur auftaut wenn man ihm einen Whisky, eine Pistole oder Deborah hinstellt. Sonst klappt er zusammen und ist für Mann-Männer wie Tom Cherry ein gefundenes Fressen. Trotzdem, Serato konnte auch so etwas. Der konnte wahrscheinlich alles, sogar einen Briefkasten spielen …

Nein, schlecht ist 100.000 DOLLAR FÜR RINGO nicht. Aber das heißt halt auch noch lange nicht dass er gut ist. Wenn der kleine Shane weinend auf Ringo/Ward zu rennt, der sich gerade heimlich(!) über dem Lager der Mexikaner befindet, und dabei laut plärrt „Du bist nicht mein Papa! Du bist ein Verräter! Ich mag Dich nicht!“, dann kann eine direkte Verbindung zu Lucio Fulcis SILBERSATTEL und dem Ende des Westerns italienischer Prägung gezogen werden – Und der Fremdschämfaktor ist auch genauso hoch wie bei Fulci. Immerhin ist der Kleine, Loris Loddi ist sein Name, wirklich talentiert. Seine bekannteste Rolle dürfte die des jungen Silence in LEICHEN PFLASTERN SEINEN WEG sein, dem die Stimmbänder durchgeschnitten werden. Aber hier ist das ganze einfach nur peinlich …

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Mindestens genauso peinlich sollte den Drehbuchautoren die Handlung (/häh?) sein. So viele vollkommen unsinnige Windungen und Drehungen wie eine Achterbahn, nur mit erheblich weniger Sinn ausgestattet. Ringo scheint nicht wirklich einen Plan zu haben, wie er … Ja was eigentlich tun will? Er kommt in die Stadt um von Cherry Geld zu ergaunern, zumindest nehme ich das mal an, erkennt aber erst im Lauf der Handlung, was für ein Lump Cherry ist, und wird dann vom Saulus zum Paulus, indem er die Mexikaner und die Banditen gegeneinander ausspielt. Die Mexikaner auf der einen Seite, die Amerikaner auf der anderen, und er dazwischen? Nein, dieses Szenario überlassen wir getrost Sergio Leone. Alberto De Martino ist für solche Spiele definitiv nicht talentiert genug gewesen (ich sage nur PUMA-MAN …). Es fehlt einfach an jedweder Motivation für Ringo, wie ein angefressener Berglöwe in die Stadt zu kommen und rumzustänkern, denn dass Cherry eine faule Kirsche ist kann er ja zu dem Zeitpunkt noch gar nicht wissen. Eigentlich …

Was 100.000 DOLLAR FÜR RINGO dann aber doch entscheidend auszeichnet sind die vielen wirklich gelungenen Actionszenen. Der Zweikampf im Indianerlager. Die vielen Massenszenen mit viel Gewalt und Peng Peng, die so wunderbar fernsehballettmäßig choreografiert sind. Der erstklassige Schnitt bei der Schießerei in der Stadt, bei der jeder Schauspieler für sich allein im Bild ist, und nur durch den Schnitt des Films tatsächlich ein Kampf stattfindet – Was dann auch ganz ernsthaft und richtig gut funktioniert! Hier kann 100.000 DOLLAR FÜR RINGO punkten, hier ist er überzeugend. Plus die glorreiche Idee, die Indianer am Ende zur Rettung der Helden anreiten zu lassen. Quasi als Kavallerie, nur in wild und edel. Möglicherweise eine knuffige Spitze in Richtung des amerikanischen Kinos, sicher aber eine hübsche und überzeugende Idee.
Weniger gut funktionieren die Schauspieler und vor allem das sinnlose Tun, die Musik von Bruno Nicolai lässt auch nicht wirklich erkennen, dass hier einer der kommenden Großen des Fachs am Werke ist, und was tatsächlich in Erinnerung bleibt ist der Umstand, dass es sich hier um einen der ganz ganz wenigen Italo-Western handelt, in dem Indianer eine tragende Rolle spielen. Wobei der Häuptling eine sehr große Ähnlichkeit hat mit Ben Kingsley (und in der deutschen Fassung auch fast genauso klingt), und sein bester Kämpfer, man glaubt es kaum, aussieht wie Markus Söder der sich als Indianer verkleidet. Wahrscheinlich um die Roten … Socken der SPD zu unterwandern.

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So gesehen hat der Film durchaus einen gewissen Unterhaltungswert. Eichhörnchen Harrison is on the Loose und ballert und prügelt alles hinweg was bei drei nicht in Mexiko ist, und Spaß macht das Zuschauen da durchaus. Nur darf man nicht unbedingt knallharte Italo-Western-Atmosphäre erwarten, mehr so Fasching in der Prärie, mit einem mittelschweren Trash-Faktor in der Satteltasche. Und jetzt singen wir alle zusammen: Da sprach der alte Häuptling der Indianer: Wild ist der Westen, weit ist die Prärie …

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Re: Was vom Tage übrigblieb ...

Verfasst: Mi 28. Jun 2023, 05:25
von Maulwurf
Zwei Himmelhunde auf dem Weg zur Hölle (Giuseppe Colizzi, 1972) 4/10

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Im Fernsehen gesehen.jpg (7.52 KiB) 257 mal betrachtet

Hui, was war denn das? 6,5 Millionen Zuschauer allein in den deutschen Kinos, die Single mit dem Titelsong 31 Wochen in den deutschen Charts, ein Film, der als einer DER Klassiker der Spencer/Hill-Filme läuft – Und der Maulwurf gibt dem Vehikel sage und schreibe 4 von 10 Kolbenfressern?

Vielleicht war ich einfach nicht in Stimmung, kann ja sein, aber irgendwie konnte ich mit der im Fernsehen und mit vielen Werbeunterbrechungen ausgestrahlten Version nicht wirklich etwas anfangen. Die Geschichte hoppelte von Episode zu Episode, und allein das rührselige Ende mit dem Tod des alten Matteo hätte fast zum vorzeitigen Ausschalten des Fernsehers geführt. Die Geschichte ist löchrig wie alte Socken, und selbst die Sprüche haben zumindest bei dieser Sichtung nicht so gezogen, wie ich es von anderen Rainer Brandt-Filmen her kenne. Terence Hill hat mir zugesagt, sehr sogar, wirkte er hier doch oft ernster und düsterer als in späteren Filmen. Ich wage sogar zu behaupten, dass er ein paar Mal seinen Cat Stevens aus GOTT VERGIBT – DJANGO NIE einfließen ließ. Aber zu einer reinen Komödie passt das nun wiederum gar nicht, auf der anderen Seite hatte es dann aber auch zu wenig wirklich komische Momente. Zu viel gemütvolles (besagter Tod Matteos, der Transport des verletzten Arbeiters durch das Gewitter), und zu wenig Schenkelklopfer, wie ich sie eigentlich eher erwartet hätte. Vor allem nach den gigantischen DIE RECHTE UND DIE LINKE HAND DES TEUFELS und VIER FÄUSTE FÜR EIN HALLELUJA, also den beiden Western von Enzo Barboni, ist HIMMELHUNDE für mein Empfinden wieder ein Rückschritt, sowohl in Sachen Humor wie auch bei der Action. Die gleiche Ambivalenz, die ich bei HÜGEL DER BLUTIGEN STIEFEL beobachten konnte, einem anderen Colizzi-Film mit Spencer/Hill, nämlich dass der Regisseur es nicht schaffte, ein so dynamisches Duo mit einer vernünftigen Story und der dazugehörigen Leinwandpräsenz auszustatten, beobachtete ich auch hier. Als ob alles mit angezogener Handbremse abläuft, so schleppt sich die Story von Set Piece zu Set Piece, kann aber nicht wirklich etwas wie Spannung oder gar richtige Lacher generieren.

Mit dem nächsten gemeinsamen Film, ZWEI WIE PECH UND SCHWEFEL unter der Regie von Marcello Fondato wird dies besser gelingen, und Spencer/Hill werden endgültig zu Kultfiguren einer ganzen Generation. Aber, man möge mich bitte nicht steinigen, den Erfolg von HIMMELHUNDE kann ich in keinster Weise nachvollziehen. Tut mir leid …

Re: Was vom Tage übrigblieb ...

Verfasst: Sa 1. Jul 2023, 05:56
von Maulwurf
Geheimring 99 (Joseph Lewis, 1955) 7/10

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Es ist eine harte und grausame Welt, eine böse Welt, und nur die Haifische mit den größten Zähnen haben eine Chance zu überleben. Mr. Brown ist ein Gangsterboss, und er ist so ein Haifisch. Er hat McClure abgelöst, und er hat dessen Vorgänger Grazzi ebenfalls abgelöst. Mr. Brown ist nett und eloquent, und vor allem ist er aalglatt – Lieutenant Diamond von der Polizei hat nicht die Spur eines Beweises, dass Mr. Brown jemals ein Gesetz übertreten hat. Also lässt Diamond Browns Freundin Susan Lowell beschatten, und verliebt sich dabei in sie. Aber Mr. Brown, der sich Susan sowieso eher als Eigentum hält welches man nach Belieben benutzen und auch wieder ablegen kann, dreht den Spieß um und verfolgt wiederum Diamond. Er entführt ihn und foltert ihn höchstpersönlich. Mr. Brown ist hart, aber Diamond ist härter. Wie ein Diamant halt so ist. Zumindest denkt Diamond dies von sich selbst, aber Mr. Brown ist bösartiger und abgefeimter …

Ein Polizist wird zusammengeschlagen und anschließend brutal gefoltert. Ein Ex-Gangsterboss, der nun die rechte Hand des jetzigen Bosses ist, wird wieder und wieder gedemütigt und klein gehalten, da er zu weich ist für diese Welt. Susan wird ganz klar erklärt, dass sie eine Puppe ist, ein Spielzeug, das nur das zu tun hat was ein Mann ihr sagt, und sonst gar nichts. Zwei Gunmen, die ganz offensichtlich homosexuell sind, und ihrem Chef loyal ergeben sind – Oder sind die beiden eventuell doch bereit, ihren Boss abzusägen um dessen rechter Hand freie Bahn zu erschießen? Da ist die Ex-Frau von Mr. Brown, die mutmaßlich an einem Anker in den Tiefen des Atlantiks verschwand. Da sind Zeugen von Verbrechen, die bei nur dem leisesten Verdacht, dass sie mit der Polizei reden könnten, sofort erschossen werden. Und da ist Diamond, der diamantharte Polizist, der in sechs Monaten 18.000 Dollar aus dem Budget seines Distrikts nimmt, um einen Gangster zu fassen, und nach sechs Monaten Ermittlung genau nichts in den Händen hat. Aber auch Diamond ist nicht fehlerfrei, seine Liebschaft Rita benutzt er letzten Endes genauso wie Brown seine Susan benutzt – Wenn er sie sehen will hat sie da zu sein, den Rest der Zeit ist Rita ihm vollkommen gleichgültig, und ihre resignierende Akzeptanz seiner verschiedenen Liebschaften bemerkt er nicht einmal.

Es ist eine harte und grausame Welt, eine böse Welt, und sie wird in den einzigen Farben gezeigt die so eine Welt zulässt: Sehr viel Schwarz, und etwas weiß. Vom filmischen Standpunkt her eine wunderschöne Welt, die ihre Aufteilung in ausschließlich gut und böse, in schuldig und unschuldig, treffend illustriert weiß. Und wenn, das ist jetzt aber eine rein subjektive Feststellung, wenn Cornel Wilde ein klein wenig lebendiger spielen würde, dann wäre in meinen Augen der Klassiker perfekt. Wilde hat allerdings leider tatsächlich einen Stock im Arsch und geht kaum einmal aus sich heraus, was möglicherweise zu der unterkühlten Atmosphäre der Stadt passen mag, aber nicht zu den eruptiven Gefühlsausbrüchen. Alle Akteure, Mr. Brown und Susan genauso wie Rita oder Alicia, bestehen aus reinen Gefühlen und scheinen jederzeit am Rande eines Zusammenbruchs, an dessen Ende eigentlich immer nur Schmerz und Leid stehen können. Es gibt wenige Außenaufnahmen, und wenn, dann sind die (sehr atmosphärischen) Bilder dunkel, ja sogar finster. Die Stimmung in dieser Stadt ist böse und gleichzeitig trist, sie ist düster im besten Sinne, und war deutlich Pate für die Szenen in Robert Rodriguez‘ SIN CITY, der aber diese mit den Händen zu greifende latente Gewalttätigkeit aus BIG COMBO nicht einzufangen wusste und ganz im Stil der Zeit eine offenere Aggressivität daraus gemacht hat. Hier, im Herzen einer anonymen Großstadt, haben Brutalität und Gier nach Macht ihren Sitz, und das ist genau das was der Film zeigt: Wie man mit dem Brechen anderer Menschen zu noch mehr Macht kommt.

Großes Noir-Kino, das seine Beschränkungen in der Darstellung zu etwas Großem und Grausamen ummünzen kann, und gerade dadurch im Gedächtnis hängen bleibt.

Re: Was vom Tage übrigblieb ...

Verfasst: Di 4. Jul 2023, 05:05
von Maulwurf
Der Mörder kam um Mitternacht (Édouard Molinaro, 1959) 9/10

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Ein Mann wirft eine Frau aus dem fahrenden Zug, richtet seine Krawatte, wischt sich den Schweiß von der Stirn, und zieht die Notbremse. Ganz klar soll hier ein Mord vertuscht werden, und weil die Beweise nicht ausreichen muss der Untersuchungsrichter den Mann laufen lassen. Auch wenn er an den Unfalltod der Geliebten nicht glaubt, so sind ihm als Mann des Gesetzes die Hände gebunden. Ganz im Gegenteil zum Ehemann der Toten, M. Arcelin. Der nämlich dringt in die Villa des Mörders ein und begeht den perfekten Mord am Mörder. Zumindest fast perfekt, denn der Tote hatte noch ein Taxi bestellt, und Arcelin begegnet durch einen Zufall dem Taxifahrer, Lambert. Der ist natürlich ein Zeuge, wenn auch ein ahnungsloser, muss also beseitigt werden. Arcelin folgt Lambert durch sein Leben. Eine Affäre mit der hübschen Liliane aus der Zentrale, die Nachtschichten, seine Freunde unter den Taxifahrern, und immer wieder entgeht Lambert nur per Zufall einem sicheren Tod. Doch eines Nachts ist es endlich soweit: Arcelin steigt zu Lambert ins Taxi und dirigiert ihn an einen einsamen und dunklen Ort.

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Eine Menschenjagd in Paris. Es ist Nacht, und ein unerbittlicher Mann sucht einen anderen, der gar nicht ahnt dass er eine Beute sein könnte. Dunkle Schatten die in Autos warten. Müdigkeit. Schwärze, die Außenwelt und Seele umfasst. Ein abgeschlossener Bereich, in dem ein Jäger seine Beute versucht einzukreisen. Dabei immer wieder Störungen von außen, wie Blitzlichter die blenden. Gelächter, Liebe, Nachtschwärmer die ihren Spaß haben. Wenn Arcelin im Café steht und sich selbst im Spiegel betrachtet, geschunden, blutig, zerstört, dann weiß er dass er es auf dem Weg nach ganz unten nicht mehr weit hat. Dass er eine Abwärtsspirale betreten hat, die ihn in sein Verderben führen wird. Das wollte er doch gar nicht! In der Metro, wo er hinter Lambert steht, den er vor den fahrenden Zug stoßen will, da hindert ihn sein Gewissen noch an der Untat. Verdier, das war etwas anderes. Verdier hat ihm die Frau weggenommen. Für immer. Verdier war so etwas wie ausgleichende Gerechtigkeit. Aber Lambert? Lambert ist doch eigentlich unschuldig. Er war nur zur falschen Zeit am falschen Ort …

Eine Menschenjagd in Paris. Die nächtlichen Boulevards glitzern gegen den Regen. Zwei Flics, die ihre Fahrräder über eine Kreuzung schieben, verhindern unwissentlich, dass der Jäger seine Beute fangen kann. Leichte Mädchen an den Häuserecken, die für eine kurze Ablenkung oder für ein Alibi sorgen können. Die dunklen Straßenschluchten der Großstadt, bevölkert von einfachen und ausgestoßenen Menschen. Polizisten, Nutten, Taxifahrer, Vergnügungssüchtige. Und mittendrin diese Jagd, von der niemand etwas bemerken darf …

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Menschenjagd in Paris. Der Mörder Verdier wird gejagt, dessen Mörder Arcelin jagt den Zeugen Lambert, und am Ende wird Arcelin von den Kollegen Lamberts und der Polizei gejagt. Der absolute Höhepunkt ist erreicht, wenn der verletzte Arcelin sich durch ein Dörfchen aus stilisierten Holzhäusern jagt, eine Pistole in der Hand, und hinter ihm die unerbittlichen Männer sind die seinen Tod wollen. Hier wird die Grenze vom Noir-Thriller zum Western überschritten, und wir sehen, wie auch bereits in den großartigen Aufnahmen des nächtlichen Paris, die Liebe, welche die französischen Filmemacher in dieser Zeit für das amerikanische Kino empfanden. Wenn die Taxis ausschwärmen um auf die Jagd zu gehen, dann könnten diese Szenen auch ohne weiteres aus Detroit oder Chicago stammen. Weswegen die Musik im ersten Drittel auch Jazz ist. Teilweise sehr nervöser Jazz, der das Innenleben Arcelins, so stoisch er sich auch geben mag, schonungslos offenlegt. Das Lexikon des Internationalen Films schreibt zu DER MÖRDER KAM UM MITTERNACHT: „Spannender Kriminalfilm mit bemerkenswerter Gestaltung von Licht und Schatten“. Und wie meistens trifft der Kommentar zielsicher daneben. Licht und Schatten sind sicher die vorherrschenden Elemente im Film, aber nicht das Licht der Bistros und die Schatten in den Hausdurchgängen, sondern die Schatten auf den Seelen der Menschen, und die zwischenmenschlichen Beziehungen, die wie Licht auf diese Seelen fallen und Löcher hineinbrennen. Löcher, so groß wie Pistolenkugeln …

DER MÖRDER KAM UM MITTERNACHT ist ein meisterhafter Mix aus Noir, Großstadtthriller und Western. Der mit Gefühlen und Worten genauso virtuos umgeht wie mit Blicken und Ahnungen, und diese messerscharf genau in die Seele des Zuschauers pflanzt. Große Krimikunst, die aus den Klassikern des Noirs schöpft und die Essenz dieses Genres in einen grandiosen Film gießt. Unbedingt anschauen!

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Re: Was vom Tage übrigblieb ...

Verfasst: Fr 7. Jul 2023, 06:09
von Maulwurf
The black cat (Edgar G. Ulmer, 1934) 7/10

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15 Jahre war Dr. Vitus Werdegast in einem Gefangenenlager in Sibirien. 15 Jahre in der Dunkelheit, und nur der Gedanke an Rache hat ihn am Leben gelassen. Jetzt reist er zu dem Mann, dem er seine Gefangenschaft zu verdanken hat: Hjalmar Poelzig, der berühmte Architekt, der auf den Ruinen der Festung Marmaros sein Haus errichtet hat. 15 Jahre vorher war Poelzig der Kommandant dieser Festung, und Werdegast einer seiner Leute. Doch damals hat sich Poelzig an die Feinde ergeben und alle seine Männer ausgeliefert. Jetzt ist Werdegast im Haus Poelzigs zu Gast, doch durch unglückliche Umstände hat er zwei Gäste mitgebracht: Das junge amerikanische Ehepaar Peter und Joan Alison, das in den Flitterwochen unterwegs ist und gar nicht ahnt, in welcher Lage es sich befindet.

Die beiden alten Männer umkreisen sich wie in einem Todestanz, und beide wissen, dass nur einer von ihnen diesen Besuch überleben kann. Dabei wirkt Joans Schönheit wie ein Katalysator auf die beiden alten Männer. Werdegast ist wie verzaubert, und denkt voller Wehmut an seine geliebte Frau und seine Tochter zurück, die der damals, vor vielen Jahren, zurücklassen musste. Seiner Frau begegnet er wieder – In einem Glaskasten, perfekt konserviert, hat Poelzig der Frau, die er kurz nach dem Krieg geheiratet hat, einen Todespalast gebaut. Seine Zärtlichkeit, wenn er mit der Mumie spricht, ist überwältigend und erschütternd. Und was ist mit der Tochter Werdegasts? Die ist tot, als Kind gestorben. Doch wer ist die blonde Frau, die in Poelzigs Bett liegt, und die er als Ehefrau anspricht?

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Es stellt sich heraus, dass Poelzig nacheinander Frau und Tochter Werdegasts geheiratet hat, dass er der Anführer einer satanischen Sekte ist, und nun Gefallen gefunden hat an Joans Schönheit. Er möchte Joan seinem Kult zuführen und sie heute Abend, wenn Mondfinsternis ist, dem Bösen opfern. Werdegast weiß das, und er bietet Poelzig an, um die Seelen der beiden Unschuldigen eine Partie Schach zu spielen. Die beiden armen Menschlein wissen das natürlich nicht, und stören den Ablauf dieser Partie in dem sie das Haus verlassen wollen. Das Auto? Leider kaputt. Das Telefon. Tot. Hören Sie, Dr. Werdegast? Sogar das Telefon ist … tot …. Als Michael und Joan gehen wollen schlägt Werdegasts Diener, der jetzt in Poelzigs Diensten steht, Michael nieder und sperrt ihn in ein Verlies. Joan hingegen lernt, eingesperrt in ihrem Zimmer, noch Werdegasts Tochter kennen, bevor sie in den Keller geführt wird, wo ihr Schicksal sie erwartet. Denn Werdegast hat die Schachpartie verloren …

Ein modernistisches Haus, kalt und funktionell zugleich, das mit seinen Schrägen und Winkeln an den deutschen Expressionismus gemahnt, erbaut auf den Ruinen eines Todestempels. Fast scheint es, als ob die Geister der toten Soldaten noch umhergeistern, und tatsächlich liegt im Keller noch all das Dynamit, das für die Sprengung der Festung ursprünglich einmal vorbereitet wurde. Die Stimmung ist stickig, eng, düster. Eine Atmosphäre des Todes weht durch die Räume, und wenn Boris Karloff als Poelzig durch einen Kellergang schlendert, und all die Glassarkophage betrachtet, in denen seine verflossenen Liebhaberinnen aufgereiht sind, dann ist dieser Tod geradezu mit Händen zu greifen, und Werdegast und Poelzig werden selbst zu Geistern eines längst vergangenen Krieges. So dicht und dunkel ist das alles, dass nicht einmal der kleine lustige Polizist mit seinen Kalauern die Stimmung aufhellen kann, und der sarkastische Schluss keine wirkliche Erleichterung bietet. Karloff und Lugosi belauern sich im Halbdunkel gegenseitig, liefern sich in der Düsternis ein meisterhaftes psychisches Duell auf Leben und Tod, und der Zuschauer weiß nie so recht, wem er seine Sympathie denn nun schenken soll: Demjenigen Mann, dessen Leben zerstört wurde, und der Rache nehmen will? Oder dem anderen, der durch seine Eloquenz und seine geschliffenen Manieren so einen angenehmen Eindruck macht, und der doch das personifizierte Böse zu sein scheint? Die beiden Amerikaner dazwischen jedenfalls sind blass und bleiben blass, was aber im Angesicht solcher großartigen Schauspieler wie Karloff und Lugosi auch kein Wunder ist. Dazu kommt noch eine starke erotische Komponente: Die Frauen in den Glasvitrinen sind alle in ihrem Leichengewand aufgehängt, Julie Bishop selber darf als Joan längere Zeit in ihrem Nachthemd andeuten was sie hat, und die diesbezüglich stärkste Szene ist, wenn Michael und Joan sich im Hintergrund küssen, während sich die Kamera auf Poelzigs Hand fokussiert, welche die Statue einer nackten Frau erst liebkost und dann fest umklammert. Pure Erotik, die so subtil eingebracht wird, dass es einen schaudern lässt.

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Ein paar kleinere Merkwürdigkeiten sind aber doch zu vermerken in einem Film, der durch seine klaustrophobische und grausame Grundstimmung viel Eindruck hinterlässt: So war DIE SCHWARZE KATZE einer der ersten Filme, der fast komplett mit Musik hinterlegt wurde. Manche Themen passen hervorragend und verstärken die Stimmung, aber im großen Ganzen wäre weniger doch etwas mehr gewesen. Die titelgebende Katze selber hat ein paar denkwürdige Auftritte und fordert einiges an heftigem Overacting von Bela Lugosi, wurde aber laut Aussage von Regisseur Edgar G. Ulmer tatsächlich nur für Werbezwecke verwendet. Und zu guter Letzt bleibt die Frage offen, in was für ein merkwürdiges Verlies Michael geworfen wurde – Wo die Türen nach draußen nicht verschlossen sind …?

DIE SCHWARZE KATZE ist großes unheimliches Kino mit großen unheimlichen Schauspielern. Kein punktueller Horror mit schrecklichen Momenten, sondern eine permanente Stimmung des Grauens, die mit langen Krallen nach der eigenen Behaglichkeit greift. Wobei erstaunlich viele Momente eine hohe Grausamkeit in sich bergen: Wenn Poelzig seine Frau im Off brutal erschlägt schmerzt die Tonspur in den Ohren und der Seele, und die Bestrafung Poelzigs, seine Häutung bei lebendigem Leib, die kurz als Schattenriss an der Wand zu sehen, und danach im Hintergrund leicht zu hören ist, hat sehr ernsthaftes Potential auch heute noch zu verstören. Aber es ist einfach dieses Unheimliche, diese ständige Bedrohung die von Werdegast und Poelzig ausgeht, die sich auch im Gemüt des Zuschauers niederschlägt und Unruhe erzeugt, zusammen mit einer Ausrichtung, die man mit einem Werk von Franz Kafka vergleichen könnte: Die Sinnlosigkeit und Ausweglosigkeit der ganzen Situation, diese Absonderlichkeit, die aber als Grundlage des Ganzen für bare Münze genommen werden muss, das gibt dem Film eine besondere und unheilschwangere Note. DIE SCHWARZE KATZE beschreibt den Einbruch des gotischen Grauens in eine modernistische und kalte Welt, und diese Zusammenführung zeitigt eine so tiefschwarze Atmosphäre, dass es einen auch heute noch bis ins Mark fröstelt.

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7/10

Re: Was vom Tage übrigblieb ...

Verfasst: Do 13. Jul 2023, 05:22
von Maulwurf
Der Bulle von Tölz: Tod in der Brauerei (Walter Bannert, 1997) 7/10

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Die Tochter Franziska vom Brauereibesitzer Bachmaier, dem Inhaber des Tölzer Brauhauses, will heiraten. Doch am Morgen der Hochzeit wird der Bräutigam tot aufgefunden. Selbstmord. Benno und Sabrina erkennen sehr schnell, dass dies niemals ein Selbstmord war, sondern ein schlecht getarnter Mord. Es stellt sich heraus, dass es dem Brauhaus finanziell sehr schlecht geht, und dass die Konkurrenz in Gestalt des Geschäftsmannes Wegener nur darauf wartet, dass das Brauhaus schließen muss. Es gibt bereits neue Verträge mit den Wirten, die Bauern liefern keinen Hopfen mehr, und die Situation spitzt sich immer mehr zu: In Kürze wird es in Bad Tölz kein vernünftiges Bier mehr geben! Nur noch das widerliche Katzenbräu vom Wegener!! Und dem ist der tote Bräutigam mit seinen modernen Ideen und Verbesserungen wohl offensichtlich im Weg gestanden …

Es ist schon ein rechter Kitsch, den uns Regisseur Walter Bannert da zu Beginn zumutet. Alle Menschen in Bad Tölz tragen Tracht, singen bei der wehmütigen Blasmusik im Biergarten innig mit, und der Chef vom Brauhaus trägt sogar während der Arbeit Krachlederne und Haferlschuh. Zusammen mit dem ewigen Sonnenschein und dem heimeligen Ambiente erzeugt die erste Viertelstunde entweder Heimweh (bei Leuten wie mir, die in der Diaspora leben müssen) oder Brechreiz.
Aber Bannert kriegt schnell die Kurve, und zaubert als Gegenstück zur verkitschten Idylle einen bitteren und tiefschwarzen Wirtschaftskrimi. Wegener ist tatsächlich mit allen Wassern gewaschen und lässt die Finger von keiner Schweinerei. Er hat gute Beziehungen zu vielen Geschäftsleuten, zur Kirche, zur Bank, und sogar zur Gewerbeaufsicht, die er in seinem Auftrag ins Brauhaus schickt, dort unerfüllbare Auflagen einzufordern. Weil er ja das Museum kostenlos renoviert hat, bekommt er auch mal eben wertvolle Exponate geliehen, die seinen Anspruch auf das Brauhaus wesentlich untermauern können. Die Schlinge um den Hals der jungen Franziska zieht sich mit höchstem Tempo zu, und selbst dem Zuschauer, der ja an ein Happy End glaubt, wird es schwindelig ob der Abgefeimtheit des widerlichen Wegeners. Und so funktioniert TOD IN DER BRAUEREI überraschend gut als Gegenüberstellung von bayerischem Idyll versus übelster Geschäftemacherei. Das Ergebnis ist dann ein spannender und temporeicher Big Business-Krimi im Heimatfilmambiente, was überraschenderweise eine überzeugende Mischung ist. Und wem es übertrieben vorkommt, dass die Schließung einer lokalen Brauerei einen solchen Bohei erzeugen soll, der hat halt noch nie ein Bier einer lokalen (bayerischen) Brauerei getrunken. Der Unterschied zu dem Billiggesöff der Großbrauereien ist tatsächlich immens …