22.11.2014, Knust, Hamburg:
BERLINER WEISSE + LION’S LAW + HATEFUL + VIOLENT INSTINCT
Oi!-Punk-Konzert im Knust mit gleich vier Combos. Da mich die Freunde von VIOLENT INSTINCT netterweise auf die Gästeliste gesetzt hatten, musste ich keine 25 Flocken am Einlass latzen und kam so in den Genuss, dem ersten Gig der Band nach pünktlicher Fertigstellung ihrer Demo-CD beizuwohnen, die sie für ’nen Fünfer vertickte und die äußerst gelungen ist! Das war auch der Auftritt, wenn man auch als lokaler Opener aufgrund begrenzter Spielzeit nicht das komplette Set spielen konnte. Der mittlerweile dritte Bassist (strenggenommen der zweite, denn „der“ erste war eine Bassistin) ist nun fest dabei und macht seine Sache einwandfrei, ebenso der Rest der Bande um Sängerin Aga. Man hatte einen prima Sound auf die Leiber geschneidert bekommen und so konnte man die ausdrucksstarken deutschen 1A-Texte gut verstehen, die Aga in Top-Form leidenschaftlich ins Publikum schmetterte, das sich interessiert zeigte und den einen oder anderen zum Tanzen verleitete. Drummer Stefan lieferte wie immer eine astreine Show und Gitarrero Dennis sorgte für die feinen Melodien mit ihrem hohen Wiedererkennungseffekt. Hat mir wie immer bestens gemundet und ich freue mich auf die Platte, die im Frühjahr in Angriff genommen wird! Während ich mir dank des gesparten Eintritts das eine oder andere 0,3l-Jever vom Fass für satte 3 Taler leisten konnte („Heute nur Fassbier“, eine Alternative gab’s nicht), füllte sich der Laden weiter mit einigen bekannten Gesichtern, die zum Sabbeln einluden, aber auch KB-Merch-tragender Klientel, die solche Konzerte eben auch anzieht. Dafür wussten mich HATEFUL, drei Herren aus Glasgow im gesetzteren Alter, nach einem vielleicht nicht optimal gewählten Eröffnungssong mit zunehmender Dauer immer mehr zu begeistern, ihr schnörkelloser, klassischer Britpunk lieferte den einen oder anderen Hit zutage, der gleich beim ersten Hören zündete („Backstabber“!), strafte mich ob meiner bisherigen Ignoranz lügen und empfahl sich für meinen Einkaufszettel. Der Drummer versuchte, der vorausgegangenen Show von VI-Stefan noch einen draufzusetzen und warf ständig seine Sticks in die Luft, um sie zielsicher wieder zu fangen. Tolle Band und ein schöner Kontrast zu dem, was da noch kommen sollte. Nämlich die Franzosen von LION’S LAW, die bisher ebenfalls völlig an mir vorbeiliefen, aber flotten, dreckigen und vor allem aggressiven Oi!-Sound mit englischsprachigen Lyrics schmetterten, um dafür im mittlerweile bis zur Enge gefüllten Knust hart abgefeiert zu werden – im wahrsten Sinne des Wortes, denn im Pogo vor der Bühne ging’s richtig rund und manch einer dürfte durchaus Blessuren davongetragen haben. Ein ebenfalls sehr überzeugender Auftritt, ein schweißtreibender Oldschool-Tritt in den Allerwertesten! Ja, es lohnt sich, mal wieder regelmäßiger diese von „Hard & Smart“-Sam organisierten Konzerte aufzusuchen, um in Sachen Oi! auf dem Laufenden zu bleiben. BERLINER WEISSE nun allerdings waren nie mein Ding. Vor gefühlt 1000 Jahren hatte ich mal eines ihrer Konzerte im Osten (war’s Greifwald?) besucht, da waren die glaub ich noch relativ neu und mit schwerprolligem Deutsch-Oi! konnte man mich damals in alkoholschwangerer Partylaune noch sehr gut vor die Bühne locken. An ein weiteres Konzert in Ahrensburg habe ich aber keine Erinnerungen mehr und danach hatte ich auch keinen Bock mehr auf das Brachial-Geprolle von Bands aus dem KRAWALLBRÜDER-Klüngel, zu dem ich BERLINER WEISSE lange Zeit zählte, hatten sie doch eine Split zusammen aufgenommen, zusammen gespielt etc. eine BW-Platte am Stück hatte ich ehrlich gesagt nie gehört. Seit geraumer Zeit wollen die Berliner aber anscheinend irgendwie raus aus diesem Teil der Szene, haben eine Art Anti-„Deutschrock“-Song aufgenommen und spielen Konzerte mit einwandfreien Bands. An diesem Abend stand ich dem Gig aber skeptisch gegenüber und hatte ohnehin noch etwas anderes vor. Beim ersten Song stimmte der Sound, der bei allen vorherigen Bands bestens war, noch nicht so recht und schnell begab ich mich wieder auf Klönschnacktour, um schließlich den nächsten Abendsordnungspunkt aufzusuchen und das Knust zu verlassen. Aber was hatte ich zwischendurch mit halbem Ohr gehört? Hatten die tatsächlich „Deutschland“ von SLIME gecovert? Falls dem so war, dürfte das den einen oder anderen im Publikum sicherlich etwas irritiert haben... Mal gucken, vielleicht werd ich die BW’ler ja irgendwann mal neu für mich bewerten. Als Fazit bleibt zu sagen, dass mir persönlich naturgemäß intimere Gigs in kleineren Clubs lieber sind, Konzerte wie diese aber anscheinend derart viel Publikum ziehen, dass Läden wie das Knust nötig werden und aufgrund der „Niedrigschwelligkeit“ und Popularität von Bands wie BERLINER WEISSE viele Leute aufkreuzen, die man auf anderen Punk- und HC-Konzerten eher nicht sieht – wie eben die „KB-Fraktion“, auf die auch gut verzichten kann. Nach längerer Abstinenz mal wieder eine interessante Erfahrung mit viel guter Musik. Danke noch mal an VIOLENT INSTINCT!
29.11.2014, Hafenklang, Hamburg:
EIGHT BALLS + DIE SHITLERS
„DIE WIEDERAUFERSTEHUNG“ der EIGHT BALLS sollte es werden, jene beste deutschsprachige Oi!-Punk-Band, die bis vor wenigen Jahren regelmäßig sämtliche Würste von allen Tellern zogen und es aufgrund ihrer Kompromisslosigkeit zu überregionaler Anerkennung brachten. Die Gründe des Splits will ich hier nicht vertiefen; jedenfalls reifte in diesem Jahr der Plan, noch einmal zu einem Konzert zusammenzufinden oder gar eine richtige Reunion durchzuziehen. Das Hafenklang war seit Wochen ausverkauft und nicht nur Leute aus Hamburg und dem Umland kamen – manch einer riss eine dreistellige Kilometerzahl herunter, um dem Spektakel beizuwohnen. Dementsprechend voll war’s im Club an der Elbe bereits bei der Vorband, den SHITLERS aus Bochum. Das soll wohl irgendwie ’ne Art Punk-Satire sein und nachdem mir jemand berichtet hatte, dass der deren Gig seinerzeit im Kraken eher unlustiger Natur gewesen sein soll, stand mir danach so gar nicht der Sinn. Erwartet und gefühlt unanhörbar begann die Band dann auch und nicht nur in meinem Gesicht fand sich eine Mischung aus Fragezeichen und Desinteresse. Während ich mich in diverse Sabbeleien vertiefte, die Toiletten konsultierte und Getränke nachorderte, wurde das Treiben auf der Bühne immer turbulenter, irgendwelche Gastsänger oder so tummelten sich auf ihr oder setzten sich schlicht auf ihren Rand und auf eine irgendwie dann doch neugierig machende Weise wirkte das alles recht chaotisch. Einzelne Songs wurden angespielt, für Gelaber unterbrochen, weitergespielt, Coverversionen mit neuen Texten versehen etc. Spätestens, als ich mir die Bande ein wenig schöngetrunken hatte und sie BILLY BRAGGS „To Have and to Have Not“ in der BASTARDS-Version anstimmten, hatten sie mich dann doch irgendwie und ich beobachtete das Geschehen mit einer gewissen Aufmerksamkeit. Spielen können die ja tatsächlich, auch über das EIGHT-BALLS-Cover, mit dem sie sich vermutlich als Vorgruppe empfohlen hatten, hinaus, und tatsächlich hatten sie’s geschafft, größere Teile des Publikums auf ihre Seite zu ziehen – bei einem Oi!-Konzert alles andere als selbstverständlich. Evtl. also doch keine studentische Pseudopunk-Nummer. Die Jungs mischten sich im Anschluss auch unter’s Publikum, Berührungsängste zeigten sie keine. Werde ich wohl weiter beobachten bzw. mich mal näher mit beschäftigen müssen. Über den Auftritt der EIGHT BALLS hülle ich aus Kollegialität und freundschaftlicher Verbundenheit des Mantel des Schweigens, nur soviel: Dass da etwas nicht ganz so war wie früher, dürfte ca. die Hälfte des feierwütigen, betrunkenen oder sich sonstwie in Stimmung gebracht habenden Publikums gar nicht bemerkt haben und natürlich ließ ich mir genauso wenig den Spaß verderben, sang kräftig mit und feierte die Band ab, die über 20 Songs spielte. Auch auf der Aftershow-Party ließ ich’s noch krachen, insofern ein gelungener Abend; da beißt die Maus keinen Faden ab.
06.12.2014, Übel & gefährlich, Hamburg:
TERRORGRUPPE + RANTANPLAN
Die TERRORGRUPPE gibt’s wieder und lassen Erinnerungen an die ‘90er aufkommen, als sie zu Zeiten meines „Szene-Einstiegs“ mit wunderbar eingängigem und dabei textlich herrlich bissigem, sarkastischem Fun-Punk auf ihrem Zenit waren, ‘ne Menge Spaß machten und den Soundtrack zu manch Party lieferten. Später versuchten sie sich dann anscheinend mit kommerziellerem Gewand an der Erschließung des Mainstreams, was glaube ich in die Hose ging, jedenfalls verfolgte ich den Werdegang der Band nicht mehr weiter. Im „Übel & gefährlich“, das im Turmgebäude an der Feldstraße seit einigen Jahren verschiedenste Veranstaltungen auf mehreren Etagen bietet, war ich vorher noch nie, denn aufgrund der Größenverhältnisse sind es eher größere Dinger, die da stattfinden. Nur für die TERRORGRUPPE wäre ich auch diesmal nicht hin, aber da ein Kumpel Gästelistenplätze zugespielt bekommen hatte, gab’s nicht viel zu überlegen. In der Annahme, dass TERRORGRUPPE Headliner wären, machten wir uns zu viert, im Hinterkopf einen Opener, von dem wir noch nie gehört hatten, habend, sehr gemächlich auf den Weg, um vor Ort beim Vorglüh-Bierchen vom Blechbläser RANTANPLANs zu erfahren, dass die Berliner gerade begonnen hätten. An der Kasse dann festgestellt, dass die Bude ausverkauft war, so dass derjenige von uns, der zahlen wollte, kurzerhand den GL-Platz von demjenigen bekam, den das alles am wenigsten interessierte und der mit seiner Flamme direkt gen Lobusch weiterzog. Also zu zweit hinein, mit dem Fahrstuhl in den vierten Stock (!) und durchgedrängelt. Die TERRORGRUPPE war gut in Form, spielte einige alte Hits wie „Mein Skatebord ist wichtiger als Deutschland“, „Namen vergessen“, „Sozialer Misserfolg“ etc. und wurde gebührend gefeiert. Von mir aus hätte das Ganze gern auf sagen wir mal drei Stunden ausgedehnt werden dürfen, denn gute Songs hätte man genug gehabt. Aufgrund des für mich unverständlichen Vorgruppen-Status war die Spielzeit aber natürlich begrenzt und so verabschiedete man sich mit einem Schuss aus der Konfetti-Kanone (ist das noch Punk?) und wenigen Zugaben. Das nächste Mal bitte im Hafenklang, von mir aus zwei Tage hintereinander. Danke! Nun also RANTANPLAN, die sich mittels Hamburger Arroganz auf den Headliner-Posten gemogelt hatten und auf die ich eigentlich gar keinen Bock hatte. Die ersten beiden Alben damals waren erste Sahne, genialer, eigenständiger Ska-Punk mit geilen Texten. Dann aber verließ Markus Wiebusch leider die Band und so fehlte fortan die charismatische Stimme. Das nächste Album hatte ich mir nach einem für mich enttäuschenden Konzert im Schlachthof erst gar nicht mehr angehört, das ging anscheinend alles verstärkt in Richtung Teenie-Ska-Punk und wurde für mich uninteressant. Vor ‘nem Jahr oder so hatte ich dann mal ‘n Interview mit dem Kopf der Band im Plastic Bomb gelesen, das auch nicht unbedingt dazu beitrug, dass mir die Band sympathischer wurde. Nun waren wir aber schon mal da und beschlossen, der Band ‘ne Chance zu geben – doch direkt beim ersten Song war meine Schmerzgrenze erreicht. Austauschbarer, auf Fröhlichkeit getrimmter, deutscher Ska-Punk für ein junges Hipster-Publikum, dargeboten von (vom bereits erwähnten Bläser mal abgesehen) Menschen mit seltsamen Scheitelfrisuren und ausdrucksloser Stimme. Selbst ein alter Kracher à la „Zombie-Che“ klang plötzlich mistig, wie durch den Weichspüler gedreht. Nee, wir suchten das Weite bzw. Unweite, denn die Lobusch, die ein HC-Konzert zu bieten hatte, war nicht weit. Der Fairness halber sei aber noch erwähnt, dass das Ü&G-Personal vom Kassenknecht über Tresenteam bis zum Garderobenmenschen sehr entspannt und hilfsbereit trotz voller Bude war und die Örtlichkeit allgemein einen wesentlich besseren Eindruck auf mich machte als zuvor befürchtet.
06.12.2014, Lobusch, Hamburg:
SENSE + SCATTERED HOPES + THEMOROL
Während RANTANPLAN also noch im Übel & gefährlich spielten, zog es uns in die Lobusch, wo wir unsere Freunde wiedertrafen und THEMOROL gerade fertig waren, ich mir aber trotzdem meinen zweiten Stempel des Abends abholte. Für SENSE lohnte sich der Fünfer auch auf alle Fälle, denn die Bremer boten Hardcore-Punk mit männlich/weiblichem Wechselgesang, ordentlich Dampf und einigen feinen Melodien und coverten stilsicher „Tradition“ von den NEUROTIC ARSEHOLES – oder war’s der gleichnamige Song von den MIDDLE CLASS FANTASIES? Bin mir im Nachhinein nicht mehr sicher – sowie „Menschenfresser“ von RIO REISER. Gute Band, die wat kann! In sehr angenehmer Atmosphäre nahm so der fortgeschrittene Abend seinen Lauf, bis plötzlich SCATTERED HOPES mit ’nem Crust-Gewitter zu lärmen begannen und mich daran erinnerte, langsam mal nach Hause zu müssen, allein schon, weil ich mir aus Zeitgründen nicht die Nacht um die Ohren schlagen wollte. So trat ich den geordneten Rückzug an, gehe aber mal davon aus, dass in der Lobusch noch lange weitergefeiert wurde.