Straßenfeger 09 - Es muss nicht immer Kaviar sein (Deutschland 1977, Originaltitel: Es muß nicht immer Kaviar sein)
Europa, kurz vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs. Thomas Lieven (Siegfried Rauch) ist Deutscher, er lebt und arbeitet in London. Als Mitinhaber eines Bankhauses hat er es bereits weit gebracht, doch sein Geschäftspartner bootet ihn auf hinterhältige Art und Weise aus. Er lässt Lieven nach Deutschland fliegen, wo dieser in die Fänge der Gestapo gerät. Major Loos (Herbert Fleischmann) "befreit" Lieven aus den Klauen der gefürchteten Organisation, Loos möchte ihn für die deutsche Spionageabwehr als Agent gewinnen. Widerwillig stimmt Lieven zu, er denkt jedoch nicht im Traum daran, seine Zusage einzuhalten, tatsächlich für einen Geheimdienst zu arbeiten. Als er freudig auf englischem Boden landet, verweigert man ihm dort die Einreise, es sei denn, er erklärt sich bereit für den britischen Geheimdienst tätig zu werden. Lieven lehnt das Angebot ab, fliegt umgehend weiter nach Paris, wo ihn eine Unterkunft samt Freundin erwartet. Doch auch in Frankreich lässt man den jungen Mann nicht unbehelligt, will ihn als Agent verpflichten. Da Lieven nun keine Ausweichmöglichkeiten mehr in der Hinterhand hat, begibt er sich unter die Fittiche der Franzosen. Während des Zweiten Weltkriegs wird Thomas Lieven unzählige Abenteuer erleben, immer wieder zwischen die Mühlsteine der verfeindeten Parteien geraten, mit einigen schönen Frauen das Bett teilen. In dieser wilden und gefährlichen Zeit, wird Lieven nie seine Leidenschaft für das Kochen verlieren. Auch wenn es nicht immer für Kaviar reicht...
Schon seit einiger Zeit wollte ich den Einstieg in die DVD-Reihe "Straßenfeger" wagen, mit "Es muss nicht immer Kaviar sein" ist der Startschuss nun endlich gefallen. Dreizehn Folgen lang, die jeweils eine knappe Stunde dauern, begleiten wir Thomas Lieven quer durch Europa. Der Roman von Johannes Mario Simmel wurde bereits in den frühen sechziger Jahren verfilmt, zwei Kinofilme waren das Ergebnis dieser Bemühungen. Die Fernsehserie kann den Charakteren natürlich mehr Raum zur Entfaltung gewähren, was Dank der sehr guten Besetzung für viel Freude und gute Unterhaltung sorgt. Die Ausstattung kann sich ebenfalls sehen lassen, und die Drehorte wurden mit Sorgfalt ausgewählt. Thomas Engel inszeniert angenehm unhektisch, wobei die eine oder andere Episode vielleicht eine Prise mehr Tempo gut vertragen hätte. Doch selbst wenn einmal nicht so furchtbar viel los ist, macht es einfach Spass den Schauspielern bei der Arbeit zusehen zu dürfen. Ein Lob für die sehr einprägsame Musik von Martin Böttcher will ich nicht unterschlagen.
Die Besetzung werde ich nur kurz betrachten. Bei der großen Anzahl von Akteuren, würde schnell der Rahmen dieses Kurzkommentares gesprengt. Alle Mitwirkenden liefern gute Leistungen ab, ich möchte einige Schauspieler stellvertretend für das gesamte Ensemble würdigen. Siegfried Rauch passt perfekt in die Rolle des Lebemannes Thomas Lieven. Er stellt eindrucksvoll unter Beweis, dass ein Mann nicht schön sein muss, sondern die Damen mit Charme und Kochkunst um den Finger wickeln kann. Schlitzohr Lieven findet immer einen Ausweg, obschon die Luft mehrfach knapp wird, er sich auf bedenklich dünnem Eis bewegen muss. Thomas Lieven ist kein Superheld, der sich seinen Weg notfalls prügelnd und ballernd freischaufelt, er löst die anstehenden Aufgaben mit Klugheit und liebenswerter List, Gewalt ist ihm ein Graus. Heinz Reincke sehen wir als Lievens treuen Freund Bastian, der sich als Mitglied einer französischen Gaunerbande durchs Leben schlägt. Hier und da kann Reincke seine norddeutsche Herkunft nicht leugnen, was zu sehr putzigen Momenten führt. Als Franzose geht der in Kiel geborene Reincke nicht durch, doch er macht dies durch seine ausgeprägte
Knuffigkeit wett. Sehr gut hat mir Herbert Fleischmann als überforderter Major Loos gefallen, der ständig von Lieven an der Nase herumgeführt wird. Wenn Fleischmann verzweifelt und verschwitzt an Lievens Hacken hängt, ist für einige Schmunzler gesorgt. Günther Stoll und Rolf Schimpf sehen wir ebenfalls als deutsche Offiziere, Gert Günther Hoffmann hat den Part des menschenverachtenden SS-Ochsen erwischt, den er mit kalter Konsequenz vorträgt. Erik Schumann und Rainer Penkert geben die alliierten Gegenspieler zum Besten. Die Knubbelfraktion taucht in Form von Günther Kaufmann und Dan van Husen als Schläger auf, Christian Rode als wichtiger Kopf des französischen Widerstands. Um die Damenriege ist es keinesfalls schlechter bestellt, hier ein ganz kurzer Einblick. Nadja Tiller sehen wir als spielsüchtige Witwe eines südamerikanischen Konsuls, die sich gern ihrem Hang zur Hysterie hingibt, grossartig! Marisa Mell lässt sich als Chefin einer Gaunerbande nicht lumpen, sie hält Lieven mit ihrer unbändigen Leidenschaft, ihrem ungezügelten Temperament auf Trab. Hildegard Krekel ist süss, Diana Körner nett, Simone Rethel hübsch.
Der Erzählung gelingt es souverän, einen Deutschen während des zweiten Weltkriegs, als Menschen mit Moral und Anstand ins Zentrum der Handlung zu setzen. Selbst die Offiziere der deutschen Seite werden nicht als blutrünstige, skrupellose Monster gezeigt, Ausnahmen bestätigen die Regel. Trotzdem verharmlost oder verniedlicht "Es muss nicht immer Kaviar sein" die Naziherrschaft zu keiner Zeit, ein Autor wie Simmel ist frei von derartigen Verdachtsmomenten. Die Serie meistert den schwierigen Balanceakt scheinbar mühelos. Für eine TV-Serie aus den siebziger Jahren geht es manchmal regelrecht frivol zu, blanke Brüste waren zu dieser Zeit noch nicht selbstverständlich, zumindest nicht im Fernsehen (Ok, bei "Derrick" zog man schon wenige Jahre zuvor blank). Die Kochleidenschaft der Hauptfigur hat man hervorragend in die Serie eingewoben. Nach dem Abspann eilt Siegfried Rauch dem Zuschauer entgegen, stellt nach jeder Folge ein interessantes Rezept vor. Aus heutiger Sicht wirkt manche dieser Kompositionen eventuell ein wenig "rustikal", aber wie war das noch mit dem Kaviar...
"Es muss nicht immer Kaviar sein" begleitete mich nun rund eine Woche, fast jeden Abend schaute ich mir zwei Folgen an. Auch -wie ich bereits schrieb- wenn die Handlung manchmal eine Spur zu beschaulich abläuft, wird immer wieder die Lust auf die nächste Folge geweckt. Simmels Romanvorlage ist noch nicht von dieser bissigen Bitterkeit geprägt, die z.B. mein liebstes Buch des Schriftstellers auszeichnet (Alle Menschen werden Brüder, 1967). Die TV-Auswertung überlässt erfreulicherweise einiges der Phantasie des Zuschauers. Man sollte keine Paukenschläge zum Finale erwarten, der Ausklang ist ruhig und unspektakulär, wir gleiten gewissermaßen sanft in die heutige Welt zurück.
Grosses Lob verdient das Boxset, welches uns "Es muss nicht immer Kaviar sein" auf insgesamt fünf DVDs präsentiert. Das Material wurde sorgfältig aufbereitet, mit der gebotenen Qualität bin ich sehr zufrieden. Das Bonusmaterial gibt einen rührigen Beitrag über Johannes Mario Simmel her. Ferner sehen wir ein Interview mit Siegfried Rauch, in dem der Fragesteller leider ein wenig zu zaghaft unterwegs ist. Die DVDs sind in zwei schicken Digipaks untergebracht, die gemeinsam in einem Schuber stecken, dem Set liegt ein Booklet bei.
Fazit: "Es muss nicht immer Kaviar sein" wird nicht lange allein im Regal bleiben, weitere "Straßenfeger" werden den Weg in meine Sammlung finden. Gut = 7/10
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Zur Auflockerung gab es nebenbei zwei Stallone-Klassiker.
"Cliffhanger" (1993) macht immer wieder jede Menge Spass, ein kurzweiliger Kracher der besten Sorte. Sehr gut bis überragend = 8,5/10. Noch besser gefällt mir der Cannon Knüller
"Cobra" (Die City Cobra, 1986), der zu meinen Lieblingsfilmen von Stallone gehört. Sinnlos, überzeichnet und extrem verehrungswürdig = 9/10 (überragend)!