Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt
Verfasst: Sa 2. Jul 2011, 00:25
Craze – Dämon des Grauens
„Deine demütigen Diener danken dir!“ (welch schöne Alliteration)Neals Geschäfte mit afrikanischen Antiquitäten laufen sehr schlecht. Doch im Keller seines Geschäfts betet er zusammen mit einer kleinen Sekte den Götzen des Gottes Chuku an. Eines Abends ermordet Neal dort aus Versehen eine Frau und der Dämonengott nimmt das Blutopfer dankend an und beschert ihm eine große Menge Goldmünzen. Neal fühlt sich fortan dem Dämon verpflichtet und begeht eine ganze Reihe grausamer Ritualmorde...
Regisseur Freddie Francis’ („Frankensteins Ungeheuer“, „Nachts, wenn das Skelett erwacht“ und etliche Briten-Grusler mehr) 1973er Symbiose aus Horror- und Kriminalfilm „Craze – Dämon des Grauens“ beginnt schon einmal wunderbar trashig: Eine splitternackte exotische Schönheit versucht sich gegenüber einer lächerlichen Holzskulptur mit grünen Glotzaugen in modernem Ausdruckstanz und schlitzt sich anschließend selbst den Bauch auf. Dies sollte ein Opfer für die dämonische Gottheit Chuku (nicht „Craze“, wie der deutsche Titel irrtümlich vermuten lassen könnte) sein, dargestellt durch eben jene Skulptur im Keller des notorisch erfolglosen Antiquitätenhändlers und Sektengurus Neal Mottram (Jack Palance, „Mercenario - Der Gefürchtete“), der dort regelmäßig eigenartige Beschwörungsriten mit einer Gruppe desorientierter Anhänger abhält. Als Mottram jedoch eines Abends aus einem Streit resultierend aus Versehen tatsächlich eine Frau in den Tod schickt, indem sie die unsanfte Begegnung mit den spitzen Zacken der Skulptur nicht überlebt, scheint sich eine Glückssträhne in Mottrams Leben anzubahnen. Nur allzu verständlich, dass er nicht lange fackelt und sich auf die Suche nach weiteren Opfern macht...
Da bleibt natürlich nicht aus, dass die Polizei die Ermittlungen in diesen Mordfällen aufnimmt und bald auf seiner Spur ist. Der Film lässt den Zuschauer fast gleichberechtigt an Mottrams zunehmendem Verfall in seinen Tötungswahn und der Arbeit der Polizei teilhaben, legt dabei einen weniger grafischen, als mehr von den Ideen her kruden Härtegrad an den Tag (Verbrennungen bei lebendigem Leibe...) und setzt statt auf nervenzerreißende Spannung oder tiefe Einblicke in Mottrams Psyche mehr auf eine entspannte, dialogreiche Vorgehensweise, die dabei aber so britisch-charmant und angenehm unaufgeregt ausfiel, dass er mir persönlich an einem faulen Samstagvormittag im Bett gerade recht kam. „Craze“ verfügt über diesen sympathischen Flair, der sich aus Zeit- und Lokalkolorit sowie typischen Zutaten kleiner, britischer Genrefilme zusammensetzt und mit Jack Palance über einen namhaften Hauptdarsteller, der mit seinem eigentlich nicht sonderlich spektakulären Schauspiel den Film deutlich aufwertet. Es macht einfach Spaß, ihm zuzusehen, seinen perfiden Plänen, seinen Vertuschungsversuchen, und natürlich seinen Dialogen mit der Polizei und mit seinem Partner zu lauschen.
Sonderlich viel Tiefgang darf man dabei nicht erwarten, Hintergrundinformationen zum ominösen Dämon bekommt man kaum, leichte Unterhaltung hat Vorrang vor verstörendem Horror, ein bisschen sleazig wird’s hier und da, geschickterweise bleibt es der Phantasie des Zuschauers überlassen, inwieweit Chuku tatsächlich zunächst positive Auswirkungen auf Mottrams Leben hat oder ob es sich um eine Reihe von Zufällen handelt, die eine unersättliche Gier in Mottram auslösen, ähnlich wie bei Suchtkranken – aber ein interessanter Aspekt ist mir dann doch noch aufgefallen: Die angedeutete Homosexualität Mottrams. Er lebt und arbeitet mit einem Jüngling zusammen, den er, wenn ich mich recht entsinne, „von der Straße“ geholt hat, zudem scheint er sich für Frauen ausschließlich in ihrer Rolle als Chuku-Opfer zu interessieren und nicht etwa sexuell, was insbesondere in den köstlichen, komödiantisch angehauchten Szenen mit der drallen Dolly (Diana Dors, „Theater des Grauens“) deutlich wird. Offen ausgesprochen oder gar eindeutig belegt wird seine Homosexualität indes nicht. Spielte man da evtl. mit der in unaufgeklärteren Zeiten verbreiteten Angst vor frauenhassenden Schwulen?
Wie auch immer, mit „Craze“ haben mich Francis, Palance & Co. auf dem richtigen Fuß erwischt, so dass in meine positive Bewertung evtl. bereits der gernzitierte, hoffnungslos subjektive Wohlfühlfaktor eingeflossen ist.