Re: Möpse, Mettgut, Mainstream! Die Verfehlungen des Herrn Blap.
Verfasst: Do 10. Mär 2011, 22:21

The Train (Frankreich, Italien, USA 1964, Originaltitel: The Train)
Kunstraub im grossen Stil
Im August 1944 steht Paris die Befreiung durch die Truppen der Alliierten bevor. Ein Offizier der Wehrmacht und Kunstliebhaber namens Oberst von Waldheim (Paul Scofield), will um jeden Preis etliche Gemälde nach Deutschland schaffen. Es ist ihm völlig gleichgültig, dass es sich um Werke von Picasso, Miró und anderen Malern handelt, die von den Nazis als "Entartete Kunst" eingestuft wurden. Flugs werden die Bilder in Kisten verpackt, per Zug soll das unschätzbar wertvolle Transportgut ins Deutsche Reich geschafft werden. Paul Labiche (Burt Lancaster) arbeitet als Fahrdienstleiter bei der SNCF, gleichzeitig ist er aktives Mitglied in der Résistance. Zunächst ist er nicht sonderlich von der Idee angetan, womöglich viele Leben für die Rettung der Kunstschätze aufs Spiel zu setzen. Doch der leidenschaftliche Vortrag der Museumskuratorin Mademoiselle Villard (Suzanne Flon) hinterlässt Spuren, die Résistance will versuchen den Zug nicht nach Deutschland entkommen zu lassen. Eine erste Sabotage wird schnell aufgedeckt, der alte Lokführer Papa Boule (Michel Simon) bezahlt seine Tat mit dem Leben. Labiche wird mit der Reparatur der Lokomotive beauftragt, gleichzeitig setzt Oberst von Waldheim ihn als Lokführer ein. Mit allen Tricks versuchen die Widerstandkämpfer den Zug zu stoppen, umzuleiten oder irgendwie zu sabotieren. Die Mission fordert viele Menschenleben, doch weder die Résistance noch von Waldheim wollen nachgeben...
John Frankenheimer ist mit "The Train" ein unterhaltsamer und überwiegend spannender Kriegs-/Actionmix gelungen. Der Film wurde mit ansehnlichem Aufwand realisiert, bietet eine ansprechende Atmosphäre und ist stark besetzt. Zwar bin ich auch Schwarzweiß-Produktionen zugetan, doch in diesem Fall wäre man IMHO mit Farbe deutlich besser unterwegs gewesen. Der Verzicht auf Farbe passt nicht unbedingt zur eher modernen Ausführung (bezogen auf den Zeitpunkt der Entstehung), trotzdem macht der Streifen auch in Schwarzweiß durchaus Freude.
Immer wieder stellt man sich die Frage, ob der Erhalt/Besitz von Kunstwerken den Einsatz von Menschleben rechtfertigt. So packt die Dame aus dem Museum (Suzanne Flon) schliesslich die Nationalstolzkeule aus, um die Widerständler von der Wichtigkeit des Einsatzes zu überzeugen. Das Drehbuch zieht sich an dieser Stelle geschickt aus der Affaire, denn man stellt Mademoiselle als äusserst sympathisch und verständnisvoll dar. Liefert "The Train" eine Antwort auf die bohrende Frage? Nicht unbedingt, denn in erster Linie verlässt man sich dann doch auf die negative Wirkung der Nazis, die freichlich bestens als universelle Bösewichter taugen. Immerhin muss man einräumen, dass nicht alle Deutschen als stumpfsinnige Killermaschinen gezeichnet sind. Der Fanatismus des Oberst von Waldheim scheint sich zunächst nahezu ausschliesslich auf die Kunstwerke zu richten. Nach und nach wird diese Aussage ein wenig untergraben, doch letztlich scheint die Liebe zur Kunst tatsächlich die Triebfeder des Offiziers zu sein. Fehlgeleitet durch den rücksichtlosen Gebrauch von Macht, an der Schwelle zum Wahnsinn in perverser Unmenschlichkeit gipfelnd.
Burt Lancaster taugt zum Helden, sein Spiel ist durchgehend solide. Die wahren Stars des Films sind für mich jedoch in den kleineren und größeren Nebenrollen zu finden. Der leider 2008 verstorbene Engländer Paul Scofield, ist mit seiner erstklassigen Darbietung für mich das schauspielerische Glanzlicht des Werkes. Je waghalsiger und verzweifelter der Widerstand versucht ihn zu sabotieren, umso fanatischer und rücksichtloser werden seine Gegenmaßnahmen. Im Finale wandelt er dann tatsächlich auf dem schmalen Grat zwischen Fanatismus und Wahnsinn, ich will aber nicht zu viel verraten. Wolfgang Preiss sehen wir als Major der Wehrmacht, der stets pflichtbewusst agiert, sich aber nicht blindwütigem Wahn hingibt. Michel Simon scheidet als "Papa Boule" frühzeitig aus, hinterlässt trotzdem einen nachhaltigen Eindruck. Charaktergesichter wie Howard Vernon, Donal O'Brien und Arthur Brauss runden das Ensemble ab. Suzanne Flon hat einen kurzen und sehr kraftvollen Auftritt, Jeanne Moreau überzeugt als selbstbewusste Betreiberin eines kleines Hotels.
Für heutige Sehgewohnheiten mag "The Train" vielleicht ein wenig zu langsam in Fahrt kommen. Mir gefällt das Erzähltempo jedoch gut, Frankenheimer dreht beständig an der Spannungsschraube. Da ich sowieso eine Vorliebe für Filme hege, die irgendwie mit Zügen, Eisenbahn und dem "Drumherum" zu tun haben, hat der Flick bei mir leichtes Spiel. Nicht zu vergessen, dass die WWII-Thematik mich nicht minder fasziniert. Kein herausragender Beitrag, aber ansprechend und sehenswert.
MGM hat sich mit der DVD nicht viel Mühe gemacht. Leider gehen die Major Label meist wenig sorgfältig mit ihren Backkatalogen um. So sucht man Boni vergeblich, abgesehen von einem Trailer. Die Bildqualität ist überwiegend brauchbar, doch in dunklen Szenen sind teils Streifen zu sehen, die horizontal durch das Bild laufen (Das liest sich schlimmer als es tatsächlich ist, man kann mit der Scheibe leben).
7/10 (gut)
Lieblingszitat:
"Ich habe die Schnauze voll! Restlos voll!"