Re: Die gemütliche DELIRIA-LITERATUR LOUNGE
Verfasst: Do 8. Feb 2018, 00:30
Als Kleinkind wurden mir diverse Bücher vorgelesen und als Grundschüler machte ich mich selbst an eine ganze Reihe Kinderbücher, wenn ich auch hauptsächlich Comics konsumierte. Klassische Jugendliteratur hingegen habe ich kaum gelesen. Die schwedischen Vettern Sören Olsson und Anders Jacobsson, ausgebildete Lehrer, haben eine fünfzehnbändige Jugendbuchreihe um den pubertierenden Bert Ljung verfasst, die sein Leben vom zwölften bis zum 17. Lebensjahr skizziert. Von 1987 bis 1999 erschien sie im schwedischen Original, von 1990 bis 2005 schließlich ins Deutsche übersetzt bei der Hamburger Verlagsgruppe Friedrich Oetinger. Offenbar allen gemein ist, dass sie ausschließlich aus Berts Tagebucheinträgen bestehen, der Erzähler also gleichzeitig die Hauptfigur ist. Als ich die Bände 5 bis 9 im Tauschschrank entdeckte, offenbar ausgemustert von einer Bücherei, griff ich nach etwas Überlegung neugierig zu, nicht zuletzt aufgrund der ansprechenden bunten Einbandgestaltung. Band 5, „Berts hemmungslose Katastrophen“, 1991 bzw. 1995 erschienen, hatte ich mir nun unlängst einmal zu Gemüte geführt, denn das Thema „Coming of Age“ ist zumindest im Filmbereich oftmals ein gerngesehenes.
Die einzelnen Tagebucheinträge sind jeweils mit Datum versehen, beginnend mit dem 2. Januar. Neu ist, dass die Einträge nur noch mit Abstand von jeweils einer Woche von Bert verfasst werden, zumindest war dies laut seinen einführenden Angaben zuvor anders. Der zu Beginn noch 13-, bald jedoch 14-jährige Bert beschreibt, wie er sich in Mitschülerin Emilia verliebt und ihr näher kommt, was er mit seinen besten Freunden, dem verrückten Arne und dem schwindsüchtigen, entwicklungsverzögerten Erik, erlebt und wie er seinen Ferienjob in einer Eisdiele meistert. Dass die Texte nicht wirklich von einem 14-Jährigen bzw. wenn, dann von einem schriftstellerisch hochtalentierten verfasst wurden, wird trotz der um Jugendlichkeit bemühten Schreibweise schnell deutlich, denn dafür ist sie humoristisch zu pointiert und zu wenig naiv, zudem unschwer zu erkennen an ein Publikum gerichtet, weniger ein intimes Zwiegespräch mit sich selbst. Daraus resultiert jedoch eine gute Les- und Nachvollziehbarkeit; zielstrebig wird die Geschichte verfolgt, die sich trotz einiger Irrungen stets positiv für Bert entwickelt. Im Vordergrund stehen weniger die verwirrte pubertäre Gefühlswelt angesichts der ersten Liebesbeziehung als vielmehr eine extrem lockere Schreibe und viel mitunter ins Absurde gleitender Humor, der evtl. – das kann ich nicht beurteilen – die angepeilte Zielgruppe begeistern mag, mir persönlich jedoch zu konstruiert und unrealistisch übertrieben erscheint. Positiv fällt indes Berts Hang zur Selbstironie auf, der pubertätsgeplagten Lesern indirekt evtl. mögliche Bewältigungsformen für ihre Probleme mit auf den Weg gibt. Bert selbst scheint nicht unbedingt in einer Bilderbuchfamilie, aber generell durchaus behütet aufzuwachsen. Dass und wie er in eine zarte Beziehung zu Emilia gerät, geschieht überraschend zwischenfallsfrei und problemarm, diesbzgl. wäre sicherlich mehr drin gewesen – gerade auch, was die Interessen und Fragen der Leser betrifft. Und wovon in anderen Fällen ganze Bücher handeln, nämlich die Gründung einer Rockband, unzählige Proben und schließlich die heiß ersehnten ersten Auftritte, passiert hier scheinbar von einer Buchseite auf die andere und schon tritt die vorher mit keiner Silbe erwähnte Kapelle Berts und seiner Freunde live auf. Das scheint mir nicht nur eine vertane Chance zu sein, die Geschichte mit interessantem Gehalt zu füllen, sondern dürfte auch ein vollkommen falsches Bild vermitteln.
Wenn Erwachsene Jugendbücher schreiben und möglichst nah dran an den Protagonisten sowie am Leser sein wollen, ist das mit der Jugendsprache natürlich immer so eine Sache. Auch hier scheint sich mir manch Ausdruck eingeschlichen zu haben, der mir weniger aus dem tatsächlichen Sprachschatz der Jugend als dem, was die Autoren dafür halten, zu entspringen scheint. Möglicherweise ist dies aber auch schwedischem Lokal- und Zeitkolorit in Kombination mit der deutschen Übersetzung geschuldet. Dass Bert seine Einträge stets mit einem kurzen Reim schließt – meist „Hip hop – alles top“ –, liest sich für mich wie ein Indiz für eine Pseudo-Coolheit, die zu Bert in Anbetracht seines sonstigen Schreibstils nicht so recht passen will, evtl. aber schlicht von den Autoren als tatsächlicher Ausdruck von Wortwitz und Lässigkeit betrachtet wurde.
Das 144-seitige Buch mit seinen relativ großen Lettern wurde um einige Schwarzweiß-Illustrationen Sonja Härdins ergänzt, die in ihrem karikierenden Stil einen visuellen Eindruck von Bert und Konsorten vermitteln. Ob es ebenso harmlos und glücklich für Bert weitergehen wird, wird vermutlich der sechste Band zeigen. Ob ich den nun unbedingt auch noch lesen muss, steht allerdings auf einem anderen Blatt...