Den folgenden Bericht gibt's auch reichlich bebildert unter
http://www.pissedandproud.org/22-24-05- ... ival-2015/
22.-24.05.2015, Amphitheater, Gelsenkirchen:
ROCK-HARD-FESTIVAL 2015
Nun treibe ich mich ja vornehmlich in der Punk-Szene rum, doch zwei Herzen schlagen ach in meiner Brust: Tatsächlich höre ich schon Metal seit seligen Kindheitstagen, als ich mit Punk noch gar nicht in Berührung gekommen war geschweige denn überhaupt wusste, was das ist. Bis auf ein paar Jährchen in meiner Sturm-und-Drang-Zeit, als ich bis auf ein paar übliche Verdächtige wie IRON MAIDEN, VENOM und möglichst aggressive Thrash-Standards kaum Metal gehört hatte und mich auch nicht mehr dafür interessierte, begleitete mich auch diese Musik eigentlich immer und heutzutage höre ich sie längst wieder gleichberechtigt neben Punk in all seinen Spielarten und Artverwandtem. Während in punktechnisch eher mauen Zeiten in den ’80ern viele besonders auf Thrash und Metal-/Hardcore-Crossover à la D.R.I. & Co. abfuhren, drifteten beide Subkulturen irgendwann doch wieder stark auseinander, mitunter galt und gilt Punk und Metal in der jeweils anderen Szene gar als Schimpfwort. Das ist natürlich Quatsch, da steh’ ich drüber, die ganz großen Widersprüche sehe ich nicht und letztlich stehe ich eben in erster Linie auf handgemachte Stromgitarrenmusik, unabhängig vom Etikett, das darauf prangt. Obwohl ich mich in beidem doch recht zuhause fühle – man darf sich das in etwa so verstellen wie bei Kindern, die zweisprachig aufgewachsen sind –, gehe ich doch eher selten auf Metal-Konzerte, habe mehr Aktien im Punk-Underground als beim Heavy-Nachwuchs und dementsprechend auch mehr Kontakte in der wesentlich weniger langhaarigen Szene. Mit der weiteren Ausführung der Gründe möchte ich jetzt nicht langweilen, Fakt ist, dass es mich ab und zu doch mal packt und ich den Drang verspüre, mal wieder auf so’ne mehrtägige Massenveranstaltung zu fahren – insbesondere seit nach jahrelangen regelmäßigen Force-Attack- und Endless-Summer-Besuchen Punk-Festivals mehr oder weniger an Reiz für mich verloren haben. So war ich 2010 und 2011 in Wacken, wo es mir allen Unkenrufen zum Trotz ganz ausgezeichnet gefallen hatte, ich den etwas anderen Umgang der Leute untereinander und den stärkeren Fokus auf die Musik genoss und manch Gelegenheit wahrnahm, mir Bands, zu denen ich eigentlich nicht auf normale Gigs gehen, geschweige denn mir mal eben ihre Diskografie zulegen würde, in aller „Ruhe“ reinzuziehen und auf mich wirken zu lassen, allein schon, um meine Neugier zu befriedigen und mir Meinungen aus erster Hand zu bilden. Oder anders gesagt: Wenn ich mal zur Ruhe kommen will, besuche ich ein Metal-Festival... Da ich regelmäßig das „Rock Hard“-Magazin lese, wusste ich, dass die Redaktion bereits seit vielen Jahren das Rock-Hard-Festival organisiert. Ich hatte bisher fast ausschließlich Gutes darüber gehört und gelesen und die regelmäßigen „Rockpalast“-Ausstrahlungen im WDR mit Zusammenschnitten der Veranstaltungen vermittelten stets den Eindruck eines im Gegensatz zum Wacken Open Air beispielsweise alles andere als überdimensionierten, eher gemütlichen Festivals bei meist geeignetem Wetter in wahrlich pittoreskem Ambiente, nämlich dem des Gelsenkirchener Amphitheaters direkt am Rhein-Herne-Kanal. Oftmals sagte mir das Band-Aufgebot allerdings nicht allzu sehr zu, zuviel, das mich nicht interessierte, war i.d.R. dazwischen. Als ich dieses Jahr allerdings las, dass ARCHITECTS OF CHAOZ um Ex-Iron-Maiden-Röhre Paul Di’Anno, REFUGE (die RAGE der späten ’80er und frühen ’90er) und meine alte Leib-und-Magen-Band VENOM auftreten sollten und auch der Rest sich zumindest nicht uninteressant las, man mit KREATOR sogar eine absolute Thrash-Granate zu bieten hatte, reifte langsam aber sicher der Entschluss, dieses Jahr erstmals teilzunehmen. Die meisten meiner Freunde aus der Punk- und HC-Szene wollen leider nie mit, rümpfen abfällig die Nase und hören wahrscheinlich heimlich SCORPIONS. Doch ich kontaktierte Todesmaschine Karsten, den Feindhammer aus Altona, mit dem ich 2010 nach Wacken gefahren war und der mir 2011 noch den Eintritt vermittelte, als schon längst alles ausverkauft war. Wir beschlossen, zusammen runter zu fahren, doch leider verstarb mein Freund plötzlich und unerwartet vor wenigen Monaten. Als ich den Schock fürs Erste überwunden hatte, fand ich schnell zwei weitere Mitstreiter, die mir zusagten, mich zu begleiten. Als ich wenige Tage vor Beginn des Festivals dann konkret planen wollte, sprangen beide ab bzw. meldeten sich erst gar nicht mehr zurück. Einer von beiden hatte immerhin die Eier, sich zu entschuldigen, plausible Gründe zu nennen und stand mir während der drei Tage als Chat-Partner immer mal wieder zur Verfügung, denn er verfolgte das Festival im Live-Stream. Der andere hat sich mittlerweile auch in aller Form entschuldigt, alles wieder gut. Wie ich’s aber irgendwie bereits geahnt hatte, war ich auf mich allein gestellt, beschloss, dass Zuhausebleiben keine Option wäre, buchte mir ein Zimmer, suchte mir eine Mitfahrgelegenheit und ließ mich Freitagvormittag von einem sehr netten Menschen, der ebenfalls zum Festival fuhr, chauffieren. Da nahm ich auch gern in Kauf, dass das zeitlich alles eine etwas knappe Kiste wurde. Wichtig war mir, rechtzeitig um 16:00 Uhr zum Di’Anno-Paule auf dem Gelände zu sein und das hätte eigentlich problemlos klappen sollen.
Mein netter Fahrer setzte mich direkt an der Zimmerverwaltung ab, wo ich meinen Schlüssel und Instruktionen in Empfang nahm, mich um die Ecke zum Zimmer begab, dabei vom beschrankten Bahnübergang und durchfahrenden Zügen aufgehalten wurde und endlich meine Plünnen abladen konnte. Die 4,4 Kilometer zum Amphitheater legte ich aufgrund des Zeitdrucks per Taxi zurück, das in eine regelrechte rote Welle geriet. Endlich angekommen, fragte ich mich hektisch zum Kassenhäuschen durch, wo mein Ticket hinterlegt war. Den Soundtrack dazu lieferten die Opener SPACE CHASER, die ihren AGENT-STEEL-lastigen Speed/Thrash bereits erschallen ließen und von mir als Hintergrundgeräusch wahrgenommen wurden, während ich in der entsetzlich langen Schlange vor dem Schalterdoppel „Presse/Gästeliste“ und „Tageskasse“ ausharrte und nervös meine Chancen auf die Chaos-Architekten schwinden sah. Direkt in meiner Nähe tat jedoch jemand die nicht nur mich frohe Botschaft kund, dass es getrennte Schlangen gäbe, was nur nicht zu erkennen war, weil vor der Tageskasse so arschwenig los war. Frohlockend tauschte ich nun innerhalb von Sekunden 89,- EUR gegen ein Dreitagesticket ein und begab mich an die wiederum erneut ächzend lange Schlange an der Bändchenausgabe, wo ich nun aber direkt hinter mir jemanden hatte, mit dem ich über Di’Anno quatschen und mir die Zeit vertreiben konnte, denn er wollte ihn auch live erleben. Dank der raschen Abfertigung an der Bändchenausgabe war das auch gar kein Problem, Programmheft dazugekauft und fertig war die Laube! SPACE CHASER verabschiedeten sich gerade auf der Bühne, als ich einen schnellen Blick auf das Areal wagte, um mir ob der nun folgenden Umbaupause erst mal etwas Essbares zu suchen. Meine Wahl fiel auf den überdimensionierten Backfisch im Brötchen, der allerdings zu einem nicht geringen Teil aus Panade bestand. Dafür kam ich in den Genuss einer unerwarteten Hautkosmetik dank des triefenden Fetts, das mir durch die Finger rann und mir so zu geschmeidigen Händen verhalf. So oder so machte das Ding aber erst mal satt und nachdem ich das Kilo Servietten entsorgt hatte, freute ich mich wie Sau auf die ARCHITECTS OF CHAOZ. Paul Di’Anno, der seinerzeit die ersten beiden IRON-MAIDEN-Alben einsang, zählt für mich immer noch zu den besten Metal-Stimmen überhaupt. Leider hatte er mit seinen nachfolgenden Bands meist wenig Glück und einiges, was er fabriziert hat, ist auch schlichtweg mies oder belanglos, so dass er lange Zeit mit wechselnden Begleitbands durch die Clubs tingelte und die MAIDEN-Klassiker sang, erweitert um ein paar Hits seiner Post-MAIDEN-Ära. Eine dieser Begleitbands waren anscheinend die PHANTOMZ aus Deutschland, mit denen er es nun noch einmal wissen will: Als ARCHITECTS OF CHAOZ haben sie eigenes Material für einen ganzen Longplayer geschrieben, der exakt an diesem Tag veröffentlicht wurde. Einen Song konnte ich mir vorher schon einmal im Netz anhören und der konnte alles, also war ich gespannt wie der berühmte Bogen. Doch was war das? Der gute Paul kam im Rollstuhl auf die Bühne, offenbar aufgrund seines Knieleidens, und wurde auf einen Stuhl umgesetzt. Man hörte ja immer wieder, wie schlimm es um ihn bestimmt sein soll und in welch desolatem Zustand er sich befände, aber das hatte ich nun wirklich nicht erwartet. Doch als er, mittlerweile mit tätowierter Glatze und Bart aussehend wie ein alter Rocker, das Set mit dem Kracher „Erase The World“ eröffnete, war ich sofort begeistert. Diese Stimme! Paule! Alter! Und ich vor der Bühne. Jaha, tatsächlich war es das erste Mal, dass ich ihn live zu sehen bekam, denn obwohl er wie bereits erwähnt in schöner regelmäßig die Clubs beehrte, hatte ich ihn mit seinen Cover-Sets bisher jedes verdammte Mal verpasst. Besser als mit einem sichtlich glücklichen Paul, der gut bei Stimme und mit einer spielfreudigen, fitten Band gesegnet war, die ihm richtig geile Songs auf den Leib schneiderte, konnte das Festival für mich gar nicht starten! Es folgten fünf weitere neue Songs, die ausnahmslos alle zündeten und zwischendurch plauderte Paul in Seelenruhe sympathisches Zeug, verwies darauf, dass er trotz seiner gesundheitlichen Probleme niemals einen solchen Gig absagen würde, machte keinen Hehl daraus, wie aufgeregt er war und ließ sich zu einem kurzen Scherz über Bruce Dickinson, seinem Nachfolger bei IRON MAIDEN hinreißen, nur um ihm im nächsten Moment alle Ehre zu erweisen und ihm nur das Beste zu wünschen. Überraschend folgte als vorletzter Song mit „Children of Madness“ ein Stück aus seiner BATTLEZONE-Phase (da hätte ich mir dann doch einen anderen Titel gewünscht, aber egal), um zum Finale mit einem DER MAIDEN-Klassiker schlechthin, „Killers“, auszuholen. Ein grandioser Auftritt und Paul sang hoch, sang tief, growlte und hinterließ einen prima Eindruck! Von der Qualität des Albums konnte ich mich mittlerweile auch per Spotify überzeugen, das Vinyl wandert auf jeden Fall ins Regal. Geil, weiter so! Und endlich konnte ich einen Haken auf meiner Liste machen.
Setlist ARCHITECTS OF CHAOZ:
Erase The World
Horsemen Of Death
Architects Of Chaoz
Dead Eyes
How Many Times
When Murder Comes To Town
The Children Of Madness
Killers
Nachdem ich mich weiter auf dem Festivalgelände umgesehen hatte (wer bitte kauft MOTÖRHEAD-Wandteppiche?), nahm ich auf den großen Stufen des Amphitheaters platz, die einem von fast jedem Punkt aus optimale Sicht ermöglichen, um mir die US-Thrasher FLOTSAM AND JETSAM reinzutun, deren ersten beiden Alben eine allgemein gute Reputation genießen, mich aber nie so ganz überzeugen konnten. Doch ich wurde überrascht, denn die Herren mörtelten da einen ultrakompakten speedigen Thrash zusammen und Sänger Eric A.K. klang geiler, weil rauer und kräftiger als auf Platte, so dass auch dieser Gig sehr genießbar wurde. Man konzentrierte sich vornehmlich auf Material der ersten beiden Alben, startete mit „No Place for Disgrace“, der mir sattsam bekannte „Dreams of Death“ avancierte in dieser Live-Fassung zu einem richtigen Highlight und mit „Suffer the Masses“ und „Me“ beendete man den gelungenen Gig mit zwei Songs wesentlich unpopulärerer Alben. Da werde ich mir das eine oder andere doch noch mal zu Gemüte führen und auch mal nach Live-Material Ausschau halten.
Setlist FLOTSAM AND JETSAM:
No Place for Disgrace
Desecrator
She Took an Axe
Dreams of Death
Hammerhead
Iron Tears
I Live You Die
Suffer the Masses
Me
GOD DETHRONED aus den Niederlanden hatte ich so gar nicht auf dem Schirm, doch was die bereits seit Beginn der 1990er lärmende Band da an kräftig angeschwärztem Death Metal mit einigen kleinen, aber feinen Melodien ablieferte, war nicht von schlechten Eltern und abwechslungsreich genug, um mich nicht zu langweilen. Kann wat und war die bisher härteste Band des Festivals!
Setlist GOD DETHRONED:
Faithless
Hating Life
The Art of Immolation
Through Byzantine Hemispheres
Nihilism
Boiling Blood
Swallow the Spikes
Soul Sweeper
No Man's Land
Soul Capture 1562
Villa Vampiria
Sigma Enigma
The Grand Grimoire
Das Lahmarsh-Metal-Genre
Doom erfreut sich gefühlt heutzutage größerer Beliebtheit als lange Zeit zuvor, doch kann ich bisher nur wenig damit anfangen. Ich weiß aber, dass zu den Urvätern die US-Doomer PENTAGRAM zählen, die nicht mit den chilenischen Death-Thrashern gleichen Namens zu verwechseln sind (Hallo Lutz!). Schon 1971 gegründet, haben sie erst 1985 ihr erstes Album veröffentlicht. Bandkopf ist der oberkauzige Bobby Liebling, der vor einigen Jahren durch den Dokumentarfilm „Last Days Here“ auch über Doom-Insider hinaus gewisse Popularität erlangte und anscheinend seit Jahrzehnten mit Drogen- und sonstigen Problemen zu kämpfen hat. Leider habe ich den Film noch immer nicht sehen können – wer den mit deutschen Untertiteln für mich hätte, nur her damit! Nun war ich durchaus gespannt, was mich erwarten würde, und, ja, Liebling tat alles, um seinen Kauz-Status zu untermauern: In absolut verboten aussehendem Rosa-Dress tänzelte der kleine schmächtige alte Mann bisweilen obszön über die Bühne und schnitt irre Grimassen ins Publikum, nur um im nächsten Moment damit zu drohen, dass wir alle für unsere Sünden bezahlen werden müssen. Ansonsten verstand man von seinen genuschelten oder gelallten Ansagen allerdings kaum ein Wort. Die Musik war der erwartete hippieske ’70er-Doom-Rock/-Metal, wie er mir nur schwer ins Ohr geht, aber viel Publikumszuspruch erntete und eine offenbar der Realität entrückte Dame fortgeschrittenen Alters am Rande des Pulks zu ausschweifenden transzendalen Tänzen animierte. Aber es war schon faszinierend, Liebling zu beobachten, wat’n Typ – ein echtes Unikum, von denen es viel zu wenige auf der Welt gibt.
Setlist PENTAGRAM:
Sign Of The Wolf
Forever My Queen
The Ghoul
Review Your Choices
Starlady
Ask No More
When The Screams Come
All Your Sins
Dying World
Petrified/Relentless
Be Forwarned
Last Days Here
Dann allerdings war Schluss mit Kiffermucke, denn mit den Black-Metal-Erfindern (deren Musik aus heutiger Sicht vielmehr wie evil Metal-Punk oder schlicht härtester NWOBHM klingt) VENOM folgten meine alten Götter, die mich schon seit Kindheitstagen faszinierten und mit ihren ersten drei Alben drei der wichtigsten Metal-Platten überhaupt veröffentlichten. Nicht umsonst trage ich das Bandlogo mit dem Ziegenschädel auf der Wade tätowiert spazieren. Natürlich handelte es sich um eine völlig andere Besetzung als zu Zeiten der glorreichen ersten ’80er-Jahre, aber Bassist, Sänger und Frontmann Cronos ist dabei und das ist das Wichtigste. Das war übrigens nicht immer so, zwischenzeitlich (lang ist’s her) tat man sich nach Cronos’ Ausstieg mit dem ATOMKRAFT-Fronter Tony „Demolition Man“ Dolan zusammen, bevor es in den ’90ern noch einmal zu einer Reunion im Original-Line-Up Cronos / Mantas / Abadon kam. Mit wechselnden Musikern will es Cronos jedoch seit mittlerweile auch schon wieder vielen Jahren noch einmal wissen und veröffentlicht neue Platten, die ich jedoch nicht mehr mit voller Aufmerksamkeit verfolgt habe. Kürzlich erschien das jüngste Album „From The Very Depths“, das durchaus seine Momente hat, doch dazu später mehr. Ich freute mich jedenfalls wie ein Höllenfürst darauf, VENOM mit der Originalstimme endlich einmal live zu sehen und wurde nicht enttäuscht: Mit dem herrlichen dreckigen „Rise“ vom neuen Album eröffnete man die Show, Cronos im bauchfreien Top (ähem) malträtierte seinen Viersaiter und bölkte räudig ins Mikro, der kahlköpfige Rage sorgte für ausreichend Gitarrenlärm und Danté lieferte mit viel Stöckchenwirbeln und ultrahochhängenden Becken für eine respektable Drumshow. Das klang schon so richtig schön grimmig und lockte mich nach vorne. VENOM spielten ein selbstbewusstes Set mit vielen neueren Songs, statt sich lediglich auf die unumstößlichen Klassiker zu verlassen. Das neue Material stößt zwar nicht auf meinen ungeteilten Zuspruch, doch ich ziehe meinen Hut vor dieser Entscheidung – statt auf Nummer sich zu gehen, möchte man als aktive und noch immer kreative Band wahrgenommen werden. Der zweite Song wurde der groovige „Hammerhead“ vom 2011er Album „Fallen Angels“, was immer noch Intro-Charakter besaß, bevor man sich mit dem pfeilschnellen „Bloodlust“ erstmals in die ’80er begab und mir ein feistes Grinsen ins Antlitz drosch. Es wurde eine Art Medley, denn man fügte als Mittelteil „Black Flame (of Satan)“ vom „Resurrection“-Album ein. Es folgte mit „Die Hard“ ein weiterer Oberknaller aus den ganz seligen Zeiten und ich brüllte mit, was das Zeug hielt. Auf den eingangs erwähnten Punk beziehen sich VENOM übrigens gerne mal, so bereits auf „Calm Before The Storm“ mit „Metal Punk“, später mit „Punk’s Not Dead“ und als Höhepunkt der genannten „Long Haired Punks“ vom jüngsten Output:
„Screaming aloud, fucked up and drunk - y'all watch out, we're the long haired punks!“ donnerte es durchs Amphitheater und der Auftritt war um den meines Erachtens größten Hit des neueren Zeugs reicher. „Buried Alive“ sorgte mit seinem gedrosselten Tempo für gespenstische Atmosphäre und ging in „The Evil One“ vom 1997er-Reunion-Album über, „Welcome to Hell“, Titelsong des ersten Teufelswerks, wurde für meinen Geschmack etwas zu langsam intoniert, doch mit „Antechrist“ von „Metal Black“ gab’s wieder ein paar an den ungewaschenen Hals. Doch das ist natürlich kein Vergleich zu „Countess Bathory“, die VENOM vermutlich persönlich für diese Hymne dankbar ist. Zurück zu „Cast in Stone“ mit dem chaotischen „Flight of the Hydra“, danach „The Death of Rock’n’Roll“ und „Grinding Teeth“ vom aktuellen Output, „Pedal to the Metal“ von „Fallen Angels“ und als vorläufigen Abschluss die kongeniale, ultrafiese Walze „Warhead“. Dass es das noch nicht gewesen sein kann, ist klar; nach kurzer Pause war es soweit und der genrebegründende Song, einer DER VENOM-Songs überhaupt, konnte lauthals durchs Ruhrgebiet gebrüllt werden:
„Lay down your soul to the god’s Rock’n’Roll – BLACK METAL!“ Cronos stiftete den Mob immer wieder an, variierte den Text selbstironisch in „Death Metal“, „Speed Metal“ etc. und hatte reichlich Spaß inne Backen. Das beschwörerische „In League With Satan“ war dann ein weiterer ersehnter Standard und während man noch unter seinem hypnotischen Einfluss stand, wurde man schon mit „Witching Hour“ musikalisch verprügelt und in die unheilige, geschändete Nacht entlassen. Das war’s, der rot- und noch immer langhaarige Metal-Punk-Hooligan hatte genug und ich war erst mal bedient und glücklich. Cronos ist nach wie vor bestens bei Stimme, hat sich seine Ausstrahlung erhalten und fähige Leute an seiner Seite. Trotz der Songauswahl mit ihrem vielen neuen Zeug war der Gig höchst unterhaltsam und hat so richtig Laune gemacht. Pyroshow gab’s natürlich auch, wenn auch weniger als zu den Hochzeiten der Band, als sie bisweilen ihr gesamtes Budget dafür im wahrsten Sinne verpulverte. Dennoch trugen die Explosionen und Flammenstöße unbedingt zur Atmosphäre (und Hitze) bei und konnten sich sehen lassen. Ein perfekter Abschluss des ersten Festival-Tags!
Setlist VENOM:
Rise
Hammerhead
Bloodlust / Black Flame (Of Satan) / Bloodlust
Die Hard
Long Haired Punks
Buried Alive
The Evil One
Welcome to Hell
Antechrist
Countess Bathory
Flight of the Hydra
The Death of Rock'n'Roll
Grinding Teeth
Pedal to the Metal
Warhead
Black Metal
In League with Satan
Witching Hour
Mein Abstecher ins After-Show-Party-Zelt war nur von kurzer Dauer, allzu viel war auch nicht los und schnell beschloss ich, aufs Taxi zu verzichten und mithilfe von Google Maps den Weg zum Zimmer per Pedes zurückzulegen. Der Weg war allerdings nicht sehr erquicklich, denn statt am Kanal vorbei führte er mich durch dunkle Gassen und um diese Zeit vollkommen unbelebte Straßen. Dennoch fand ich’s eine gute Idee, das durchzuziehen, ich genoss die Bewegung und fand mich bester Dinge zeitig im Schlafgemach ein, bereit, Kraft für den nächsten Tag zu tanken.
An diesem machte ich mich zunächst mit der Gelsenkirchener Infrastruktur vertraut, ging Frühstück, Obst (um nicht schon am zweiten Tag an Vitaminmangel dahinzusiechen), Getränke und Tabak einkaufen und machte mich bei spitzenmäßigem Wetter auf den Weg zum Amphitheater – und siehe da, selbstverständlich gibt es einen Weg am Kanal entlang. Im Prinzip schlicht ihm immer folgen, dennoch konsultierte ich Orientierungslegastheniker bei jeder Kurve sicherheitshalber Google Maps und schaffte es trotzdem, einmal falsch abzubiegen, fand aber bald wieder die Fährte. Für dieses Lustwandeln habe ich sonst viel zu wenig Zeit, für Gelsenkirchen habe ich es bewusst eingeplant und überaus genossen. Nee, wat herrlich! Am Eingang angekommen, ließ ich DESERTED FEAR DESERTED FEAR sein und köpfte das erste, mitgebrachte Bierchen, während ich das entspannte Treiben an dieser Stelle beobachtete. Was eigentlich überall selbstverständlich sein sollte, aber seltenst ist, ist es angenehmerweise auf dem Rock-Hard-Festival: Man darf eine 1,5-Liter-Plastikbuddel Wasser mit vor die Bühne nehmen, wovon ich Gebrauch machte, um jeglicher Dehydration vorzubeugen. Während ich so an meinem Wasser lutschte, sah ich mir die Gladbacher MOTORJESUS an, die recht druckvollen und gut gespielten Hard-/Heavy-/Schweinerock darboten, damit nicht unbedingt meine Mucke spielten, zum entspannten musikalischen Einstieg in den zweiten Festivaltag aber ideal waren. Der Sänger bewies Entertainer-Qualitäten, beherrschte spaßige, schnoddrige Ansagen und kommunizierte mit dem teilweise noch verkaterten Publikum. Man spielte als letzten Song die Eigenkomposition „A New War“ in um Auszügen aus KISS‘ „Rock and Roll All Nite“, JUDAS PRIESTs „Living After Midnight“ und AC/DCs „You Shook Me All Night Long“ erweiterter Version, wobei mich letztgenanntes erstmal an diesem denkwürdigen Tag mitsingen ließ. Nun war auch ich richtig wach.
Setlist MOTORJESUS:
Motor Discipline
Trouble in Motor City
Speed of the Beast
Fuel The Warmachine
Fist of the Dragon
King of The Dead End Road
Return of the Demons
A New War
Die Franco-Kanadier VOIVOD hör‘ ich auch schon ewig. Zumindest die ersten drei Alben, auf denen sie noch ihren wüsten Sci-Fi-Punk-Thrash fabrizierten. Meine Lieblingsplatte ist die „Killing Technology“, „Dimension Hatröss“ war auch noch ok, doch dann verlor ich elender Ignorant das Interesse, denn immer psychedelischer wurde die Mucke, hieß es, und ich fürchtete, mit schlimmem ‘70er-Trip-Art-Rock von ausgewimpten Ex-Chaoten konfrontiert zu werden. 2010 in Wacken wurde ich dann Zeuge eines enttäuschenden VOIVOD-Auftritts, auf dem es mir lediglich „Ripping Headaches“ so richtig besorgte. Doch neues Festival, neue Chance. Bei wesentlich besseren Sound- und Sichtverhältnissen als seinerzeit auf dem W:O:A nahm ich mir vor, mich auf den Gig zu konzentrieren, war inzwischen ob der immer noch sehr aktiven Band – trotz des tragischen Tods ihres Gitarristen Piggy im Jahre 2005, R.I.P.! – doch neugierig geworden und es der Band auch irgendwie schuldig, fand ich, schließlich ziert seit ein paar Monaten der VOIVOD-Schädel meinen rechten Unterschenkel. Man eröffnete mit „Kluskap O'Kom“ vom aktuellen Longplayer „Target Earth“ und schon mit dem zweiten Song folgten bekannte Klänge: „Tribal Convictions“ von „Dimension Hatröss“, „Ripping Headaches“ von „Rrröööaaarrr“ – und ich schüttelte die Bratzbirne. Mir weniger vertraute Klänge folgten mit „The Unknown Knows“ von „Nothingface“, doch, ey, das war ja ein richtig guter Song!? Ich hab’s geahnt, meine Scheuklappen fielen weiter in sich zusammen. Angesichts „Order of the Blackguards“ von „Killing Technology“ frohlockte ich dann besonders, „The Prow“ entpuppte sich als luftiger Singalong, mit „Overreaction“ ging’s direkt zurück zu meinem Lieblings-VOIVOD-Dreher und mit „We Are Connected“ ließ man sich nicht lumpen und zockte den jüngst, nämlich erst am 31.03.2015 auf der Split-7“ mit AT THE GATES veröffentlichten Song, der auch seine Momente hat. Mit „Voivod“, dem einzigen Song vom Debüt „War & Pain“, beschloss man diesen Auftritt, der mich positiv überrascht und neugierig auch auf neueres Material (was bei mir ab 1989 heißt…) gemacht hat.
Setlist VOIVOD:
Kluskap O'Kom
Tribal Convictions
Ripping Headaches
The Unknown Knows
Order of the Blackguards
The Prow
Overreaction
We Are Connected
Voivod
Glücklicherweise standen als nächstes AVATARIUM und KATAKLYSM auf dem Billing, denn auf den Female-Fronted-Doom der neues Band von CANDLEMASS-Leif verspürte ich ebensowenig Lust wie auf Nähmaschinen-Getacker und konnte mich so in den Biergarten begeben, um in Ruhe die Bundesligakonferenz dieses spannenden letzten Spieltags zu verfolgen. Diese Idee hatten wenig überraschend nicht wenige andere ebenfalls und als ich den entsprechenden Teilbereich betrat, dachte ich kurz, dass man lediglich die (kultige) Radiokonferenz übertragen würde, doch ich lag falsch: Irgendwo war tatsächlich ein herkömmlicher Fernseher aufgebaut worden, auf den gute Sicht zu erhaschen sich als alles andere als einfach erwies. Bin ich größenwahnsinnig, wenn ich für offiziell angekündigtes Fußball-Rudelglotzen, das man mehreren tausend Besuchern anbietet, einen Bigscreen erwartet habe? Egal, irgendwie ging’s und irgendwann hatte ich auch einen Top-Platz, um inmitten vieler Schalker- und Dortmund-Fans dem dramatischen Abstiegskampf beizuwohnen und ausgerechnet mitten in Gelsenkirchen Zeuge zu werden, wie Schalke kläglich gegen den HSV versagte…
Im direkten Anschluss aber freute ich mich auf die wiedervereinten SANCTUARY, zu denen ich eine besondere Beziehung habe: Aufmerksam auf die Band wurde ich, als ich Anfang der ‘90er im örtlichen Supermarkt auf dem Wühltisch die „Into The Mirror Black“-MC, also das Zweitwerk auf Musikkassette, für gerade einmal 99 Pfennig fand und prompt verhaftete. Während ich dem US-Power/Speed-Metal lauschte, blätterte ich im Booklet herum, konnte damals schon ein bisschen englisch und fand die kritischen Texte von Songs wie „Future Tense“ ziemlich cool. Das dürfte die Zeit gewesen sein, als ich langsam ein politisches Bewusstsein entwickelte. Das ganze Album gefiel mir auf seine spezielle Art, doch irgendwann geriet das Tape in Vergessenheit. Vor ein paar Jahren hab‘ ich es für mich wiederentdeckt und mir dann auch mal den m.E. schwächeren Erstling „Refuge Denied“ angehört. Nun, ein Song wie „Die For My Sins“ packte mich direkt bei den Eiern (und Sänger Dane anscheinend auch, wenn ich mir den spitzen Schrei anhöre, mit dem er beginnt) und so wusste ich, dass ich auch für neue SANCTUARY-Erfahrungen empfänglich bin. Als hätte Bandkopf Warrel Dane, der nach „Into The Mirror Black“ die Band aufgelöst und NEVERMORE gegründet sowie ein ausgeprägtes Alkoholproblem entwickelt hatte, über’m Teich meine Gedanken gelesen, reformierte er SANCTUARY neu und veröffentlichte im letzten Jahr mit „The Year The Sun Died“ ein nicht uninteressantes neues Album. SANCTUARY machen Musik, die ich nicht unbedingt als partytauglich erachte und ich kann sie mir weiß Gott auch nicht ständig reinfahren, aber ab und zu bin ich doch empfänglich für dieses oftmals auf ziemlich gewöhnungsbedürftige, exaltierte Weise von Dane gesungene Zeug. Und natürlich hoffte ich auf dem Rock Hard vor allem auf „Die For My Sins“ und „Future Tense“ oder auch „Taste Revenge“ – ich sollte nicht enttäuscht werden. Man startete mit „Arise and Purify“, so etwas wie dem „Hit“ des neuen Albums, und konzentrierte sich auch ansonsten vornehmlich auf neues Material. An vierter Stelle gab es „Die For My Sins“ und am Ende die ersehnten „Into The Mirror Black“-Hits „Future Tense“ (das hinter mir im Publikum jemand schon seit einigen Songs vehement gefordert hatte) und „Taste Revenge“, zu dem es nun auch endlich zum von Dane immer wieder eingeforderten
Crowdsurfing und
Circle Pit kam. Wobei ich anmerken muss, dass nicht jeder Song, den Dane dafür für geeignet hielt, m.E. wirklich dazu taugt. Wie gesagt, für mich ist eher spezielle Mucke, mitunter gar zunächst etwas sperrig. SANCTUARY präsentierten ein abwechslungsreiches Set, Danes Mimik und Ausstrahlung war den Songs angemessen giftig und irgendwann nahm auch er seinen Hut ab und stieg ins Headbanging ein, aber der Gesangssound war nicht ganz optimal: Für mich ist’s kein Problem, wenn die Höhen live für Dane zur Herausforderung werden, es darf gern etwas dreckiger als auf Platte klingen, aber entweder wurden die Frequenzen verschluckt oder man hätte ihn lauter drehen müssen. Ansonsten aber ein guter Gig, der mich in seinen Bann gezogen hatte.
Setlist SANCTUARY:
Arise and Purify
Let the Serpent Follow Me
Seasons of Destruction
Die For My Sins
Battle Angels
Exitium (Anthem of the Living)
Question Existence Fading
Frozen
The Year the Sun Died
Future Tense
Taste Revenge
So, und nun also DORO, puh... ich erwartete erst mal nichts. Klar weiß ich, dass sie in den ’80ern mit WARLOCK noch richtigen Metal gespielt hat, doch dann schien sie sich kommerziell ausschlachten lassen zu wollen und wurde mir vor allem durch Talkshow-Auftritte und Kitschnummern wie „Für immer“ und „All We Are“ bekannt. Die erste WARLOCK hatte ich auch musikalisch mal zur Kenntnis genommen, mir einen Song für ’nen Sampler gesichert und kaum weiteres Interesse am künstlerischen Schaffen Frau Peschs entwickelt. Überrascht war ich dann doch, als ich kürzlich von den punkig-chaotischen Anfangstagen der Band las und der Ansager an diesem Abend wies noch einmal darauf hin, dass DORO ein Oldschool-Metal-Set angekündigt hatte. Gut, also einfach mal gemütlich machen, gucken, was das ewige Frolleinwunder des deutschen Metalls darunter versteht und ’ne Meinung bilden. Und irgendwie kam wenn nicht alles, so doch vieles anders als erwartet: Frau Pesch stürmte voller Energie auf die Bühne, fragte in schauerlichem Denglisch
„Are you guys ready auf den Rängen?!“ und keifte hochmotiviert und aufgestachelt straighte, dreckige Metal-Rocker ins Mikro, als befänden wir uns Mitte der ’80er und sie wäre ein rotznäsiger, angepisster Twen. Schnell hatte sie meinen Respekt auf ihrer Seite, zumal das viele Songs genauso weiter ging. Die Frau war das reinste Energiebündel, konnte mindestens so gut aggressiv-rotzig klingen wie richtig singen und holte erst gegen Ende zur Kitschoffensive mit dem unvermeidlichen „Für immer“ aus, das trotzdem innerhalb des Amphitheaters irgendwie seine Atmosphäre entfaltete. „All We Are“ ist mir dann doch zu stadionrockig, aber dann gab’s da ja noch eine recht eigenwillige, gelungene JUDAS-PRIEST-Coverversion „Breaking The Law“, die balladesk begann und sich zum gewohnten Metal-Stampfer steigerte. Zwei weitere WARLOCK-Songs, zwischendurch immer wieder ein paar Pyro-Effekte, viele verdutzte Gesichter und noch mehr feiernde Menschen und – Feierabend. Auch hier wurde ich eines Besseren belehrt; endlich konnte ich verstehen, was so viele an Doro Pesch finden. Irritiert allerdings hat mich der Keyboarder, der auch während Songs, die ohrenscheinlich über gar keinen Tasteneinsatz verfügten, Keyboard spielte oder zumindest so tat...!?
Setlist DORO:
Touch of Evil
I Rule the Ruins
Burning the Witches
Metal Racer
True as Steel
Hellbound
East Meets West
Evil
Für immer
Revenge
Breaking the Law
All We Are
Out of Control
Earthshaker Rock
(Was denn, du liest immer noch hier? Dabei gibt's den Bericht doch auch reichlich bebildert unter
http://www.pissedandproud.org/22-24-05- ... ival-2015/)
Die Umbaupause für KREATOR nutzte ich für etwas, was ich bereits am vorherigen Tag im Falle FLOTSAM AND JETSAMs kurz gemacht hatte, als ich durch Zufall die „Ecke“ im Halbrund des Amphitheaters entdeckt hatte, die für die Autogrammstunden genutzt wird, für die sich viele Bands zur Verfügung gestellt hatten. Nach einiger Zeit nahmen SANCTUARY platz und signierten bereitwillig Autogrammkarten, Platten und CD-Booklets, ließen sich mit ihren Fans ablichten und schüttelten viele Hände. Nun bin ich Punkrocker,
Kill Your Idols und so und mache mir generell nichts aus solchen Unterschriften, aber ich genoss es, die gegenseitige Wertschätzung zu beobachten, die auch in dieser Autogrammstunde lag. Fans, denen die Kunst wirklich etwas bedeutet und Künstler, die gerade noch auf der Bühne eine ja auch gern mal theatralische Show abgeliefert haben und nun wie die Jungs von nebenan grinsend dasitzen und wissen, was sie an den gerade in der Metal-Szene irrsinnig treuen Fans haben. Die Band trank Dosenbier, Dane brav ein Wasser, ein verrückter Fan, der anscheinend extra aus dem Ausland angereist war, ließ sich beim Headbangen mit Dane fotografieren, weitere Fotos machen, sein Plattencover vollkritzeln etc. Evtl. SANCTUARYs größter Fan? Schöne Bilder jedenfalls und ein wenig sentimental wurde ich auch, als mir bewusst wurde, wie nah ich plötzlich Menschen war, deren Musik mich bereits seit meiner Kindheit irgendwie begleitet und die sonst unendlich weit weg schienen.
KREATOR gehen immer, besonders im Pott. Der Grund, weshalb diese deutsche Thrash-Institution nicht zur Hauptmotivation für mein Erscheinen zählte, war schlicht der, dass ich sie im Gegensatz zu vielen anderen Bands hier bereits live gesehen hatte. Ich erwartete nicht weniger als den totalen Abriss, immerhin waren sie Headliner des Abends. Mittlerweile war es dunkel geworden und der Veranstalter fragte nicht nur das Publikum, ob es bereit sei, sondern auch die Security... Um es kurz zu machen: Es wurde ein grandioser, musikalisch extremer Gig. KREATOR zählen für mich noch immer zu den aggressivsten ihres Metiers, Mille gab alles und nicht nur die Musik knallte, sondern auch die Bühne in Form der größten Pyroshow des Festivals: Fackelträger zum Intro, Flammensäulen, Explosionen, Konfettikanonen... Und auf diese Band konnten sich fast alle einigen, es war rappelvoll und ich schaute mir das Treiben mit gebührendem Sicherheitsabstand an. Dabei barg die Setlist einige Überraschungen, man traute sich was und integrierte Songs, die nicht jeder erwartet hatte (wobei ich aber auch zugeben muss, dass das neuere Material zum Teil nicht ganz bei mir zündete). Große Videoscreens spielten zu den Songs passende bewegte Bilder ein, Mille rief zu Chaos, Zerstörung und Mord (sowie einer
Wall of Death, das find ich ja immer bischn albern) auf, griff zeitweise selbst zur Nebelpistole, mit der er ins Publikum zielte und die ganze Band bewies viel Durchhaltevermögen. Interessant zu beobachten ist auch, welche Entwicklung diese Musik genommen hat: An einen Gig mit zahlreichen Stagedivern wie früher ist überhaupt nicht mehr zu denken, nicht nur wegen der Absperrung und des Fotograbens - das wäre angesichts der Pyroshow das reinste Selbstmordkommando.
Crowdsurfing scheint das
Stagediving zu ersetzen, während die Bühnenshow epische Ausmaße angenommen hat. Nach „Civilization Collapse“ gab’s eine kurze Pause, bevor der nächste Dreierblock mit dem Evergreen „Pleasure to Kill“ beendet wurde. Doch auch dann war natürlich noch nicht Schluss, die „Flag of Hate“ wurde geraist und überraschend setzte man den Schlusspunkt diesmal mit „Betrayer“ statt mit „Tormentor“, was ich indes etwas schade fand. Nichtsdestotrotz war auch dieses KREATOR-Heimspiel ein einziger Siegeszug.
Setlist KREATOR:
Choir of the Damned
Enemy of God
Terrible Certainty
Phobia
Awakening of the Gods
Endless Pain
Warcurse
Mars Mantra
Phantom Antichrist
From Flood into Fire
Extreme Aggression
Suicide Terrorist
Black Sunrise
Hordes of Chaos (A Necrologue for the Elite)
Renewal
Civilization Collapse
The Patriarch
Violent Revolution
Pleasure to Kill
United in Hate (preceded by Acoustic Guitar Intro)
Flag of Hate
Betrayer
Nachdem der Pulverdampf verzogen war, schaute ich mir das Ausmaß der Verwüstung an, der Boden vor der Bühne war übersät mit Müll – ein herrlich postapokalyptischer Anblick - und ich beobachtete noch etwas den Abbau, bevor ich mich ins Partyzelt begab. Dort waren diesmal viel mehr Leute am Feiern als am Abend zuvor und musikalisch gab’s erst mal Kontrastprogramm: Ziemlich Hair-Metal/-Rock lastig war es diesmal, was der DJ zu bieten hatte und nachdem ich mich dabei erwischt hatte, BON JOVIs „You Give Love a Bad Name“ lauthals mitzusingen und mir etwas von L.A. GUNS zu wünschen, war es wohl besser, beizeiten den geordneten Rückzug anzutreten. Ich nahm diesmal einen anderen Ausgang und fand mich schnell auf dem idyllischen Weg am Rhein-Herne-Kanal wieder, den ich erneut genoss, bis ich glücklich die Koje bestieg, wo ich nach den vielen gewonnenen Eindrücken etwas brauchte, bis ich in den Schlaf der Gerechten fiel.
Den dritten und letzten Tag ließ ich ziemlich locker angehen, schlief aus und machte mich erst relativ spät auf den Weg. Das Wetter war auf seinem vorläufigen Höhepunkt angelangt und so fiel auch diesmal kein einziger Regentropfen vom Himmel, stattdessen brutzelte die Sonne ziemlich stark. Den Weg am Kanal entlang schaffte ich diesmal weitestgehend ohne die Hilfe von Google Maps, trank vor Ort angekommen erst mal in Ruhe mein mitgebrachtes Frühstückspils und verpasste AIR RAID, die mich nicht sonderlich interessierten und auch SPIDERS, die ich mir durchaus gern angesehen hätte, hätten sie nicht so früh gespielt. Bei den Schwaben von SINNER war ich dann aber am Start und erwartete wieder erst mal nix. Die seit Beginn der ‘80er aktive Truppe um den ewigblonden Frontmann Mat Sinner hatte mich nie sonderlich interessiert und ich brachte sie mit recht unspannendem bis altbackenem Heavy-Rock in Verbindung. Einmal mehr eine gute Gelegenheit, den eigenen Eindruck auf den Prüfstand zu stellen. Der Opener „Crash & Burn“ dürfte dann das einzige Stück gewesen sein, das nicht aus den glorreichen ‘80ern stammte und unter die folgenden Nummern mischten sich dann doch überraschend catchy Singalongs, die sofort zum Mitsingen einluden: Besonders „Bad Girl“ und das diesmal im Gegensatz zur fragwürdigen Plattenproduktion anno dazumal schnörkelfrei und erdig dargebotene „Concrete Jungle“ entfalteten viel Hit-Potential, so dass ich direkt wieder meinen Spaß hatte. Die Band trat mit m.E. leicht überdimensionierten drei Sechssaitern auf und Mat führte hinter seinem Bass sehr souverän und routiniert durch das Set, animierte zu Mitsingspielchen und ließ sich dann und wann auch anmerken, dass auch er durchaus auf seine Kosten kam. Weshalb man angesichts einer Vielzahl eigener Stücke in einem nur 45-minütigen Festivalset nun unbedingt das BILLY-IDOL-Cover „Rebel Yell“ bringen muss und weitere Spielzeit durch ein vollkommen überflüssiges Gitarrensolo verschwendet, weiß der Geier, ich jedenfalls nicht. Mit dem Stampfer „Germany Rocks“ (auf den meine Vorurteile dann doch wieder zutrafen) verabschiedete man sich und ich ließ es mir nach meiner Heimfahrt nicht nehmen, mal in den einen oder anderen SINNER-Song bzw. in das aktuelle „Touch Of Sin 2“-Album hineinzuhören, das zahlreiche Neueinspielungen der Bandklassiker enthält. Ja, die eine oder andere Nummer hat das Potential, auf meinem nächsten Privat-Sampler zu landen.
Setlist SINNER:
Crash & Burn
Comin' Out Fighting
Bad Girl
Born To Rock
Concrete Jungle
Knife In My Heart
Danger Zone
Rebel Yell
Germany Rocks
Die belgischen ’90er-Thrasher CHANNEL ZERO sind wieder aktiv und haben 2011 und 2014 Comeback-Alben veröffentlicht. Auf dem Rock-Hard-Festival bekamen auch sie eine Chance von mir, wenngleich der Thrash Metal jener Dekade meist nicht mein Ding ist und CHANNEL ZERO nicht gerade Oldschool-Sound zelebrieren. So auch an diesem Tage nicht, aber aufgrund der energetischen Performance geriet der Gig trotzdem ziemlich unterhaltsam. Besonders der Frontmann hing sich voll rein, nutzte es aus, dass er kein Instrument parallel zum Gesang zu bedienen hatte und dank Funkmikro auch an kein Kabel gefesselt war. Er verlieh dem Auftritt viel Aggressivität und Elan und erlaubte sich, begleitet von hastig hinterhereilenden Sicherheitskräften, einen Ausflug ins Publikum auf die Stufen des Amphitheaters, wo er sich auch bereitwillig mitten im Song mit Fans fotografieren ließ. Zuvor hatte er sich schon Wasser über die Rübe gekippt und das eher verhaltene, die Band in Ruhe auscheckende Publikum zu ’nem Mitsing-Spielchen animiert. Die Band zählt nach wie vor anscheinend eher zum Underground und ist nicht übermäßig populär; ich wüsste auch nicht, dass man sie ständig live zu sehen bekommt. So dürften sich viele an diesem Tag erstmals einen Eindruck von CHANNEL ZERO gemacht haben, die sich wiederum einiges an Publikum erspielt haben dürften. Immer noch nicht ganz mein Ding, aber das, was sie machen, machen sie gut! Schade nur, dass es „Tales of Worship“, mein Favorit der Band, nicht ins Set schaffte.
Setlist CHANNEL ZERO:
Dark Passenger
Animation
Unsafe
Bad To The Bone
Kill All Kings
Electronic Cocaine
Duisternis
Suck My Energy
Black Fuel
[Fortsetzung im nächsten Beitrag! Diesen Bericht gibt's übrigens auch reichlich bebildert unter
http://www.pissedandproud.org/22-24-05- ... ival-2015/]