bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

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Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

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Lärm & Wut
Irgendwo in den sozialschwachen Betonvorstädten von Paris lebt der 13jährige Bruno, ein verträumter Junge mit seiner Mutter, die er fast nie sieht, da sie ständig arbeiten muß. Bruno ist phantasievoll und lebt nicht selten in einer Traumwelt, wo ihm immer eine in weiß gekleidete Frau erscheint. In der Schule freundet sich Bruno mit dem wilden Jean-Roger an, einem Jungen aus zerrüttetem Haus, der machen kann, was er will. Als eine halb entmutigte Lehrerin dem talentierten Bruno Extrastunden geben will, kommt es durch den eifersüchtigen Jean-Roger zu einer Katastrophe...
„Lärm & Wut“ des französischen Autors und Regisseurs Jean-Claude Brisseau aus dem Jahre 1988 ist eine eigenwillige Mischung aus Milieustudie, Sozialdrama und „Coming of age“-Streifen. Angesiedelt in einer französischen Vorstadt – in Frankreich Orte sozialer Brennpunkte – erzählt Brisseau die Geschichte des 13- oder 14-jährigen Bruno, der, gerade zugezogen, nie seine Eltern sieht, aber dafür seinen Nachbarn und Mitschüler Jean-Roger kennenlernt, einen ausgemachten Rabauken und Unruhestifter, sowie dessen Familie.

Soziale Isolation, emotionale Vereinsamung, das Fehlen von elterlicher Geborgenheit, anerkannten Autoritäten bzw. schlicht das Aufwachsen im Ghetto, auf sich allein gestellt, sind die Themen dieses hochinteressanten Films. „Lärm & Wut“ zeichnet die Verrohung, die Gewalt, die Desillusionierung, aber auch die Sehnsüchte und Hoffnungen der Bewohner der Betonwüsten nach und setzt den sensiblen, intelligenten Bruno in Kontrast zum soziopathischen Jean-Roger, einer tickenden Zeitbombe aus wahrlich antisozialen Verhältnissen. Beide freunden sich miteinander an, wobei von vornherein klar ist, dass es sich mehr um eine Zweckbeziehung als alles andere handelt: Bruno sucht in seiner Einsamkeit Kontakt und Anschluss, Jean-Roger hingegen eigentlich die Anerkennung seines Vaters und nimmt solange Vorlieb mit Bruno, von dem er glaubt, dass er zu ihm heraufblicken würde.

Bei all dem bedient sich Brisseau aber keineswegs eines dokumentatisch-nüchternen Stils, obgleich er auch zu keinem Zeitpunkt die Moralkeule schwingt oder von oben herab gefilmtes, pädagogisches Kino im Sinn hatte. Nein, Brisseau verfremdet die unwirtliche Realität und arbeitet mit Übertreibungen, aus denen häufig ein spezieller Humor entsteht, ausdrucksstarken Bildern, die abseits von Ghettoromantik Hoffnungsschimmer zulassen sowie surrealen Traumsequenzen Brunos, die, in blaues Licht getaucht, aus seinem symbolschwangeren Zeisig einen kräftigen Falken machen und ihm eine nackte Schönheit erscheinen lassen, die ihn zu verführen scheint, deren Rolle aber nicht näher erläutert wird.

Eine Schlüsselrolle wird dabei Jean-Rogers Vater Marcel zuteil, großartig verkörpert von Bruno Cremer, der zunächst als verabscheuungswürdiger Inbegriff des asozialen Gewalttäters erscheint, wie sich später herausstellen soll sich aber nach seinen Kriegserfahrungen bewusst für ein sozialdarwinistisch angehauchtes Leben am Existenzminimum entschieden und für System und Gesellschaft nur noch Verachtung übrig hat. Gerade in Zusammenhang mit diesem Charakter kommt es zu vielen gleichsam bizarren wie amüsanten Szenen, die nicht zuletzt dank Cremers Bildschirmdominanz sehr erinnerungswürdig ausfielen. Generell erlaubt „Lärm & Wut“ bei aller Abnormität stets den Zugang zu seinen Charakteren, auf Schwarzweißmalerei wird angenehmerweise verzichtet. Das hat zur Folge, dass der Zuschauer während der Eskalationen dieselbe Ohnmacht verspürt, die den gesamten Film durchzieht und auch keine Antwort beispielsweise auf die Frage parat hat, was man mit einem vollkommen perspektivlosen Jugendlichen Jean-Roger anfangen solle, der überhaupt keinen Sinn mehr darin sieht, dem Unterricht zu folgen oder seine Lehrerin als Autoritätsperson zu respektieren.

Jene Lehrerin, eine bildhübsche, junge Frau, die wie aus einer Pubertätsphantasie entsprungen scheint, freundet sich schließlich mit Bruno an, woraufhin es zum Eklat zwischen Bruno und Jean-Roger kommt, der in einem bitteren Finale sein Ende findet.

Brisseau packte ein verdammt heißes Eisen an, sorgte folgerichtig für einen Skandal und dürfte beispielsweise einen Mathieu Kassovitz maßgeblich für dessen Meisterwerk „Hass“ aus dem Jahre 1995 beeinflusst haben. Dass das Thema nach wie vor und im wahrsten Sinne des Wortes brandaktuell ist, haben nicht zuletzt die schweren Auseinandersetzungen zwischen meist jugendlichen Bewohnern jenes Milieus und der französischen Staatsmacht gezeigt, die das Land Mitte des vergangenen Jahrzehnts erschütterten. Ein Thema, für das Brisseau keine sozialen oder gar politisch.ideologischen Lösungsmöglichkeiten aufzeigt, sondern das er mithilfe ambitionierter Jung- und Charakterdarsteller ins Bewusstsein rückte und damit einerseits einen wichtigen gesellschaftlichen Diskussionsbeitrag lieferte sowie andererseits seine eigenen Erfahrungen und Beobachtungen künstlerisch verarbeitete – zum Genuss des Freundes des anspruchsvolleren, aber nicht verkopften, eigenständigen europäischen Kinos.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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Ruinen
Während ihres Urlaubs in Cancún, Mexiko treffen die vier amerikanischen Freunde Amy (Jena Malone), ihr Freund Jeff (Jonathan Tucker), Eric (Shawn Ashmore) und dessen Freundin Stacy (Laura Ramsey) auf den Deutschen Mathias (Joe Anderson). Zwischen Flirts, Strand und Alkohol erzählt er ihnen, dass sein Bruder Heinrich vor einigen Tagen zu einer alten Ausgrabungsstätte in den tiefsten Urwald aufgebrochen ist, um dort zu helfen. Er hinterließ nur eine Karte, damit Mathias nachkommen kann. Die zwei Pärchen entschließen sich, ihn dorthin zu begleiten, da er seitdem nichts mehr von Heinrich gehört hat. Außerdem können sie noch den Griechen Dimitri (Dimitri Baveas), der kaum ein Wort Englisch spricht, für die Reise begeistern. Nach einer kurzen Autofahrt und einer anschließenden Wanderung finden sie im Dschungel den Pfad zu der Ausgrabungsstätte, wie er auf der Karte beschrieben wurde und an dessen Ende sie auf eine Lichtung treten: vor ihnen befindet sich ein mit einer unbekannten Ranke bewachsener, uralter Tempel. Als sie den ersten Schritt hinaufsteigen, ist es zu spät um umzukehren, denn ankommende Mayas umzingeln hinter ihnen die Ruine und versperren den Rückweg. Sie wissen nicht, wieso die Mayas sich so verhalten, und gehen notgedrungen weiter - weiter in den schlimmsten Albtraum ihres Lebens...
Regisseur Carter Smith‘ Horrorfilm „Ruinen“ aus dem Jahre 2008 entstand in australisch-US-amerikanischer Koproduktion und vereint Elemente des Backwood- bzw. Exotik-Horrors mit dem Psychoterror der Isolation und dem nicht sonderlich häufig anzutreffenden, ähm… „Botanik-Horror“. Romanvorlage („Dickicht“) und Drehbuch stammen von Scott Smith.

Eine bunt zusammengewürfelte, aus jungen Menschen unterschiedlicher Nationalität bestehende Touristentruppe beschließt, zu einem uralten, mexikanischen Maya-Tempel aufzubrechen, um dort den archäologisch Interessierten Heinrich zu treffen, der der Bruder von Matthias ist, den Amy, Jeff, Eric und Stacy am Strand kennengelernt haben. Doch statt auf den deutschen Heinrich (was für ein Name…) trifft man auf feindlich gesinnte Nachkommen der Ureinwohner, die anscheinend der Meinung sind, dass man dem Tempel viel zu nahe gekommen sei, den griechischen Begleiter ohne lange zu fackeln erschießen und den übrigen Kulturreisenden unmissverständlich klarmachen, nicht mehr entkommen zu können, Diese retten sich ohne die Beweggründe des „Empfangskomitees“ zu kennen auf das Dach des Tempels und machen dort Bekanntschaft mit der seltsamen Vegetation desselben, einer besonderen Sorte fleischfressender Papageienschlingpflanzen.

Was genau es mit dieser Pflanze auf sich hat, wird, um es gleich vorweg zu nehmen, leider nicht geklärt. Stattdessen wird der Zuschauer Zeuge, wie sich unsere Freunde schwere Verletzungen zuziehen, nicht nur aufgrund eines viel zu geringen Nahrungsvorrats immer mehr verzweifeln und sich mit der Pflanze herumärgern. Das bietet Anlass für einige gelungene, kreative Ideen, blutige Ekelszenen wie z.B. eine heftige Beinamputation, ein paar Schocks, aber auch für die üblichen Kopfschüttelmomente durch fragwürdige Entscheidungen, psychologischen „Horror light“ aufgrund einer nur bedingt möglichen Identifikation mit den Opfern und ein paar strenggenommen überflüssige Streckelemente. Statt konsequent ans Eingemachte zu gehen, beschränkt sich „Ruinen“ darauf, das emotional eher auf Distanz gehaltene Publikum genretypisch zu unterhalten, was durchaus passabel gelingt.

Denn „Ruinen“ hat mit seiner sogar Geräusche imitierenden Pflanze (die aber nicht à la „Little Shop of Horrors“ zu singen beginnt) genug Originalität vorzuweisen, um auch genremüde Zuschauer bei der Stange zu halten und gefährdet die bemüht aufgebaute, sonnendurchflutete Exotik-Ästhetik und -Atmosphäre nicht unnötig durch komödiantische oder parodistische Einlagen. Und in auswegloser Situation schwer angeschlagen und blutend auf einem Tempel im Urwald zu liegen, der Tod durch die blutrünstige und parasitäre Botanik stets allgegenwärtig, ist einfach eine willkommene Abwechslung zu dunklen Katakomben, Kellern, Gruselhäusern oder Friedhöfen. Zum Nägelknabbern verführende Hochspannung wird zwar nicht unbedingt erzeugt, zäh oder langweilig wird’s aber auch nie und man ist schon interessiert am Ausgang und wer übrig bleiben wird – wenn überhaupt. Die jungen Schauspieler sind einerseits die typischen, attraktiven Twens, verfügen andererseits aber über genügend Erfahrung, um ihre Rollen professionell zu verkörpern und nicht zu nerven, sondern diesen etwas unterambitionierten Film gar ein wenig aufzuwerten.

Damit beschert „Ruinen“ kurzweiliges Horrorvergnügen, verschenkt aber zu viel Potential, um sein Publikum wirklich konsequent verstören zu können. Das wollte er aber vermutlich auch gar nicht und ist mir in seiner R-Rated-Fassung (die Unrated-Fassung habe ich mangels deutschsprachiger Veröffentlichung noch nicht gesehen) 6,5 bis 7 Punkte aus Sicht eines Genrefreunds wert. Alle anderen dürfen einen Punkt abziehen.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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Ich hab mal wieder "Der Exorzist" gesehen, erneut den Director's Cut im Kino, und zitiere mich einfach mal selbst:

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Der Exorzist
Ein junges Mädchen ist von einem Dämon besessen. Die verzweifelte Mutter sucht Hilfe bei ihrer Kirche, an deren Kraft sie fest glaubt. Doch der Priester gerät in einen schweren Konflikt mit seiner christlichen Überzeugung. Da ist Jesuitenpater Merrin, in seiner stillen, beherrschenden Autorität, ein Mann von ganz anderem Zuschnitt. Er zweifelt nicht an der Fähigkeit des Bösen, sich zu verkörpern und nimmt den Kampf auf - als Exorzist seinerseits wie unter dem Zwang dämonischer Mächte.
William Friedkins „Der Exorzist“ aus dem Jahre 1973 ist ein wahnsinnig intensiver, wenn nicht sogar DER Okkult-Horrorfilm schlechthin und gilt vollkommen zu Recht als großer Klassiker des Genres. Mithilfe einer unaufdringlichen, aber die Stimmung der eingefangenen Bilder veredelnden, kreativen Kameraarbeit, einer genialen Musik- und Geräuschkulisse und hochinteressanten, schauspielerisch einwandfreien bis großartigen Charakteren voller Tiefe wird eine Atmosphäre geschaffen, die für Unwohlsein und Gänsehaut sorgt. Die herben, dennoch nie selbstzweckhaften Effekte und blasphemischen Abscheulichkeiten sind sozusagen „das Tüpfelchen auf dem i“ und wissen auch heute noch zu schockieren. Und das schönste: „Der Exorzist“ nimmt sich Zeit, seine diabolische Wirkung zu entfalten und wird durch seine gelungene Dramaturgie zu keinem Zeitpunkt langatmig, im Gegenteil: Den konzentrierten Zuschauer nimmt er mit auf eine faszinierende Reise sowohl in die fantastische Dunkelheit als auch eigene seelische Abgründe, die er so schnell nicht vergessen wird. Bahnbrechend und seinerzeit neue Maßstäbe setzend. Oft kopiert und nie erreicht.

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Ich muss aber dazusagen, dass ich ihn diesmal stellenweise tatsächlich als etwas langatmig empfunden habe - vielleicht, weil ich ihn inzwischen einfach zu gut kenne. Nichtsdestotrotz hatte ich auch beim x-ten Male meine Freude an diesem herrlichen Okkult-Horror-Klassiker, der kirchlichen Religionsschwachsinn zum Anlass nimmt, ein junges Mädchen einem Pfaffen "Deine Mutter lutscht Schwänze in der Hölle!" an den verwirrten Kopf zu werfen. :twisted: :D
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Insidious
Das Haus, in das Josh (Patrick Wilson) und Renai Lambert (Rose Byrne) mit ihren drei Kindern einziehen, scheint nicht eben ein Glücksgriff gewesen zu sein. Gegenstände bewegen sich, die Kinder fürchten sich, aus dem Babyphon dringen Stimmen und eines Abends stürzt der junge Dalton so unglücklich von einer Leiter, daß er Tags darauf ins Koma fällt. Trotz guter Behandlung ändert sich nichts an seinem Zustand, so daß man ihn nach Monaten wieder nach Hause zur Dauerpflege bringt, doch von da an geht der Spuk richtig los. Es scheint nächtliche Eindringlinge im Haus zu geben, der Bruder sieht Dalton durch die Zimmer wandeln und Renai bemerkt unheimliche Gestalten in dunklen Ecken. Aus purer Not ziehen die Lamberts aus dem Haus aus, doch kaum in ein neues Heim gezogen, sind auch die "Besucher" wieder da. Als Renais Mutter (Barbara Hershey) auch noch von den übernatürlichen Eindringlingen träumt, zieht sie die "psychische Beraterin" Elise (Lin Shaye) hinzu, die mehr über die Sache weiß, als sie zunächst zugeben will...
Das Team James Wan (Regie) / Leigh Whannell (Buch), das in der Vergangenheit insbesondere mit dem Überraschungserfolg „Saw“ auf sich aufmerksam machte, später aber auch mit „Dead Silence“ zwar keinen ähnlich überragenden, aber einen durchaus passablen Genrebeitrag ablieferte, betritt mit seinem neuestem Streich „Insidious“ (USA, 2010) die ausgetretenen Pfade des Geister/Haunted-House-Horrors und versucht sich an einer Neuinterpretation. Die allgemein guten Kritiken beweisen, dass das Publikum, ähnlich wie von der totfortgesetzten „Saw“-Reihe, noch immer nicht genug von der Thematik bekommen kann, sei es auch eine noch so uninspirierte Melange aus allem, was das Subgenre in x Jahrzehnten hervorgebracht hat.

Andererseits sollte man meinen, bei so vielen Vorbildern und als mittlerweile erfahrenes Filmteam nicht viel verkehrt machen zu können. Warum wurde ich dann doch so sehr enttäuscht?

Das liegt zum einen an der unheimlich billigen Effekthascherei. Man vertraut kaum auf die Wirkung der visuellen Schockeffekte und versucht, diese durch eine vollkommen übertrieben laute Soundwand zu verstärken, so dass man sich letztlich mehr vor der Lautstärke in den entscheidenden Momenten als vorm eigentlichen Film erschreckt. Zum anderen ist es das vollkommen unglaubwürdige, selten logische Verhalten der Charaktere, die a) die Identifikation mit ihnen erschweren und b) dafür sorgen, dass man als Zuschauer Schwierigkeiten bekommt, die filmische Realität nachvollziehen zu können, was auch jegliche Horrorstimmung erschwert.

Als sich die geplagte Familie dann „professionelle Hilfe“ sucht, indem sie à la „Poltergeist“ und Konsorten ein Medium sowie zwei Geisterjäger ins Haus holt, verflacht „Insidious“ gar zusehends zu einer Komödie, was eigentlich den atmosphärischen Todesstoß bedeuten würde…

…wäre da nicht die zumindest in Teilen tatsächlich ziemlich gruselig gestaltete Reise auf der Astralebene, die der Familienvater antritt und dadurch allen Erscheinungen, die zuvor am Bett des in einer Art Koma liegenden Sohnes auftraten, begegnet. Die Schreckensvision einer Art Paralleldimension, die sich in Form unheimlicher Gestalten am Kindsbett ihren Weg in die vertraute Realität bahnt, ist dabei natürlich ein gängiges, Ur-Ängste ansprechendes Horror-Motiv, mit dem man eigentlich nur punkten können sollte. Doch selbst hier versagt „Insidious“ letztlich, als es sozusagen den Oberbösewicht zur Eunuchenhymne „Tiptoe Through The Tulips“ tanzen lässt und das Publikum letztmalig mit irgendwelchen CGI-Fressen erschreckt werden soll.

Damit ist „Insidious“ unterm Strich zwar kein Totalversager, aber schon ein ziemlicher Rohrkrepierer, dem es nicht gelingt, die Essenz aus seinen Vorbildern zu portieren und zu verfeinern, die Filme wie „Poltergeist“ oder die zahlreichen Asia-Grusler so beliebt gemacht haben. Fast-Food-Grusel ohne Tiefgang oder wirkliche Alleinstellungsmerkmale, der zudem unter seinen unglücklichen, oben angesprochenen Schwächen leidet, über die es mir zu schwer fällt, hinwegzusehen. Schade.
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Final Destination 5
Es sollte doch nur ein kleiner Betriebsausflug werden, doch niemand konnte ahnen, daß die Kollegen von Sam Lawton (Nicholas D'Agosto) in ihrem Reisebus auf einer kollabierenden Hängebrücke während eines Sturms ein schreckliches Ende nehmen würden. Niemand - außer Sam, der in einer Vision diese Ereignisse just vor Augen hat, kurz bevor sie tatsächlich geschehen. Im letzten Moment kann er mit einer Handvoll Kollegen den Bus verlassen, der Rest läßt sich nicht überzeugen, aber die acht kommen davon, was allerdings dem FBI-Ermittler Block (Courtney B. Vance) verdächtig vorkommt. Und noch einer versteht wie immer keinen Spaß, wie ihnen der Coroner (Tony Todd) bald mitteilt: der Tod läßt sich nämlich nicht austricksen und holt sich seine Opfer zurück, egal wie und mit welchem Aufwand...
US-Regisseur Steven Quale ist es tatsächlich gelungen, der in den Durchschnitt abgeflachten „Final Destination“-Reihe um vom Tod verfolgte (hauptsächlich) Jugendliche neues Leben einzuhauchen und präsentiert mit seinem 2011 veröffentlichten fünften Teil eine herrlich geschmacklose Horrorkomödie in 3-D.

Die auslösende Kettenreaktion ist diesmal der Einsturz einer großen Verkehrshängebrücke, wie immer der Höhepunkt des Films. Spannend, technisch einwandfrei, ziemlich deftig und schwarzhumorig .Übrig bleibt letztlich eine Gruppe Klischeecharaktere, wie man sie aus solchen Filmen kennt. Diese wird nach und nach dezimiert, wobei der unsichtbare Tod überaus kreativ vorgeht und einmal mehr beweist, wie gefährlich das Leben eigentlich ist: Sport ist sowieso Mord, wer sich fernöstlich massieren und mit Akupunkturnadeln pieksen lässt, spielt ohnehin mit seinem Leben und wer so wahnsinnig ist, zum Augenlasern zu gehen, muss damit rechnen, nicht nur das Sehorgan weggebrannt zu bekommen. Somit ist „Final Destination 5“ genau das Richtige für Skeptiker, Bedenkenträger und Angsthasen – und natürlich für alle, die ihren Spaß daran haben, einmal genau das zu sehen zu bekommen, wovor man sich insgeheim vermutlich immer ein bisschen fürchtet, wozu es nach dem Gesetz der Wahrscheinlichkeit aber glücklicherweise selten kommt.

Der Härtegrad ist dabei gehobener Natur und auch der schwarze Humor schwächt diesen nicht wirklich ab, sondern versetzt eher in Staunen ob der Kompromisslosigkeit der Handlung und ihrer visuellen Umsetzung. Dennoch wird es stellenweise dann doch etwas sehr flach und albern; das ist aber eigentlich auch schon mein einziger Kritikpunkt, denn alles andere stimmt soweit.

Noch einmal einen drauf setzt „Final Destination 5“, als er sich gegen Ende gar als Prequel zum ersten Teil entpuppt und in schönster, echter Dreidimensionalität noch einmal alle vorausgegangenen Teile Revue passieren lässt.

Fazit: Temporeiches Popcorn-Teeniesplatter-Kino, das fast alles richtig macht und eine deutliche Steigerung zu den jüngsten Fortsetzungen darstellt. Schwer unterhaltsam und dank seiner kreativen Einfälle sowohl kurzweilig als auch erinnerungswürdig!
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Dead Heat
Bei einem Überfall auf ein Juweliergeschäft werden die Täter im Feuergefecht getötet - doch eigentlich waren sie bereits vorher tot! Das jedenfalls schwört die Gerichtsmedizinerin, die behauptet, die Ganoven schon einmal auf ihrem Seziertisch zerlegt zu haben. Die Police-Detectives Mortis (Treat Williams) und Bigelow (Joe Piscopo) werden auf den Fall angesetzt. Daß dieser Auftrag nicht ganz ungefährlich ist, merken die zwei sehr schnell, denn Mortis wird beim Verfolgen der ersten heißen Spur getötet. Mit einer geheimnisvollen Maschine, auf die sie bei ihren Ermittlungen gestoßen sind, kann Mortis allerdings wieder zum Leben erweckt werden. Gemeinsam machen sich die beiden wieder an die Arbeit, aber die Zeit wird knapp: Der Wiederbelebungseffekt ist nicht von Dauer und die ersten Zerfallserscheinungen stellen sich bereits ein...
„Ich persönlich werde ihm das Herz aus seiner Brust herausreißen, Roger. Ich werde es in meiner Hand halten und wir werden zuschauen, bis es aufhört, zu schlagen.“ – „Das ist gut, Doug.“

„Dead Heat“ ist ein komödiantischer Action-/Zombie-Crossover von US-Regisseur Mark Goldblatt („The Punisher“), der damit 1988 sein Vollzeit-Spielfilmdebüt ablieferte, das von Roger Cormans trasherprobter „New World Pictures“ produziert wurde.

Nun liebe ich ja eigentlich die typische 80er-Ästhetik, besonders im Horror-Bereich. So meine Probleme bekomme ich mit „Dead Heat“, weil er vor allem und bedingt durch sein Genre-Crossover für meinen Geschmack viel zu viel von dem zeigt, was ich trotz meines Faibles eigentlich nie wieder sehen wollte: The Schlechtst of 80ies-Action-Gülle.

Zwei Spezialbullen, Bigelow und Roger Mortis (man beachte das Wortspiel), doch nennen wir sie der Einfachheit halber Vokuhila und Fönfrise, ballern und sprücheklopfen sich durch einen doch arg unglaubwürdigen und recht unbeholfen-kompliziert erzählten Handlungsverlauf um eine Zombieherstellungsmaschine und den Schindluder, der damit getrieben wird. Fönfrise segnet dabei das Zeitliche, profitiert aber kurzerhand von der Existenz der Maschine, denn fortan ermittelt er als Untoter an der Seite seines muskelbepackten Intelligenzverweigerers Vokuhila weiter,

Nun könnte man annehmen, dass „Dead Heat“ als Parodie auf Actiongülle à la „Red Heat“ und Konsorten angelegt wurde. Evtl. mag das tatsächlich beabsichtigt gewesen sein, evtl. hat man aber auch so weit gar nicht gedacht - es ist mir wirklich nicht ganz klar. Falls der Film eine Parodie werden sollte, ist diese mit ihrem größtenteils debilen Humor, über den höchstens geistig Minderbemittelte lachen, nicht besonders gut gelungen. Die permanent abgefeuerten, dümmlichen Sprüche entfalten einen nicht geringen Nervfaktor und werden ebenso wie die Handlung mit ihrem betont lässigen Schusswaffeneinsatz und fragwürdiger Polizeipraxis von überzeugten Fans stumpfer Actionreißer wahrscheinlich gar nicht als parodistisch erkannt, sondern fügen sich nahtlos in deren Sehgewohnheiten ein. Dem Actionskeptiker, der eine Parodie dankbar angenommen hätte, dürfte es währenddessen viel zu flach ausgefallen sein. Insofern sicherlich ein unter diesen Gesichtspunkten gelungener Exploiter, eben eher Hommage als Parodie für Actionfans, und das Zombie-Publikum wird auch noch angelockt.

Selbstverständlich hat „Dead Heat“ aber auch seine wirklich positiven Seiten: Latex und Vincent Price. „Latex“ als Stichwort für Creature Design und Make-up-Effekte, wie sie in den 1980ern so herrlich und liebevoll handgearbeitet wurden; „Vincent Price“ als Stichwort für den Altmeister der Phantastik, für Dr. Phibes höchstpersönlich, für die gute, alte Theatralik bereits in 1980ern vergangener Genrezeiten. Vincent Price hat eine nicht unwichtige Nebenrolle inne und wertet, wenn er auch nicht sonderlich auf seine altbekannten Fähigkeiten zugeschnitten wurde, den Film allein durch seine Anwesenheit auf.

Um es abzukürzen: Der Horrorpart des Films sagt mir durchaus zu, der Blödel- und Actionpart hingegen nicht, so dass ich „Dead Heat“ eine glatte Durchschnittsnote verpasse – ihn aber dennoch als für B-Movie- und Exploitation-Interessierte sehenswertes Kuriosum bezeichnen möchte.
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Joe Strummer: The Future Is Unwritten
Vier Jahre nach Strummers Tod hat Temple, der die Punkbewegung schon 1976 gefilmt hat, seine eigenen Aufnahmen aus dieser Zeit mit Archivmaterial von Strummers Kindheit bis hin zu seiner Zeit mit den Mescaleros kombiniert. Schulfreunde erzählen von der Verwandlung des kleinen charismatischen John Mellor in den Punkleader Joe Strummer. Die Clash-Mitglieder Nicky »Topper« Headon, Mick Jones und Terry Chimes, der Manager Bernie Rhodes und der Sex Pistol Steve Jones treten als Zeugen der ersten Stunde auf, während Bono von U2, Anthony Kiedis von den Red Hot Chilli Peppers, John Cusack und Jim Jarmusch über Strummers Einfluss auf ihr musikalisches Schaffen sprechen. Der politisch engagierte Leader ist immer noch ein Idol für viele Bands unterschiedlichster Musikstile, die sich noch heute von seiner Persönlichkeit und seinem Engagement beeinflussen lassen. Diese Beziehungen werden mit bislang teilweise unveröffentlichtem Archivmaterial der Hippie- und Punkbewegung gemischt, deren Musik, Kultur und Kämpfe Strummers Persönlichkeit gebildet haben. (Quelle: www.goodmovies.de)
Für seinen Dokumentarfilm „The Future Is Unwritten“ aus dem Jahre 2007 zeichnet der britische Dokumentarfilmer Julien Temple („The Great Rock’n’Roll Swindle“) das Leben Joe Strummers, dessen kulturelles Selbstverständnis und Schaffen, nach. Joe Strummer wird in erster Linie mit THE CLASH, der besten und bedeutendsten Punkband, assoziiert, hat sich aber auch zahlreichen anderen Projekten gewidmet, bevor er überraschend im Winter 2002 an den Folgen eines angeborenen Herzfehlers viel zu früh verstarb.

Temple hat bereits Erfahrung mit Rock’n’Roll-Filmen und Punk-Dokus und konnte dadurch nicht nur auf einen gewissen Erfahrungsschatz zurückgreifen, sondern auch auf viel Archivmaterial, das er über die Jahre hinweg – angefangen in der Sturm-und-Drang-Zeit der Punk-Revolution – angesammelt hat. Das wäre der erste große Pluspunkt des Films: Man bekommt bislang unbekannte Aufnahmen zu sehen anstelle der immer gleichen TV-Archivaufnahmen oder Filmausschnitte, die immer wieder in Dokumentationen und Reportagen zweit-, dritt- oder viertverwertet werden. Zudem bekam er Zugriff aufs das Privatarchiv der „Familie Strummer“, wodurch es Kindheits- und Jugendaufnahmen in den Film geschafft haben.

Ideen für die Gestaltung seines Films hatte Temple so einige: So besteht ein nicht unerheblicher Teil von „The Future Is Unwritten“ aus Ausschnitten von Spielfilmen, insbesondere George-Orwell-Verfilmungen, womit er eine Brücke zum politik- und gesellschaftskritischen Inhalt des Schaffens Strummers schlägt. Ferner war „Commandante Joe“, wie ihn Attila the Stockbroker nannte, in früher Zeit ein gar nicht mal so unbegabter Comiczeichner, weshalb Temple Strummers alte Zeichnungen animieren ließ und in seinen Film integrierte. Für meinen Geschmack wurde gerade von den Filmausschnitten aber etwas viel Gebrauch gemacht, lieber hätte ich weitere Originalaufnahmen gesehen.

Wie Strummer es gern tat, versammelte Temple diverse Weggebleiter Strummers um Lagerfeuer und führte dort seine Interviews. Das sorgt mal mehr, mal weniger – abhängig vom jeweiligen Gesprächspartner – für eine besondere Atmosphäre, kann aber auch schnell kitschig wirken. Dem einen nimmt man das Lagerfeuer eben mehr als dem anderen… Das Prasseln des Feuers wirkte sich auch nicht immer störungsfrei auf den Ton aus, was aber vermutlich beabsichtigt zwecks Authentizität nicht großartig nachbearbeitet wurde.

Zu Wort kommen ehemalige Genossen aus der Hausbesetzerzeit, Musikerkollegen, die mit ihm zusammen musiziert haben, z.B. Mick Jones und Topper Headon von THE CLASH, aber auch andere wie Steve Jones (THE SEX PISTOLS) und Bono (U2). Außerdem äußern sich einige Schauspieler wie Johnny Depp, John Cusack und Matt Dillon zu ihren Erfahrungen mit THE CLASH und Joe Strummer.

Temple erwähnt auch die weniger erfolgreich gebliebenen musikalischen Projekte Strummers und geht auf dessen Tätigkeiten als Schauspieler und Filmmusikkomponist ein, bis er sich wieder ausführlicher mit Strummers letzter Band, den MESCALEROS, beschäftigt. Bei all dem werden auch auf angenehme Weise die Widersprüchlichkeiten der Band THE CLASH bzw. den Punk-Phänomen im Allgemeinen und Strummers Person im Speziellen aufgezeigt, ohne zu be- oder verurteilen. Wirklich tiefgreifend Persönliches erfährt man aber eher weniger, Strummer künstlerische Ader steht eindeutig im Vordergrund. Aufgrund der Bandbreite, die es in der Kürze der Spielzeit abzudecken galt, bleibt natürlich vieles lediglich angerissen. Oberflächlichkeit möchte ich Temple aber nicht vorwerfen, denn dafür wurden zu viele Details berücksichtigt, denen manch anderer wenig Bedeutung beigemessen und sie deshalb verschwiegen hätte.

Ich hatte mich lange damit schwergetan, mir den Film anzusehen, obwohl oder vielleicht gerade weil ich selbst großer Fan von THE CLASH und anderen Projekten Strummers bin. Ich wollte mir meine eigene Sichtweise auf die Dinge nicht kaputtmachen lassen und wusste auch nicht, warum ich Leuten wie Bono dabei zuhören sollte, wenn sie über Punkrock-Ikonen schwadronieren. Letzteres weiß ich bis heute nicht und manches wirkt aus meiner Sicht etwas deplatziert, unterm Strich bin ich aber zufrieden mit „The Future Is Unwritten“ und hoffe, dass er viele bzw. die richtigen Menschen, die bisher keinen Zugang zu Joe Strummer gefunden hatten, inspiriert hat – in welcher Hinsicht auch immer.
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Exquisite Tenderness
Dr. Teresa McCann ist attraktiv, gut angesehen und bei ihren Patienten beliebt. Ihr gefällt nicht, dass der Kollege Dr. Stein (Malcolm McDowell) Experimente mit Tieren durchführt, welche qualvoll eingehen. Dr. Stein glaubt, ein Implantat entdeckt zu haben, welches Dialyse-Patienten vor schmerzhaften Vorgängen bewahren soll. Obwohl die Forschungsreihen noch nicht beendet sind, führt er Versuche an einer Patientin durch. Daraufhin schreitet Dr. McCann ein. Beim Versuch, der Patientin zu helfen, stirbt die Frau. McCann wird vom Dienst suspendiert, doch sie gibt nicht auf, da sie weiß, dass sie das einzig Richtige tat. Zusammen mit Dr. Hendricks (James Remar) stellt Teresa Nachforschungen an. Als sie im Keller den toten Dr. Stein entdecken, wissen sie, dass noch jemand mit von der Partie ist...
„Ich hätte niemals diesen Organspendeausweis unterschreiben dürfen!“

Krankenhaushorror bzw. -slasher gibt es einige, „X-Ray – Der erste Mord geschah am Valentinstag“, „Horror Hospital“, „Dr. Giggles“, „Anatomie“… und alle sind zumindest ok. In die gleiche Kerbe schlägt der schweizer Regisseur Carl Schenkel („Abwärts“) mit seiner 1982er deutsch-britisch-US-amerikanischen Koproduktion „Exquisite Tenderness“ aus dem Jahre 1995.

Mit seinem in der Vergangenheit spielenden Prolog beginnt „Exquisite Tenderness“ fast wie ein Film noir in Schwarzweiß, bevor er recht schnell zunächst den Charme einer Krankenhausserie annimmt, alsbald aber deutlich macht, dass er uns das zeigt, was „Schwarzwaldklinik“ und Konsorten verschweigen: Tierversuche mit irgendwelchen Implantaten, an denen die Viecher elendig krepieren. Doch damit nicht genug, auch an einer Patientin wird von Dr. Stein (Malcolm McDowell, „A Clockwork Orange“) herumexperimentiert, was die resolute Dr. McCann (Isabel Glasser) auf die Palme bringt. Nach dem ersten Todesopfer wird McCann vom Dienst befreit, doch zur allgemeinen Überraschung muss als nächster schon Dr. Stein dran glauben, der seine Experimente höchstens im Jenseits fortführen kann. Wer zur Hölle ist der Mörder?

Nun, jener Mörder meuchelt sich mit einem Atemschutz vermummt in typischer Slasher-Manier durchs Krankenhaus, bevor das Drehbuch diese Subgenre-Charakteristika fallenlässt und nach ca. einem Drittel die Identität des Täters enttarnt. Ein recht ungewöhnlicher Kniff, der „Exquisite Tenderness“ fortan eher zu einem Vertreter der „Mad Scientist“-Branche macht. Nach und nach erfährt man die Beweg- und Hintergründe des Täters Dr. Matar, der von Sean Haberle in einer Weise verkörpert wird, die zumindest mich etwas an den früh ausgeschiedenen Malcolm McDowell in jüngeren Jahren erinnert. Das rasant an Fahrt gewinnende Katz- und Maus-Spiel fordert dabei zahlreiche Opfer; Schenkel hat einige Fiesheiten parat, die uns daran erinnern, warum wir uns so ungern in Krankenhäusern aufhalten: Immer wieder wird mit Spritzen herumhantiert und -gestochen, aber auch andere blutige Brutalitäten sorgen für Entsetzen. Zwischenmenschliches Geplänkel verwässert die Härte des Films aber und atmosphärisch schafft es „Exquisite Tenderness“ nicht ganz, an ähnlich gelagerte Filme aus den glorreichen 1980ern anzuknüpfen.

Mit seiner ungewöhnlichen, sich zwischen den Subgenres bewegenden Erzählweise und etwas seelenlosem 90er-Charme auf der einen, einer interessanten Darstellerriege und einer ganzen Reihe visueller Gemeinheiten auf der anderen Seite pendelt sich „Exquisite Tenderness“ irgendwo zwischen „Durchschnitt“ und „gut“ ein.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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Zwei Stunden vor Mitternacht
Dr. Dan Potter (Dwight Schultz) tritt eine neue Stelle in "The Haven" an, einer psychiatrischen Anstalt, die u.a. auch einige gewalttätige Schwerverbrecher beherrbergt. Von dem Leiter der Einrichtung Dr. Bain (Donald Pleasence) wird er als Nachfolger von Dr. Merton eingeführt, was ihm aber einige Insassen nicht abnehmen, vielmehr glauben sie, daß Potter Merton ermordet hat. Das kommt zum Tragen, als bei einem großen Stromausfall vier der gefährlichen Insassen freikommen, darunter der psychopathische Ex-Soldat Hawkes (Jack Palance) und der wahnsinniger Prediger Preacher (Martin Landau). Gemeinsam suchen sie die nähere Umgebung heim, bis sie das Haus Potters samt Familie gefunden haben. Prompt entwickelt sich ein Belagerungszustand mit mörderischen Ausmaßen...
„Kannst du nicht lieber eine nette kleine Praxis für Neurotiker aufmachen, wie alle anderen?“ – „Warum? Ich habe eben etwas für Psychopathen übrig...“

US-Regisseur Jack Sholders („The Hidden“, „Nightmare 2“) Regiedebüt aus dem Jahre 1982, „Zwei Stunden vor Mitternacht“, ist recht eigenwilliger „Maniac on the loose“-/Slasher-Stoff mit hochkarätiger Besetzung. Jack Palance („Mercenario – Der Gefürchtete“), Martin Landau („The Being“) und Erland Van Lindth („The Wanderers“) spielen gefährliche Psychiatrie-Insassen, die von Dr. Bain (Donald Pleasence, „Halloween“) betreut werden. Dieser stellt ihnen eines Tages einen neuen Arzt vor: Dr. Dan Potter (Dwight Schultz, „Das A-Team“), der die Nachfolge Dr. Mertons antritt. Die Insassen jedoch sind fest davon überzeugt, dass Dr. Potter Dr. Merton umgebracht hat. Als sie während eines Stromausfalls im allgemeinen Chaos aus der Anstalt ausbrechen können, suchen sie Dr. Potter und dessen Familie privat auf…

„Zwei Stunden vor Mitternacht“ beschäftigt sich mit dem Thema der Sicherheitsverwahrung von gemeingefährlichen psychisch Derangierten und macht sich die allgemeine Angst vor dieser Klientel für diesen Horrorfilm zu Nutze, ohne in reaktionäre Stammtischparolen einzustimmen. Die Besetzung passt dabei insbesondere bei den Patienten ideal, Palance nimmt man den Psycho-Ex-Soldaten natürlich sofort ab. Landau ist der perfekte diabolische Pyromane „Preacher“ und Van Lindth mit seiner grobschlächtigen, tapsigen Art allein schon aufgrund seiner Statur prädestiniert für seine Rolle als Teddybären, der zur reißenden Bestie werden kann. Pleasence hingegen scheint mit Dr. Bain die Antithese zu seiner Rolle als Dr. Loomis innerhalb der „Halloween“-Reihe zu verkörpern; als esoterisch verwirrter, den Ernst der Lage verklärender Anstaltsleiter nimmt er stark parodistische Züge an, die ziemlich irritieren. Schultz als Dr. Potter bleibt dagegen eher blass, was aber möglicherweise beabsichtigt war, um dem Wahnsinn der Viererbande (einen Vierten im Psychobunde gibt es nämlich auch noch, über den ich mich zwecks Spoilervermeidung aber bedeckt halte) nicht die Schau zu stehlen. Die Charakterisierung der psychisch Kranken erfolgte angenehm differenziert. Sicherlich werden gewisse Klischees bedient, doch handelt es sich zumindest bei den von Palance, Landau und Van Lindth Verkörperten um keine Michael-Myers-Klons, sondern um Menschen, die häufig tatsächlich oft nicht wissen, was sie tun. Eben Menschen, keine Monster – was sie evtl. umso bedrohlicher, weil unberechenbarer und distanzloser erscheinen lässt.

So beobachtet man also, wie sich unsere Psychos durch die Außenwelt schlagen, u.a. ein Konzert der „The Sic Fucks“ besuchen (inkl. schöner Live-Performance der Band), vor allem aber eine blutige Spur der Zerstörung – Tom Savini sorgte für die entsprechenden, aber eher niedrig dosiert auftretenden Effekte - hinter sich lassen, bis sie schließlich bei Dr. Potter landen und das Finale des Films einläuten. War die Dramaturgie zuvor bisweilen ein wenig holprig und lief die Handlung Gefahr, ihren roten Faden zu verlieren, bekommt man nun ein sehr starkes, von Spannung und offen zur Schau gestelltem Wahnsinn geprägtes und mit einem zumindest von mir unvorhergesehenem Plottwist versehenes Finale geboten, das den Zuschauer ungemütlich geängstigt zurücklässt. Hier darf Palance noch einmal auftrumpfen und sich mit seiner Mimik ins Gedächtnis einbrennen. Stark!

Unterm Strich gelang Sholder mit „Zwei Stunden vor Mitternacht“ ein sehr ordentliches Regiedebüt mit Unterstützung eines tollen Schauspieler-Ensembles, das allein schon neugierig machen sollte. Weitere Besonderheiten sind Pleasences parodistische Performance und eine kleine Jason-Vorhees-Hommage sowie ein wirklich effektiver 80er-Synthie-Soundtrack. Schöner Stoff für Freunde des von Schema F abweichenden (Semi-)Slashers.
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Ju-on: The Grudge
Die Sozialarbeiterin Rika Nishina wird zu einem Haus geschickt, um die dort vorherrschenden Familienverhältnisse unter die Lupe zu nehmen. Zunächst trifft sie allerdings nur auf eine alte Frau, die in einem Zimmer des Hauses vor sich hin vegetiert. Als sie Geräusche hört und das obere Stockwerk inspiziert, entdeckt sie den geheimnisvollen Jungen Toshio in einem Schrank. Fortan scheint jeder, der das Haus betreten hat, von Gespenstern gejagt zu werden...
„Ju-on: The Grudge“ ist das 2003 erschienene, japanische Kino-Remake des überraschend gruseligen TV-Horrors „Ju-on: The Curse“ aus dem Jahre 2000. Beim Original wie beim Remake führte Takashi Shimizu Regie. Auch das Remake ist unterteilt in unterschiedliche, nicht-chronologische Episoden, die aber größtenteils mit neuen Inhalten versehen wurden, statt nur das Original zu kopieren. Das Grundgerüst aber bleibt das gleiche: Rachegeister erschrecken und töten jeden, der ihnen unfreiwillig in ihrem Haus über den unheiligen Weg läuft.

Diese „Ju-ons“ sind schon ein Phänomen: Trotz minimalistischer Handlung, antizyklischer Erzählweise, lediglich marginaler Charakterisierung seiner von unauffallenden Darstellern verkörperten Protagonisten, eingeschränkter Drehorte und allgemein über weite Strecken verwirrender Handlung schaffen sie es, mit einfachen Mitteln – Make-up, Schnitt, bedrohliche Geräuschkulisse – dem Zuschauer hinterhältig in den Nacken zu kriechen und immer wieder zuzupacken, um ihm nachhaltig das Fürchten zu lehren.

Ja, verdammt, „Ju-on: The Grudge“ spielt trotz allem in der Riege der Asia-Grusler ganz oben mit und rennt mit seinen Versuchen, Horror zu erzeugen, bei mir offene Türen ein. Das seltsame Drehbuch wird komplett nebensächlich, wenn unheimliche Geistererscheinungen über den Fußboden kriechen oder dunkle Schatten kindliche Ur-Ängste ansprechen und ebenfalls keinerlei Zweifel lassen, dass es sich nicht um „Casper, den freundlichen Geist“ handelt, sondern kompromisslos schockiert und (unblutig, weil selten körperlich) getötet wird. Nicht ganz so kompromisslos gab man sich diesmal beim Auskosten der Schockmomente, auf manch fiese Fratze muss man etwas warten, um sie in ihrer gänzlichen Abscheulichkeit durch die vor die Augen gehaltenen, leicht gespreizten Finger betrachten zu können. Zudem sahen für mein Empfinden die Geister zunächst weniger gruselig, weil noch zu menschlich aus, doch nach Ende des Films wollte ich von diesem Kritikpunkt nicht mehr viel wissen. Das Original habe ich aber in diesen Punkten als von Beginn an direkter, unmittelbarer in Erinnerung.

Anhaltspunkte, wie man das mörderische Treiben beenden könnte, liefert „Ju-on: The Grudge“ keine, sondern badet sich in düsterem Pessimismus, der atmosphärischen Suspense-Horror erzeugt. Evtl. ist es das für hiesige Gewohnheiten exotisch anmutende Lokalkolorit, das seine fremdartige Faszination verstärkt. In jedem Falle aber ist es ein Film, der wenngleich offensichtlich von „The Ring“ beeinflusst, eigenständig genug ist, um die Sehgewohnheiten hiesigen Publikums auf die Probe zu stellen und zu beweisen, dass starke, aber gar nicht allzu häufig auftretende Einzelmomente sehr wohl ein als zusammenhängend empfundenes Filmvergnügen bereiten können, wenn die Momente ohne sie irgendwann geradezu als erholsam empfunden werden – wobei „Vergnügen“ vielleicht nicht ganz das richtige Wort ist...
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