Was vom Tage übrigblieb ...

Euer Filmtagebuch, Kommentare zu Filmen, Reviews

Moderator: jogiwan

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Maulwurf
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Re: Was vom Tage übrigblieb ...

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Science of Sleep – Anleitung zum Träumen (Michel Gondry, 2005) 7/10

Willkommen zu einer weiteren Folge von Television Education. Heute zeige ich Ihnen, wie man Träume zubereitet. Wie Sie sehen, liegt das Erfolgsgeheimnis in der sorgfältigsten Mischung verschiedenster Zutaten. Zuerst geben wir ein paar beliebige Gedanken hinein, und dann fügen wir ein klein wenig Nachklang vom Tag hinzu, vermischt mit ein paar Erinnerungen an die Vergangenheit – Hm, das reicht für zwei. Liebe, Freundschaften, Partnerschaften und all die anderen –schaften. Dazu kommen ein paar Lieder vom Tage, Dinge die Sie gesehen haben und ein Spritzer Persönliches. Ah, ich glaub das wird einer … Ich spreche leise, damit ich mich nicht aufwecke.

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Ah, hier kommt Stephane. Stephane ist ein Träumer. Einer, der von seiner Umwelt gerne als Spinner und als Nichtsnutz angesehen wird. Stephane lebt eigentlich nur dann richtig, wenn er träumt. Er versucht als Illustrator zu arbeiten, aber eigentlich kann er in erster Linie kleine Wunder vollbringen. Stoffpferde, die urplötzlich richtig galoppieren können. Eine Zeitmaschine, die eine Sekunde in die Vergangenheit oder in die Zukunft schaut. Oder in die Zukunft schaut. Oder in die Zukunft schaut. Hey, sie funktioniert tatsächlich!
Stephane lernt seine neue Nachbarin kennen, Stephanie. Stephanie ist wie Stephane – Sie hat ein Boot aus Filz gefertigt, und möchte es in einem Wald aussetzen, damit es auf der Suche nach seinem Meer ist (Das Wortspiel aus mér (Meer) und mere (Mutter) wird im Film sehr hübsch erklärt). Stephane macht aus dieser Geschichte einen Stop-Motion-Film mit Wasser aus Zellophan – Klar, dass, wenn der Wasserhahn aufgedreht wird, Zellophan heraus kommt. Stephane kann mit seiner Kollegin sogar in einer Badewanne, gefüllt mit Zellophan, baden. In diesem besonderen Traum schreibt er Stephanie einen Brief, und Stephanie liest diesen Brief in der Wirklichkeit!

Dass jemand wie Stephane es nicht sagen kann wenn er verliebt ist, das erklärt sich fast von selbst. Dafür steht einfach zu viel zwischen ihm selbst und dem gesprochenen Wort. Träume zum Beispiel. Oder seine Kollegen. Aber gottseidank kann Stephane den Vulkanausbruch, der ganz Paris in Schutt und Asche legt, vom Bürofenster aus stoppen und den Wiederaufbau der Stadt dirigieren. Bloß – Ob das reicht, das Herz von Stephanie zu gewinnen?

Auch wenn der Film den ein oder anderen Hänger hat, und auch wenn Stephane gegen Ende hin seltsam unsympathische Züge bekommt die so gar nicht zu ihm passen wollen, so ist SCIENCE OF SLEEP tatsächlich die Quintessenz des Mediums Film. Stop-Motion, Überlagerung von realen und geträumten Bild- und Zeitebenen, lebensunfähige Spinner, die uns binnen Sekunden ans Herz wachsen, und denen wir am liebsten zurufen möchten, wie sie das Herz der Angebeteten erobern können. Visuelle Ideen wie aus tschechischen Knetfigur-Filmen und aus den Arbeiten von Lumière. Die Verweigerung der Wirklichkeit und der Sieg der Phantasie über die Realität. Wenn alle Menschen so wären wie Stephane und Stephanie, dann würden wir weniger hasten und mehr lachen. Und ganz viel träumen …

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Maulwurf
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Beitrag von Maulwurf »

The coming of sin (José Ramón Larraz, 1977) 4/10

Lorna lebt zurückgezogen im spanischen Hinterland, wo sie malt und die Sonne genießt. Eine Bekannte stellt bei ihr das Hausmädchen Triana unter, und mit Triana kommen die dunklen Bilder und die sexuellen Bedürfnisse. Denn Triana träumt von einem nackten Mann auf einem Pferd, der sie verfolgt, und vor dem sie Angst hat. Lorna tut diese Träume als Hirngespinste ab, als Träume eben, bis sie diesen Mann selber sieht. Und während Lorna und Triana eine vorsichtige Liebesaffäre beginnen, kommt auch dieser Mann immer näher. Er versucht Triana zu vergewaltigen. Und er besucht Lorna. Und Scheiße, schaut dieser Mann gut aus. Lorna möchte sich ihm hingeben …

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THE COMING OF SIN ist mal wieder so ein Film, bei dem ich ziemlich ratlos bin. Es ist nicht dass er schlecht ist, um Himmels Willen! Die Darsteller sind sehr gut, die Bilder sind erstklassig, die Musik ist wunderschön und zum Dahinschmelzen, und die ganze Atmosphäre ist zum Träumen schön. Oder zumindest könnte sie es sein, denn: Der Film berührt mich nicht. Dies ist jetzt eine sehr persönliche Aussage, und andere mögen THE COMING OF SIN als einen Höhepunkt der erotisch-dramatischen Filmgeschichte sehen. Aber ich fand ihn – langatmig. Lorna ist von Beginn an sehr unzugänglich, und wird im Lauf der Geschichte auch immer unsympathischer. Ihre sozialen Fähigkeiten sind nach einer langen Zeit des Alleinseins sichtlich verkümmert, weswegen sie oft sehr schroff und abweisend ist. Im Umgang mit Triana, dem kleinen und dummen Hausmädchen, legt sie ein geradezu koloniales Verhalten an den Tag, und als Chico, der Mann auf dem Pferd, die Szenerie betritt, folgt sie fast umgehend ihrer Libido, ohne auch nur ansatzweise auf die kleine und dumme Triana zu hören. Ihre Umgebung blendet sie ab diesem Zeitpunkt weitgehend aus, und konzentriert sich praktisch ausschließlich auf Chicos Schwanz. Weswegen die letzten 10 Minuten des Films auch nur wenig Nachhall bei mir hinterließen.

Darum nochmal: Andere mögen dies anders sehen, und ich werde mir niemals in einer Filmbesprechung herausnehmen, die endgültige Wahrheit gepachtet zu haben. Aber THE COMING OF SIN hat mich(!) überhaupt nicht gepackt, überhaupt nicht berührt, und über längere Strecken hinweg, trotz der wunderbaren Bilder und der urlaubsmäßigen Stimmung, einfach nur kalt gelassen. Für einen Erotikfilm erheblich zu wenig Erotik, für ein Drama zu wenig Drama, unsympathische Charaktere …
Oder war das vielleicht mal wieder die Sache mit der Erwartungshaltung? Den Film hätte ich gerne in einer Inszenierung von Jorge Grau gesehen, da wäre sicher ein herrlicher Exploiter mit viel Schmackes und explosiver Stimmung dabei herausgekommen. Aber an dieser Verpackung war irgendwie zu viel schönes Geschenkpapier und zu wenig Inhalt. Die spannende und erotische Analogie des Flamencotanzes, mit der gegenseitigen Umgarnung, der Verführung und dem allmählichen Aufreizen bis zum Höhepunkt, die hat leider keine Entsprechung in der eigentlichen Handlung. Und das ist wirklich schade …

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Maulwurf
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Gendai poruno-den: Senten-sei inpu (Norifumi Suzuki, 1971) 7/10

Nachdem sie aus der Klosterschule entlassen wurde, geht Yuki erstmal zu ihrer Mutter, einer Barbesitzerin in Kyoto. Dort wird sie vom Freund ihrer Mutter vergewaltigt und entjungfert, woraufhin sie sich fortan dem Lotterleben hingibt. Sie lässt keinen Club in Kyoto aus, und wer am meisten zahlt darf ihr Sugar Daddy sein. Der Yakuza Oba rettet sie einmal aus einer Zwangslage, und da er auch sonst recht nett ist, bleibt Yuki bei ihm. Nach einem Kampf ist Oba allerdings impotent, weswegen Yuki es mit allen anderen Männern in Kyoto treibt, Hauptsache sie haben Geld. Als Oba für seine Liebe zu Yuki vom Yakuza-Clan bitter bestraft wird, lernt Yuki auf der Flucht vor den Bestrafern Yôichirô kennen, einen Architekten. Der wiederum schert sich nicht um ihre Vergangenheit, sondern verliebt sich in die Frau die er jetzt sieht. Yuki ist glücklich und bleibt bei Yôichirô, auch ganz ohne andere Männer, doch eines Tages kommt Sandra zu Besuch – Eine Studienkollegin von Yôichirô aus vergangenen Zeiten in Paris, die immer noch schwer verliebt ist …

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Und jetzt sind erst 30 Minuten vergangen! Aus dem, was hier alles an Handlung, Gemeinheiten, Sex, Abgründen, Romantik, Liebe, Verbrechen, Intrigen, großen Gefühlen und kleinen Fehlern drinsteckt, da machen die Amerikaner eine ganze Fernsehserie mit mehreren Staffeln draus. Norifumi Suzuki steckt diesen Rausch an Wort und Bild in 96 Minuten hinein, weswegen keine Sekunde Langeweile aufkommt. OK, nach 30 Minuten verlangsamt sich die Geschichte ein wenig, damit die Beziehung zwischen Yuki und Yôichirô genauer beleuchtet werden kann. Immerhin wird deren Liebe noch ein ganz entscheidender Punkt während des Showdowns sein, denn das Martyrium Yukis ist noch lange nicht vorbei: Der Vater Yôichirôs ist der Präsident einer Finanzgesellschaft und ein ganz mieses Schwein, und die rechte Hand des Vaters ist noch viel mieser und dreckiger. Dem ist gar nichts mehr heilig, der hat die schlechten Eigenschaften aller Filmbösewichter geerbt. Und deren Overacting (wobei das für alle Darsteller gilt). Und Yuki mit ihrer schier unersättlichen Möse muss leiden leiden leiden …

In Bezug auf Nuditäten ist der Film relativ zahm, da gehen die kurz darauf startenden SUKEBAN-Filme schon mehr in die Offensive. Dafür hat man hier aber ganz große Gefühle, tolle Kameraeinstellungen, Musik die wirklich zu Herzen geht, und allein die Vergewaltigungsszene Sandras und alles was danach kommt ist es schon wert, sich auf die Suche nach GENDAI zu begeben. Ein unglaublicher und umwerfender bunter Bilderbogen voller Abgründe und voller Leidenschaft. Mindestens 3 komplette Staffeln DENVER-CLAN in 96 Minuten. Zum Lachen animierend und zugleich zu Tränen rührend. Beeindruckend …

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Maulwurf
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Sheba, Baby (William Girdler, 1975) 5/10

Ein Racket scheint sich auszubreiten in Louisville, Kentucky. Zuerst waren die Gebrauchtwagenhändler dran, und jetzt sind es die kleinen Kreditbüros, welche die Armen mit günstigen Darlehen versorgen. Eines nach dem anderen muss sich der Androhung von Gewalt beugen und schließen. Andy Shayne weigert sich, und bekommt Besuch von einem Schlägertrupp. Sein Partner allerdings benachrichtigt Shaynes Tochter Sheba in Chicago, und die kommt ebenfalls zu Besuch. Im Gepäck eine 44er Magnum und eine Maschinenpistole …

Ich bin mir nicht sicher, ob es daran lag, dass meine Tochter direkt vor dem Film festgestellt hat, dass Schauspieler in Filmen aus den 60er- und 70er-Jahren nicht schauspielern konnten. „Das wirkt alles so wie Fake“ sagt sie. Aha. Aber interessanterweise fiel mir in SHEBA, BABY zuerst diese unglaubliche Theatralik auf, die ausnahmslos alle Schauspieler an den Tag legen. Pam Grier agiert wie eine Stummfilmaktrice aus den 1920er-Jahren, die Bösen noch ein paar Ecken happiger, und gerade mal Rudy Challenger als Andy Shayne und Austin Stoker als dessen und Shebas rechte Hand Brick Williams wirken wie halbwegs normale Menschen. Halbwegs zumindest.

Was in der Gesamtsicht zu einem etwas merkwürdigen Stückchen Film mit unerwartet hohem Trashgehalt führt. Praktisch jeder Schwarze im Film hampelt herum wie im Kasperletheater (und ist auch genauso kostümiert), die Handlung wirkt wie eine aufgeblasene Folge einer x-beliebigen Fernsehserie, und den Actionsequenzen merkt man deutlich an, dass wenig Budget zur Verfügung stand. Oft in der Totalen oder Halbtotalen gedreht, keine passenden Szenenanschlüsse, steife und unnatürliche Prügeleien (selbst der komplett unmotivierte Catfight auf dem Boot ist nicht mehr als ein Rumgehampel, verglichen mit dem Catfight etwa in FOXY BROWN) – Trash eben. Oder Unvermögen. Oder beides … Gerade der Vergleich mit dem Vorjahresfilm FOXY BROWN deckt die Schwächen der Regie gnadenlos auf. Anstatt auf die extrem gutaussehende, schauspielfähige und offensive Hauptdarstellerin zu setzen, wird Pam Grier zwar gerne in hübschen und schrägen Klamotten inszeniert, kann aber weder ihre Erotik noch ihre Kampfküste jemals wirklich an dem Mann bringen. SHEBA, BABY wirkt nicht als ob die Handbremse angezogen wäre, der komplette Film ist eine angezogene Handbremse. Denn bei aller dummen 08/15-Handlung könnte man aus dem vorhandenen Stoff mit dem Cast und ein wenig Phantasie ein Action- und Sex-Feuerwerk allerster Kajüte zaubern. Klar wäre das dann ein Rip Off von FOXY BROWN, aber damit immer noch spannender und unterhaltsamer als dieses müde Gewurschtel …

Wäre es das wirklich? Denn auch wenn sich Vergleiche mit „ernsthaften“ Filmen, vor allem natürlich aus dem Blaxploitation-Bereich, ausschließen, so ist der Spaß-Faktor bei SHEBA, BABY durchaus relativ hoch, insofern, und das ist wichtig, man einiges an dicker Haut mitbringt und nicht erwartet, Pam Grier in irgendeiner Form nackt zu sehen. Und insofern man gewillt ist, eine vollkommen verblödende Handlung mit vollkommen verblödet aufspielenden Akteuren zu goutieren. Dann nämlich wird der geneigte Zuschauer, zu diesem Zeitpunkt normalerweise von seinen Freunden bereits als Trash-Fan betrachtet, mit SHEBA, BABY durchaus Spaß haben. Aber wenn man ehrlich ist, sind das schon eine Menge günstiger Voraussetzungen, die da zusammen kommen müssen. Fast ein wenig zu viele …
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Maulwurf
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Beitrag von Maulwurf »

The pussycat syndrome (Ilias Mylonakos, 1983) 7/10

Irgendwas habe ich im Leben definitiv falsch gemacht! Mit Ajita Wilson und Tina Eklund im Arm durch Griechenland ziehen, Sex haben, gutes Essen genießen, Sex, Wärme, Sex, Strand, Sex, und überhaupt keine Sorgen und Nöte und Problemchen haben. Urlaubsstimmung pur verstrahlt dieser Film, und sich ihm hingeben heißt, bis zur Hüfte im warmen Wasser stehen und von Tina Eklund träumen. Oder Ajita Wilson, je nach Geschmack. Oder von der unglaublich schönen und edel aussehenden Jacqueline Marcant …

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Und so sehen wir zu, wie die beiden Modelle Donna und Gloria sich nach einer Fotosession in Griechenland aus dem Alltagsstress ausklinken und Urlaub machen. Sie lernen zwei junge Anhalter kennen und vögeln mit denen über die Strände. Sie lernen den reichen Stavros kennen, der eine frigide Frau mit Namen Maria hat die er sehr liebt, ihr bei der Bewältigung ihrer Psychose aber nicht helfen kann. Die beiden Schönheiten können das Problem der armen Frau durch guten Sex im Handumdrehen lösen, weswegen Stavros und Maria dann gar nicht mehr aus den Federn kommen, und Gloria und Donna in ihrer erzwungenen Zweisamkeit sich umeinander kümmern müssen. Irgendwann ist aber auch das Thema durch: Gloria lernt den Schriftsteller Eric kennen und verliebt sich, während Donna zurück geht nach New York.

Mehr gibt es eigentlich nicht zu sagen. Ein entspanntes und erotisches Grundfeeling durchzieht den Film, auch wenn die Erotik in der letzten halben Stunde leider nachlässt zugunsten einigen seltsamen Klamauks (das sprechende Muli ist wirklich lustig!). Schöne Menschen die schöne Dinge tun in einer Umgebung, die zu sowas geradezu einlädt. Ein paar dezent eingepflegte und ansprechend gefilmte Hardcore-Szenen, jede Menge Sommer Sonne Strand und Meer, zwei Hauptdarstellerinnen die sichtlich Spaß haben (vor allem Ajita Wilson genießt den Urlaub mit Dreharbeiten sichtlich) und die meiste Zeit nackt durchs Bild rennen, und dazu entspannte Urlaubsmucke von Gerhard Heinz. Nein, an diesem Film ist entschieden nichts Schlechtes!

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Maulwurf
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Beitrag von Maulwurf »

Under lock and key (Henri Charr, 195) 5/10

Under lock and key kann ziemlich gut übersetzt werden mit Hinter Schloss und Riegel. Was zwar erstmal knallig und spannend klingt, sich aber im Verlauf des Films recht schnell als Mogelpackung entpuppt. Starten tut der Film ausgesprochen rabiat im Frauenknast, wo Messer und Handkanten verdammt schnell fliegen, und Einzelhaft und das Abspritzen mit kaltem Wasser beliebte Ausnüchterungsmittel sind. Wir lernen Zelda kennen, die die örtliche Chefin ist und alle anderen unter ihrer Fuchtel haben will. Wir lernen Sarah kennen, die ihr nächstes Opfer zu werden scheint, und wir lernen Danielle kennen, die sich zwischen Zelda und Sarah wirft, und mit ein paar Karateschlägen und Roundhouse-Kicks Zelda klar macht wo der Hammer hängt. Bevor man(n) sich jetzt auf ein Knastjulendrama freut, das zwischen Duschszenen, nackten Brüsten und Catfights jede Menge guter Laune verbreitet, tritt noch schnell die toughe Wärterin Tina auf den Plan, und schon wird der Schauplatz Frauengefängnis verlassen, mit dem eindeutigen Ziel 08/15-Gute-gegen-Böse-TV-Unterhaltung. Denn Danielle entpuppt sich ganz schnell als FBI-Agentin im Undercovereinsatz, die aus Sarah herausbekommen soll, wo das Codebuch des Drogenbosses Carlos Vega ist, Sarahs Freund. Vegas Männer (bzw. richtiger: Frauen) versuchen, Sarah bei einem Überfall freizubekommen, doch die Sache geht furchtbar schief und Sarah segnet das Zeitliche. Tina und Danielle freunden sich an, und Carlos entführt daraufhin Danielles kleine Tochter, um endlich das Codebuch in seine schmierigen Latinohände zu bekommen. Doch er hat nicht mit der Wut einer Mutter gerechnet …

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Wie gesagt, der Beginn im Knast ist schnell, hart und ausgesprochen zeigefreudig. Die Gefangenen tragen schnieke Unterwäsche, die Wärterinnen sind offensichtlich auf der Model-Schule sitzengeblieben, und das körperliche Durchsuchen nackter Gefangenen ist wohl auch gang und gäbe. Sogar hübsch eingerichtete Räume hat es, wo die weiblichen Insassen Sex haben können mit männlichen Besuchern! Das nenne ich mal sozialen Strafvollzug … Doch sobald das Kittchen nach etwa 20 Minuten verlassen wird geht absolut alles auf TV-Level zurück: Das Tempo regelt sich soweit, dass Kaffeeholen möglich ist, ohne etwas von der Handlung zu verpassen. Außer der wunderschönen Sai Tyler darf sich keine Frau mehr nackt präsentieren, und selbst die aufregend-böse Taylor Leigh als Slash verspricht mehr als sie schlussendlich darf. Der abschließende Catfight geht ziemlich baden, und einzig die blonde Löwin Barbara Niven als Tina macht mit ihrem Schmollmund und ihrem leichten Overacting sehr viel Laune und hebt die Freude beim Zuschauen etwas an. Dafür werden andererseits mit dem Verlassen des Gefängnisses schnurstracks die Grenzen des Buddy-Movies ausgelotet, und das ist nun wirklich nicht das, was ich bei einem Film mit DEM Titel erwarte …

UNDER LOCK AND KEY ist und bleibt Action-Gülle für das amerikanische Fernsehen, dafür allerdings stellenweise ausgesprochen rüde und offensiv. Nebenbei-Unterhaltung für Schlechtwettertage um die Stimmung zu heben und sich keine Gedanken machen zu müssen.

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Maulwurf
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Beitrag von Maulwurf »

Fit to Kill (Andy Sidaris, 1993) 7/10

Den Filmen von Andy Sidaris kann man einfach nicht böse sein. Mit ihrer schlichten Weltsicht und der simplen Machart sind sie so richtig was fürs Herz, für Fernsehabende an denen man sich nicht konzentrieren und grübeln mag, sondern für ein permanentes Grinsen und Staunen ob solcher unverfrorenen Aneinanderreihungen von Schemata. FIT TO KILL ist sowas wie die Fortsetzung von HARD HUNTED – HEISSE GIRLS, EISKALT, und setzt die dort begonnene Handlung um den Supergangster Kane einfach mal fort. Was aber nichts macht, denn die Einführung der Figuren wird sehr geschickt gedeichselt, und man hat nie das Gefühl etwas nicht zu wissen oder verpasst zu haben. Besagter Kane will einen berühmten Diamanten von einem chinesischen Politiker stehlen, bevor dieser Politiker das Ding an den russischen Gesandten übergeben und damit seinen Beitrag zum Weltfrieden leisten kann. Ja ja! Das Super-Sexy-Team um Special Agent Donna Hamilton soll die Übergabe überwachen, fällt aber voll auf Kanes Tricks rein, der sich als Meister der Psychologie entpuppt und Donna Hamilton in seinen Plan ganz einfach einbindet. Außerdem macht er gemeinsame Sache mit Blu Steele (Julie Strain), der geheimnisvollen Attentäterin, die Kane eigentlich im Auftrag seines früheren Partners umlegen sollte, sich aber auf seine Seite ziehen ließ. Donna und ihre Mädels haben jetzt also die Aufgaben den Diamanten wiederzubeschaffen, Kane dingfest zu machen, sich die gefährliche Blu Steele vom Hals zu halten, die russische Gesandtschaft hinzuhalten (was sich mit Hilfe von Avas Möpsen noch als die einfachste Aufgabe herausstellt), und herauszubekommen, was die urplötzlich auftauchenden chinesischen Gangster eigentlich im Schilde führen. Ach ja, und am Leben bleiben sollten sie auch noch …

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Klingt verwirrend? Ist verwirrend. Aber noch mal, Filme von Andy Sidaris sind nicht dafür gedacht, tiefschürfende psychologische Überlegungen anzustellen. Filme von Andy Sidaris sind dafür gedacht, Spaß zu haben! Folgender Dialog, der zwischen zwei Attentätern, die ein fernsteuerbares Spielzeugmotorrad kaufen wollen, und dem Verkäufer stattfindet, soll das illustrieren:

Evil: Sagen Sie mir, ist die Beschreibung auch leicht verständlich?
Verkäufer: Oh ja, ganz leicht. Sehr viele Diagramme. Bilder!
Kenevil: Sind die Bilder auch auf Englisch?
Evil: Wir kaufen nur amerikanisch.
Verkäufer: Wenn das so ist, nehmen Sie lieber Yamaha.
Evil: Hört sich nicht amerikanisch an …
Verkäufer: Doch, ist es. Kommt aus Yamaha, Oklahoma.
Kenevil: Was ist der Unterschied zwischen dem hier und dem da?
Verkäufer: Bei dem da, wenn Sie mal Oklahoma besuchen, dann bekommen Sie ein Gratisgetränk.
Kenevil (grunzt): Wir nehmen es!
Evil: Oh oh - Sind Batterien dabei?
Verkäufer (im Brustton der Zuneigung): Für euch, Jungs, nehme ich die Batterien aus dem Feuermelder …
Evil zu Kenevil: Siehst Du, man muss nur wissen wie man zu handeln hat mit diesen Leuten.

Alles klar? Später gesellt sich dann noch ein ferngesteuerter Buggy aus Honda, Nevada, dazu …

Ansonsten geht es um Girls with Guns, und um nichts anderes. In FIT TO KILL hat glaube ich keine einzige Frau natürliche Brüste, alle schauen aus wie Hochleistungssportlerinnen, die nach vorne hin 20 Kilo mehr auf die Waage bringen als Helga Normalverbraucherin, und da sich diese Grazien auch alle Naslang an-, aus- oder umziehen, gibt es folgerichtig reichlich Fleisch zu beschauen und zu bestaunen. Die übliche Kleidung für eine FBI-Agentin im Einsatz sind natürlich Cowboy-Stiefel, Hot Pants und eine knappe Weste (ersatzweise Tank-Top und Patronengürtel), während der Mann von Welt dazu passend eine Wumme trägt die gefühlt doppelt so groß ist wie er. Oder anders ausgedrückt, der Dialog der Waffenübergabe eines Schiebers an Blu Steele:

Sie: „Was für eine schöne Waffe.“
Er: „Sie ist groß.“
Sie: „Sie ist hart.“
Er: „Sie ist lang.“

Und dabei besitzt Andy Sidaris genügend Witz und Intelligenz, sich über sich selbst lustig machen zu können: Kane starrt auf die schlafende Donna und seine Träume werden visualisiert: Er sieht sich als James Bond, während Donna sich an ihn schmiegt und sich ihm in einem Bett, welches aussieht wie ein rosaroter Barbie-Sahnekuchen-Traum, hingibt. Köstlich!



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Also, in Kurzform: Übernatürlich gut gebaute und zeigefreudige Frauen, übernatürlich riesige Waffen, Julie Strain, Ferienstimmung auf Hawaii, Kämpfe, Explosionen, Action, und natürlich, falls ich es noch nicht erwähnt habe, übernatürlich gut gebaute und zeigefreudige Frauen mit übernatürlich riesigen Waffen. Purer Spaß!

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Homo Erectus (Joe D‘Amato, 1995) 6/10

Die Reduktion des Pornos auf seine ur-eigenen Bestandteile: Wir folgen einer Gruppe Urmenschen, wie sie herausfinden was unter den Leopardenfellen steckt. Eine Gruppe Weibchen wird von einem Tarzanhippie beim Baden gestört, eine andere aus der Gruppe darf einen Glatzkopf befriedigen. Der Stamm des Hippies und der Stamm des Glatzkopfes jagen sich daraufhin gegenseitig, weil beide die Mädels für sich haben wollen. Derweil mischt sich eine Gruppe Feministinnen ein, entführt die Damen, und zeigt ihnen die Freuden der gleichgeschlechtlichen Liebe. Doch lange geht das nicht gut, Hippie-Horde und Glatzkopf-Gruppe entdecken die Feministinnen und blasen zum Rudelbums.

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Hah, ich habe tatsächlich eine Inhaltsangabe fertiggebracht! Für einen Film, der abgesehen von einer kurzen Einführung ausschließlich aus Grunzen und Stöhnen besteht, ganz ordentlich. Wie jetzt, grunzen und stöhnen? Das ist doch in jedem Porno der Hauptbestandteil, oder etwa nicht? Freilich, aber hier gibt es nichts anderes! Urmenschen haben keine Deppensynchro im Stil von “Oh ja, Baby, gib mir Deinen harten Schwanz”, bei denen klingt das eher wie “Urgurgurg”. Was den Film definitiv in trockene Tücher bringt!

Im Ernst, D’Amato schafft es, über knapp 90 Minuten lang eine sehr lockere und entspannte Stimmung zu verbreiten, die vor allem gegen Ende hin immer wieder zum Lachen reizt. Der Glatzkopf, der seiner Partnerin mit den Fingern bedeutet was sie jetzt machen soll, und überhaupt ihre ungläubigen Augen, als sie den Riesenschwengel auspackt. So was hat sie nicht zwischen den Beinen ...! Auch die Blonde ist niedlich, die irgendwann genug hat vom Blasen und dem Langhaarigen mit Gesten bedeutet was sie jetzt will: Endlich Bumsen ...

Und obwohl die Darstellerinnen alle altgediente Porno-Profis sind, erwecken sie großenteils den Eindruck Amateure zu sein und viel Spaß an der Sache zu haben. Ab und zu stiehlt sich ein Lächeln auf die Gesichter, und der Zuschauer lächelt zurück. Hinzu kommt, dass ausnahmslos alle Frauen sehr hübsch und gut gebaut, dabei aber natürlich sind. Keine Kunsttitten, keine aufgespritzten Irgendwas, alles echt. Und wunderschön anzuschauen!

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Das einzige was vielleicht etwas eigenartig rüberkommt sind die Szenen aus CAPRONA 2 - MENSCHEN, DIE DIE ZEIT VERGASS. Die Dinosaurier sind ein wenig ... merkwürdig anzuschauen in diesem Kontext. Aber auf der anderen Seite hat es viele sehr starke Momente, wenn die Musik sich vom Einheits-Synthiebrei löst und perkussiv, wild und barbarisch wird. Die schönen Amazonen bei ihren Ritualen, die geradezu hypnotische Musik, und über allem immer dieses sexy(!) Urlaubsflair – Gute Pornos können so einfach sein ...
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Tatort: Die Guten und die Bösen (Petra Katharina Wagner, 2019) 6/10

„Polizeiarbeit bedeutet für mich, die Guten zu beschützen, und die Bösen zu bestrafen. Und zwar ohne Ausnahme.“ Der dies sagt ist Polizist. Derjenige Polizist, der den Vergewaltiger seiner Frau gefoltert und getötet, und sich anschließend seinen Kollegen ausgeliefert hat. Jetzt möchte er selber bestraft werden. Die Bösen müssen bestraft werden, auch wenn die Guten das vielleicht nicht so sehen, und verzweifelt versuchen, für ihren geschätzten Kollegen mindestens mildernde Umstände zu suchen. Obwohl der das gar nicht will …

Ein sehr philosophischer Tatort, der da gezeigt wurde. Einer, der hochinteressante Fragen aufwarf und Stoff für Diskussionsrunden liefern kann. Und der unzähligen Erklärbär-Kritikern im Internet die Möglichkeit gibt, eigene Gedanken zu Wort zu bringen. So wie ich es tue …

Tatsächlich ein sehr philosophischer Krimi. Die Denkmodelle „Wir sind die Guten, weil wir Verbrecher jagen“ und „Das sind die Bösen, weil sie Verbrechen begehen“ kollidieren hier auf das Gemeinste. Vielleicht hätte ich gerne sogar noch einen Politiker im Film gehabt, der seinen Wahlkampfschmonzes dazugibt, um die Skurrilität und Grenzwertigkeit von Moralvorstellungen endgültig zu persiflieren. Wieso Grenzwertigkeit von Moralvorstellungen? Ist es denn nicht so, dass jemand, der einen Mord begeht, per Definition böse ist? Doch, so ist es. In den allermeisten Fällen zumindest. Aber was ist, wenn der einzige Mensch, den man so liebt wie sich selbst, wenn dieser Einzige grausam behandelt, unter Umständen getötet wird, und der Täter davon kommt – Was ist dann? Die andere Wange hinhalten? Vergebung? Ich glaube, die allermeisten Menschen würden zur Blutwurst tendieren, ganz unabhängig davon, dass die moderne Medienwelt uns diese Möglichkeit sowieso als die einzig Wahre und Glücklichmachende vorgaukelt.

Aber macht das wirklich glücklich? Wirkt Peter Lohmeyer in DIE GUTEN UND DIE BÖSEN irgendwie befreiter? Glücklicher? Sein Leben wurde von einem Dritten in eine Hölle verwandelt, und jetzt, nach der Tat, entscheidet er sich selber für ein weiteres Leben in einer anderen Hölle. Der Polizist im Gefängnis als Strafe für eine Tat, die das System, an das er fest glaubte, nicht verhindern und nicht sühnen konnte. Und die Kollegen, die „wissen“ dass sie die Guten sind, die versuchen den Bösen davor zu bewahren, zu viel Strafe auf sich zu nehmen …

Denkgebäude, in denen man sich verlaufen kann. So wie der Coach, dessen eigentliche Aufgabe es ist, die Polizisten mit ihrer Aufgabe zu versöhnen soll. Der dabei die Orientierung in den seelenlosen und fremden Gängen verlor, und ganz furchtbar schnell zu einem wimmernden und weinenden Haufen Elend wurde, sobald die rettenden Leitplanken verloren gingen. Meines Erachtens die zentrale Szene der Folge, denn hier wird gezeigt wie schnell wir degenerieren, wenn die Richtlinien der Zivilisation wegfallen. Wenn die selbst gesetzten Wegweiser fehlen, an denen wir uns Tag für Tag entlangtasten um das Leben irgendwie in den Griff zu bekommen und zu funktionieren. Die labyrinthischen Gänge des Polizeipräsidiums als Analogie zu Begriffen wie Recht und Ordnung, oder Recht und Gerechtigkeit, zwischen denen man ebenfalls sehr schnell die „richtige“ Richtung verlieren kann. Wenn die eigenen Worte und der eigene Kompass wegfallen, zu was werden wir dann? Was würde der Leser dieser Zeilen empfinden, wenn ein zweibeiniges Tier den Liebsten oder die Liebste des Lesers grausam an Leib und Seele verstümmelt? Würde er denken „So, und morgen ist alles wieder gut“? Würde er wie der Coach dasitzen und weinen und verzweifeln, unfähig auch nur eine weitere Entscheidung im Leben zu treffen? Oder würde er wie Peter Lohmeyers Charakter Ansgar Matzerath zur Waffe greifen und sich letzten Endes auf die gleiche Stufe begeben wie das zweibeinige Tier? Vom Guten zum Bösen mutieren? Der Coach jedenfalls wurde durch einen Polizisten aus dem Irrgarten gerettet. Einer, der Gutes tut. Einer der Guten. Und der andere Polizist hat zur Waffe gegriffen und Gleiches mit Gleichem vergolten. Einer, der Böses tut. Einer der … Ja was denn nun?

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Interessant auch der Umstand, dass die allermeisten Szenen innerhalb des Polizeipräsidiums spielen, inklusive einer sehr langen und starken Plansequenz durch 2 Stockwerke, also durch mehrere Ebenen einer komplexen Welt. Sicher sind die Kommissare Janneke und Brix oft an den Fenstern gestanden und haben über die Stadt geblickt, haben quasi den Durchblick gesucht, aber das Gebäude verlassen und sich dem Leben gestellt, das haben sie in dieser Tatort-Folge eher selten. Die Scheiben geben das Spiegelbild wieder, und das „wahre“ Leben bleibt außen vor. Die Komfortzone darf bloß nicht verlassen werden. Höchstens zum Umziehen, um eine schönere und edlere äußere Hülle zu zeigen.
Und die Wahrheit, beziehungsweise der Weg dorthin, wird an die Alten übergeben und im Keller versteckt, damit bloß niemand aufgeschreckt wird. Damit die allgemeine Zufriedenheit nicht gestört wird. Ansgar Matzerath, der Mörder des Mörders, wirkt bereits durch seine Größe und seine Präsenz wie ein Störfaktor. Wie etwas Böses, was von außen in das gemütliche Leben der Guten einbricht und alles durcheinanderbringt.
Und wenn am Ende die Aussagen darüber, was sich jeder unter dem Begriff Polizeiarbeit vorstellt, vom Band laufen, dann sind Gemeinsamkeit und Miteinander aufs wunderbarste wieder hergestellt. Nur Matzerath muss auch hier das irritierende Schlusswort haben. Und sorgt dafür, dass die Denkgebäude vielleicht doch ein klein wenig gegeneinander ins Wanken geraten. Das ein klein wenig Unbehagen verbreitet wird.

Ein sehr philosophischer Krimi. Einer, der so spannende Fragen stellt wie „Hast Du schon mal jemanden so sehr geliebt wie Dich selbst?“. Oder genauso gut: „Hast Du schon mal jemanden so sehr gehasst, dass Du ihn töten wolltest?“ Eine aufregende Reise in ein (Denk)-Gebäude mit vielen Gängen und wenigen Türen. Aber leider ein wenig zu kopflastig, der Bauch wurde nicht gekitzelt. Trotzdem, auch solche Tatorte muss es geben. Und das sind dann oft auch diejenigen, an die man sich unter Umständen lange erinnert.
Was ist die Hölle? Ein Augenblick, in dem man hätte aufpassen sollen, aber es nicht getan hat. Das ist die Hölle ...
Jack Grimaldi
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Maulwurf
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Re: Was vom Tage übrigblieb ...

Beitrag von Maulwurf »

The Mack (Michael Campus, 1973) 7/10

Goldie kommt nach 5 Jahren aus dem Gefängnis, und er hat ordentlich was nachzuholen. Fünf verdammte Jahre, Mann, das ist die Hölle, Aber jetzt, jetzt will er groß rauskommen. Es allen zeigen. Seiner Mutter eine schöne Wohnung kaufen. Und für sich selbst ein großes Auto. Gute Kleidung. Schöne Frauen. Frauen, die für ihn laufen und ihm die Kohle ranschaffen. Lulu freut sich wahnsinnig Goldie wiederzusehen, denn nur er kann ihr im Leben weiterhelfen. Sagt sie. Lulu geht für Goldie anschaffen, und am Ende laufen 10 Mädchen für ihn, und jede schafft 100 Dollar am Tag ran. Aber Goldie will noch viel mehr. Goldie will unabhängig sein von allem und jedem. Dadurch macht er sich Fatman zum Feind, einen einflussreichen Drogenhändler der das Ghetto beliefert. Und die zwei weißen, rassistischen und korrupten Cops die hinter ihm her sind, die würden sowieso alles tun, um das überhebliche Grinsen von Goldies Fresse zu wischen. Und zwar wirklich alles …

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THE MACK ist keine Reise in ein Ghetto voller Friede Freude Eierkuchen, und es ist vor allem kein ein actionlastiger COFFY oder FOXY BROWN, wo an jeder Ecke kampferprobte Afrofrisuren bereitstehen, die Ehre ihrer Hautfarbe und den Stolz der schwarzen Rasse zu verteidigen. THE MACK ist eine Reise in eine kleine, dreckige und komplizierte Welt, die in erster Linie aus Drogen, Elend und Prostitution besteht, und sich über diese Bestandteile sogar definiert. Goldies Bruder Olinga versucht, durch Predigen die Straßen sauber zu bekommen, die Pusher und die Säufer zu vertreiben, und ja, auch die Zuhälter wegzubekommen. Aber es sind zu viele, und wie es so oft bei benachteiligten Menschen zu sehen ist, ist es einfacher sich dem Rausch hinzugeben, als tatsächlich etwas gegen die Missstände zu unternehmen.

Aber THE MACK ist nicht die Geschichte von Olinga sondern die von Goldie. Und Goldie will in das Herz der Finsternis eindringen, er will zu einem reichen und mächtigen Zuhälter werden, dem die Frauen zu Füßen liegen, und der selber seine Tage damit verbringt, in der Spielhalle das Geld zu verspielen, dass seine Mädels ihm so mühsam erarbeiten müssen. Er wird sogar in einer farbenprächtigen und vom Fernsehen übertragenen Veranstaltung zum Mack of the Year gewählt. Mann, er ist stolz, so mächtig stolz. So stolz, dass er Fatman den Fehdehandschuh hinwerfen kann, denn jetzt ist er endlich jemand. Er ist so groß, dass er nicht mehr sieht wo er hintritt, ja er wähnt sich seinen Frauen gegenüber fast als gottgleich. Sein Stolz und seine Überheblichkeit tun weh, und der letzte Blick seiner Mutter, wo er sieht was aus ihm geworden ist, schmerzt dann sogar ihn selber.

Was den Film in hohem Maße auszeichnet ist, dass er auch den anderen Figuren Raum gibt. Der eigentlich sehr stereotyp angelegte Cop Hank, weiß-rassistisch-korrupt, herrlich schmierig von Don Gordon dargestellt, kann in einer Szene mit einer angewiderten schwarzen Nutte sein ganzes Elend auskotzen und das winzige bisschen Rest Mensch zeigen, das er noch irgendwo, unter Whisky und Gier verborgen, besitzt. Zumindest damals, vor dem Geld und dem Alkohol, vor dem Dreck und dem Gestank der Straße, besaß. Eine gescheiterte Existenz, die nur zufällig auf der "anderen“ Seite des Gesetzes steht. Oder Olinga, der die herkulische Aufgabe übernommen hat, die Augiasställe des Ghettos auszumisten, und mit seiner sanften Art und seinen lachenden Augen so jämmerlich scheitern wird. Figuren, die den Film in die Realität hieven, raus aus dem Kintopp und dem Superhelden-Kino, welches die Blaxploitationfilme so oft darstellten.

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THE MACK ist grob und körnig, er wirkt oft als wäre er bei Nacht aus einem fahrenden Auto im Ghetto gedreht worden, und die Schauspieler sind so authentisch dass es wehtut. Und das unterscheidet ihn zum Beispiel von DER PATE VON HARLEM, in dem ebenfalls Aufstieg und Fall eines schwarzen Gangsters gezeigt werden – Die Echtheit und die Street Credibility, die in THE MACK die Erzählung verlangsamen und dabei gleichzeitig ein Mitgefühl für die Figuren zeigen, so etwas ist im Hollywood-mäßigen PATE VON HARLEM so weit weg wie Oakland von New York. THE MACK scheint wie mit einer Handkamera auf der Hauptstraße aufgenommen. Das aufgeblasene Gerede, die Worthülsen, das großspurige Gehabe, die ewig gleichen Themen Weiber und Geld, Geld und Weiber … Der Zuschauer hat das Gefühl mittendrin zu stehen, und er schüttelt im Jahre 2020 den Kopf, denn anscheinend hat sich seit 1973 nichts geändert in den Elendsvierteln dieser Welt.
Was ist die Hölle? Ein Augenblick, in dem man hätte aufpassen sollen, aber es nicht getan hat. Das ist die Hölle ...
Jack Grimaldi
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