Gestern, am 02.06.2011 (Vatertag!), hatte das lange Warten nach dem Kartenkauf endlich ein Ende: IRON MAIDEN, die beste Metal-Band der Welt, machte einen Abstecher in die Hamburger Megakommerzhalle „O2 World“ direkt neben dem HSV-Stadion und ich sollte sie nach dem Festival-Headliner-Auftritt letztes Jahr in Wacken erstmals überdacht und zum zweiten Mal überhaupt live sehen. Also mit der S-Bahn gen Hamburg, welche sich, je näher man der Station Stellingen kam, immer mehr mit Maiden-Fans füllte. Ich war extra zeitig aufgebrochen, damit ich bei bestem Wetter noch vor Ort eine feste Mahlzeit am „Shuttle Imbiss“ einnehmen, in Ruhe ein Bierchen süppeln und ein paar Eindrücke vom Drumherum mitnehmen konnte. Vor der Riesenhalle gab’s Metal-Klassiker aus der Konserve, Bierstände waren aufgebaut, Maiden-Shirts, wohin man blickte. Die Preise für Shirts am Merchandise-Stand waren aber der Hammer, und zwar in negativer Hinsicht: Satte 30,- EUR für ein einfaches T-Shirt – das ist Wucher.
Ebenso wie die Eintrittspreise, die für die Sitzplätze viel zu hoch angesetzt worden waren, wie die Schwarzmarktpreise zeigten. Da die Innenraum-Karten aber sowas von schnell vergriffen waren, musste auch ich mit ’nem Sitzplatz vorlieb nehmen – aber wenigstens einem sehr mittigen, recht attraktiven. Nach ein paar Pläuschchen mit Bekannten und einem auch nicht gerade schnäppchenverdächtigen Kaltgetränk verwies ich die sich dort irrtümlich niedergelassen Habenden freundlich in ihren Block (Ordnung muss sein!), nahm brav Platz und ließ die uninteressante Vorgruppe über mich ergehen: RISE TO REMAIN aus England spielten modernes Metalzeug mit –core und pi, pa und po, aber nix, was mich begeistert hätte. Die aus heillos betrunkenen Jünglingen, die sich vermutlich für Hooligans oder sowas hielten, bestehende Gruppe eine Reihe hinter mir fand hingegen offenbar Gefallen an der Darbietung und verlieh ihrer Freude durch Gejohle und vor allem Fußgetrampel und –gestampfe Ausdruck., dass es die Reihen ein wenig durchschüttelte. Ob dieses „Fremdkörpers“ innerhalb der sonst so gesitteten Gefolgschaft Iron Maidens musste ich doch ein wenig schmunzeln und immerhin kam ein wenig Action auf den spießígen Rängen auf. Wenig begeistert zeigte sich allerdings der Herr neben mir, Typ Seidenhalstuchträger, der die Typen zur Contenance ermahnte.
Wie auch immer, nach zum Glück relativ kurzer Zeit war die Band überstanden und man konnte noch einmal Luft schnappen, bevor wie üblich als Zeichen zum Konzertbeginn UFOs „Doctor Doctor“ vom Band erklang und direkt überging ins Intro des aktuellen, starken Maiden-Albums „The Final Frontier“ und im Anschluss direkt der Titelsong erklang. Die sechs Briten erstürmten die Bühne und Dickinsons „The final frontieeeeer, the final frontieeeer!“ fegte durch die Halle – yessss!!! Auf dem albernen Sitzplatz hielt es mich natürlich keine Sekunde und aus besagter Reihe hinter mir flogen offensichtlich nicht gänzlich restentleerte Bierbecher in die vorderen Reihen. Die Security war schnell zur Stelle, erhob den pädagogischen Zeigefinger und Sekunden nach dem nächsten Zuwiderhandeln flogen mind. zwei der Becherwerfer raus und es war fortan „Ruhe“. Ob es sich dafür gelohnt hat, soviel Kohle zu latzen, darf der nüchterne Geist bezweifeln. Zurück zur Musik: Der erste Song ging nahtlos über in „El Dorado“, ebenfalls vom neuen Album. Im Anschluss folgte mit „2 Minutes to Midnight“ der erste Klassiker und langsam machte ich mir Sorgen, denn so sehr sich Harris, Dickinson & Co. auf der Bühne auch ins Zeug legten, so mies ausgesteuert kam das bei mir hinten an, will sagen: Der Sound war ziemlich scheiße. Da ich aber anscheinend nicht der einzige war, dem das auffiel, wurde es von nun an besser und beim nächsten Song, „The Talisman“ (wieder von „TFF“) stellte sich erstmals bei mir die Maiden-typische Gänsehaut ein. Und es ging weiter mit einem aktuellen Song: „Coming Home“, dem eine Ansage Dickinsons über die Maiden-Weltenbummelei und wo man schon überall gewesen ist, vorausgegangen war. Vorgestellt hatte er sich übrigens mit den Worten „I am not a spanish cucumber!“, anscheinend nicht wissend, dass die spanischen Gurken längst vom Generalverdacht als schlimmste EHEC-Schleudern befreit worden waren.
„Dance of Death“ vom gleichnamigen Album gefällt mir live besser als von Platte und kam auch hier ziemlich gut und beim nun folgenden Überklassiker und Jahrtausendhit „The Trooper“ erreichte mein Adrenalinspiegel seinen vorläufigen Höhepunkt, zumal der Sound nun wirklich geil klang und selbst das besonders für diesen Song so typische dominante Wummern von Harris’ Bass perfekt rüberkam. Ich sang (englisch und eine ähnlich klingende Phantasiesprache) und „tanzte“ (zumindest mein Oberkörper) auf meinen 1x1 Quadratmetern wie ein junger Gott (wer das Gegenteil behauptet, lügt!), reckte pathetisch die Fäuste und schloss genussvoll die Augen, während meine Rübe wie von selbst dem Rhythmus folgte. Das „Brave New World“-Doppelpack „The Wicker Man“ und „Blood Brothers“ hielt diese Stimmung und als schließlich mein Favorit von neuem Album, „When The Wild Wind Blows“, ertönte, ließ ich mich glatt dazu hinreißen, als großer Überm-Kopf-in-die-Hände-klatsch-Skeptiker beim Intro dieses sensiblen Songs über eine atomare Katastrophe genau damit anzufangen, als wäre ich auf ’nem Wolle-Petry-Konzert, und auch noch andere mitzureißen – peinlich... „The Evil That Men Do“ von meinem persönlichen Götteralbum „Seventh Son of a Seventh Son“ lud aber glücklicherweise mehr zum Mitgrölen denn zum Klatschen ein und bei „Fear of the Dark“ war das Publikum für die „Ohoho“-Chöre, die diesen Song live zu einem besonderen Erlebnis machen (denn in der Studiofassung fehlen diese komplett), ganz besonders gefragt.
Doch dann hieß es auch schon „Iron Maiden wants you for dead“, eine riesige Space-Eddie-Fresse kam aus dem Bühnenboden und es wurde Zeit für eine kleine Pause. Der Zugabenblock umfasste „The Number of the Beast“, dessen Intro aus tausenden heiseren Kehlen mitgesprochen wurde, „Hallowed Be Thy Name“, wo besonders deutlich wurde, wie sehr Dickinson es immer noch drauf hat und seine gute Gesangsleistung mit seinem berüchtigten langgezogenen „The sands of time for me are running loooooooooooow“ unterstrich und alle Kritiker und Nörgler Lügen strafte, sowie „Running Free“, bei dem wie üblich die einzelnen Bandmitglieder vorgestellt wurden. Mit „Always Look on the Bright Side of Life“ vom Band wurde ich euphorisiert und über sämtliche Backen grinsend pünktlich um 23:00 Uhr aus dem Konzert entlassen. Zeit, Bilanz zu ziehen: Das aktuelle Album war stark in der Setlist vertreten, Maiden untermauern weiterhin ihren Anspruch, eine aktive Band, die starke neue Alben veröffentlicht, zu sein, die sie betouren und deshalb ihre Setlist jeweils entsprechend anzupassen, statt ein Best-Of-Set zu präsentieren. Das respektiere ich und find’s geil, zumal mir „The Final Frontier“ wieder wesentlich besser gefällt als sein Vorgänger „A Matter of Life and Death“. Vier Studioalben (die Bayley-Phase mal ausgeklammert) blieben zu meiner Überraschung gänzlich unberücksichtigt: „Killers“, „Somewhere in Time“, „No Prayer for the Dying“ und „A Matter of Life and Death“, was ich im Falle der beiden erstgenannten schon sehr schade, wenn auch verschmerzbar fand. Eines bewegt sich aber arg am Rande der Unverzeihlichkeit: Einer DER Gänsehautsongs überhaupt, das unmöglich von dieser Welt stammen könnende „Revelations“, wurde nicht gespielt. Verdammt. Aber irgendwas ist ja immer, hmm...
Die Bühnenshow bestand übrigens neben den ganzen Lichtteffekten aus zu jedem Song wechselnden Bühnenhintergründen, jeweils passend zum Song und ansonsten in Bezug zur aktuellen Platte im Raumfahrt-Sci-Fi-Gewand.
Auch nach dem Konzert ging es sehr gesittet zu, IRON-MAIDEN-Fans scheinen recht besonnene Zeitgenossen zu sein, die sich aus sämtlichen Altersgruppen vom Kind bis zum Oppa zusammensetzen, „Metal“ war auch nicht die einzige vertretene Subkultur. Nett: Auch nach dem Konzert konnte man eisgekühltes Dosenbier auf der Straße kaufen, der „Shuttle Imbiss“ hatte für hungrige Mäuler weiterhin geöffnet, der Bahnhofskiosk ebenfalls. Auch „geöffnet“ hatte auf dem Weg zur S-Bahn-Station ein Stand mit Maiden-Bootleg-Shirts zur aktuellen Tour, bedruckte FOTL-Shirts für ’nen schlappen Zehner, die weggingen wie warme Semmeln. Idealerweise war auch ein Motiv auf weißem Shirt dabei, heutzutage eine Rarität im Metal-Merch. Es scheint nur noch schwarze oder hässliche Tribalshirts zu geben, nix Weißes. Klar, dass ich da zugriff und nun nicht nur ein schönes Erinnerungsstück an das Konzert habe, sondern dadurch auch einen gestreckten Mittelfinger in Richtung der Maiden-Merchandise-Wucherer loswerden konnte, hähä.
Fazit: Es hat sich gelohnt; ich hätte mich schwarz geärgert, wäre ich nicht dabei gewesen. Evtl. sollte ich mir beim nächsten Mal auch einfach vor Ort auf dem Schwarzmarkt irgendeine Sitzplatzkarte zum halben Preis holen, dann wär’s auch finanziell alles nicht so wild. Ich hoffe, dass das nicht wirklich „The Final Frontier“ für die Band war und noch viele weitere Iron-Maiden-Konzerte erleben zu können! Up the Irons!
Jetzt freue ich mich aber erst mal auf das nächste nette, kleine Club-Konzert einer etwas weniger populären Band...
...und übergebe das Mikro an Jeroen, der mir dort überraschenderweise über den Weg lief. Jeroen, wie hast du das Konzert erlebt?