DAS UNGEHEUER (Folge 14)
mit Erik Ode, Günther Schramm, Reinhard Glemnitz, Fritz Wepper, Emely Reuer
Gäste: Signe Seidel, Paul Edwin Roth, Hannelore Elsner, Klaus Höhne, Inge Langen, Manfred Spies, Volker Lechtenbrink, Camilla Spira, Rainer Basedow, u.a.
hergestellt durch die Neue Münchner Fernsehproduktion | im Auftrag des ZDF
Regie: Dietrich Haugk
Ein Liebespaar macht eine grauenhafte Entdeckung. In einem Waldstück, das nicht weit entfernt von einer Siedlung liegt, finden sie eine ermordete junge Frau. Der Mord muss eben erst geschehen sein, denn sie sehen einen Mann in die nahe gelegene Wohnsiedlung flüchten. Für die Kriminalpolizei ist klar, dass der Täter dort zu suchen sein muss, und die Verhöre beginnen. Die Ermittlungen erweisen sich jedoch als schwierig, da man von den Leuten nur wenig Brauchbares erfahren kann, hauptsächlich gipfeln die Verhöre in Schuldzuweisungen, Spekulationen und Gerüchten. Einige Indizien verhärten allerdings den Verdacht, dass man in dieser Nachbarschaft auf der richtigen Spur ist...
Folge 14, die ohne jeden Zweifel eine meiner Lieblingsfolgen ist, bekam durch den Titel "Das Ungeheuer" einen, meines Erachtens ungünstigen Titel, da er die Episode nicht gut charakterisiert und weitgehend in die Irre leitet, ja sogar falsche Erwartungen wecken könnte. Da hätte es sicher eingängigere Alternativen gegeben. So erwartet man als Zuschauer, dass man es mit einem Sadisten, einem Wahnsinnigen oder etwa einem Serientäter zu tun bekommt, was sich nach der Auflösung jedoch korrigieren wird. Dietrich Haugk hebt die Arbeit von Kommissar Keller und seinem Team sehr eingängig in den Vordergrund und erschafft eine gelungene Atmosphäre in einer Siedlung, die nach kurzer Zeit einem Vakuum gleicht. Die recht isolierte Handlung steht der Folge sehr gut und die beteiligten Personen werden nach und nach transparent. So rückt der eigentliche Mordfall oftmals in die zweite Reihe und es kommt zu einem Rundumschlag durch die Privatsphären. Spießbürgertum, Heimlichkeiten, Gleichgültigkeit aber auch Zusammenhalt, jedoch sieht man im Zweifelsfall keine Solidarität mehr unter den Nachbarn, da beinahe jeder "Das Ungeheuer" sein könnte. Einige nutzen die Gunst der Stunde und mobilisieren sich für das Austragen von Privatkriegen, manche stehen teilnahmslos neben dem Geschehen und eigentlich jeder hofft, dass es der andere war, beziehungsweise dass es den anderen erwischt, egal ob schuldig oder unschuldig. Kommissar Keller muss sich durch einen Dschungel von Gerüchten, Lügen, Spekulationen und offensichtlichen Unwahrheiten kämpfen, man glaubt zu sehen, dass es ihn Nerven kostet. Die versammelte Besetzung läuft dabei auf Hochtouren.
Dietrich Haugks damalige Ehefrau Signe Seidel ("Parapsycho - Spektrum der Angst"), die er mehrmals besetzte, sehe ich in ihren seltenen Auftritten immer sehr gerne und hier zeigt sie eine der überzeugendsten Studien in diesem Vakuum. Frau Vollmer ist in langweiliger Ehe verheiratet und es scheint, dass ihr diese Ausnahmesituation wie gerufen kommt. Schamlos belastet sie ihren Mann und schürt gerne immer wieder den Verdacht, dass er der Mörder sein könnte. Da sie einen jungen Liebhaber aus der Nachbarschaft hat, dessen Besuche bei ihr die Spatzen bereits von den Dächern pfeifen, hat ihr Mann ausgedient. Seidel spielt die kalte und emotionslose Frau, die eigentlich lieber heute als morgen Witwe wäre, beeindruckend. Nicht weniger überzeugend agiert Paul Edwin Roth als eben dieser Mann, der von der Affäre seiner Frau weiß, jedoch die Situation hinnimmt. Paul Edwin Roths Gabe, sich dem Zuschauer als Verdächtiger anzubieten ist schon bemerkenswert. Die sympathische Hannelore Elsner bringt etwas Ruhe und Aufrichtigkeit in die Szenerie, als man jedoch ihren minderbemittelten Bruder Ernie über die Klinge springen lassen möchte, wird sie vehement. Es ist nichts Neues dass ich diese Taktik, nämlich das Servieren von Oligophrenen auf einem Silbertablett generell nicht mag, da man ihnen aufgrund der Vereinheitlichung nicht gerecht werden kann. Hier muss ich allerdings gestehen, dass wenigstens die Darstellung des jungen Mannes, einen zumindest passablen Realitätstransfer andeutet. Inge Langen sieht man als zurückgezogene Frau, die mit ihrem Sohn zusammen lebt, der an einer nicht näher erläuterten neurologischen Erkrankung leidet, und daher kaum gehen kann. Mit den übrigen Bewohnern haben sie kaum Kontakt, Langen transportiert die Verachtung gegenüber anderen und innere Zweifel hervorragend. Mit den übrigen Darstellern hat man in Folge 14 ein wunderbares Ensemble zusammen bekommen, unter denen es ebenfalls von Verdächtigen wimmelt. Der Mordfall ist herkömmlich, doch das ganze Drumherum macht den Reiz aus. Hoffen, dass es den anderen erwischt, gegenseitiges Hochschaukeln, Verdächtige die sich als Ermittler aufspielen, Neid, Verachtung und Emotionen... Eine trostlose Gegend! Als der Mörder in einer wenig spektakulären Auflösung schließlich überführt wird (und sich der Zuschauer noch über das zweifelhafte Motiv Gedanken macht), sieht man als hoffnungsvolles Finale schließlich doch etwas Solidarität unter Leuten, die eben noch Feinde waren. Die nachdenkliche Atmosphäre und die dichten Charakterzeichnungen machen "Das Ungeheuer" für mich zu einem richtigen Volltreffer.