Re: Was vom Tage übrigblieb ...
Verfasst: Mo 17. Jun 2024, 05:18
The lineup (Don Siegel, 1958) 8/10
Ein toter Taxifahrer und ein toter Polizist bringen Lieutenant Guthrie und Inspektor Quine auf die Spur eines Drogenschmugglersyndikats, das sich unbescholtener Fernost-Touristen bedient, um unverschnittenes Heroin, versteckt in harmlosen Mitbringseln, ins Land zu bringen. Doch außer einem einzigen Reisenden haben die beiden aufrechten Cops keine Spur. Sie wissen nicht, dass zwei Killer in der Stadt unterwegs sind, die die Ware von drei weiteren Touristen einsammeln und ihrem Auftraggeber übergeben sollen. Ein Matrose, ein Antiquitätensammler und eine Frau mit Kind gilt es, um ihre Einkäufe mehr oder weniger unauffällig zu erleichtern. Der Matrose will bei der Übergabe des Stoffs unangemessen reich werden, und der Diener des Antiquitätensammlers weigert sich die Kostbarkeiten herzugeben. Es bleiben Tote zurück, und die wiederum weisen die Spur für die Polizei. Doch da ist noch die Frau mit ihrer Tochter, die sich bei dem etwas aus dem Ruder gelaufenen Job plötzlich als Geisel des pathologischen Dancer und seines, die letzten Worte von Sterbenden sammelnden, Partners Julian wiederfindet.
Schöne Bilder aus dem San Francisco des Jahres 1958, nicht uninteressant das Ganze, aber eben doch Hausmannskost. So könnte man im ersten Augenblick meinen, wenn die kernigen Gesetzesvertreter dienstbeflissen ihren Job machen, nicht beirrt durch irgendwelche privaten Tändeleien, und fleißig Klinken putzen und Verdächtige suchen. Doch der Regisseur heißt Don Siegel, und der eine Killer wird von Eli Wallach gegeben. In dem Augenblick, in dem die Killer die Stadt betreten, ist Schluss mit lustig. Die Polizei tritt kaum noch auf, und wenn doch, bemerkt der Zuschauer erst, wie langweilig dieses tradierte Schema mittlerweile geworden ist. Stattdessen übernehmen Dancer und Julian die Hauptrollen, und wir begleiten nicht mehr die Cops, sondern die psychopathischen Killer, deren eigenes Leben an der erfolgreichen Durchführung des Jobs hängt.
Don Siegel ist bekannt für seine erstklassigen Action-, und hier vor allem für seine hervorragenden Polizeifilme. DER HENKER IST UNTERWEGS ist dafür ein weiteres erstklassiges Beispiel und gleichzeitig eine Variation in Noir. An sich ist der Film ein Ableger der TV-Serie TÄTER UNBEKANNT, die zwischen 1954 und 1960 in 6 Staffeln echte Fälle der Polizei von San Francisco nachstellte (und sich dabei von einer Radioserie der frühen 50er inspirieren ließ). Die Hauptrolle war mit Warner Anderson in der Hauptrolle des Detective Lieutenant Ben Guthrie im Film genauso besetzt wie in der Serie, beides wurde On Location in den Straßen von San Francisco gedreht, und beide Male unterstützte die Polizei die Dreharbeiten (was am Ende jeder Folge gewürdigt wurde, genauso wie auch im Film). Der Unterschied allerdings macht die Musik: Anstatt sich auf ein weiteres der unzähligen mehr oder weniger biederen Polizeidramen der ausgehenden 50er-Jahre zu beschränken, in dem die Polizei in Gestalt von zwei knorrigen älteren Detectives ermittelt, die Sonne scheint, und ab und zu auch noch ein Off-Kommentator die Zusammenhänge und Szenenwechsel erklärt, konzentriert sich Siegel auf die wesentlich interessanten Charaktere der beiden Gangster, Julian und Dancer.
Robert Keith als Julian ist dabei der ältere der beiden Hitmen, der dem etwas jüngeren Dancer die Tricks und Kniffe beibringt, die einem das Überleben als Killer sichern. Dancer ist der Ausführende mit der Knarre, der dem erfahreneren Julian die letzten Worte der Sterbenden zurückbringt, die dieser dann geflissentlich in ein kleines Büchlein schreibt. Nun ja, jeder hat so seine Hobbys …
Dancer selber ist auch kein wirklicher Anfänger, aber gegenüber Julian hat er einen Vorteil, wenn man dies denn so nennen mag: Er ist hochgradig pathologisch und neigt zur hemmungslosen Gewalt. Wie gesagt, die beiden deutlich interessanteren Charaktere, und Siegel begleitet sie bis zum bitteren Ende. Nicht mehr die Cops sind die Hauptfiguren, die allen und jeden verdächtigen, dabei aber doch eigentlich ganz patente Kerle sind, die auf einer Reise durch das Zwielicht der Kriminalität über die Fallstricke und den Dreck geradezu zu schweben scheinen, sondern stattdessen schauen wir zwei vollkommen irren Gangstern dabei zu, wie sie harmlose Durchschnittsbürger um Mitbringsel und Leben bringen, und das heiter-offene San Francisco zu einem Ort des Todes machen, während sie über englische Sprache philosophieren und den gewaltsamen Tod genauso alltäglich diskutieren wie das Wetter.
Und mit genau diesem Kniff hebt sich DER HENKER IST UNTERWEGS aus der Masse heraus. Damit, mit dem geschickten Einsatz von Kamera und Musik, vor allem aber auch mit einem überraschend brutalen Finale und einem erbarmungslosen Ende. Neben all der Dutzendware, die in den späten 50er-Jahren auf die Kinoleinwände losgelassen wurde, gab es eben auch ein paar wenige Juwelen, die man oft (wenn auch nicht immer) an den Regisseuren und an den Schauspielern festmachen kann. In diesem Fall ist es die Kombination aus Don Siegel und Eli Wallach, die überdurchschnittliche Qualität mit extrem hohem Unterhaltungspotential garantiert. Großer Tipp für Krimifreunde und für alle wie mich, die den klassischen Begriff des Noirs mit den späten 50er-Jahren normalerweise so gar nicht in Übereinstimmung bringen!! Und gleichzeitig eine spannende Reise in die Geschichte des Kriminalthrillers, denn mit Julian und Dancer werden Gangstertypen kreiert, die in Little Caesar und Tommy Judo ihren Ursprung haben und in all den Irren, die heute die Leinwände bevölkern, weiterleben. Großes und aufregendes Gangster-Kino!
Ein toter Taxifahrer und ein toter Polizist bringen Lieutenant Guthrie und Inspektor Quine auf die Spur eines Drogenschmugglersyndikats, das sich unbescholtener Fernost-Touristen bedient, um unverschnittenes Heroin, versteckt in harmlosen Mitbringseln, ins Land zu bringen. Doch außer einem einzigen Reisenden haben die beiden aufrechten Cops keine Spur. Sie wissen nicht, dass zwei Killer in der Stadt unterwegs sind, die die Ware von drei weiteren Touristen einsammeln und ihrem Auftraggeber übergeben sollen. Ein Matrose, ein Antiquitätensammler und eine Frau mit Kind gilt es, um ihre Einkäufe mehr oder weniger unauffällig zu erleichtern. Der Matrose will bei der Übergabe des Stoffs unangemessen reich werden, und der Diener des Antiquitätensammlers weigert sich die Kostbarkeiten herzugeben. Es bleiben Tote zurück, und die wiederum weisen die Spur für die Polizei. Doch da ist noch die Frau mit ihrer Tochter, die sich bei dem etwas aus dem Ruder gelaufenen Job plötzlich als Geisel des pathologischen Dancer und seines, die letzten Worte von Sterbenden sammelnden, Partners Julian wiederfindet.
Schöne Bilder aus dem San Francisco des Jahres 1958, nicht uninteressant das Ganze, aber eben doch Hausmannskost. So könnte man im ersten Augenblick meinen, wenn die kernigen Gesetzesvertreter dienstbeflissen ihren Job machen, nicht beirrt durch irgendwelche privaten Tändeleien, und fleißig Klinken putzen und Verdächtige suchen. Doch der Regisseur heißt Don Siegel, und der eine Killer wird von Eli Wallach gegeben. In dem Augenblick, in dem die Killer die Stadt betreten, ist Schluss mit lustig. Die Polizei tritt kaum noch auf, und wenn doch, bemerkt der Zuschauer erst, wie langweilig dieses tradierte Schema mittlerweile geworden ist. Stattdessen übernehmen Dancer und Julian die Hauptrollen, und wir begleiten nicht mehr die Cops, sondern die psychopathischen Killer, deren eigenes Leben an der erfolgreichen Durchführung des Jobs hängt.
Don Siegel ist bekannt für seine erstklassigen Action-, und hier vor allem für seine hervorragenden Polizeifilme. DER HENKER IST UNTERWEGS ist dafür ein weiteres erstklassiges Beispiel und gleichzeitig eine Variation in Noir. An sich ist der Film ein Ableger der TV-Serie TÄTER UNBEKANNT, die zwischen 1954 und 1960 in 6 Staffeln echte Fälle der Polizei von San Francisco nachstellte (und sich dabei von einer Radioserie der frühen 50er inspirieren ließ). Die Hauptrolle war mit Warner Anderson in der Hauptrolle des Detective Lieutenant Ben Guthrie im Film genauso besetzt wie in der Serie, beides wurde On Location in den Straßen von San Francisco gedreht, und beide Male unterstützte die Polizei die Dreharbeiten (was am Ende jeder Folge gewürdigt wurde, genauso wie auch im Film). Der Unterschied allerdings macht die Musik: Anstatt sich auf ein weiteres der unzähligen mehr oder weniger biederen Polizeidramen der ausgehenden 50er-Jahre zu beschränken, in dem die Polizei in Gestalt von zwei knorrigen älteren Detectives ermittelt, die Sonne scheint, und ab und zu auch noch ein Off-Kommentator die Zusammenhänge und Szenenwechsel erklärt, konzentriert sich Siegel auf die wesentlich interessanten Charaktere der beiden Gangster, Julian und Dancer.
Robert Keith als Julian ist dabei der ältere der beiden Hitmen, der dem etwas jüngeren Dancer die Tricks und Kniffe beibringt, die einem das Überleben als Killer sichern. Dancer ist der Ausführende mit der Knarre, der dem erfahreneren Julian die letzten Worte der Sterbenden zurückbringt, die dieser dann geflissentlich in ein kleines Büchlein schreibt. Nun ja, jeder hat so seine Hobbys …
Dancer selber ist auch kein wirklicher Anfänger, aber gegenüber Julian hat er einen Vorteil, wenn man dies denn so nennen mag: Er ist hochgradig pathologisch und neigt zur hemmungslosen Gewalt. Wie gesagt, die beiden deutlich interessanteren Charaktere, und Siegel begleitet sie bis zum bitteren Ende. Nicht mehr die Cops sind die Hauptfiguren, die allen und jeden verdächtigen, dabei aber doch eigentlich ganz patente Kerle sind, die auf einer Reise durch das Zwielicht der Kriminalität über die Fallstricke und den Dreck geradezu zu schweben scheinen, sondern stattdessen schauen wir zwei vollkommen irren Gangstern dabei zu, wie sie harmlose Durchschnittsbürger um Mitbringsel und Leben bringen, und das heiter-offene San Francisco zu einem Ort des Todes machen, während sie über englische Sprache philosophieren und den gewaltsamen Tod genauso alltäglich diskutieren wie das Wetter.
Und mit genau diesem Kniff hebt sich DER HENKER IST UNTERWEGS aus der Masse heraus. Damit, mit dem geschickten Einsatz von Kamera und Musik, vor allem aber auch mit einem überraschend brutalen Finale und einem erbarmungslosen Ende. Neben all der Dutzendware, die in den späten 50er-Jahren auf die Kinoleinwände losgelassen wurde, gab es eben auch ein paar wenige Juwelen, die man oft (wenn auch nicht immer) an den Regisseuren und an den Schauspielern festmachen kann. In diesem Fall ist es die Kombination aus Don Siegel und Eli Wallach, die überdurchschnittliche Qualität mit extrem hohem Unterhaltungspotential garantiert. Großer Tipp für Krimifreunde und für alle wie mich, die den klassischen Begriff des Noirs mit den späten 50er-Jahren normalerweise so gar nicht in Übereinstimmung bringen!! Und gleichzeitig eine spannende Reise in die Geschichte des Kriminalthrillers, denn mit Julian und Dancer werden Gangstertypen kreiert, die in Little Caesar und Tommy Judo ihren Ursprung haben und in all den Irren, die heute die Leinwände bevölkern, weiterleben. Großes und aufregendes Gangster-Kino!