Re: Was vom Tage übrigblieb ...
Verfasst: Mi 17. Jul 2024, 04:56
Harry Brown (Daniel Barber, 2009) 7/10
Harry wohnt in einer üblen Gegend am Rande einer großen Stadt, irgendwo dort, wo der Himmel immer nur grau ist und wo der Verkehr auf der Schnellstraße neben dem Wohnblock niemals abreißt. Wenn Harry seine kranke Frau im Hospital besuchen will müsste er durch eine Fußgängerunterführung unter der Schnellstraße. Aber diese Unterführung ist fest in der Hand einer Gruppe von Jugendlichen, die jeden terrorisieren der da durch möchte. Schläge und Tritte sind das mindeste für die Passanten, weswegen Harry immer einen Umweg macht. Es kommt die Nacht in der das Krankenhaus anruft, dass seine Frau im Sterben liegt, und weil Harry diesen Umweg machen muss, ist sie bereits tot als er eintrifft. Ein paar Tage später kommt sein bester Freund, der schon länger von den Jugendlichen drangsaliert wurde, zu Tode – Sein Körper wird zerschlagen und mit Messereinstichen in der Unterführung gefunden.
Harry hat die Schnauze voll und will etwas gegen die Bande unternehmen. Harry besorgt sich eine Waffe und nimmt das Gesetz in die eigene Hand. Harry ist über 70 Jahre alt …
Ein geriatrischer Actionfilm? Michael Caine zeigt uns hier, wie würdevolles Altern wirklich aussieht. Kein Liam Neeson, dem man sein Alter nicht ansieht, und auch kein Sylvester Stallone, dem man seine kräfteraubenden Heldentaten nicht wirklich abkauft. Stattdessen ein alter Mann, Probleme mit der Lunge und verdammt einsam, der sich eine Waffe nimmt (tatsächlich nimmt er sich die gesamte Artillerie die so auf dem Tisch rumliegt, aber das ist eine andere Geschichte) und das macht, was er vor x Jahren in Nordirland als Soldat einer Eliteeinheit auch schon gemacht hat: Schmerzen zufügen, Schmerzen ertragen, Fallen stellen, töten. Dass das alles nicht mehr so schnell geht wie früher ist klar, und diese altersbedingte Langsamkeit prägt den Film und seine Erzählung. Sie gibt genau das richtige Tempo vor für diese bittere und irgendwie einigermaßen realistische Geschichte über einen früheren Soldaten, der die Ungerechtigkeit da draußen einfach nicht mehr erträgt, weil sie ihn in seinem eigenen Leben fesselt und ihm seine Existenz unerträglich macht.
Da ist die alleinerziehende junge Mutter, die von einem vorbeifahrenden Moped aus erschossen wird. Einfach so. Weil sie gerade dort mit ihrem Kinderwagen steht. Da ist der Mann dessen Auto demoliert wird, und als er sein Eigentum verteidigen will in Sekundenschnelle zu blutigem Brei getreten wird. Diese Art Ungerechtigkeit meine ich, und die kennt jeder von uns, gleich welches Alter und welchen sozialen Status man hat. Und es ist diese Ohnmacht, die schon einen Paul Kersey angetrieben hat, und die auch Harry Brown die nötige Energie gibt. „Du solltest zur Polizei gehen. Weißt Du was, das machen wir jetzt.“ „Ich war schon längst bei der Polizei…“, und die Augen sind weit aufgerissen und drücken Hilflosigkeit und tiefsitzende Qualen aus. Angst. Das Gefühl der Ohnmacht …
Die Kernaussage fällt aber, wenn Harry vorgehalten wird, dass er die gerade stattfindenden Aufstände, die Molotow-Cocktails, die brennenden Autos und die Schüsse, den Hass und das Blut, den erbitterten Kampf gegen die zurückweichenden Polizisten, dass er das alles bereits kennt: „Das ist nicht Nordirland, Harry.“ „Nein, ist es nicht. Diese Menschen dort, die haben für etwas gekämpft. Für eine Sache. Für die da draußen ist es nur unterhaltsam.“
Wenn man HARRY BROWN nach der Sichtung an sich vorbeiziehen lässt, dann fehlen einem irgendwie die Worte. Die Worte, diese Welt da draußen adäquat zu beschreiben. Den Nihilismus und die Zerstörungswut, denen man so hilflos gegenübersteht. Genauso wenig wie die daraus resultierenden Gefühle beschrieben werden können. Ohnmacht. Und immer wieder diese Angst. HARRY BROWN gibt dem normalen Menschen eine Stimme, und auch wenn diese Stimme die einer 38er Smith & Wesson ist, so scheint es doch nicht der selbstjustizielle Weg eines Paul Kersey zu sein den Harry Brown da geht, sondern „nur“ der Befreiungsschlag eines gequälten Menschen. Wo da der Unterschied liegt? Eine schwierige Frage - Vielleicht im Alter des Protagonisten? Oder doch nur im Empfinden des Rezensenten?
HARRY BROWN ist gelungenes Actionkino für Fortgeschrittene. Vor allem für diejenigen fortgeschrittenen Alters …
Harry wohnt in einer üblen Gegend am Rande einer großen Stadt, irgendwo dort, wo der Himmel immer nur grau ist und wo der Verkehr auf der Schnellstraße neben dem Wohnblock niemals abreißt. Wenn Harry seine kranke Frau im Hospital besuchen will müsste er durch eine Fußgängerunterführung unter der Schnellstraße. Aber diese Unterführung ist fest in der Hand einer Gruppe von Jugendlichen, die jeden terrorisieren der da durch möchte. Schläge und Tritte sind das mindeste für die Passanten, weswegen Harry immer einen Umweg macht. Es kommt die Nacht in der das Krankenhaus anruft, dass seine Frau im Sterben liegt, und weil Harry diesen Umweg machen muss, ist sie bereits tot als er eintrifft. Ein paar Tage später kommt sein bester Freund, der schon länger von den Jugendlichen drangsaliert wurde, zu Tode – Sein Körper wird zerschlagen und mit Messereinstichen in der Unterführung gefunden.
Harry hat die Schnauze voll und will etwas gegen die Bande unternehmen. Harry besorgt sich eine Waffe und nimmt das Gesetz in die eigene Hand. Harry ist über 70 Jahre alt …
Ein geriatrischer Actionfilm? Michael Caine zeigt uns hier, wie würdevolles Altern wirklich aussieht. Kein Liam Neeson, dem man sein Alter nicht ansieht, und auch kein Sylvester Stallone, dem man seine kräfteraubenden Heldentaten nicht wirklich abkauft. Stattdessen ein alter Mann, Probleme mit der Lunge und verdammt einsam, der sich eine Waffe nimmt (tatsächlich nimmt er sich die gesamte Artillerie die so auf dem Tisch rumliegt, aber das ist eine andere Geschichte) und das macht, was er vor x Jahren in Nordirland als Soldat einer Eliteeinheit auch schon gemacht hat: Schmerzen zufügen, Schmerzen ertragen, Fallen stellen, töten. Dass das alles nicht mehr so schnell geht wie früher ist klar, und diese altersbedingte Langsamkeit prägt den Film und seine Erzählung. Sie gibt genau das richtige Tempo vor für diese bittere und irgendwie einigermaßen realistische Geschichte über einen früheren Soldaten, der die Ungerechtigkeit da draußen einfach nicht mehr erträgt, weil sie ihn in seinem eigenen Leben fesselt und ihm seine Existenz unerträglich macht.
Da ist die alleinerziehende junge Mutter, die von einem vorbeifahrenden Moped aus erschossen wird. Einfach so. Weil sie gerade dort mit ihrem Kinderwagen steht. Da ist der Mann dessen Auto demoliert wird, und als er sein Eigentum verteidigen will in Sekundenschnelle zu blutigem Brei getreten wird. Diese Art Ungerechtigkeit meine ich, und die kennt jeder von uns, gleich welches Alter und welchen sozialen Status man hat. Und es ist diese Ohnmacht, die schon einen Paul Kersey angetrieben hat, und die auch Harry Brown die nötige Energie gibt. „Du solltest zur Polizei gehen. Weißt Du was, das machen wir jetzt.“ „Ich war schon längst bei der Polizei…“, und die Augen sind weit aufgerissen und drücken Hilflosigkeit und tiefsitzende Qualen aus. Angst. Das Gefühl der Ohnmacht …
Die Kernaussage fällt aber, wenn Harry vorgehalten wird, dass er die gerade stattfindenden Aufstände, die Molotow-Cocktails, die brennenden Autos und die Schüsse, den Hass und das Blut, den erbitterten Kampf gegen die zurückweichenden Polizisten, dass er das alles bereits kennt: „Das ist nicht Nordirland, Harry.“ „Nein, ist es nicht. Diese Menschen dort, die haben für etwas gekämpft. Für eine Sache. Für die da draußen ist es nur unterhaltsam.“
Wenn man HARRY BROWN nach der Sichtung an sich vorbeiziehen lässt, dann fehlen einem irgendwie die Worte. Die Worte, diese Welt da draußen adäquat zu beschreiben. Den Nihilismus und die Zerstörungswut, denen man so hilflos gegenübersteht. Genauso wenig wie die daraus resultierenden Gefühle beschrieben werden können. Ohnmacht. Und immer wieder diese Angst. HARRY BROWN gibt dem normalen Menschen eine Stimme, und auch wenn diese Stimme die einer 38er Smith & Wesson ist, so scheint es doch nicht der selbstjustizielle Weg eines Paul Kersey zu sein den Harry Brown da geht, sondern „nur“ der Befreiungsschlag eines gequälten Menschen. Wo da der Unterschied liegt? Eine schwierige Frage - Vielleicht im Alter des Protagonisten? Oder doch nur im Empfinden des Rezensenten?
HARRY BROWN ist gelungenes Actionkino für Fortgeschrittene. Vor allem für diejenigen fortgeschrittenen Alters …