Im Todestal der Wölfe
Bobby hat das Massaker in der Wüste überlebt (siehe: Hügel der Blutigen Augen). In seinen Erinnerungen und Träumen leben die schrecklichen Ereignisse jedoch unentwegt fort. Um ein Motorradrennen zu veranstalten, unternehmen einige seiner Freunde einen Ausflug in die Wüste, exakt in jene Gegend, in der vor Jahren Bobby´s Familie brutal ermordet wurde. Doch noch bevor sie ihren Plan in die Tat umsetzen können, werden sie von den über sie hereinbrechenden Ereignissen überrollt.
Mit „Hügel der blutigen Augen“ erschuf US-Regisseur Wes Craven („Last House on the Left“, „A Nightmare on Elm Street“) 1977 einen einzigartigen Backwood-Terror-Streifen, der zum Besten gehört, was das Subgenre zu bieten hat. Die Charaktere jenes Films nahm er Mitte der 1980er zum Anlass, einen typischen Slasher zu drehen. Kann man machen. Sollte man vielleicht nicht unbedingt, möchte man nicht fahrlässig mit der Erwartungshaltung des Publikums brechen, aber man kann. Ruby (Janus Blythe, „Phantom im Paradies“), die abtrünnige Hügelbewohnerin aus dem ersten Teil, nennt sich nun Rachel und führt ein Leben in der Zivilisation. Zusammen mit einigen befreundeten Twens möchte sie ein Motorradrennen aufsuchen, an dem einige ihrer Freunde aktiv teilzunehmen gedenken. Man macht sich auf den Weg, doch als man eine Abkürzung einschlägt, führt diese durch eben jene „Hügel der blutigen Augen“ im „Todestal der Wölfe“, in denen die schrecklichen Ereignisse seinerzeit ihren Lauf nahmen…
Mit dieser späten Fortsetzung, deren Produktion offenbar nicht unproblematisch verlief und zwischenzeitlich unterbrochen werden musste, wollte man also auf den Slasher-Zug aufspringen. Zunächst gibt es ein Wiedersehen mit dem traumatisierten Bobby (Robert Houston, „Schweinebande!“), einem Überlebenden aus Teil 1. In Rückblenden wird erzählt, was Bobby seinerzeit erleben musste, so dass der Zuschauer Anschluss findet und der Handlung auch folgen kann, wenn er „Hügel der blutigen Augen“ nie gesehen hat. Strenggenommen hätte man sich diesen Prolog aber auch sparen können, denn Bobby entscheidet sich letztlich dagegen, die Reise mit seinen Freunden anzutreten und ward ab da im Film nicht mehr gesehen. Warum man trotz drei oder vier Überlebender aus Teil 1 von nur zwei Überlebenden spricht, ist allerdings in nur schwer verzeihlicher Fehler – hier log der Prolog (entschuldigt diesen miesen Wortwitz).
Ironischerweise beginnt meine RTL-Plus-Aufzeichnung des Films, die ich als präpubertierender Horrorfreak anfertigte, aufgrund eines entweder falsch programmierten Videorekorders oder einer kurzfristigen Programmverschiebung just in dem Moment, in dem es per Bus auf die Reise geht. Trotzdem erschien mir der Film seinerzeit vollständig, was für die Verzichtbarkeit des Prologs spricht.
Bei unseren Freunden handelt es sich um eine bunt zusammengewürfelte, sympathische Truppe aus Crossmotorrad-Freaks mit ihren Freundinnen, Ruby-Rachel und Schäferhund Buddy. Eines der Mädels, Cass, ist blind - ein Umstand, der so direkt nie Erwähnung findet, dafür ist aber der Film von Anfang an gespickt mit zahlreichen unüberseh- bzw. -hörbaren Hinweisen auf diese Behinderung. Bis auf Rachels Freund weiß niemand aus der Reisegruppe von ihrer Vergangenheit und wie es eben so ist, wenn man Anfang 20 ist und glaubt, die Welt erobern zu können, werden Warnungen ignoriert, belacht und leichtfertig abgetan – und die verhängnisvolle Abkürzung eingeschlagen. Es kommt, wie es kommen muss: Der Bus ist kein Geländewagen und somit nicht gemacht für die Beschaffenheit der Straßen in der felsigen Landschaft. Ein Loch im Tank kann notdürftig geflickt werden, doch durch den Benzinverlust kann man seine Fahrt nicht fortsetzen. Pluto (Michael Berryman, „Cut and Run“) und ein neuer Fiesling (John Bloom, „The Stand – Das letzte Gefecht“), der auf den vertrauenserweckenden Namen „Der Ripper“ hört, bemerken die Havarierten schnell und machen fortan Jagd auf das Frischfleisch, um sich einerseits an Ruby zu rächen und andererseits ihren „Kühlschrank“ zu füllen.
Dabei wird nach dem Slasher-Schema F verfahren, was bedeutet, dass wann immer sich jemand von der Gruppe auf eigene Faust irgendwohin auf den Weg macht, er geradewegs in den sicheren Tod geht. Wer die gefährliche Situation weiterhin unterschätzt und sogar unpassenderweise pimpern möchte, hat ebenfalls von vornherein verloren. Musikalisch begleitet wird der muntere Reigen von einem Soundtrack des „Freitag der 13.“-Komponisten, der wenig einfallsreich klingt, die Slasher-Thematik aber natürlich stützt.
Auf der Habenseite verbuchen kann „Im Todestal der Wölfe“ sein stimmiges Felswüstenambiente, fiese Fallen, tolle Stunts und eine sommerliche Abenteueratmosphäre, die Gefahr ausstrahlt – wie quasi jede Sommernacht mit Freunden in jungen Jahren. Michael Berryman als Pluto sieht nach wie vor fantastisch aus und spielt den ebenso fiesen wie feigen Killer mit Bravour – eben genau so, wie man sich einen den Schutz im Verborgenen der Felsen suchenden Psychopathen vorstellt. Sein neuer Kollege ist ein widerlicher Fettklops, der ein wenig aussieht wie ein End-80er/Anfang-90er-WWF-Wrestler und fast schon lächerlichen Wahnsinn mit beunruhigender Brutalität kombiniert – ebenfalls eine durchaus beachtliche Leistung und ein interessanter Charakter.
Als Kontrast zu diesen „entmenschlichten Tieren“, zu diesen zu kannibalistischen Bestien Mutierten, erleben wir den gewitzten, intelligenten Schäferhund Buddy, der bereits in Teil 1 Pluto (vermeintlich) tötete und neben einigen starken und für einen Slasher ungewohnten Auftritten sogar einen Flashback vom Drehbuch zugewiesen bekommt, innerhalb dessen er sich an die damaligen Ereignisse erinnert – klar, warum nicht? Doch die Kamera fängt auch die heimische Fauna beispielsweise in Form eines Waschbären, einem der niedlichsten Tiere überhaupt, ein und unterstreicht damit vorherrschende Stimmung der trügerischen Schönheit nahezu unberührter Natur.
Klingt alles gar nicht so schlecht? Ist es auch nicht. Leider wird der positive Eindruck, den man – war man in der Lage, „Im Todestal der Wölfe“ gedanklich klar von „Hügel der blutigen Augen“ zu trennen und zu akzeptieren, dass man sich in einem anders gearteten Subgenre bewegt – als aufgeschlossener Zuschauer mit Slasher-Affinität erlangen konnte, doch arg durch einige unschöne Schludereien getrübt. Wenn man schon versucht, sich ein wenig von den üblichen Teenies zu distanzieren und sympathische Twens zu etablieren, sollte man diese noch weniger als debile Tennies ganz offensichtlichen, strunzdoofen Unfug betreiben lassen, der auch mit allem Wohlwollen nicht mit Extremsituationen wie Panik oder Angst zu rechtfertigen ist. So ist es mir bis heute ein Rätsel, wie man eine offensichtlich echte Falle während einer Verfolgungsjagd durch die Felsen für einen Streich seines Kumpels halten kann. Gewiss, andere Dummheiten lassen sich damit erklären, dass diejenigen, die in der Holzhütte bzw. um sie herum blieben, die meiste Zeit keinen Schimmer davon haben, was sich hinter den Hügeln Grausames abspielt. Mit ein wenig mehr Einfallsreichtum und Sorgfalt wäre die eine oder andere Ärgerlichkeit aber ohne Not zu vermeiden gewesen. Die Erklärung dafür, dass Pluto die Ereignisse aus „Hügel der blutigen Augen“ nun doch überlebt hat, ist unbefriedigend und lässt jegliche Originalität, die Slasher normalerweise walten lassen, wenn sie ihre Unholde wiederauferstehen lassen, vermissen. Dass sich die Opferdarsteller solcher Filme in fröhlichem Overacting ergehen, ist hingegen etwas, an das man sich längst gewöhnt hat – was es nun aber auch nicht unbedingt viel besser macht.
Doch selbstverständlich steht und fällt ein Slasher letztlich zu einem großen Teil mit seinen Morden. Diesbzgl. übt sich „Im Todestal der Wölfe“ eher in Zurückhaltung, sonderlich explizit ist bis auf einen Kehlenschnitt hier nicht viel. In dieser Hinsicht hätte der Film gern etwas mehr Pfeffer vertragen können. Auf der anderen Seite verstand man es aber, ein paar wenige effektive Suspense-Momente zu berücksichtigen, für die man geschickterweise auf die blinde Cass zurückgriff, was den Grad des Einfühlungsvermögens seitens des Zuschauers und damit die Spannung erhöht – die zwischendurch leider ein wenig vernachlässigt wird. Ein aufregendes, feuriges Finale hüllt nicht nur eindrucksvoll die sehenswerte Landschaft in lodernde Flammen, sondern entlässt den Genrefreund aus einem zwar hier und da ärgerlich schludrigen und etwas blutarmen, aber letztlich dann doch noch leicht überdurchschnittlichen, actionreichen Slasher, der mit Michael Berryman immerhin mit einer DER Charakterfressen schlechthin aufwartet.
Oder anders formuliert: Wer Slasher nicht in erster Linie dafür schätzt, dass dümmliche Teenager brutal dahingemeuchelt werden, nachdem sie vorher oben ohne durchs Bild hüpfen durften, sondern vielmehr eine konstant bedrohliche Atmosphäre, Wahnsinn und den einen oder anderen Suspense-Moment bevorzugt, sollte „Im Todestal der Wölfe“ eine Chance geben.
Nachtrag: Ich sprach davon, möglichst den ersten Teil auszublenden. Das macht einem „Im Todestal der Wölfe“ nicht leicht, denn neben dem eigentlich überflüssigen Prolog gibt es immer wieder weitere Rückblenden, die Geschehnisse aus Teil 1 zeigen. Ich bin mir sicher, dass, hätte man darauf verzichtet und den Film stattdessen mittels eines einfallsreicheren Drehbuchs auf Länge gebracht, die Kritik allgemein wohlwollender ausgefallen wäre. Ich hatte den großen Vorteil, seinerzeit vollkommen unbedarft an meine TV-Aufzeichnung herangehen zu können, da ich weder „Hügel der blutigen Augen“ kannte, noch überhaupt eine Vorstellung davon hatte, was mich erwarten würde. Wenn mich nicht alles täuscht, wurde „Im Todestal der Wölfe“ gar der erste Slasher, den ich überhaupt zu Gesicht bekam, und ich fand durchaus Gefallen. Evtl. fällt mein Urteil auch daher etwas milder aus.