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Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Verfasst: Di 6. Dez 2011, 15:37
von buxtebrawler
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Mother of Tears
Bei Ausgrabungen in der Nähe von Rom öffnen die amerikanische Kunststudentin Sarah Mandy (Asia Argento) und ihre Kommilitonin Giselle (Coralina Cataldi-Tassoni) durch ein Versehen eine alte Urne und setzen damit unwissentlich den Geist von Mater Lacrimarum (Moran Atias), einer der mächtigsten Hexen der Welt, frei. Als nach Giselles grausamer Ermordung eine spektakuläre Serie von mysteriösen Selbstmorden Rom in Angst versetzt und sich zahlreiche, unerklärliche Ereignisse häufen, wird sich Sarah der Tragweite ihres Fehlers bewusst - und beschließt, der "Mutter der Tränen" die Stirn zu bieten...
Das ist er also, der Abschluss der Mütter-Trilogie des italienischen Kult-Regisseurs Dario Argento, der 1977 mit „Suspiria“ und 1980 mit „Inferno“ die ersten beiden Teile vorlegte und damit faszinierende, bildgewaltige, unverkennbar eigenständige Horrorfilme schuf. Mehr als ein Vierteljahrhundert ist seitdem ins Land gezogen. Ist diese italienisch-US-amerikanische Koproduktion aus dem Jahre 2007 ein würdiger Abschluss? Nur sehr bedingt…

Nach Ausgrabungen in der Nähe Roms wird durch Öffnen einer uralten Urne Mater Lacrimarum, der Mutter der Tränen (Moran Atias), der Weg zurück in die Gegenwart geebnet, was mit Tod und Verderben (nicht nur) auf den Straßen Roms einhergeht. Die US-Kunststudentin Sarah (Asia Argento, „Dance of the Demons 2“, „The Stendhal Syndrome“) nimmt den Kampf gegen die Hexe und ihre Gefolgschaft auf, nachdem sie erfährt, dass sie selbst Nachkommin einer guten Hexe ist – derjenigen, die seinerzeit Mater Suspirianum so sehr schwächte, dass ihr schließlich in „Suspiria“ der Garaus gemacht werden konnte.

Waren „Suspiria“ und „Inferno“ hauptsächlich auf die jeweiligen Gebäude in Freiburg und New York beschränkt, beschreitet man mit „Mother of Tears“ andere Wege: Die Spielwiese der Tränenmutti ist ganz Rom, wo sie und ihre Helferinnen für Selbstmorde, Gewalt und Chaos sorgen. Die Intention dahinter war vermutlich, aus dem Trilogieabschluss etwas wahrhaft Apokalpytisches zu machen, die von der Hexe ausgehende Gefahr zu steigern. Dumm nur, dass – aufgrund eines radikal zusammengekürzten Budgets, wie man sich erzählt – von dieser Idee kaum etwas in einer Weise umgesetzt wurde, die diesen Anspruch wirkungsvoll untermauern würde. Die kurzen Einspieler vom Treiben auf den Straßen jedenfalls erzeugen noch lange keine Endzeitstimmung und die Darstellung der Hexengefolgschaft als freche Gothpunk-Mädels, die pöbelnd durch die Straßen ziehen, strotzt nur so vor Klischees und verfehlt ihren Effekt komplett. Die Tränenmutti selbst bekommt man schon verdammt früh zu sehen. Sie scheint einer Fetischszene zu entspringen und ist zudem recht attraktiv gebaut, also kein Vergleich zu den geheimnisumwitterten Gestalten aus Argentos vorausgegangenen „Mater-Filmen“, die man erst gegen Ende zu Gesicht bekam. Das nennt man wohl Entmystifizierung.

Überhaupt versucht „Mother of Tears“ zu quasi keinem Zeitpunkt, etwas von der unvergleichlichen Stimmung der Vorgänger in die Gegenwart herüberzuretten. Moderne Optik, kaum Argento-typische visuelle Charakteristika wie ausgedehnte Kamerafahrten oder bavaeske Farbdramaturgie, generell kaum Zeit für die Entfaltung einer mystischen, unheilschwangeren Atmosphäre. „Mother of Tears“, ist schrill und laut. Und das wiederum gar nicht mal so verkehrt: Wie bereits in anderen Argentos jüngeren Datums wird auch hier gerne auf Splatter und Gore gesetzt, integriert in die Handlung statt selbstzweckhafter Blutorgie und im Falle der handgemachten Spezialeffekte hervorragend realisiert. Leider konnte man sich aber nicht dazu durchringen, komplett auf CGI-Effekte zu verzichten, worunter der Film doch beträchtlich leidet. Statt übertriebene Gewaltszenen wie die Pfählung eines Opfers mithilfe von CGI auf die Spitze zu treiben, wären sie effektiver ausgefallen, hätte man auf den Computereinsatz verzichtet. Die Erscheinungen von Sarahs Mutter aus dem Geisterreich wirken zudem sehr fantasyartig und damit in diesem Film fehl am Platz. Dass man Asia Argentos tatsächliche Mutter verwandte, hat hingegen schon wieder etwas. Computeranimationen wie ausgewölbte Türen oder Wände erinnern mich spontan an Peter Jacksons Horrorkomödie „The Frighteners“, wo sie gut, vor allem aber besser als in einem Argento aufgehoben waren. Claudio Simonettis Soundtrack hingegen ist von der ersten Sekunde an angenehm düster und rundum gelungen. Stilistisch also eine durchwachsene, vor allem aber – insbesondere im direkten Vergleich mit den anderen beiden Trilogie-Teilen – hochgradig ungewohnte Angelegenheit.

Asia Argentos Schauspiel ist ok, wenn sie in diesem Film auch nicht gerade ein Augenschmaus ist. Ihre Hauptrolle meistert sie aber souverän, für die Schauwerte ist die böse Hexenbrut zuständig, deren Blankziehen die Ausrichtung des Films auf oberflächlichen Unterhaltungswert unterstreicht. Udo Kier wird in einer zu kleinen Nebenrolle verschenkt. Herausragendes, sonderlich Erinnerungswürdiges leistet ansonsten niemand aus der Darstellerriege. Waren insbesondere in „Inferno“ die Darsteller ohnehin der Optik respektive den Kulissen des Films eindeutig untergeordnet, ist dies hier nicht der Fall, doch versucht man, immer wieder den Bezug zu „Suspiria“ und „Inferno“ herzustellen und als eine Art Überbau zu installieren. Ja, das sorgt hier und da für wohlige Erinnerungen, die aber nur allzu schnell in Wehmut umschlagen, wenn beispielsweise die geheimnisumwitterten Aufzeichnungen des Hexenhaus-Architekten ein unfassbar lächerlich einfach zu lösendes „Rätsel“ offenbaren und schnell deutlich wird, dass auch all die Verweise die kongeniale Mystik der Vorgänger nicht erreichen können. Letztlich führen Sarahs Recherchen mithilfe ihrer Geistermutter in Katakomben, die ein zwar durch ihre Kulissen durchaus endlich einmal bildgewaltiges, inhaltlich aber enttäuschend unspektakuläres Finale den Raum bieten.

Schafft man es aber, ohne irgendeine über herkömmlichen Horror hinausgehende Erwartungshaltung an „Mother of Tears“ heranzugehen, klingt das alles viel Negativer, als es eigentlich ist. Argentos Film ist zwar eine atmosphärische Nullnummer, ansonsten aber flotter, unterhaltsamer Okkult-Hexenhorror, der oft an nichtitalienische Subgenreklassiker erinnert und durch seine Verquickung mit krudem Splatter und in Gestalt ungruseligen Popcorn-Kinos dann irgendwie doch etwas Besonderes ist. Aber wer schafft es schon, ein letztes Trilogiedrittel losgelöst von den anderen beiden zu betrachten?

Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Verfasst: Fr 9. Dez 2011, 01:42
von buxtebrawler
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Dämonen
Viele Jahre nach den Vorfällen in Berlin läuft im Fernsehen eine Dokumentation über die grausamen Geschehnisse. In einem Wohnkomplex verfolgen mehrere Leute die Sendung, als bei Sally, die gerade eine Party in ihrer Wohnung feiert, ein Dämon die Grenzen von Film zur Realität überschreitet. Bald schon haben sich alle Partygäste in blütrünstige Dämonen verwandelt. Eingeschlossen auf dem Hochhaus ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis alle Bewohner den Dämonen zum Opfer gefallen sind.
„Erinnerst du dich noch? Letzten Sommer in den Bergen? Das hier ist auch nicht schlimmer...“

„Dämonen“ ist die 1986 veröffentlichte Fortsetzung von „Dämonen 2“, der deutsche Verleih hatte seinerzeit die Titel vertauscht. Wie beim Vorgänger führte Lamberto Bava Regie, während Dario Argento als Produzent fungierte und sich am Drehbuch beteiligte.

Der zweite Teil der Dämonensause ist dem ersten – welch Überraschung – nicht unähnlich. Teil 1 spielte im Kino, wo die Dämonen aus der Leinwand hüpften, Teil 2 in einem Hochhaus, wo es ihnen in den Fernsehern, die gerade über die Ereignisse aus Teil 1 berichten, zu eng wird. Und ab geht das Dämonenspektakel!

„Dämonen“ konzentriert sich voll und ganz auf seine Kreaturen, auf Spezialeffekte, Make-up und Masken. Ja, hier geht’s richtig rund, denn SFX-Künstler Sergio Stivaletti fährt ein wahres Feuerwerk auf. Die Spezialeffekte sind erste Sahne und liefern sogar ein kleines „Best of“ aus anderen Kreaturenfilmen wie „Alien“, „Gremlins“ und wie sie alle heißen. Kopie oder Hommage, ich weiß es nicht, aber das ist hier auch herzlich egal. Genauso egal sind leider die menschlichen Protagonisten, die man allesamt nur oberflächlich vorgestellt bekommt und mit denen mitzufiebern daher schwerfällt. Dafür kann man sie aber anfänglich beispielsweise auf einer Wohnungsparty zu „The Smiths“ tanzen sehen: „Burn down the disco, hang the blessed DJ because the music that they constantly play, it says nothing to me about my life…” Ja, das waren die schönen Seiten der guten alten 80er. Generell gefällt mir die Stimmung dieses Films besser als beim Vorgänger, der den Filmgenuss mit einem grenzwertigen Metal-Soundtrack erschwerte. Bava leuchtet die Szenerie in kräftigen Farben aus, die Erinnerungen an die Farbdramaturgie seines Vaters aufkommen lassen. Die kruden Effekte übrigens machen auch vor Kindern und Schwangeren nicht halt, es gibt die volle Breitseite Make-up- und Kunstblut-Fiesheit.

Die Abwesenheit als solcher klar erkennbarer Hauptrollen und sympathischer Identifikationsfiguren wirkt sich zunächst nicht störend aus, solange die Dämonenparty tobt - irgendwann mutiert, ähnlich wie bei Zombiefilmen nach einem Untotenbiss, ohnehin fast jeder zu einem Dämon. Ab einem gewissen Zeitpunkt nutzt sich das alles aber leider dann doch ein wenig ab – insbesondere, wenn der Film hier und da mit seiner inneren Logik schluderig umgeht. Den kompletten Trash-Overkill bis zum Abwinken, wie ein Jahr zuvor im Vorgänger praktiziert, gibt es aber glücklicherweise nicht. Hatte jener einen sehr mystischen, gruselig-atmosphärischen Auftakt, um später komplett abzudriften, erscheint „Dämonen“ homogener.

Davon, in welcher Stadt der Film spielen soll (Hamburg? München?), merkt man auch nicht viel, was natürlich schade ist. Deutsches Lokalkolorit hätte „Dämonen“ mit Sicherheit gut getan, so aber ist die Handlung austausch- und in quasi jeder Großstadt ansiedelbar. Jene Handlung wurde eben auf das Wesentlichste beschränkt, einzelne Handlungsstränge werden enttäuschend unspektakulär zu Ende geführt, in Dialogen und Verhalten der „Charaktere“ dominiert mitunter die unfreiwillige Komik. Erklärungsansätze, wie und warum die Dämonen sich in der filmischen Realität manifestieren, nachdem sie zuvor lediglich über die Mattscheibe flimmerten, gibt es keine. Ein surreal anmutendes Finale in einem Fernsehstudio aber schließt den Kreis einigermaßen und wirkt in seiner Bizarrerie durchaus stimmig.

Fazit: Das, was „Dämonen“ will, nämlich ein irrwitziges, actionreiches Kreaturenspektakel abzuspulen, macht er sehr gut. Zu einem richtigen Film gehört normalerweise aber ein wenig mehr, wobei bereits ein klein wenig mehr Tiefe und Handlung Bavas Film zu einem rundum befriedigenden Filmerlebnis für den Freund handgemachter, charmanter 80er-Jahre-Horroreffekte hätte machen können. Vielleicht wäre aber auch gerade dadurch alles komplett in die Hose gegangen – was weiß denn ich schon...

Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Verfasst: Fr 9. Dez 2011, 19:10
von buxtebrawler
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Koma – Steh auf oder du stirbst
Ching hat eine seltene Nierenkrankheit und kann weder Sex mit ihrem Freund Wei haben noch alles essen, was sie will. Bei einer Hochzeit in einem Hotel endeckt Ching eine Frau, der gewaltsam eine Niere gestohlen wurde. Bei einer Gegenüberstellung bei der Polizei identifiziert Ching Suen Ling, deren Mutter im Koma liegt, als Täterin. Nachdem sich jedoch herausstellt, dass Wei ein Verhältnis mit Suen Ling hat, lässt die Polizei Suen Ling frei, da sie davon ausgeht, dass Ching aus Eifersucht Suen beschuldigt hat. Jedoch wird Ching fortan mit mysteriösen Anrufen des Nierendiebs belästigt und eines Nachts bricht der Täter sogar in Chings Wohnung ein. Als der Täter Ching schließlich entführt, aber sie von Suen gerettet wird, werden die beiden jungen Frauen zu Freundinnen. Aber die Dreiecksbeziehung mit Wei und der immer noch auf freiem Fuß befindliche Nierendieb sorgen dafür, dass die Idylle nicht lange anhält...
Nach dem sehr gelungenen „Inner Senses – Im Schattenreich der Geister“ drehte der chinesische Regisseur Law Chi-Leung im Jahre 2004 mit „Koma – Steh auf oder du stirbst“ einen Thriller, der sich urbaner Legenden von „Organklau“ annimmt und in einer interessanten Geschichte über eine eigenwillige Frauenfreundschaft verarbeitet.

Eine junge Frau erwacht in einer Badewanne voller Eis und muss feststellen, dass ihr ohne ihr Wissen eine gesunde Niere herausoperiert wurde. Die nierenkranke Ching (Angelica Lee, „The Eye“) entdeckt das Opfer und kann eine mit dem Verbrechen in Zusammenhang stehende Frau identifizieren: Suen Ling (Karena Lam, „Inner Senses – Im Schattenreich der Geister“). Diese wiederum ist auch Chings Freund Wei keine Unbekannte…

„Koma“ ist zwar eindeutig ein Thriller, pendelt aber häufiger zwischen den Polen Drama und Horror hin und her. Eine reizvolle Mischung, die von zwei nicht nur hübsch anzusehenden, sondern auch hervorragend agierenden Hauptdarstellerinnen getragen wird. Der zwischen beiden stehende Wei bleibt absichtlich blasser, was ich als Plädoyer für die Kraft einer wie auch immer gearteten Freund- oder auch Feindschaft deute, die einen Lebensabschnittsgefährten auf die Plätze verweist. Ein weiterer interessanter thematisierter Aspekt ist der der Polygamie bzw. der Trennung von Liebe und Sex.

Die Dreiecksbeziehung der Protagonisten ist der Drama-Anteil der wendungsreichen Handlung, der für Thrill und Horror erwartende Zuschauer für einige Längen im Mittelteil sorgt, meines Erachtens kurz vor Abdriften auf Seifenoper-Niveau aber gerade noch rechtzeitig die Kurve bekommt. Manch in Horrormanier umgesetzte Szene, die im wahrsten Sinne des Wortes an die Nieren geht, erfreut hingegen insbesondere dadurch, dass sie sich stimmig ins Gesamtwerk einfügt. Mit voranschreitender Spieldauer zieht das Tempo an, die Spannung steigt, die Hassliebe beider Frauen zueinander beängstigt und fasziniert zugleich. Die Handlung schlägt manch Haken und behält diesen Stil bis zu einem kruden, überraschenden, von verstörender morbider Schönheit gezeichneten Finale bei.

Klar, bei genauerer Betrachtung wirkt die Geschichte doch arg konstruiert und das Ende evtl. sogar vorhersehbar. Zeit, darüber nachzudenken, hat man aber lediglich während der oben erwähnten Längen, die meines Erachtens zu vermeiden gewesen wären, hätte man stärker auf die zwischen wohlig und bedrohlich-paranoid pendelnde Atmosphäre gesetzt und den Dialogen etwas mehr Pfeffer verliehen. Ansonsten haben wir es aber mit einem handwerklich souveränen, originellen Ostasiaten zu tun, der auch ohne Exoten-Bonus gut unterhält, nach anfänglichem Namenwirrwarr relativ einfach konsumierbar und doch von großer inhaltlicher Tiefe ist, die Nachhaltigkeit beweisen dürfte.

Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Verfasst: Mo 12. Dez 2011, 21:07
von buxtebrawler
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Noroi: The Curse
Der japanische Reporter Masafumi Kobayashi geht paranormalen Phänomenen nach und gilt als Spezialist für Übersinnliches. Zusammen mit einem Kameramann nimmt er die Spur zu einem Geisterhaus auf, aus dem Nachbarn merkwürdige Schreie hören. Als Kobayashi anklopft, öffnet eine wütende Frau, die ihn um sich schlagend vertreibt. Wenige Tage später ist das Haus verwaist, tote Tauben liegen überall im Garten verstreut und die Frau ist verschwunden. Ebenso ergeht es Kobayashis nächsten Studienobjekt, dem kleinen Medium Kana Yano. Nachdem sie ihre außergewöhnlichen Fähigkeiten in einer TV-Show unter Beweis gestellt hat, ist sie wie vom Erdboden verschluckt. Ein entsetzlicher Fluch scheint an Kobayashi zu hängen ... (Quelle: eye-see-movies-DVD-Covertext)
Schon wieder ein japanischer Fluch à la „Ringu“ oder „Ju-on“? Nein, denn mit „Noroi: The Curse“ schuf Regisseur Kôji Shiraishi („Grotesque“) im Jahre 2005 das japanische „Blair Witch Project“-Pendant, das hierzulande seltsamerweise trotz DVD-Veröffentlichung ziemlich unterging.

Wie im US-amerikanischen Vorbild und Überraschungserfolg besteht „Noroi: The Curse“ aus Authentizität suggerierenden Handkameraaufnahmen, die angeblich zum Fundus des verschwundenen Journalisten Masafumi Kobayashi (Jin Muraki) gehören, der fürs Fernsehen an Dokumentation über paranormale Erscheinungen arbeitet. Sie zeigen, wie er von einem einzelnen rätselhaften Phänomen ausgehend einem riesigen Puzzle auf der Spur ist und immer weiter in den Sog eines unheimlichen und letztlich lebensbedrohlichen Fluchs gerät…

Dass man im ostasiatischen Raum wahrlich etwas davon versteht, Gruselstimmung und Suspense zu erzeugen, ist bekannt. Insofern erscheint es mir eine verflucht gute Idee, sich auch dort einmal am „Blair Witch“-Konzept zu versuchen - zumal es sich keinesfalls um einen dreisten Rip-Off handelt, sondern um das Aufgreifen und Verfeinern einer guten Idee. Denn bei „Noroi: The Curse“ ist viel mehr los: Skurrile Charaktere, von denen insbesondere das zunächst komödiantisch gezeichnet anmutende, vollkommen wahnsinnige Medium Herr Hori (Satoru Jitsunashi) schnell ans Herz wächst, viele Ortswechsel – Armensiedlungen, Privatwohnungen, Wald etc. – und reichlich beunruhigende Phänomene. Zusätzlich aufgelockert wird die Handlung durch Ausschnitte aus reißerischen japanischen TV-Shows, die mediensatirisch ausgerichtet wurden. Doch statt lediglich ein Netz aus vielen irreführenden Einzelszenen und Fährten zu spannen, wird durch ihre Verbindungen zueinander gekonnt die Dramaturgie aufrechterhalten, für Neugierde und Spannung beim Zuschauer gesorgt und gegen Ende alles sorgfältig Stück für Stück zusammengeführt. Dabei geht man mitnichten plump vor, indem man einfache Antworten liefert, sondern fordert weiterhin die Konzentration des Publikums ein, die zu liefern es dank der Qualität des Films bereit ist. Aller okkulter Suspense zum Trotz regiert im Finale der pure Wahnsinn, ein Herr Hori wirkt in keiner Weise mehr lustig, sondern bemitleidenswert und vor allem beängstigend und im Gegensatz zu „Blair Witch Project“ bekommt man auch tatsächlich visuelle Höhepunkte geliefert, die so geschickt platziert wurden, dass sie den Reiz des Verborgenen, Unsichtbaren nicht torpedieren, sondern sich perfekt in den Film einfügen und die Horroratmosphäre weiterhin bedienen, statt sie zu gefährden.

Natürlich ist von vornherein klar, dass es sich um einen Spielfilm handelt. Die Prämisse funktioniert aber über weite Strecken ausgesprochen gut und die entsprechend agierenden Darsteller tragen entschieden zum Gelingen bei. Den verräterischen, sporadischen Einsatz von Filmmusik in angeblich weitestgehend unbearbeitetem Rohmaterial mag manch faszinierter Zuschauer möglicherweise gar nicht bewusst wahrnehmen. Denn letztlich ist die Geschichte stark genug, um theoretisch auch als Nicht-Mockumentary zu begeistern. Die Existenz eines unbegreiflichen, jahrhundertealten Fluchs in einem technokratischen Land wie Japan appelliert an Urängste, die jede sachliche Weltlichkeit infrage stellen und gleichzeitig eine spielfilmlange Flucht aus der Realität erlauben, die ein geeichtes Horrorpublikum dankend in Anspruch nehmen dürfte.

Für anfängliche Irritation seitens des westlichen Publikums könnte aber sorgen, dass die Protagonisten von „Noroi: The Curse“ von vornherein, also noch vor Bekanntwerden der mit dem Fluch in Zusammenhang stehenden Ereignisse, wie selbstverständlich davon auszugehen scheinen, dass gewisse übersinnliche Phänomene existieren und zum japanischen Alltag gehören. Zwar schlachtet das TV diese kommerziell aus, wirklich zu wundern scheint sich über sie aber niemand, solange sie nicht bedrohlich in Erscheinung treten. Das war zumindest mein persönlicher Eindruck.

Doch wie auch immer: „Noroi: The Curse“ ist meines Erachtens das aufregendere Blair-Witch-Projekt.

Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Verfasst: Di 13. Dez 2011, 16:34
von buxtebrawler
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Haus der Peitschen
Anne-Marie ist Nacktmodel und als solches einiges gewohnt. Daß sie sich jedoch vor Gericht verantworten soll, kann sie nicht verstehen. Umso bereitwilliger vertraut sie deshalb einem Freund. Doch dessen Hilfe entpuppt sich schlimmer als jedes Urteil: Im Haus der Mysteriösen Mrs. Wakehurst muß Anne-Marie erkennen, daß sie die Tür zur Hölle hinter sich geschlossen hat. Sadistische Foltermethoden und Mord stehen hier auf der Tagesordnung. Ein Gefängnis des Grauens für die Mädchen, die hier gefangen gehalten werden. Und Julia ist eines von ihnen. Gemeinsam mit Anne-Marie plant sie die Flucht aus dem 'Haus der Peitschen'. Nicht wissend, daß sie damit ihr Todesurteil unterschrieben haben. Denn Mrs. Wakehurst braucht keine Zeugen die reden. Und bekanntlich sind nur Tote stumm...
Im gleichen Jahr wie sein kleiner Klassiker „Frightmare“, also 1974, erschien „Haus der Peitschen“ des britischen Regisseurs Pete Walker. Ähnlich wie in Walkers „Im Rampenlicht des Bösen“ schießt sich die Handlung dieses Thrillers auf erzkonservative, prüde Moralvorstellungen einer älteren Generation ein, die mit Gewalt durchgesetzt werden sollen.

Aktmodell Anne-Marie (Penny Irving) verguckt sich in den undurchsichtigen Mark E. Desade (Robert Tayman), der ihr Vertrauen erheischt, um sie seinen verrückten Eltern auszuliefern, die unbemerkt von der Öffentlichkeit ein abgelegenes Privatgefängnis betreiben und mit eiserner Hand über die jungen Insassinnen herrschen. Sie spielen sich als gnadenlose Richter und Vollstrecker ihrer moralistischen Gesetzgebung auf und lassen aus ihrer Sicht „unzüchtige Sünderinnen“ für ihre „Vergehen“ büßen und mit dem Leben bezahlen.

Das klingt verdammt nach Sleaze-Offensive und „WIP“ – „Women in Prison“-Exploitation-Stoff. In der Tat dürfte „Haus der Peitschen“ diverse Filmemacher zu derartigen Stoffen inspiriert haben. Walkers Film jedoch passt nicht so recht in diese Schublade, merkt man ihm doch an, dass es ihm mit seiner Aussage durchaus ernst war und sie nicht nur als Aufhänger für viel nackte Haut und Folterszenen herhalten musste. So fiel „Haus der Peitschen“ eher wenig schlüpfrig aus. Zwar bekommt man durchaus nackte Haut zu sehen, was aber nie selbstzweckhaft wirkt. Auch die Gewaltszenen werden keinesfalls explizit ausgeschlachtet, sondern oft nur angedeutet. „Haus der Peitschen“ will also als inhaltlich gehaltvoller Film funktionieren, was ihm mit seiner Ausstattung – einem düsteren, alten Schloss als als Privatklinik getarntes Zuchthaus – auch durchaus gelingt. Die Schauspieler sind wirklich gut, allen voran die Gefängnisleitung und -wärterinnen, ultrastrenge, knochentrockene, wahrlich furchteinflößende Mannsweiber – unter ihnen Sheila Keith aus „Frightmare“.

Während Anne-Marie ihre aussichtslose Situation bewusst wird und sie überlegt, wie sie der Hölle entkommen kann, wird zudem die eigenartige Beziehung der Leiterin Mrs, Wakehurst (Barbara Markham) zu ihrem blinden Ehemann und „Richter“, der von ihr hinter- und übergangen wird, beleuchtet sowie ein Inzestverhältnis zu ihrem Sohn Mark angedeutet. An „Frightmare“ erinnert der tragische Unterton, der in den Dialogen des Ehepaars Wakehurst mitschwingt, über deren Motivation der Zuschauer mit der Zeit immer mehr erfährt.

Leider hapert es etwas an der Dramaturgie, denn mit seinen 102 Minuten ist „Haus der Peitschen“ relativ lang geraten. Der Spannungsbogen wird nicht immer optimal gehalten, zwischenzeitlich schleichen sich ein paar empfindliche Längen ein. Achtung: Spoiler!
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Fazit: Größtenteils gelungener, grafisch überraschend zurückhaltender Horrorthriller, der religiös geprägte, moralistische Fanatiker überspitzt darstellt und dadurch persifliert. Etwas Straffung hätte dem aus heutiger Sicht eher unspektakulär erscheinenden Film sichtlich aber ebenso gut getan wie das Setzen einiger erinnerungswürdiger Akzente, um das Dahinplätschern einiger Teile der Handlung zu verhindern. Dennoch kann ich eine Empfehlung für Genre- und Themainteressierte aussprechen, zumal es sich evtl. um ein wichtiges, visionäres Werk handelt, dessen Idee in unterschiedlicher Weise für viele weitere Produktionen aufgegriffen wurde.

Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Verfasst: Mi 14. Dez 2011, 12:54
von buxtebrawler
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Graf Zaroff – Genie des Bösen
Auf einer abgelegenen Insel wohnt Graf Zaroff, der dort seiner Jagdleidenschaft nach Menschen frönt. Als Robert und Eve dort stranden, sieht der Graf in ihnen zwei weitere Opfer. Er gibt ihnen jedoch eine kleine Chance. Sollten sie das Morgengrauen erleben, läßt er sie frei...
Von „King Kong“-Regisseur Ernest B. Schoedsack zusammen mit Irving Pichel im Jahre 1932 und anscheinend in den gleichen Kulissen wie der Riesenaffen-Klassiker gedreht, dürfte „Graf Zaroff – Genie des Bösen“ die erste Verfilmung der beliebten Menschenjagd-Thematik sein.

Der sinistere, russische Graf Zaroff (Leslie Banks, „Der Mann, der zuviel wußte“) benutzt die auf seiner einsamen Insel strandenden Schiffbrüchigen als Opfer für seine perverse Jagdleidenschaft. Jedoch hat er die Rechnung ohne Robert (Joel McCrea, „Der Mann aus Virginia“) gemacht, der sich zu wehren weiß…

Der Film beginnt mit dem gut gefilmten Kentern eines Schiffes und charakterisiert zunächst Zaroff, der mit seinem finsteren Diener Ivan residiert, recht ausgiebig. Dabei bedient man sich im Horrorbereich, genauer: bei der klassischen Schauermär um Graf Dracula, indem man in geheimnisvoller, unheimlicher Atmosphäre das Bild eines Grafen zeichnet, der nur langsam mit seinem bedrohlichen Geheimnis herausrückt. Die morbide Ausstattung seines gruseligen Schlosses unterstreicht diesen Aspekt. Die bei Roberts Eintreffen bereits anwesende Eve (Fay Wray, „King Kong“) wird zum „Love Interest“, ihr stets betrunkener Bruder sorgt in Dialogen für etwas Humor. Viele Dialoge beschäftigen sich durchaus kritisch mit dem Thema Jagd bzw. Philosophie selbiger und dem aus ihr resultierenden Lustgewinn.

Mit Beginn der Jagd in prächtigen Urwaldkulissen schlägt die Gruselatmosphäre in einen reinrassigen Abenteuerstreifen um. Verglichen mit später entstandenen Filmen, denen eine ähnliche Thematik zugrunde liegt, fielen Hatz und Duell recht unspektakulär aus und Blut fließt schon mal gar keines, was dem Charme dieses Uralt-Films aber kaum einen Abbruch tut. Die nur rund einstündige Laufzeit verhindert jegliche Längen und die Schauspieler machen ihre Sache gut. Ein finales Aufeinandertreffen Roberts und Graf Zaroffs schraubt die Spannung noch einmal in die Höhe.

Somit ist „Graf Zaroff – Genie des Bösen“ für Freunde wegweisender bzw. Pionierarbeit leistender Filmklassiker eine gute Wahl.

Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Verfasst: Fr 16. Dez 2011, 00:16
von buxtebrawler
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The Black Cat
In einem englischen Dorf kommt es zu mysteriösen Todesfällen. Zwar deutet alles auf unglückliche Unfälle hin, doch sind immer auch Spuren einer Katze zu finden. Eine Fotografin, die zufällig in den Fall verwickelt wird, durchschaut die Zusammenhänge: Tatsächlich ist ein mörderisches Katzenvieh am Werk...
Irgendwann 1981 zwischen seinen Zombiefilm-Meisterwerken „Ein Zombie hing am Glockenseil“, „Das Haus an der Friedhofmauer“ und „The Beyond“ inszenierte Italo-Regisseur Lucio Fulci „The Black Cat“, einen nur lose auf der gleichnamigen Erzählung Edgar Allan Poes basierenden Horrorfilm um eine mörderische Katze. Zwischen den eben genannten, populären Werken Fulcis ging „The Black Cat“ etwas unter, was aber nicht zuletzt der Mittelmäßigkeit dieses Films geschuldet sein dürfte.

Der zweigeteilte Prolog beginnt mit einem Autounfall, in den eine schwarze Katze verwickelt zu sein scheint, und enthält bereits in den folgenden Aufnahmen des über die Dächer eines englischen Dorfs tippelnden Stubentigers vieles, was man am italienischen Kino so schätzt: Eine spannende, kunstvolle Kameraführung zwischen Totalen, subjektiver Kamera und Close-ups – auf die Augenpartie der Katze; dazu eine wundervolle musikalische Untermalung, die noch offen lässt, wohin die Reise geht. Im Prinzip könnte dies auch der Vorspann einer Kinderserie o.ä. sein.

Doch der Zuschauer weiß im Optimalfall natürlich, dass er sich in einem Horrorschinken befindet und so bekommen wir das alternde Medium Professor Robert Miles (Patrick Magee, „A Clockwork Orange“) vorgestellt, der Kontakt zum Totenreich aufnehmen kann und in irgendeinem Verhältnis zur Katze steht. Im Folgenden erscheint der Film wie ein Slasher, nur eben mit einer Katze als Mörder. Die zugereiste Fotografin Jill Trevers (Mimsy Farmer, „Vier Fliegen auf grauem Samt“) geht den mysteriösen Todesfällen nach...

Neben den bereits Erwähnten sind auch Al Cliver („Woodoo – Die Schreckensinsel der Zombies“) und David Warbeck („The Beyond“) als gern gesehen Genregesichter mit von der Sause, aber „The Black Cat“ tut sich schwer, in Fahrt zu kommen. Die Katze wird zwar oft und besonders gegen Ende gut in Szene gesetzt, aber das Bemühen um eine unheimliche Atmosphäre in ruhigem Erzähltempo wirkt durch langgezogene nichtige Szenen häufig hypnotisch einschläfernd. Das wiederum schließt aber den Kreis zum Professor, der nicht nur eine Standleitung ins Jenseits hat, sondern auch noch der Hypnose mächtig ist – wie die Katze übrigens auch, wie sich später herausstellen wird. Der eingangs noch so hörenswerte Soundtrack wird auf nur sporadisch eingesetzte, austauschbare Klangkulissen heruntergefahren, was der Stimmung des Films nun auch nicht zuträglich ist. Was die Morde betrifft, die gerade ein Fulci i.d.R. sehr exlizit und eindrucksvoll zu inszenieren verstand, fiel die Brandszene richtig gut aus, der Rest ist eher miau, äh... mau und gesplattert wird ausdrücklich nicht. Müde Ermittlungsarbeiten mit Cliver als Sergeant Schnauzbart und uninspiriertes Liebesgeplänkel, das so gar nicht Farmers Rolle entsprechen will und glücklicherweise überhaupt nicht weiter verfolgt wird, bringen den Film auf seine knapp 90-minütige Laufzeit.

Diese allerdings wird darüber hinaus mit wirklich wahnsinnig vielen Augenpartie-Close-ups ausgefüllt, die stets schön anzusehen sind und den Beziehungen der Charaktere untereinander Dramatik verleihen. Die Dorfkulissen können sich ebenfalls sehen lassen und die Nummer, wie die Katze eine verriegelte Tür öffnet, ist nicht von schlechten Eltern bzw. Tierdompteuren. Mimsy Farmer macht eine gute Figur, wenn ihre Rolle auch vollkommen unerotisch ausgerichtet wurde. Für den kleinen Sleazehappen zwischendurch sorgt eine entkleidete Teeniegöre, die bald den sicheren Erstickungstod erleidet. Patrick Magee hat durchaus eine unheimliche Erscheinung, mit der er über die Unzulänglichkeiten seiner Rollencharakterisierung hinwegtäuscht. Denn die Quintessenz der ganzen Geschichte – der verbitterte Hass, die Rachsüchtigkeit eines mit paranormalen Fähigkeiten ausgestatteten Menschen – wird kaum näher beleuchtet, bleibt in ihren Ursachen vage und damit nicht allzu gut nachvollziehbar. Eine stärkere Gewichtung auf diesen Aspekt der Handlung, möglicherweise gepaart mit etwas Pathos, hätte den Film sicherlich aufgewertet.

Geschickt ist hingegen, wie der Bezug zur Katze in ihrer Eigenschaft als mysteriöses Unglückssymbol, als durchtriebene, eigen- und starrsinnige Kreatur hergestellt wird. Die Pointe, die dann fast voll und ganz Poe ist, ist ein netter Aha-Effekt, ein Schlusspunkt unter einen dramaturgisch schwachen, aber nicht uninteressanten und keinesfalls richtig miesen Film, den man sich als Genrefreund einmal anschauen kann. Und der eben auch gut als Einschlafhilfe geeignet ist...

Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Verfasst: Sa 17. Dez 2011, 16:54
von buxtebrawler
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Der Satan mit den 1000 Masken
Als der famose Maskenbildner Pete Dumond von seinen neuen Chefs im Filmstudio gefeuert wird, nimmt er Rache anhand eines Spezial-Make-Ups, dass es ihm erlaubt, Kontrolle über die Träger zu finden. Auf diese Art und Weise erweckt er nach seinem Willen sowohl den Werwolf wie auch Frankensteins Monstrum zum Leben und hetzt damit die Studiogewaltigen zu Tode.
Mit „Der Satan mit den 1000 Masken“ aus dem Jahre 1958 nimmt sich die US-amerikanische Produktionsfirma „American International Pictures“ selbstironisch auf die Schippe, allerdings nicht ohne einen ernsten Hintergrund. AIP waren damals groß im B-, Drive-In- und Teenage-Horror-Movie-Geschäft, auf ihr Konto gehen Filme wie „I Was a Teenage Werewolf“ oder „I Was a Teenage Frankenstein“. Der Regisseur des letztgenannten Films, Herbert L. Strock, inszenierte diese angeblich in den AIP-Studios (meines Wissens hatten AIP gar keine eigenen Studios) spielende Geschichte um Maskenbildner Pete (Robert H. Harris, „SOS Raumschiff“), der aufgrund einer Neuausrichtung der Produktion zugunsten von Musik- und Tanzfilmen und dementsprechend zu Ungunsten klassischer Horrorfilme entlassen wird, aber seine Rache mittels einer speziellen Paste, die er unter sein Make-up mischt und ihm eine Art hypnotischer Kontrolle über die Träger erlaubt, plant.

Der letzte Horrorfilm soll ein Aufeinandertreffen des Teenage-Werwolfs und des Teenage-Frankenstein-Monsters werden, weshalb beide bekannten Masken hier Verwendung finden. Die Darsteller der beiden spielen sich sozusagen selbst, wobei Original-Werwolf Michael Landon („Ein Engel auf Erden“) leider nicht zur Verfügung stand und durch Gary Clarke („Bestie des Grauens“) ersetzt wurde. Diese beiden machen sich nun also auf Petes Geheiß auf Meucheltour, ohne sich hinterher dran erinnern zu können. Da ein ambitionierter Wachmann Pete auf die Spur zu kommen droht, legt der passionierte Künstler kurzerhand selbst eine Maske an und bringt diesen um die Ecke. Sein loyaler Assistent, Typ nützlicher Idiot, hält dicht und wird zur bemitleidenswerten Figur. Der ernste Hintergrund ergibt sich daraus, dass es sich bei der „Universal“ seinerzeit tatsächlich zugetragen hat, dass man einen verdienten Maskenbildner entließ, was dieser nie verwunden hat. Außerdem drehte die AIP zukünftig wirklich verstärkt horrorfreie Jugendfilme voller Musik- und Tanzeinlagen – wie sie in Form des Auftritts John Ashleys ironischerweise bereits in diesen Film ihren Weg fanden.

Somit ergibt sich für den Genrefreund und filmhistorisch Interessierten ein sehr sehenswertes Filmchen, das einen fiktiven Blick hinter die Kulissen erlaubt und qualitativ damit punktet, seine Rollen – allen voran die der kauzigen, tragischen Figur Pete - mit glaubwürdigen Schauspielern besetzt und die wenn auch nur wenigen Morde sorgfältig und effektiv umgesetzt zu haben. Einen besonderen Kniff hat man sich für das infernalische Ende ausgedacht, das plötzlich mir nichts, dir nichts in Farbe stattfindet, als man die Privatgemächer Petes betritt. Dort bekommt man klassische Kreaturenmasken wie beispielsweise aus „It Conquered the World“ einmal bunt zu sehen, bevor man entsetzt aufschreit, wenn sie ein Raub der Flammen werden. Ein skurriles, etwas dialoglastiges, dennoch herrliches Kleinod!

Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Verfasst: Di 20. Dez 2011, 00:51
von buxtebrawler
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The Loreley’s Grasp
Am Rhein geschehen in einer kleinen Stadt grausame Morde an jungen Mädchen. Die Bewohner vermuten, daß ein Bär die Ursache für die unerklärlichen Todesfälle ist und beauftragen den Jäger Sigurd das Tier zur Strecke zu bringen. Schon bald findet dieser jedoch heraus, daß kein Tier für die Morde verantwortlich ist, sondern das düstere Geheimnis der Legende Lorelei...
Im Jahre 1976 wilderte der spanische Regisseur Amando de Ossorio („Die Nacht der reitenden Leichen“) in deutschem Kulturgut, um die Sage von der Loreley durch den Trash-Fleischwolf zu drehen und billigen Kreaturenhorror aufs Publikum loszulassen.

Das sieht dann so aus, dass keine Schiffe durch gar lieblichen Gesang gegen Felsen manövriert werden, sondern die Loreley in Gestalt eines glitschigen Ungeheuers mit scharfen Zähnen und großen Pranken Jagd auf die Bewohnerinnen einer Mädchenschule macht und sie zerfleischt, um an ihre Herzen zu gelangen. Doch Sonnyboy Sirgurd (!) (Tony Kendall, „Der Dämon und die Jungfrau“) kommt an den Rhein, verdreht allen Mädchen und Kopf und schreitet mit offenem Hemd, unter dem das Brusthaar wallt, und einer Hose, unter der sich auf obszöne Weise Gesäß und Gemächt abzeichnen, zur Tat, um den Morden auf die Spur zu kommen. Dabei verknallt sich sogar die Loreley in ihn…

Untermalt von melancholischen Gitarren- und Streicherklängen dann und wann gar mit Gesang, die sich glücklicherweise schnell gegen fürchterlich unpassenden, zeitgenössischen Discofunk durchsetzen, zeichnet de Ossorio ein herrliches Bildnis deutscher Rheinstädtchen inkl. Bratwurst-Schildern, Bierreklame (Henninger Bier) und Reetdachhütten. Doch obwohl die Handlung offensichtlich in der damaligen Gegenwart angesiedelt wurde, wirkt die Darstellung des Rheinlands seltsam altertümlich, in einer späteren Szene versammeln sich die Bewohner gar mit Fackeln und Mistgabeln bewaffnet wie in einem Gothic-Horrorfilm. Dafür darf man aber oft bewundern, wie Schiffe den Rhein entlang schippern, den dieses Motiv hat die Regie als ihr favorisiertes auserkoren, um Sprünge im zeitlichen Ablauf zu signalisieren.

Das wird aber alles nebensächlich, wenn reichlich heiße Mädels in Bikinis durchs Bild hüpfen. Ein einsames Bikini-Mädchen-Exemplar hüpft allein am Strand entlang und ist, wie sich herausstellen soll, die Loreley höchstpersönlich (Helga Liné, „Horror-Express“). Das sieht wenig elegant aus und ist ebenso unfreiwillig komisch wie die billigen, aber ultra blutrünstigen Splattereffekte, bei denen sogar vor Ausweidungen nicht halt gemacht wird. Die Kreatur erinnert dabei ein wenig an den „Schrecken vom Amazonas“, wird aber aus gutem Grund nie wirklich komplett gezeigt. Die Verwandlungsszenen, in diesem Falle Strandnixe zu Prankenfischmonster und zurück, beherrschte man in den 1930ern bereits besser.

Unserem strahlenden Helden gelingt schließlich, u.a. mit Hilfe eines verschrobenen Professors, der in seinem Bilderbuchlabor voll sinnlos und vor allem unbeaufsichtigt vor sich brodelnder und blubbernder Reagenzgläser auch einen kleinen Privatzoo unterhält und sich gern mal der Gesellschaft eines Schafs hingibt, was den depperten Rheinuferbewohnern jahrhundertelang versagt blieb: Das Geheimnis um die Loreley zu lüften, den Eingang zu ihren unterirdischen Höhlengemächern zu finden (in denen auch noch der Schatz der Nibelungen lagert!), ihre Untergebenen erfolgreich zu bekämpfen – was diese teilweise untereinander besorgen, denn angesichts unseres Schönlings verfallen die Dienerinnen der Loreley, Sexbomben in Fellbikinis, in Zickenkrieg und legen einen Frauenringkampf aufs felsige Parkett – und schließlich (Achtung, Spoiler...) mittels einer simplen Bombe den Loreley-Felsen in die Luft zu sprengen und somit dem Spuk ein Ende zu bereiten.

Eigentlich hätte man de Ossorio die Finger dafür brechen müssen, was er aus unserer schönen, traditionellen Sage gemacht hat – wäre diese Trash-Granate nicht so unterhaltsam! Zwischenzeitlich blitzt auch immer wieder sein Geschick für das Erschaffen atmosphärischer Meisterwerke, wie es „Die Nacht der reitenden Leichen“ eines war, durch, das einerseits de Ossorios Talent erahnen lässt, andererseits aber auch die Vermutung nahe legt, dass der Trashgehalt dieses Films keinesfalls freiwilliger Natur ist – zumindest nicht durchgehend.

Fazit: „The Loreley’s Grasp“ unterhält allen Albernheiten und Schwächen zum Trotz durchaus atmosphärisch und vor allem charmant. Für Genrefreunde mit einem Herz für nicht ganz freiwilligen, südeuropäischen Trash und dreiste Exploitation mit Sicherheit keine schlechte Wahl.

Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Verfasst: Di 20. Dez 2011, 14:23
von buxtebrawler
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Der Totenchor der Knochenmänner
Im Landhaus eines reichen Industriellen treffen sich ein paar Leute zu einem fröhlichen Wochenende. Doch das Grauen schlägt sie bald in seinen Bann. Als die Nacht hereinbricht, kommt eine Horde schrecklicher Wesen aus dem Dunkel: Zombies. Die Gruppe versucht sich zu schützen ... doch vergeblich. Mit unvorstellbarer Grausamkeit schlagen die lebenden Toten zu ! Es gibt kein Entrinnen...
Der spanische Regisseur José Luis Merino konnte bereits mit dem 1970 erschienenen „Das Geheimnis von Schloß Monte Christo“ Erfahrungen im Gebiet des Gothic-Horrors sammeln und lieferte zwei Jahre später mit „Der Totenchor der Knochenmänner“ sein Gesellenstück ab. Knöchrige Chorknaben kommen hier zwar keine vor, doch die nicht ganz unkomplexe Handlung um den in Skopje eintreffenden Serge Chekov (Stelvio Rosi alias Stan Cooper), der sein Erbe in Form eines Grafenschlosses antreten will, zunächst aber seine Cousine erhängt auf dem Friedhof vorfindet, sich mit der Missgunst der Bediensteten herumärgern muss und schließlich einem mörderischen Geheimnis auf die Spur kommt, verbindet Gothic-, Mad-Scientist- und Zombie-Subgenre-Charakteristika zu einem schmackhaften Euro-Horror-Gebräu.

Die düsteren Kulissen versprühen reichlich Flair eines unheilschwangeren Ortes mitsamt verängstigten, verschrobenen Bewohnern, die atmosphärische musikalische Untermalung unterstützt diesen Eindruck. Stelvio Rosi als Chekov entsetzt allerdings mit einer unmöglichen Maurizio-Merli-Schnauzbartproll-Haarpracht und es fällt schwer zu glauben, dass ausgerechnet er hier die Mädels ins Bett bekommt. Denn einen sleazigen Erotikanteil gibt es im „Totenchor der Knochenmänner“ natürlich auch, ebenso ein paar blutige Morde, einen nekrophilen Totengräber (Paul Naschy!), ein prächtiges Gruselschloss inkl. unterirdischen Katakomben, schwarze Magie, wissenschaftliche Experimente, Besessenheit, polizeiliche Ermittlungsarbeiten, Prügeleien, Intrigen etc… eine ganze Menge Stoff also, der uns hier aufgetischt wird. Das Tempo bleibt bis zum wahnwitzigen Finale aber dieser Art Film angemessen ruhig und lässt dem Zuschauer genug Zeit, alle Eindrücke, die sich zwischen absolut stimmigem Euro-Gothic und charmant-altertümlicher Exploitation-Kante bewegen, zu genießen. Weiß man noch nicht, wohin die Handlung letztlich steuert, bleibt „Der Totenchor der Knochenmänner“ zudem in unterschiedlich starker Ausprägung, aber doch konstant spannend. Die Schauspieler, unter ihnen Aurora de Alba, Maria Pia Conte, Catherine Gilbert und Dyanik Zurakowska, sind allesamt gut aufgelegt, Paul Naschys Nebenrolle ist herrlich neben der Spur und wird von ihm hervorragend und erinnerungswürdig dargeboten.

Fazit: Pflichtprogramm für Freunde europäischen Gothic-Grusels, die die exploitativen Einschläge der 1970er ebenso zu schätzen wissen wie den spanischen Charme alter Zeiten. Der Trash-Gehalt hält sich arg in Grenzen, wohliger Grusel und gelungener Make-up-Horror behalten stets die Überhand. Am gewöhnungsbedürftigsten ist das grässliche Erscheinungsbild des Hauptdarstellers, der den wahren Genregrößen dieses Bereichs nicht das Wasser reichen kann.