Was vom Tage übrigblieb ...

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Moderator: jogiwan

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Maulwurf
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Re: Was vom Tage übrigblieb ...

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Hot Fuzz – Zwei abgewichste Profis (Edgar Wright, 2007) 9/10

Nicholas Angel ist Polizist in London. Er ist ein sehr guter Polizist, ein verdammt guter sogar. Er ist so gut, dass seine Vorgesetzten ihn loshaben wollen, weil er ihnen die Quote versaut. Nicholas Angel wird von London nach Sandford versetzt. Sandford? Irgendwo am Land, 127 Meilen von London entfernt, und das Aufregendste was in Sandford passiert ist, dass der örtliche Schwan durchbrennt.
Aber Angels Motto ist, dass immer überall etwas vor sich geht, und in Sandford geschehen merkwürdige Unfälle. Sehr merkwürdige Unfälle, die fast ein wenig aussehen könnten wie Morde. Zumindest wenn man aus der Großstadt kommt. Angel setzt es sich in den Kopf, diese mörderischen Unfälle aufzuklären, aber in Sandford, was praktisch jedes Jahr Schönste Stadt des Landes wird, ist diese Art Aktionismus gar nicht gerne gesehen. Außer bei einem: Angels Kollegen Danny Butterman, seines Zeichens bekennender Fan von amerikanischen Action-Filmen und Sohn des Dienststellenleiters. Danny nämlich vermisst die Action, die er aus GEFÄHRLICHE BRANDUNG und aus BAD BOYS 2 kennt, schmerzlichst …

Was für eine heiße Scheiße! Ein Großstadtbulle in der Provinz, das ist ja prinzipiell erstmal eine erstklassige Ausgangssituation, gleich ob Komödie oder ernsthafter Krimi. Eine ähnliche Konstellation ist in THE WEEKEND MURDERS zum Schreien komisch, und umgekehrt der Dorf-Sheriff in der Großstadt, das haben wir in COOGANS GROSSER BLUFF mit großer Freude gesehen und in DER GENDARM VON ST. TROPEZ genauso. Und so, wie Louis de Funès in GENDARM auf dem Weg von der Bushaltestelle zum Revier 9 Verwarnungen ausschreibt, so verhaftet Nicholas Angel zwischen Bahnhof und Revier ebenfalls unzählige Leute, unter anderem seinen Kollegen Butterman.

Aber das klingt jetzt alles so dröge, so nüchtern. Dabei steckt HOT FUZZ so dermaßen voller Ideen, dass der Film fast explodiert. Angel reitet(!) als Mischung aus Clint Eastwood und Toshiro Mifune in die Stadt um aufzuräumen. Die Frauen von Sandford wehren sich aber gehörig, wobei dann auch mal ein „Ich habe Dich auf die Welt gebracht, dann passt es wohl auch, wenn ich Dich von ihr entferne.“ zu hören ist. Nick Frost, der die dramatische Szene aus GEFÄHRLICHE BRANDUNG, in der Keanu Reeves seinen Freund nicht erschießen mag und stattdessen ein Magazin in die Luft leert, 1.1 kopiert, und dabei überhaupt nicht peinlich wirkt. Die Schießerei im Pub, die irgendwo zwischen verschiedenen Italo-Western hin- und herlaviert und dabei ausgiebig John Woo zitiert. Und und und …

HOT FUZZ ist eine irrwitzige Collage aus der Genre-Filmgeschichte, und wer es schnell und hart und bleihaltig und lustig und vollkommen überdreht mag, der kann hier einfach nicht nein sagen. Oder anders ausgedrückt: Eine Komödie mit einem dermaßen hohen Body Count, bei welcher der Maulwurf minutenlang mit sperrangelweitem Mund da saß und nicht mehr wusste wie ihm geschieht, so eine Komödie gibt es nicht oft. Und wenn ein bekennender Komödien-Nichtmöger eine Komödie mit 9 von 10 Friedenslilien bewertet, dann sollte das ebenfalls einiges über den Film aussagen. HOT FUZZ ist die Quintessenz aus englischen Gangsterfilmen, Italo-Western und Miss Marple, und wer sich das nicht anschauen mag, der bekommt eine Verwarnung …
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Jack Grimaldi
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Maulwurf
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Re: Was vom Tage übrigblieb ...

Beitrag von Maulwurf »

Honey (Gianfranco Angelucci, 1981) 7/10

Eine Frau betritt das Haus eines Verlegers und hält ihm eine Waffe unter die Nase. Es ist August, die Temperaturen sind hoch, und sie lässt ihn alle Fenster schließen und die Klimaanlage ausschalten. In dieser schwül-warmen Atmosphäre zwingt sie ihn, das von ihr geschriebene Manuskript laut vorzulesen. Es ist die Geschichte der jungen und etwas naiven Anna, die in einer fremden Stadt ein Zimmer in der Pension Desiderio nimmt. Anna lernt die Besitzerin kennen, deren schlafwandlerisch-erotische Ausstrahlung sie auf rätselhafte Art und Weise gefangen nimmt. Sie lernt den väterlich-älteren Mann kennen, der mit dem gepeinigten Zimmermädchen Ines schläft. Den Tanzlehrer, der versucht mit seinen Schülerinnen zu schlafen, um sein Leben in den Griff zu bekommen („Er ist unten und wärmt sich auf.“ „Der ist doch schon warm.“). Und den geheimnisvollen Mann, der eingeölt meditiert und Kraftübungen macht, und dessen erotische Kraft nicht nur sie kirre macht.

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Es ist 1981, und die italienische Filmwirtschaft ist am Rande des Abgrundes. Aber noch ist es möglich, dass große Schauspieler wie Fernando Rey oder Catherine Spaak in dem einzigen Film eines Regisseurs mitspielen, der außer der Zusammenarbeit mit Federico Fellini nichts vorzuweisen hat. Ein Film, der heutzutage schamvoll im Nachtprogramm versteckt werden würden, unterbrochen von tausenden von Werbeblöcken, einer dümmer als der andere, und damit jegliche Absicht oder Idee des Regisseurs vollständig und von vornherein zerstörend. Die wenigen Zuschauer wären, so sie nicht nach 10 Minuten sowieso einschlafen, komplett enttäuscht wegen der wenigen Schauwerte und würden zwischen den erheblich freizügigeren und eindeutigeren Werbeblöcken aufs Klo gehen, während diejenigen Zuschauer, die das Gesehene gerne in Worte fassen, dann Wertungen irgendwo zwischen 0 und 1 vergeben würden.

Denn sind wir mal ehrlich, kein normaler Mensch würde sich diesen Film als DVD in die Sammlung stellen! Auf dem Cover, je nach Ausgabe, eine junge Rothaarige oder Blondine (von denen keine mit dem Film etwas zu tun hat), hinten ein sehr unvorteilhaftes Bild von Clio Goldsmith welches vom Kauf mutmaßlich abhält, und eine Inhaltsangabe, die eher eine Ausstrahlung auf irgendeinem Privatsender nachts um halb drei nahelegt. Womit sich der Kreis schließt…

Ich bin aber kein normaler Mensch. Ich bin ein Maulwurf, und wühle mich gerne durch die vergessenen Filme der Jahrzehnte. Und mit HONIGMUND habe ich endlich mal wieder eine echte Kostbarkeit gefunden. Einen Schatz, der mit seinen Vorzügen nicht hausieren geht, und dessen persönliche Hebung umso erfreulicher ist.

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Es beginnt damit, dass Anna im Taxi durch eine morgendlich-leere Stadt fährt, auf der Suche nach der Pension Desiderio (= Wunsch). Dort angekommen beobachtet sie zuerst heimlich die Besitzerin beim vorsichtigen Liebesspiel mit einem Unbekannten, bevor sie überhaupt erst mal willkommen geheißen wird. Da ihr Zimmer noch nicht frei ist darf sie ein Bad genießen. Und der Zuschauer beginnt an dieser Stelle, gemeinsam mit Anna, die Pension kennenzulernen. Unendlich scheinend verwinkelte Flure, ein Labyrinth wie ein langer Gedankengang, überall Türen die sich in Räume öffnen können, und jeder Raum birgt ein anderes Geheimnis. Eine andere … Phantasie? Der Raum des geheimnisvollen Mannes ist eingerichtet wie ein fernöstlicher Trainingsraum, in Bambus und Holz gehalten, mit Fellen und Teppich, beleuchtet durch Öllampen, und mittendrin dieser muskulöse, eingeölte Mann, der sich mit Yoga und Krafttraining fit hält. Der väterliche Mann wohnt in einem Zimmer im Stil der 20er-Jahre, rasiert sich nass, hört dazu Arien von Puccini und singt mit. Das Badezimmer der Pension erweckt Trugbilder der Besitzerin, während Annas Zimmer, dass sie dann irgendwann beziehen kann, dem Raum einer Klosterschule nachgebildet ist. Inklusive der gestrengen Sittenlehrerin mit Rohrstock! Nieves Navarro, die Zucht und Ordnung lehrt …

Gedanken. Phantasien. Wünsche. Vorstellungen. In der Pension Desiderio ist alles möglich. Und über allem schwebend, oder außenrum, je nachdem wie man das sehen möchte, die Rahmenhandlung mit der Schriftstellerin und dem Verleger, die selber wie aus einem Traum erscheint.

Traum ist das passende Stichwort. Auch ohne den inflationären Einsatz von Weichzeichner schafft Angelucci es mühelos, eine träumerische Atmosphäre zu erzeugen. Eine zauberische Stimmung, die nicht von dieser Welt zu sein scheint. Die Pension erweist sich als Labyrinth der Wünsche und der Lüste, ohne aber, und das ist das Entscheidende, diese Lüste zu zeigen oder allzu offensiv auszuleben. Clio Goldsmith ist die Einzige die sich auszieht, alle anderen deuten nur an. Selbst Luc Merenda, dessen Prachtkörper von der Kamera ausgiebig bestaunt wird, hat einen hocherotischen und spannenden Moment beim Ausziehen, gefolgt von einer umwerfenden Abblende. Oft bleibt die Kamera genau an dem stehen, was der Voyeur so dringend sehen will. Die Brüste sind meist knapp unterhalb der Kadrierung zu vermuten, wobei das beschnittene Format der deutschen DVD dem Rezensenten da auch einen Strich durch die Wunschvorstellung machen könnte. So oder so ist HONIGMUND kein Film für Freunde allzu nackter Tatsachen, der Film zeigt ohne wirklich zu zeigen. Er lässt vermuten, lässt Lust und Vorfreude erwachen, aber ohne dabei explizit zu werden. Einmal nur ist Ines kurz zu sehen. Das hässliche kleine Entchen, das so gern ein Schwan wäre, und das bei einem Liebesakt mit dem väterlichen Mann gezeigt wird, während Anna, einen Plüschschwan an sich pressend, unter ihrem Bett verborgen ist und die Szenerie im Spiegel beobachtet.

Erotik ist für die Stimmung, Pornographie für die Erektion. Ich glaube Tinto Brass hat das gesagt, und HONIGMUND ist eine Bestätigung dieser Weisheit. Wie Alice im Wunderland schlendert Anna durch ein erotisch aufgeladenes Haus, in dem nichts schmierig, gewalttätig oder böse ist. Alles ist gut und rein, es wird aber geschickt dieser betüttelnde David Hamilton-Touch vermieden. Stattdessen wechselt das Bild zwischen einem schönen und leichten Traum einerseits und einer nicht-geradlinigen Realität andererseits. So wie Träume halt nun mal sind. Und weil wir hier von Träumen reden, wechselt Anna auch des Öfteren mal die Kleidung. Mal ist sie als Rotkäppchen unterwegs, mal als Serviermädchen und mal als Klosterschülerin. Phantasien eben. Wünsche …

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Die Rahmenhandlung um Fernando Rey als Verleger und Catherine Spaak als Revolverlady unterbricht diese Träume zwar gelegentlich, ohne sie aber in ihrer Entfaltung wirklich zu zerstören. Nicht nur, dass einige Szenen, die narrativ schwierig aufzulösen gewesen wären, so ein geschicktes Ende erfahren, sondern diese schlafwandlerische Stimmung pflanzt sich hier auch fort. Beide Szenarien sind in hohem Grade stil- und geschmackvoll, wobei gerade der Moment, wenn Catherine Spaak mit linken Hand Champagner aus der Flasche trinkt, während die andere Hand nach wie vor mit der Pistole den Verleger in Schach hält, geradezu formvollendet wirkt.

Nach dem Film möchte man mit Anna gemeinsam durch die Phantasien stromern. Seine eigenen Wünsche hinzufügen, Annas Gedanken erfahren, und sich einem Traum hingeben in der Hoffnung, dass er niemals enden möge. Die Verlorenheit Annas am Ende des Films ist jedenfalls fast körperlich zu spüren und überträgt sich ein wenig auf den Zuschauer, der so gerne mehr solcher seltenen Filme sehen würde …
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Maulwurf
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Der Mann aus San Fernando (James Fargo, 1978) 8/10

Philo Beddoe ist ein kleiner Mann, der sein Leben gerne lebt und einen Affen auf dem Rücken hat. Im Ernst: Tagsüber LKWs fahren, abends dann ein Bierchen trinken gehen, Mädels aufreißen, Countrymusik hören, und zu Hause wartet Clyde auf ihn, ein Orang-Utan, der er mal beim Boxen gewonnen hat. Richtig, da ist noch das Hobby: Philo boxt sehr gerne und sehr gut, und verdient sich zusammen mit Freund Orville bei illegalen Bareknuckle-Fíghts gerne mal etwas Geld dazu.
Alles easy, bis er Lynn Halsey-Taylor kennenlernt. Eine Countrysängerin, die ganz ungeahnte Gefühle in ihm weckt, und die auch sofort bereit ist sich ihm hinzugeben. Dumm nur, dass Lynn Halsey-Taylor am übernächsten Tag abgereist ist, und Philo mit seinen Gefühlen alleine da steht. Was macht also der Mann von Welt? Er packt Orville und Clyde in ein Wohnmobil und reist der Frau mit dem langen Namen in einer langen Reise hinterher, von Kalifornien bis nach Denver. Im Schlepptau zwei Cops, die Philo umlegen wollen weil er dem einen der beiden mal was aufs Maul gegeben hat, sowie die Bande der Black Widows - Eine gefürchtete Rockergang, die sich unter Philos Fäusten ständig bis zum Gehtnichtmehr blamiert.

Clint Eastwood hat zwar immer noch die harten Fäuste aus COOGANS GROSSER BLUFF oder DER MANN, DER NIEMALS AUFGIBT, aber ansonsten ist er ein ganz normaler Redneck, der zwischen Bier, Country und Mädels ein einfaches und glückliches Leben lebt. Für den Zuschauer ungewohnt, aber nicht unsympathisch. Das Interessante daran ist, dass uns der klassische Redneck seit vielen Jahren in unzähligen Filmen als dummes Arschloch entgegentritt, das geistig gerade mal in der Lage ist, den Abzug einer Schrotflinte zu drücken, und diese klassische Charakterisierung wird hier einfach mal eben umgedreht. Philo Beddoe mag vielleicht ebenfalls nicht der allerhellste sein, aber wahrscheinlich hätte so ziemlich jeder seinen Spaß daran, mit Philo, Clyde und Orville durch die Welt zu fahren. Überall zu sein, und dabei immer locker zu bleiben (wie man den Originaltitel so in etwa übersetzen kann). Auch wenn dem Zuschauer viel schneller klar ist, dass Lynn nicht das anständige Country-Girl ist für dass sie sich ausgibt, und auch wenn man dadurch eher Mitleid hat mit Philo als dass man ihn anfeuern möchte. Aber Eastwood schafft es völlig problemlos, der netten Typen von nebenan darzustellen, und gerade weil er eine nervige alte Ma hat und einen treuen Freund, gerade darum ist er auch der Freund des Zuschauers …

Das klingt nun alles sehr kopflastig, aber DER MANN AUS SAN FERNANDO ist nicht kopflastig. Ganz im Gegenteil, der Film gibt einem ein außerordentlich gutes Bauchgefühl. Wir reisen mit den Freunden durch das Land, und zwischen kleineren und größeren Prügeleien, dem köstlichen Unfug den ein Orang-Utan so anstellen kann und einer Liebesnacht mit Lynn ist immer noch Platz für ein Bierchen und ein paar coole Sprüche. Ein wunderbarer Feelgood-Movie, der in absolut keiner Sekunde langweilig ist und zu fast zwei Stunden Dauerschmunzeln einlädt.

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Beitrag von Maulwurf »

Dead Bodies (Robert Quinn, 2003) 7/10

Wie versteckt man eine Leiche? Vor diesem Problem steht Tommy, der nach einem ausgesprochen handfesten Streit mit seiner Freundin nach Hause kommt und vor deren sterblichen Überresten steht. Tommy denkt, dass es das Beste sein wird, den Körper unauffällig im Wald zu verbuddeln. Aber in dem Loch, das Tommy gräbt liegt bereits eine Leiche. Tommy schüttet das Grab gerade noch zu und flüchtet, aber dadurch wird ein Hund aufmerksam auf das Loch. Eine Spaziergängerin auf die Leiche. Die Polizei auf Tommy. Und jemand, der vor sieben Jahren seine Frau umgebracht hat und nie entdeckt wurde, wird ebenfalls aufmerksam …

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Dunkelheit hat mehrere Schichten. Das sieht man aber nicht, wenn sie einen umhüllt. DEAD BODIES hat auch mehrere Schichten, die sich aber erst nach und nach entblättern, und die man nicht sehen kann solange sie den Zuschauer umhüllen. Hier ist weniges so wie es zu Beginn scheint, und nicht nur die Handlung entwickelt sich auf verschiedenen Ebenen, auch die Charaktere wechseln ihre Erscheinungen immer wieder. Je nachdem aus welchem Gesichtswinkel man die Person sieht, könnte sie ein aufrechter Mensch oder ein gewissenloser Mörder sein. Ein gewissenloser Mensch? Ein aufrechter Mörder? Was sieht man in einem Rohrschachtest? Einen Schmetterling der Sex hat? Oder einen körperlosen Kopf der eine Frau befriedigt? Oder vielleicht etwas ganz anderes?

DEAD BODIES funktioniert genauso wie ein Rohrschachtest, und es kommt auf den Blickwinkel an was man sieht. Sehen möchte. Zu sehen vermeint. Die ersten 40 Minuten laufen als typischer Leben-in-Großbritannien-Film á la FOOTBALL FACTORY, nur ohne die extreme Gewalt, und beinhalten einiges an schwarzem Humor, über den man lang und anhaltend kichern kann. Eigentlich möchte man auch weiterkichern, aber die Schwärze kriecht unmerklich heran, und mit dem Verderben, das über Tommy hereinbricht, wird der Film allmählich immer spannender und packender. Keine Person handelt so wie man es von ihr erwartet, jeder bewegt sich quasi in einer anderen Schicht der Dunkelheit, und was dann am Ende des Films übrig bleibt ist ebenfalls überhaupt nicht das was man zu Beginn erwartet hatte. Das Kichern bleibt einem irgendwann im Halse stecken, wo man es zwar durchaus noch spürt, aber immer wenn man es rauslassen möchte, schnürt es einem so seltsam die Kehle zu …

DEAD BODIES ist also ein Film der zuwiderlaufenden Erwartungen. Eine schwarze Komödie? Ja, teilweise. Ein Krimi? Ja, durchaus. Düster? Ja, ziemlich. Eine Moritat über Freundschaft und wie man sie pflegen sollte? Ja, unbedingt.

Oder anders ausgedrückt: Wer schon mal den toten Körper seiner Freundin bei Nacht im Wald vergraben hat weiß natürlich, wie sehr so etwas eine (Männer-) Freundschaft belasten kann. Und wenn dann auch noch gleich danach die nächste Freundin auf der Matte steht, dann ist auch klar, dass die Polizei irgendwann etwas aufdringlicher wird. Detective Inspector Wheeler ist ein ganz kalter Hund, der den älteren Mordfall von vor sieben Jahren damals nicht aufklären konnte, was natürlich an seiner Psyche kratzt. Was liegt also näher, als die beiden Fälle miteinander zu verbinden: „Wie alt waren Sie vor sieben Jahren? 17 – Alt genug …“

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Wheeler hat seine eigenen Dämonen, und er lässt sie auch raus. Unbeobachtet, wie er meint. Doch aus einer anderen Schicht der Dunkelheit heraus wird Wheeler beobachtet, so wie auch Tommy beobachtet wird. Die Nacht hat tausend Augen, und jede Handlung hat Zeugen, was dazu führt, dass jede Handlung auch Konsequenzen hat, welche die vorhergehende Tat potenzieren. DEAD BODIES ist ein flirrendes und cooles Kaleidoskop blutiger Momentaufnahmen. Ein Puzzle, das aus kleinen und mit Schmutz beschmierten Teilchen besteht, welches am Ende ein wildes und atemberaubendes Gesamtbild zeigt, erzählt in einem rasenden Tempo und völlig ohne Längen, dafür unter starkem und sinnvollem Einsatz technischer Möglichkeiten (Farbfilter, Bilder von Überwachungskameras, Sandbilder). Eine kleine und fiese Geschichte über ganz normale Menschen, die es unter vollkommen idiotischen Umständen mit nicht ganz erlaubten Dingen zu tun bekommen. Und vor allem ein Riesenspaß!
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Maulwurf
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Re: Was vom Tage übrigblieb ...

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Die Unfassbaren – Now You See Me (Louis Leterrier, 2013) 6/10

Vier Zauberer betreten die Bühne. Sie nennen sich Die vier Reiter und liefern die ganz große Show. Zuerst in Las Vegas: Dort rauben sie auf offener Bühne, vor einem riesigen und frenetischen Publikum, eine Bank mitten in Paris aus, und verteilen das Geld an die anwesenden Zuschauer in Vegas. Das FBI steht natürlich sofort auf der Matte, und mit ihm die Interpol-Agentin Dray aus Frankreich, aber den Vieren lässt sich nichts anhaben. Und nach ihrem Coup in New Orleans genauso wenig, wo sie eine Versicherung, die sich am Katrina-Hurrikan und auf dem Rücken der kleinen Leute gesundgestoßen hat, bluten lassen. In New York soll dann der Höhepunkt passieren, und in New York steht auch ein Tresor, der eine halbe Milliarde Dollar enthält! Doch außer dem FBI ist den vier Zauberern noch ein Mann auf der Spur: Der Magier Thaddeus Bradley, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, die Tricks anderer Zauberer zu durchleuchten. Und weil Thaddeus Bradley schon so viele Tricks gesehen hat, ist er nicht nur cool, sondern auch verdammt gewieft …

Ein Film wie ein abendliches Besäufnis in einer Kneipe. Während der Show ist man voll dabei, ist begeistert, kippt den Stoff in sich rein, ist lustig, ist gelöst, kann aufregende Sachen vollbringen. Doch der Kater danach … Oh je, oh je …

DIE UNFASSBAREN beginnt fulminant mit einer gigantischen Show, während welcher der Zuschauer durch ein unfassbares Tempo und stark aufspielende Schauspieler komplett aufgesogen und in die Geschichte hineingepflanzt wird. Der erste Raub ist grandios, der Zuschauer ist begeistert. Auftritt Ermittlungsbehörden, die Agenten Hobbs und Dray. Was während der parallel geschnittenen und wieder extrem schnell ablaufenden Verhöre passiert, wie die Zauberer die Ermittler vorführen und austricksen, das ist hochgradig beeindruckend und, weil der Zuschauer die Zauberer mittlerweile als sehr sympathisch empfindet, vor allem sehr witzig.

Es folgt der Versuch, die eigentliche Geschichte zu etablieren, und man ahnt bereits, dass unter all dem Blendwerk und dem hohen Tempo nicht mehr viel steckt. Doch es folgt Schlag auf Schlag: Die zweite Show, das Absägen einer vermeintlichen Hauptfigur, das Staunen des Zuschauers über die Show … Ja, die Show. Denn nichts anders wird uns hier gezeigt als eine Show. Eine Zaubershow, die nur aus Gaukelei und Illusion besteht. DIE UNFASSBAREN enthält keinerlei Geschichte, keinerlei Inhalt, und biegt sich die Zusammenhänge dermaßen hanebüchen hin, dass man, wenn man darüber nachdenkt, Bauchschmerzen bekommen könnte. Wenn(!) man es vermag darüber nachzudenken, denn tatsächlich lassen einem Tempo und Bilder keinerlei Chance, die Tricks der Produktion zu durchschauen. Die Ermittler rücken den Zauberern, die zunehmend in den Hintergrund der Story treten und allmählich unwichtiger werden, immer näher, und der Höhepunkt des Films ist ganz klar die Erstürmung des Appartements in New York. Allein die Aktionen, die Dave Franco und Mark Ruffalo hier bringen, vom Ruhigstellen Michael Kellys ganz zu schweigen, das presst den Zuschauer in den Sessel und lässt ihn nach Luft schnappen. Und ich meine das unbedingt positiv! Eine starke Sequenz, die zwar auch mit Tricks und Spiegeln arbeitet, aber ungeheuren Spaß macht.

Der dritte Coup, dieses Mal in New York. Thaddeus Bradley ist sehr nahe an den Zauberern dran, und die Ermittler ebenfalls. Wer sein Gehirn noch nicht ganz ausgeschaltet hat weiß jetzt bereits, wer der Fünfte Reiter ist, denn die Menge an Verdächtigen ist ausgesprochen klein, und die roten Heringe sehr deutlich markiert. Es ist ebenfalls bereits klar, dass dieser letzte Coup glatt über die Bühne gehen wird, denn die Zauberer sind ähnlich wie Ethan Hunt in MISSION IMPOSSIBLE als Supermänner und –frauen etabliert, auf deren Seite die Zuneigung des Zuschauers liegt. Die einzige Frage, die jetzt noch geklärt werden muss, ist die nach dem Motiv.

Und ein Motiv muss sein. Eine logische Erklärung. Es kann nicht angehen, dass man den Zuschauer mit einem Leuchten in den Augen und dem Staunen über die gesehenen Dinge einfach gehen lässt. Nein, rationale Erklärungen und das Aufdröseln aller Erzählstränge (viel sind es ja nicht) gehören heute leider dazu. Und zerstören jeden Zauber, der während der ersten ungefähr 90 Minuten aufgebaut wurde. Der Kater beginnt, und man bedauert ein wenig das letzte Bier, das wohl offensichtlich schlecht war. Der Abend hatte doch so lustig begonnen und hat so viel Spaß gemacht. Warum dann der Katzenjammer in den letzten 30 Minuten? Das überflüssige und schlechte Motiv? Warum der gewaltsame Drang zur Aufkläreritis, welche die Illusionen des Zuschauers zerstört? Haben Whodini und David Copperfield jemals ihre Tricks enthüllt?

Aber wie eine richtig gute Zaubershow unterhält DIE UNFASSBAREN ungemein. Es ist Unterhaltungskino, an das man halt keine Ansprüche stellen darf. Also weder Whodini noch David Copperfield, sondern vielleicht eher der große Zampano, der von den Sorgen und Nöten des Alltags ablenkt und für Zerstreuung sorgt, aber auch genauso schnell wieder vergessen wird. Hübsch zum Anschauen, toll zum Staunen, große glänzende Kinderaugen hinterlassend, aber definitiv nichts für die Ewigkeit. Genauso wie auch der Kater wieder vergeht, und die Lust auf den nächsten Kneipenabend wiederkommen wird …
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Bad inclination (Pierfrancesco Campanella, 2003) 7/10

Es tut mir wirklich leid, aber ein klein wenig muss ich einfach spoilern. BAD INCLINATION hat einiges an Überraschungen in petto, und ein paar davon muss ich leider im Voraus aufdecken, um dem Film halbwegs beschreiben zu können. Oder anders ausgedrückt, wenn ich nur schriebe Toller Film mit vielen Wendungen, selber überzeugen! - Würde mir das jemand glauben? Eben, sowas muss ein wenig unterfüttert werden. Zum Beispiel mit Spoilern …

Die Lehrerin Grazia Scanetti wird in ihrer Wohnung ermordet aufgefunden. Die Tatwaffe ist ein Lineal, ein stählernes Dreieck. Die Polizei tappt vollkommen im Dunkeln, doch im selben Haus wohnt Mirta Valenti, und die nutzt die Gelegenheit, um sich ihrer verhassten Haushälterin zu entledigen. Valenti gaukelt der früheren Schülerin Donatella vor, sie sei todkrank und bitte um Sterbehilfe. Und zwar in Form eines Mordes im Stil wie bei der Scanetti. Nur dass im Bett nicht die Valenti liegt, sondern eben die Haushälterin, was Donatella leider erst eine ganze Zeit später merkt …
Ebenfalls im selben Haus wohnt der frühere Gesangsstar Nicole Cardente, welche ein Liebesverhältnis mit ihrer Managerin Otilia hat. Als Otilia mit dem neu eingezogenen und gutaussehenden Premio rummacht platzt Nicole fast vor Eifersucht: Sie ermordet Otilia, lässt es aussehen wie bei der Scanetti, und schiebt die Schuld auf Premio. Die Polizei schießt sich schwer auf den jungen Mann ein, Nicole bekommt durch die Aufmerksamkeit der Presse eine zweite Karriere, und der Staatsanwalt fühlt sich ob seines Ermittlungserfolgs wie ein Halbgott. Nur die junge Polizistin Rita hat so ihre Zweifel. Denn selbst wenn wir (anders als die Polizei) den zweiten und den dritten Mörder kennen, ist immer noch die Frage: Wer hat nun eigentlich Grazia Scanetti ermordet?

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Beginnen wir, weil der Film sowieso ein wenig anders ist als andere Kinder, doch mal relativ weit hinten, nämlich mit dem dritten Mörder. Dieser, die Sängerin Nicole, ist ein wahrhaft durchtriebenes Ding, und entsprechend viel Screentime bekommt sie. Nicole ist böse und hat trotz einer leichten Nervenschwäche einen ausgesprochenen Hang zu schlechten Angewohnheiten (übersetzt eben Cattive inclinazioni). Es macht dem Zuschauer Spaß, ihr bei ihren abgefeimten Intrigen und Ränken zuzuschauen, das ist wie bei Alfred Hitchcocks FRENZY, wo wir dem Mörder gefühlte Ewigkeiten zuschauen, wie er versucht eine Leiche zu verstecken, und uns dabei unweigerlich mit ihm identifizieren. Hitchcock macht uns zu Komplizen des Mörders, und Pierfrancesco Campanella macht das hier nicht anders. Wir begleiten Nicole bei den Vorbereitungen zum Mord, bei der Durchführung, und beim Legen der Spuren zu Premio, dem Liebhaber Otilias, und können kaum anders, als ihr beim Ausleben ihrer schlechten Angewohnheiten beizustehen.

Doch, einen Unterschied gibt es: Nicole ist nicht sympathisch. (Anmerkung: Barry Foster in FRENZY eigentlich auch nicht …) Diese Eigenschaft hat Donatella abbekommen, Ex-Knacki und frühere Drogenabhängige, die sich jetzt mit Prostitution über Wasser hält, und von Mirta Valenti ein Angebot bekommt das sie nicht ablehnen kann. Die Idee mit der Krankheit und der Sterbehilfe in Form eines Mordes ist wirklich gut ausgedacht, denn dieser Mord würde dem großen Unbekannten angelastet werden, und Donatella wäre fein raus. In Wirklichkeit ermordet Donatella aber eben die Haushälterin Laura, und danach wird sie von Valenti fallengelassen wie eine heiße Kartoffel. Denn auch Valenti, eine Künstlerin mit Hang zu Bildern des Todes, hat schlechte Angewohnheiten. Donatella wird mit ihrer Schuld und ihrer Angst nun völlig allein gelassen, aber ich darf dem geneigten Leser verraten, dass sie in ihrer hilflosen Verzweiflung etwas ideenreicher ist als man denkt.

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Und noch jemand hat schlechte Angewohnheiten: Der Staatsanwalt Visconti, der sich seine Meinung aufgrund unzureichender Indizien bildet, die Ahnungen Ritas vollkommen ignoriert bzw. niedermacht (schließlich ist sie eine Frau und jung, und er ist männlich sowie hochgradig ambitioniert und möchte Karriere machen), mit seiner(!) harten Arbeit im Fernsehen angibt, obwohl tatsächlich Rita für ihn schuftet, und wenn am Ende ein Täter gefunden wird, sich lächelnd und selbstbewusst dem Fernsehpublikum präsentiert als großer Mann. Jawoll …

Überhaupt, die Medien. Campanella wollte mit BAD INCLINATION etwas zu den Medien erzählen, die jeden Mord und jede Gewalttat als Happening und Event verkaufen, ohne Rücksicht auf Moral oder Anstand, und ohne darauf zu achten, dass so eine Tat ja auch Nachahmer auf den Plan rufen kann. Im Berlusconi-Italien des Jahres 2003 ist das nicht anders als heute irgendwo anders in der westlichen(?) Welt: Eine gut gestylte Moderatorin die uns den Mord des Tages als Breaking News präsentiert, und immer hautnah bei den Neuigkeiten dabei sein will. Gianna Paola Scaffidi ist gleichzeitig charmant und aalglatt und könnte jederzeit auf einem der gängigen Fernsehsender á la Fox News-Pro7-wasauchimmer auftauchen, ohne dass jemand merken würde dass sie eine Schauspielerin ist. Die Verhaftung des Monsters? Wir sind dabei. Die Entlarvung des Täters? Hier ist der großartige Staatsanwalt der dies ermöglicht hat …

Wir haben also eine alles andere als durchgängige Story, einen regelmäßigen Wechsel von Hauptfigur und Perspektive, und viel viel Abwechslung. Dazu einiges an nackter weiblicher Haut, den ein oder anderen blutigen Mord, und überhaupt ist die Kunst, kleine, feine und boshafte Krimis zu erschaffen, in Italien im neuen Jahrtausend offensichtlich nicht verschwunden, sie versteckt sich nur ziemlich gut. Aber all das, was den italienischen Genrefilm in seinen großen Zeiten ausgemacht hat, ist hier gleichfalls vorhanden: Schöne Frauen die sich gerne mal ausziehen, abgefeimte Schurken, eine verwirrende und packende Geschichte mit vielen Toten, ein gehöriges Maß Kritik an den aktuellen Zuständen, und schöne und oft stylische Bilder.

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Mädchen im Knast (Rino Di Silvestro, 1973) 7/10

Daniela macht mit ihrem Freund Tonino einen Kurztrip in die Schweiz. Auf dem Rückweg kommen sie in eine Polizeikontrolle. Tonino flüchtet, Daniela fällt aus dem Auto, und Tonino rast in den Tod. So weit, so gut. Das Problem bei der Sache ist, dass im Kofferraum 20 Kilo Bikarbonat gefunden wurden, doch eigentlich hätten das 20 Kilo Heroin im Wert von einer halben Milliarde Lire sein müssen. Daniela wandert also in den Knast, und nun möchte jeder von ihr wissen wo sich das Heroin befindet. Denn sie ist die einzige die das wissen kann, auch wenn sie sehr standhaft leugnet, über die Sache überhaupt etwas zu wissen. Die Polizistin Hilda wird in den Knast eingeschleust um zu Daniela eine Beziehung aufzubauen und die Wahrheit über das Heroin herauszufinden, bevor die Gangster es erfahren. Oder, schlimmer, bevor die Gangster die Geduld verlieren und Daniela ermorden. Zwischen Lesben, Nymphomaninnen, Gefängnisrevolten und gekauften Wärterinnen mit Hang zur Quälerei versucht Hilda, die Wahrheit ans Licht zu bringen.

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Ich habe mittlerweile nun einiges an WIP-Filmen gesehen, und der größte Fehler, den die Regie in diesem Genre machen kann ist, die Handlung recht bald wieder nach außerhalb zu legen. Raus aus der Klaustrophobie, raus aus dem Klima permanenter Gewalt und Unterdrückung, und damit auch raus aus den Spannungspolen Druck und aufgeheizte Stimmung. Eine Entscheidung, die nie wirklich gute Ergebnisse zeitigt. Filme wie Jess Francos FRAUENGEFÄNGNIS oder Bruno Matteis LAURA – EINE FRAU GEHT DURCH DIE HÖLLE zeigen, wie es richtig geht: Die Protagonistin kommt in den Knast, und ab geht die Luzy mit Gewalt und Sex. MÄDCHEN IM KNAST macht zwar im Prinzip einen ähnlichen Fehler, indem einiges an „Draußen-Handlung“ stattfindet, da aber durch die parallel stattfindenden Ereignisse außerhalb der Mauern die Handlung innerhalb an Spannung und Tempo gewinnt, ist dies problemlos zu verschmerzen. Und ganz ehrlich, die Verfolgungsjagd zu Beginn zwischen einem Opel Kapitän und einem Ford 17 M würde jedem Poliziotto gut zu Gesicht stehen! Schnell, hart, dynamisch, und spannend. Warum muss man einen WIP-Film sehen um eine gute Verfolgungsjagd … Na gut, ich bin ja schon ruhig.

So oder so funktioniert MÄDCHEN IM KNAST eigentlich ziemlich gut: Es gibt einiges an Sexszenen, die auch nicht verschämt unter Bettdecken oder hinter Dampfschwaden stattfinden, sondern es werden gutgebaute nackte Frauenköper in Großaufnahme zärtlich abgetastet. Auch die Prügeleien sowie die obligatorische Duschszene sind allesamt mit viel Nudität gesegnet, die Schauwerte sind zur Freude des (männlichen) Zuschauers also auf jeden Fall erstmal vorhanden. Unbestrittener Höhepunkt ist natürlich die gemeinschaftliche Duschszene mit dem Wasserschlauch, die eine wunderbare friedlich-sonnige Auflösung erhält, die so sicher nicht zu erwarten ist. Eine Gefängnisrevolte? Das hat in José Giovannis ENDSTATION SCHAFOTT aber ganz anders ausgesehen …

Was zum Thema Gewalt führt. Gewalt ist nicht allzu viel geboten, Bruno Mattei hat in dem erwähnten LAURA – EINE FRAU GEHT DURCH DIE HÖLLE erheblich mehr Grausamkeiten im Portfolio, was aber an dem deutlich späteren Entstehungsdatum liegen dürfte. Und an Mattei … Bei MÄDCHEN IM KNAST dräut zwar im Hintergrund eine permanente Anspannung, und die allgegenwärtige Aggression und der damit einhergehende Druck sind oft zu spüren, aber ernsthafte Gewaltexzesse finden innerhalb des Knasts nicht statt. Außerhalb schon, die Erlebnisse von Don Camillo (der heißt wirklich so) sind jedenfalls grundlegend brutaler Natur, und werden interessanterweise ebenfalls sehr eigenartig aufgelöst. Im Gefängnis selber aber dürfte eher das Budget das Problem gewesen sein: Nackte Frauen sind billiger zu filmen als blutige Quälereien …

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Trotzdem, die Geschichte um den missglückten Drogenhandel ist spannend erzählt, und gewinnt vor allem gegen Ende hin viel Dynamik, gleichzeitig gibt es aber auch immer wieder ruhige Momente der Einkehr oder Stimmungsbilder der leeren Gänge und Hallen. Die Schauspieler (-innen) sind mit Leib(!) und Seele dabei, und dass die Regie vielleicht nicht immer auf der Höhe ist oder Anschlussfehler ohne Ende produziert – Herrje, MÄDCHEN IM KNAST ist kein Arthouse-Drama sondern ein kostengünstigst und sehr einfach produzierter Schnellschuss für die Vorstadtkinos mit großen Namen im Programm gewesen. Wer hier Anspruch sucht, der hat sich sowieso verlaufen. Das Versprechen, das Titel und Erwartungshaltung vorgeben, wird auf jeden Fall in Form vieler nackter Frauen und einer spannenden Rahmenhandlung eingelöst, auch wenn es insgesamt gerne etwas derber hätte zur Sache gehen dürfen.
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Beitrag von Maulwurf »

The possession of Mrs. Hyde (Axel Braun, 2018) 7/10

Wie sieht Porno-Chic in den späten 10er-Jahren des 21. Jahrhunderts aus? Junge, immergleich aussehende Mädchen mit gigantischen Plastikmöpsen hüpfen gefühlt stundenlang auf perfekt gebauten Männern mit Riesenpimmeln, lassen sich schlagen und anspucken, und wenn es mal keine jungen Mädchen sind, dann regiert die Tendenz zur älteren Frau (also alles was älter ist als 18 Jahre …). Hochleistungsfick heißt der Trend, und die Generation, die mit diesen Eindrücken am Handy groß wird, um deren sexuelle Entwicklung tut es mir jetzt schon leid.

Aber es gibt Ausnahmen! Immer wieder einmal läuft dem Rezipienten ein Film über den Weg, der tatsächlich eine Geschichte erzählt, und der diese Geschichte auch in schöne und druckvolle Bilder packt. David Aaron Clarks PURE ist zum Beispiel so ein Film, der trotz gewisser Anbiederungen an den Zeitgeist durch seine düstere Story und die zum Schluss hin zutiefst verstörenden Bilder viel Eindruck hinterlässt. Oder eben THE POSSESSION OF MRS. HYDE, der in bestechenden Schwarzweiss-Fotografien eine abgründige Geschichte von Begierde und Besessenheit erzählt.

Valerie ist ein junges Mädchen in Kalifornien. Die Familie ist reich, die Mutter ist eine Glucke, die Freundin ist quietschig, das Wetter ist schön, und der junge Chemiker John Hill, der als Aushilfe bei der Familie arbeitet, ist attraktiv. Das Leben könnte schön sein, aber Valerie leidet unter sexuellen Schüben, nach denen sie nicht weiß, ob da wirklich etwas war, oder ob sie sich das nur eingebildet hat. Bei einem Besuch in einem Haus hört sie ihren Namen flüstern, der Fernseher schaltet sich von selbst ein, ein junger Mann spricht sie vom Bildschirm aus direkt an und fickt dann lang und ausgiebig mit ihrer Gastgeberin und ihrer Freundin, die beide eigentlich im Nebenraum stehen sollten. Alle drei Teilnehmer schauen während des Ficks immer wieder gezielt in Valerie Richtung und lächeln abgründig. Ein Traum?
Der Schock ist groß, als Valerie beim Rechtsanwalt Dr. Hyde ein Päckchen abholen soll, und Hyde sich als der Mann vom Fernseher entpuppt. Sie fällt in Ohnmacht und hat in der Folge heftigen Sex mit Hydes Sekretärin auf der Toilette des Büros. Doch als sie sich umdreht – ist die Sekretärin fort, und sie steht nackt vor dem Spiegel. Ein Traum?

So langsam wird dem Zuschauer mittlerweile auch bewusst, dass die Episoden sich um Erzählungen in Form von Rückblenden handeln – Valerie sitzt in einem Vernehmungsraum und wird von einer Polizistin verhört. Sie scheint jemanden ermordet zu haben, was sie aber vehement abstreitet …

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Dr. Jekyll, ein Mittelding aus einem Psychiater und einem Alchimisten, attestiert Valerie eine multiple Persönlichkeit, was aber kein Hinderungsgrund für Hyde ist: Valerie und Hyde heiraten und sind zwei Jahre lang glücklich miteinander, bis eines Tages John Hill mit Fotos ankommt, die sexuelle Ausschweifungen von Valeries Mutter zeigen. Valerie bekommt wieder einen Schub und sieht ihre geliebte und heilige Mutter, wie sie mit zwei Deckhengsten, von denen einer aussieht wie Superdupont, schwülen und feuchten Sex hat, während ihr eigener Ehemann sie zwingt dabei zuzuschauen.

Axel Braun, der Sohn des großen Pornofilmers Lasse Braun, macht hier vieles von dem, was heutzutage nach landläufiger Meinung einen Porno ausmacht, „falsch“. Schon dass der Film in Schwarzweiss gedreht ist, dürfte den Mainstream-Konsumenten eher abschrecken. Aber was für Schwarzweiss! Die kontrastreichen Bilder erinnern in ihrer Tiefe und ihren Schattenwürfen oft an die Noirs der 40er-Jahre. So ist beispielsweise nach dem Sex auf der Toilette, der bereits die Qualität von bewegten Gemälden hat, die Persönlichkeitsspaltung Valeries klar zu sehen: Valerie schaut in den Spiegel, und ihr Schatten steht für sich an der Wand und scheint sich zu verselbständigen. Vor allem die Sexszenen bekommen eine Qualität und eine Tiefe, die sie weit aus der Masse herausheben. Billig ist hier gar nichts, gerade die Kameraarbeit und das Licht sind perfekt gesetzt und hieven den Film technisch gesehen locker in die gleiche Klasse wie zum Beispiel LAURA. Und da meine ich sehr wohl den Klassiker aus dem Jahr 1944 …

Die Kamera mag es ebenfalls, die Gesichter in Großaufnahmen zu zeigen. Das Gesicht der jungen Avi Love, wie sie während des Ficks lacht, stöhnt, Lust hat, einen Orgasmus erlebt … Kaum zu glauben, dass die Darstellerin zum Zeitpunkt des Drehs bereits zwei Jahre im Geschäft war und einiges an Sexfilmen im Gepäck hatte, so natürlich und unverbraucht wie sie wirkt. Überhaupt sind alle Schauspieler dieser Berufsbezeichnung auch wirklich würdig. Die HC-Veteranin Jessica Drake muss sich als vernehmende Polizistin nicht einmal mehr ausziehen. Ihr Gesicht wird in kühlen Aufnahmen auf den Bildschirm geworfen und offenbart eine Schönheit und innere Erotik, die nicht von ihrem überdimensionierten Körper abgelenkt und vereinnahmt wird, und so in noch keinem ihrer Filme zu sehen war. Auch Charlotte Stokely als Sekretärin wird in überwältigenden Großaufnahmen gezeigt. Allein ihr Gesicht beim Sex mit Avi Love ist bereits ein kleines Wunder für sich. In diesem Zusammenhang fällt auch auf, dass Braun kaum Großaufnahmen von Geschlechtsteilen zeigt, sondern diese im Gegenteil sogar oft in die Schatten drängt. Klar, wenn Valerie auf Hyde herumhüpft, dann ist natürlich alles zu sehen was gesehen werden soll. Aber der erotische, gut inszenierte und überhaupt nicht herabwürdigende Sex findet generell eher in der Halbtotalen statt, die Großaufnahmen werden für die Gesichter reserviert.

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Bemerkenswert ist auch, dass außer der Mutter (Reagan Foxx) alle Frauen normal gebaut sind. Keinerlei Kunsttitten baumeln monströs durch die Gegend, und keine aufgespritzten Lippen lassen vor Küssen zurückschrecken. Stattdessen wirken die Darsteller oft sogar schlecht geschminkt, sieht man doch immer wieder Pickel im Gesicht oder veraltete und nachgewachsene Intimrasuren. Im modernen Hochglanz-HC ein No-Go, aber Axel Braun integriert diese Natürlichkeit in seinen Film und erzeugt damit ein ganz eigenes Flair.
Nur Reagan Foxx, die Supermutter, die Glucke, die Herrin über Valerie, die schaut aus wie Pornostars heutzutage so aussehen sollen. Sie ist auch die einzige die es mit zwei Männern gleichzeitig aufnehmen kann, und diese Männer sind auch die einzigen im Film, die eher wie Deckhengste aussehen und nicht wie normale Männer. Ist der Chauffeur nicht sogar ein klein wenig zu dick? Dr. Hyde ist auf jeden Fall angenehm normal gebaut, ja er hat sogar ein kleines Bäuchlein, und die Mutter könnte er wahrscheinlich niemals befriedigen. Mutter, nein: MUTTER wird als Überwesen dargestellt, und es stellt sich die Frage, inwieweit sie nicht die Krankheit ihrer Tochter möglicherweise sogar vorantreibt. Denn die Blicke, die MUTTER immer wieder in Richtung ihrer Tochter wirft, das Bestehen auf der Einnahme der recht ominös wirkenden Medikamente, eine offensichtliche Partnerschaft zwischen MUTTER und Dr. Jekyll … Könnte MUTTER Angst haben vor einem Kontrollverlust? Sind vielleicht Eifersucht und ein raffinierter Mordplan im Spiel?

Wir werden es nie erfahren, so wie ich mich auch sehr schwer getan habe herauszufinden, wer denn nun eigentlich ermordet wurde. Der Mann, dem Valerie am Ende ein Messer in den Hals stößt, den scheint es laut Aussage der Polizistin nie gegeben zu haben. Aber wer saß denn dann auf dem Sofa? War der Fernseher in der ersten Szene wirklich an? Hatte Valerie Sex mit dem Chauffeur? Viele offene Fragen, und auch dies ist ungewöhnlich für einen Film im 21. Jahrhundert, gleich ob HC oder Mainstream – Axel Braun traut sich, den Zuschauer mit einer fragmentierten Handlung und offenen Fragen in die Nacht zu schicken, und ihn in seinem Kopf nicht nur über die kleinen und sehr hübschen Brüste von Avi Love spekulieren zu lassen, sondern auch und vor allem über wesentliche Teile der Handlung. Und so etwas kann gar nicht hoch genug bewertet werden …

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Das einzige, was man THE POSSESSION OF MRS. HYDE vorwerfen kann ist, dass er zu lang ist. Dass die Nebenhandlung um die MUTTER vielleicht ein wenig aufgepfropft wirkt, um dem Mainstream-Seher das erwartete Vergnügen abseits der verstörenden Handlung zu bieten. Und dass vor allem die Sex-Szenen deutlich zu lang sind, und leider halt doch wieder in Richtung des olympiareifen Dauerficks tendieren, oscarreife Fotografie hin oder her. Aber das ist das berühmte Jammern auf sehr hohem Niveau – Wenn die Masse des Porno-Ausstoßes der letzten Jahre die Qualität dieses Films hätte, dann wäre es um den Ruf des Hardcorefilms bei weitem nicht so schlecht bestellt, und ich habe halt nun mal eine gewisse Vorliebe für die schnellen und knackigen F(l)icks der 70er-Jahre …
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Beitrag von Maulwurf »

Black Mask (Danny Lee, 1996) 7/10

Die Spezialeinheit 701 war eine Eliteeinheit der chinesischen Armee. Ihre Mitglieder wurden an den Nerven operiert, damit sie keinen Schmerz mehr wahrnehmen konnten, und ihr einziges Ziel war, zu töten bis zum eigenen Tod. Doch die Soldaten meuterten. Viele wurden erschossen, ein paar allerdings entkamen dem forcierten Ende der Einheit. Einer von ihnen ist Tsui Chik, der sich eine neue Existenz als Bibliotheksangestellter aufgebaut hat. Doch durch seinen Freund, Polizeiinspektor Shek, muss er lernen, dass auch andere aus dieser Einheit entkommen sind. Diese anderen erledigen nun unter der Führung von Commander Hung alle Drogenbosse Hongkongs und teilen den Markt neu auf: Alle(!) Macht den Neuen. Doch das damit einhergehende Blutbad schreckt die Polizei auf, und auch Tsui Chik wird da mit hineingezogen und kann seinen Schwur, nie wieder Gewalt auszuüben, nicht aufrecht halten. Mit Hut und Maske unkenntlich gemacht (muhaha) rüstet er sich zum Kampf.

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Man könnte BLACK MASK schlecht machen, indem man sagt dass er ein hirnloses Action-Spektakel ohne Sinn und Verstand ist. Ist er auch, aber er macht höllisch Spaß.
Man könnte auch sagen, dass BLACK MASK schlecht ist, weil er voller logischer und formaler Fehler steckt, und Realität und Anspruch komplett fehlen. So ist es auch, aber dies ist ein Action-Film, und zwar ein verdammt prügel- und bleihaltiger welcher, mit ausgesprochen dynamischen Actionszenen. Wenn BLACK MASK ein anspruchsvolles Drama wäre, dann könnte man über solche Punkte sehr trefflich streiten. Bei einem Jet Li-Film NICHT. Und außerdem er macht ungeheuren Spaß.
Vielleicht könnte man allerdings auch sagen, dass BLACK MASK schlechte Effekte hat, mäßige Schauspieler und schnell geschnittene Kampfszenen. Stimmt aber nicht: Die Effekte sind bis auf eine Szene effektiv (höhö), die Schauspieler überzeugen auf voller Linie, und die Kämpfe sind schnell, packend und gehen voll auf die Neun. Ungeheurer Spaß (hatten wir das nicht schon mal?) und Spannung im Pack mit viel Abenteuer – Pure Unterhaltung! Und sehr sehr stylisch – King Kau, der die schöne Fremde bumsen will, währenddessen seine Männer gleichzeitig reihenweise sterben …

Prinzipiell ist BLACK MASK ein Superheldenfilm, und nichts anderes. Black Mask (die Person) erinnert mich mit dem Hut und der lächerlichen Maske oft an den Will Eisner’schen Spirit, und seine Zähigkeit und sein Durchhaltevermögen sind irgendwo zwischen Batman und Spiderman angesiedelt. Eher letzterer, weil er seine Identität geheim hält, um diejenigen zu beschützen die in seiner Umgebung sind, und da kommen viele Erinnerungen an die frühen Spinne-Hefte hoch. Commander Hung erinnert an Ozzy Osbourne und behält seine Sonnenbrille tatsächlich bis fast zum bitteren Ende auf der Nase, und Mei Lin kämpft in Netzstrumpfhose und wehendem Ledermantel so sexy wie es einfach nur Superheldinnen können. Lange vor der Welle der Marvel- und DC-Superheldenverfilmungen war BLACK MASK, und er walzt einfach alles platt was ihm im Weg steht. Ein Martial Arts-Feuerwerk mit erheblichem Pyro- und Artillerieeinsatz. Ein Märchen für ganz Erwachsene. Ein blutiges Spektakel zum Spaß haben. Und die Schießerei im Krankenhaus steckt HARD BOILED locker in die Tasche …!

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Beitrag von Maulwurf »

Snake eyes (Cecil Howard, 1985) 7/10

Die ganz private Hölle einer Ehe. Tom ist in zweiter Ehe mit Gloria verheiratet, und Tom hat alle diejenigen Gedanken die ein Mann so hat: Liebt Gloria mich? Vögelt Gloria mit anderen Männern? Oder Frauen? Was ist mit ihrem Ex Lesley? Will die hübsche Dunkelhaarige auf der Straße wirklich Sex mit mir? Warum ist mein bester Freund Jason so ein Schwein und bumst meine Ex Lovis? Wann zieht sich die attraktive Illustratorin im Büro endlich für mich aus? Ob Kate was von dem Abenteuer erzählen wird? Warum ist Gloria nur immer so schrecklich eifersüchtig?
Gloria macht sich auch so ihre Gedanken: Ob Tom mich überhaupt noch liebt? Ob Toms Ex Lovis meine Möse genauso lieben wird wie ihre eigene? Ob Lesley sich wohl mal melden wird? War Lovis so gut wie ich?

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Die ganz private Hölle einer Ehe, festgehalten in mehreren ineinandergreifenden Handlungen, und mit extrem stylischen 80er-Jahre-Bildern. Dazu ein Soundtrack direkt aus der Schattenwelt: Wenig richtige Musik, und fast gar kein 08/15-Synthie-Geklimper, stattdessen Geräusche, von Instrumenten erzeugte Dissonanzen, Klopfen, Kreischen … Und dazu immer wieder die Bilder von Tom, der sich in einem Käfig gefangen fühlt, während Gloria ihn, nackt tanzend, verhöhnt, und Lesley mit einem Löwenschrei den Advocatus Diabolicus macht. Leider verlässt Cecil Howard dieses finster-eindrückliche Terrain etwa nach der Hälfte der Laufzeit und wird biederer. Macht aber nichts – Durch die Vielzahl der Handlungsebenen und die wahnsinnig süßen Mädels vergeht die Zeit wie nichts. Sexszenen hat es sehr viele, wenn auch bis auf zwei Ausnahmen immer Hetero One on One, und diese Szenen sind schwül-derb, mit schnellen Schnitten und viel Schweiß ausgesprochen antörnend inszeniert. Die eine Ausnahme allerdings hat es in sich: Gloria möchte eine Party veranstalten, und Tom sieht daraufhin vor seinem inneren Auge die üblichen öden Bilder einer öden Party vorbeiziehen. Dumme Gäste mit dummem Geschwätz. Aufreizend angezogene Frauen flanieren vorbei, und auf der nächsten Ebene, also auf der Illusion der Party aufgesetzt, wird die verfremdete Phantasie einer Gruppensex-Orgie hineingeschnitten, und überlagert die Bilder der öden Party. Stark auch die Szene, wenn Gloria im Schneidersitz ein Videospiel spielt, zwischen den Schenkeln die Konsole liegend. In Gedanken macht sie es sich dabei selbst, und innerhalb der Gedanken wiederum stellt sie sich Sex mit dem Ex vor. Drei Ebenen die sich überlagern und ineinander übergehen. Die Auflösung von Raum und Zeit, und es spielt auch nicht immer alles an einem physikalisch festgelegten Ort. Was da Realität ist und was Phantasie, das verwischt sich zunehmend. Videoclip-Optik für Erwachsene. Gigantisch, und sehr anregend gemacht! Kein Wunder, dass SNAKE EYES 1986 bei der Adult Film Association of America zwei Preise abgeräumt hat, und ebenfalls 1986 bei den Adult Video News Awards auch zwei Preise bekam, unter anderem für die beste Regie.

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Aber ein starker Hang zu 80er-Jahre-Frisuren und Klamotten sollte unbedingt vorhanden sein …!
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