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Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Verfasst: So 19. Feb 2012, 11:46
von buxtebrawler
Dann hatte ich das Vergnügen, "Die Stunde, wenn Dracula kommt" im Kino zu sehen. Hier noch mal mein älterer Kurzkommentar:

„Das kann ich auch“, dachte sich der wegweisende italienische Regisseur Mario Bava vermutlich angesichts seinerzeit gerade aktueller, stimmungsvoller Gothic-Grusler aus dem britischen „Hammer“-Hause und lieferte mit „Die Stunde, wenn Dracula kommt“ ein hervorragendes Regiedebüt ab, das in die gleiche Kerbe schlägt. Klar, die Geschichte um Hexenreinkarnation, die vermutlich nur in der deutschen Fassung krampfhafte „Dracula“-Bezüge enthält und auf Teufel komm raus in Kontext zu Hammers erfolgreicher Vampirfilmreihe gebracht werden sollte, ist wenig innovativ und sogar recht wendungs- und damit überraschungsarm. Für Überraschungen dürften hier vielmehr die für 1960 ungewöhnlich harten Effekte und kruden Ideen gesorgt haben, die gepaart mit gelungenen Make-Up-Künsten an Hauptdarstellerin Barbara Steele in einer Doppelrolle in zweierlei Hinsicht ziemlich viel „fürs Auge“ (wer den Film kennt, wird wissen, was ich meine) bieten. Noch in Schwarz/weiß gedreht, was dem Film ausgezeichnet zu Gesicht steht, beweist Bava sein Geschick für eine hochatmosphärische Inszenierung, indem er gekonnt die ganze Palette gothischer Horrorzutaten kredenzt, die jeden Genrefreund in Verzückung versetzen sollte. Es handelt sich mitnichten um ein uninspiriertes Plagiat britischer Werke, sondern um eine interessante Variation klassischen Gothic-Horrors, die die Handschrift eines der innovativsten italienischen Regisseure trägt und der Startschuss für eine ganze Reihe südeuropäischer Gruselfilme von beachtlicher Qualität war.

Nachtrag: Bei der Zweitsichtung wusste ich natürlich, dass Bava bereits vorher im Gruselbereich tätig war und Pionierarbeit leistete, wenn auch nicht als alleiniger Regisseur. Im Kino empfand ich Steeles Mimik noch intensiver und beeindruckender, war sensibiliserter für die Härte der Handlung, fand die Geschichte jedoch ein wenig kompliziert erzählt - mein positiver Gesamteindruck nach der Erstsichtung wurde aber in jedem Falle unterstrichen.

Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Verfasst: Mo 20. Feb 2012, 17:04
von buxtebrawler
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The Strange Door
Der boshafte Alain hat einen bis ins letzte Detail durchdachten Plan ausgeheckt, um sich an seinem jüngeren Bruder Edmund zu rächen. Zwanzig Jahre zuvor hat Alains Geliebte ihn verlassen um Edmund zu heiraten. Sie ist im Kindsbett gestorben, worauf Alain seinen Bruder in den Kerkern des Schlosses eingesperrt hat, wo dieser nach zwanzig Jahren immer noch vor sich hinvegetiert. Seine Nichte Blanche hat er davon überzeugt, dass ihr Vater tot ist. Um seine Rache zu vervollkommen, will Alain die mittlerweile erwachsene Blanche mit dem Schurken Dennis de Beaulieu verheiraten, um ihr Leben so unerträglich wie nur möglich zu gestalten. Doch die Beiden verlieben sich ineinander und kommen hinter Alains perfides Spiel...
Frankreich im 18. Jahrhundert: Sire Alain rächt sich an seinem Bruder Edmund, indem er ihn seit 20 Jahren eingekerkert vor sich hin vegetieren lässt. Der Grund ist, dass Alains weibliches Objekt der Begierde ihn seinerzeit für Edmund verließ und bei der Geburt der gemeinsamen Tochter starb. Höhepunkt seines sinisteren Racheplans soll nun die Zwangsheirat seiner aus jener schicksalhaften Beziehung entstandenen Nichte Blanche mit dem feierwütigen Tunichtgut Dennis de Beaulieu werden, der sie ins Unglück stürzen soll und zu diesem Zwecke kurzerhand von Alain und dessen Schergen entführt wird. Doch dank der Kraft der Liebe kommt alles anders, als Sire Alain es sich in seinen finsteren Träumen ausgemalt hatte…

Als einen seiner ersten Spielfilme inszenierte der später hauptsächlich für TV-Serien tätig gewesene US-Regisseur Joseph Pevney im Jahre 1951 „The Strange Door“ alias „Hinter den Mauern des Grauens“, der als Horrorfilm gelistet wird, sich über weite Strecken aber primär als Kostümdrama präsentiert.

Das macht aber eigentlich nichts, denn die an Edgar Allan Poe erinnernde Geschichte, die in prächtigem Gruselschlossambiente dargeboten wird, überzeugt und unterhält mit ihren überaus charismatischen Darstellern wie dem exaltiert aufspielenden Charles Laughton („Riff-Piraten“) als extrem unsympathischem, rachsüchtigem Sire Alain de Maletroit und natürlich Boris Karloff („Frankenstein“) in einer bedeutenden Nebenrolle als gutherzigem Diener Voltan. Man verrät nicht von vornherein Alains Motiv; erst nach und nach entblättert sich dem Zuschauer das gesamte Ausmaß der Familientragödie, was den Spannungsgrad erhöht. „The Strange Door“ ist ziemlich dialoglastig, jedoch sind die Dialoge durchaus hörenswert und retten den Film gekonnt über die Zeit, mit der sich auch die Gruselcharakteristika häufen. Und wenn im Finale Alain all seine Asse auszuspielen versucht, indem er geheime mechanische Vorrichtungen seines Schlosses in Gang setzt, um die Adressaten seines unbändigen Hasses zwischen Steinmauern zu zerquetschen, geht es in angezogenem Tempo richtig rund.

Fazit: Herrlich altmodische, ohne Übersinnliches auskommende Schauermär darüber, wie leicht Liebe mit Hass verwechselt wird. Sehenswert und unterbewertet.

Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Verfasst: Di 21. Feb 2012, 20:45
von buxtebrawler
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Das Gift des Bösen
Dreiteiliger Episodenfilm, der auf Erzählungen von Nathaniel Hawthorne beruht: 1) Dr. Heideggers Experiment: zwei alte Freunde entdecken, daß in der Gruft, in der des einen tote Verlobte seit 38 Jahren aufgebahrt ist, eine völlig reine und lebensspendende Flüssigkeit aus den Felsen rinnt. Sie trinken davon und werden wieder jung. Doch dann versuchen sie, mit dem Trunk den Tod zu bezwingen, was Unheil heraufbeschwört... 2) "Rappaccinis Tochter" ist eine junge Frau, die von ihrem Vater vor der Welt verborgen gehalten wird, da von ihr eine tödliche Gefahr ausgeht. Ein in sie verliebter Student läßt sich davon nicht aufhalten und zwingt sich, das Mädchen und ihren Vater ins Verhängnis 3) "Das Haus mit den sieben Giebeln" - Der letzte männliche Verwandte einer fluchbeladenen Familie kehrt in sein von seiner Schwester geführtes Stammhaus zurück, um ein Schatzgewölbe zu finden. Doch im Haus spukt es und der Fluch ist nicht aufzuhalten und nimmt von seiner Frau und einem verfeindeten Nachbarn Besitz...
„Nichts treibt einen Mann gewaltsamer und schneller zum Erfolg oder in den Untergang als die Liebe einer Frau.“

Noch vor „The Last Man on Earth“ drehte US-Regisseur Sidney Salkow im Jahre 1963 mit dem unvergleichlichen Vincent Price („Der Hexenjäger“) einen Episodenhorrorfilm nach Erzählungen Nathaniel Hawthornes. Der Film umfasst die Episoden „Dr. Heideggers Experiment“, „Rappaccinis Tochter“ und „Das Haus mit den sieben Giebeln“. Der Stil des Films und auch der ursprünglich in der gleichen Epoche entstandenen Geschichten erinnert dabei stark an Roger Cormans erfolgreiche Edgar-Allan-Poe-Adaptionen, für die dieser ebenfalls Vincent Price gewinnen konnte. Möglicherweise also in Cormans Fahrwasser entstanden, bietet Salkow drei Mal kurzweiligen Gothic-Grusel der alten Schule.

In „Dr. Heideggers Experiment“ scheint es zunächst um eine langanhaltende Männerfreundschaft zu gehen. Galant und stilvoll unterhalten sich zwei gutsituierte ältere Herren über ihr bisheriges Leben. Während Dr. Heidegger (Sebastian Cabot, „Die Zeitmaschine“) nie über den Tod seiner geliebten Frau hinwegkam, die in einer Gruft im Garten bestattet wurde, redet Alex Medbourne (Vincent Price) ihm gut zu. Doch durch eine der Wissenschaft unbekannte Flüssigkeit, die den Leichnam der Frau Heideggers in Ihrem Sarg konserviert hat, scheint plötzlich nicht nur der Traum ewiger Jugend zum Greifen nahe, auch beabsichtigt Heidegger, seine Frau auf diese Weise ins Leben zurückzuholen. Scheinbar gelingt das Experiment, offenbart jedoch ein lange unausgesprochenes, bitteres Geheimnis, das die Freundschaft der Herren in einem gänzlich anderen Licht erscheinen lässt… Für diese Episode wurde verstärkt mit Make-up-Effekten gearbeitet, um gekonnt die Illusion unterschiedlicher Altersstufen ihrer Protagonisten zu erzeugen. Getragen wird sie von ihren beiden männlichen Darstellern, die mit ihrer sonoren Art durch die Episode führen, bis ein morbides Finale zunächst eine Lebenslüge entlarvt und schließlich trotz des Elixiers unweigerlich in Tod und Verderben mündet. Meines Erachtens die beste der drei Episoden. Relativ zügig erzählt und stimmig inklusive düsterer, verzweifelter Romantik und charmanter Spezialeffekte inszeniert.

In „Rappaccinis Tochter“ trifft eine klassische Liebestragödie um zwei Liebende, die nicht zueinander finden dürfen und können auf Mad-Scientist- bzw. passender: Mad-Florist-Grusel. Rappaccini (Vincent Price) lebt zurückgezogen mit seiner Tochter Beatrice (Joyce Taylor, „Atlantis, der verlorene Kontinent“), die er wie eine Gefangene hält, seit er sie mit einer Pflanze vergiftete. Diese Vergiftung führt dazu, dass alle Lebewesen, die Beatrice berührt, sterben. Als sich Giovanni (Brett Halsey, Auszüge aus einer interessanten Filmographie: „Die Rache des Ungeheuers“, „Die Rückkehr der Fliege“, „Auf U-17 ist die Hölle los“, „When Alice Broke the Mirror“) in Beatrice verliebt, vergiftet Rappaccini ihn ebenfalls, damit er mit Beatrice – und nur mit ihr – zusammen sein kann. Ein ungetestetes Gegengift treibt die Tragödie schließlich auf die Spitze. Eher märchenhaft-kitschig fiel diese Variante eines klassischen Schmachtfetzens zum Thema „goldenener Käfig“ aus, deren phantastische Elemente weniger gruselig, dafür umso konstruierter und eigenartiger wirken. Neben Price‘ bewährtem Schauspiel sind es die hübsche Joyce Taylor sowie die trügerische Idylle des bunten, fremdartigen Gartens, die diese Episode sehenswert machen.

Zurück zum Horror geht es mit „Das Haus mit den sieben Giebeln“, der letzten und am stärksten an Cormans Poe-Adaptionen erinnernden Episode. Gerald Pyncheon (Vincent Price) sieht sich mit einem uralten Familienfluch konfrontiert, der ihn aber trotzdem nicht von seiner Habgier abhalten lässt. Der von seinen Urahnen unrechtmäßig angeeignete Besitz wird ihm schließlich zum Verhängnis, die Suche nach einem verborgenen Schatz im Inneren des Gemäuers besiegelt auch sein Schicksal. Uralte, unausweichliche Familienflüche werden hier mit Geistererscheinungen, Besessenheit und schließlich einem fulminanten, stark visuellen Finale, in dem eine Knochenhand, die sich Price an die Kehle hält und dabei tut, als würde er erwürgt, vermengt. Price darf noch einmal so richtig auf- und die Nebendarsteller an die Wand spielen, während der Zuschauer gespannt ist, in welcher Form das unausweichliche Schicksal auch ihn dahinraffen wird. Hält man lange eine angenehm gruselige Stimmung aufrecht, entlocken die arg durchschaubaren Tricks gegen Ende jedoch eher ein Schmunzeln, statt kalte Schauer über den Rücken zu jagen. Am Charme der Inszenierung ändert das indes nicht viel und mit etwas Phantasie darf man sich durchaus wohlig gruseln, wenn das unheilschwangere Ambiente seine Besucher nach und nach zu instrumentalisieren scheint.

Allen Episoden gemein sind die wunderbaren, prachtvollen Farben, die liebevoll gestalteten, wenn auch nicht ganz an Cormans opulentes Niveau heranreichenden Kulissen sowie Schauspieler, die in ihrem Element sind und die moralitätischen Geschichten vermitteln. Sehr nett auch das „Drumherum“ wie eine animierte Knochenhand, die zwischen den Episoden in einem Buch umblättert und damit späteren Episodenfilmen wie z. B. „Creepshow“ bereits vorausgewesen sein dürfte.

Für Price-, Episoden- und Gothic-Horror-Freunde Pflichtprogramm, für alle anderen ein wunderbar altmodischer Grusler, der mit einer sehr guten, einer eher durchschnittlichen und einer guten Episode unterm Strich einen rundum gelungenen Eindruck macht.

Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Verfasst: Mi 22. Feb 2012, 15:55
von buxtebrawler
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Dracula – Tot aber glücklich
Nachdem Graf Dracula (Leslie Nielsen) in dem Engländer Renfield (Peter MacNicol) einen neuen Assitenten gefunden hat, verläßt er im Jahre 1893 Transsylvanien und reist nach London. Während Renflied kurz darauf in der Nervenklinik von Dr. Seward (Harvey Korman ) landet, versucht Dracula, seinen Durst bei Sewards Tochter Mina (Amy Yasbeck) und deren Freundin Lucy (Lysette Anthony) zu stillen. Doch der Blutsauger hat nicht mit der Hartnäckigkeit des ausgewiesenen Vampirjägers Van Helsing (Mel Brooks) gerechnet. Der gewiefte Professor versteht es, Dracula einen äußerst fatalen Stolperstein zu stellen.
Der bis dato letzte Spielfilm des US-Multitalents Mel Brooks („Mel Brooks‘ Spaceballs“) ist der 1995 erschienene „Dracula – Tot aber glücklich“ mit Leslie Nielsen („Die nackte Kanone“) als Graf Dracula und Mel Brooks höchstpersönlich als Vampirjäger van Helsing in den Hauptrollen. Es handelt sich um eine Parodie auf die klassische Blutsaugermär Bram Stokers in Form einer albernen Komödie.

Sind diese Slapsticknummern eigentlich so gar nicht mein Humor, rettet sich Brooks‘ Film letztlich erstaunlich souverän über die Zielgerade. Zwar sind tatsächlich plumpe Gags wie ein gegen ein geschlossenes Fenster fliegender Dracula in Fledermausgestalt bzw. ein aus seinem Sarg aufstehender Dracula, der sich den Kopf an einem Kronleuchter stößt, nun wahrlich keine Brüller, jedoch wurden die Kulissen sehr liebevoll und aufwändig gestaltet und versprühen Gothic-Horror-Flair. Leslie Nielsen spielt so, wie man ihn aus Komödien eben kennt, Steven Weber („Weiblich, ledig, jung sucht...“) muss sich als Jonathan Harker das Lachen verkneifen und Peter MacNicol („Ghostbusters 2“) als Renfield versucht, an Klaus Kinski zu erinnern. Doch was „Dracula – Tot aber glücklich“ wirklich amüsant macht, ist Mel Brooks in seiner Rolle als van Helsing: Er spielt locker alle anderen an die Wand und führt mit seinen mit zahlreichen Wortwitzen gespickten Dialogen den anderen das Vampirphänomen erklärend durch den Film. Dabei hat er eine so unheimlich kauzige Art an sich, dass er selbst so manchen Anflug von Brachialhumor veredelt. Die Inbrunst, mit der er vorhersehbare Gags und Witzeleien vorträgt, verleiht dem Film eine Art von Albernheit, wie sie bei mir zündet und mich zum Lachen bringt.

Klar, subtilen, hintergründigen Humor sucht man hier ebenso vergebens wie eine Genreparodie voller Insidergags. Als kurzweiliges Intermezzo für nicht amerika- und humorphobe, selbstironiebegabte Gothic-Grusel-Freunde kann „Dracula – Tot aber glücklich“ aber genauso funktionieren wie als massenkompatible Junk-Komödie für ein anspruchsloses Publikum. Mich zumindest hatte Brooks mit seinem Film und seiner Darbietung offensichtlich gerade auf dem richtigen Fuß erwischt...

Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Verfasst: Fr 24. Feb 2012, 00:16
von buxtebrawler
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Hangover
Ihr Freund Doug (Justin Bartha) heiratet! Also gibt es nur eine logische Konsequenz für seine beiden Freunde, der unter seiner tyrannischen Freundin Melissa (Rachael Harris) leidende Zahnarzt Stu (Ed Helms) und der gelangweilte Lehrer Phil (Bradley Cooper), und den leicht trotteligen Bruder der Braut, Alan (Zach Galifianakis): sie planen einen Junggesellenabschied in Las Vegas. Im "Caesars Palace" angekommen nehmen sie die größte Suite, die sie bekommen können, und wollen kurz darauf losziehen - immer Richtung Stripclubs, Alkohol und Spaß. Bevor die Party jedoch richtig beginnt, führt Alan alle aufs Dach, wo sie mit den ersten Schnäpsen auf den Abend anstoßen. Am nächsten Morgen wachen Stu, Alan und Phil verkatert in ihrem Zimmer auf. Doch seit dem Abend änderte sich dort einiges: ein Tiger steht neben der Badewanne, ein Huhn läuft in der Küche umher, ein Baby steht im Schrank, der Rest des Zimmers ist verwüstet, Doug ist nicht aufzufinden und niemand erinnert sich, was in der Nacht zuvor passiert ist. Als Doug auch weiterhin nicht auftaucht, machen die drei Männer sich auf die Suche und versuchen dabei die vergangenen Stunden zu rekonstruieren, um herauszufinden, wo ihr Kumpel sein könnte...
US-Komödien-Regisseur Todd Phillips („Hated – GG Allin & The Murder Junkies”, „Road Trip“) gelang 2009 mit „Hangover“ ein Kassenschlager, vermutlich aus zwei Gründen: Sein Film spricht den riesigen Bevölkerungsanteil an, der nach einem durchzechten Wochenende schon einmal klaffende Gedächtnislücken zu beklagen hatte und ist dabei immer eine Idee besser, lustiger, stilsicherer als das Gros der Genrekonkurrenz aus eigenem Lande, oder auf den Punkt gebracht: Phillips ist die richtige Mischung aus Asi-Humor und Massenkompatibilität gelungen.

Nach einem Junggesellenabschied in Las Vegas erwacht der feierwütige, bunt zusammengewürfelte Haufen Anfangdreißiger in seiner total verwüsteten Luxushotelsuite, in der zwar sich zwar ein Baby, ein Huhn und ein ausgewachsener Tiger einquartiert haben, aber der Bräutigam ebenso spurlos verschwunden ist wie die Erinnerung an die vergangene Nacht…

Also machen sich Lehrer Phil (Bradley Cooper), der auch unalkoholisiert stets unzurechnungsfähige Freak und Bruder der Braut Alan (Zach Galifianakis) sowie Zahnarzt, Nervenbündel und vermeintliche Vernunftsperson Stu (Ed Helms) – ausgerechnet ihm fehlt nach dem bösen Erwachen ein Schneidezahn – daran, die vergangene Nacht Stück für Stück zu rekonstruieren, um den zu Vermählenden Doug wieder aufzutreiben und eine Erklärung für das alles zu finden. Der Film arbeitet dafür nicht mit Rückblenden, sondern konfrontiert den zu keiner Sekunde mehr als das ungleiche Trio wissenden Zuschauer mit einer aberwitzigen, überraschungsreichen Handlung, die zu spoilern eigentlich fahrlässig wäre. Aus „Hangover“ wird ein wilder Trip, der mit reichlich Situationskomik immer wieder noch einen draufsetzt, wenn unsere Freunde dachten, schlimmer könnte es nicht mehr kommen. Die Schadenfreude kennt dabei zwar kaum Grenzen, dennoch neigt man schnell dazu, sich mit den Dreien zu solidarisieren, sie als Sympathieträger anzunehmen und ihnen alles Gute zu wünschen.

Dabei werden gängige Las-Vegas-Klischees ebenso bedient wie männlicher Übermut in geistig umnebeltem Zustand aufs Korn genommen und eben auch mal ein bisserl gekötzerlt und ein bisserl geschifft, zumindest auf den Überwachungsvideos von Mike Tysons Anwesen, der einen sehr schönen, längeren Gastauftritt hat und nur eine von vielen skurrilen Gestalten ist, denen die Kater- (oder Tiger-)geplagten begegnen, weil sie irgendetwas mit der vergangenen Nacht zu haben. Bei aller irren Konstruiertheit und allen Schlüpfrigkeiten wird ein gewisses Niveau aber nie unterschritten, was sich letztlich als weise Entscheidung erweist, da man den Fokus viel lieber auf die karikierenden Charakterzeichnungen des hoffnungslos unter der Pantoffel seiner herrschsüchtigen Lebensgefährtin stehenden Stus und des zum Publikumsliebling avancierenden, ebenso bärtigen wie verschrobene Alans richtet. Bei aller Albernheit erscheinen die Protagonisten ambivalent, zudem wird ihnen eine Entwicklung zugestanden, die als Parabel für reale Lebenssituationen funktionieren kann und ganz männerbündnerisch die maskuline Freundschaft beschworen, die entscheidend ist, um alles wieder mehr oder weniger ins Lot zu bringen – nicht ohne eben diese stereotyp angehauchten männlichen Verhaltensweisen für das weibliche Publikum gehörig durch den Kakao zu ziehen.

Ein weiteres Indiz für die bei genauerer Überlegung fast schon überraschend gut funktionierende Massentauglichkeit des Films, der beinahe alle Bevölkerungsgruppen gleichermaßen anspricht, da er allen etwas zu bieten hat, ist der zwischen belanglosem Pop und starken rockigen Nummern pendelnde Soundtrack, der zielgerichtet szenengerecht zum Einsatz kommt und in seinem Abwechslungsreichtum konsensfähig ist.

Gute Schauspieler, klasse Humor – bis in den Abspann, dem heimlichen Höhepunkt des Films, hinein –, eine rasante, wendungsreiche, sich immer weiter steigernde Geschichte, flott inszeniert, ein hörenswerter Soundtrack – was braucht es mehr für eine rundum gelungene, kurzweilige Komödie? Hier und da etwas mehr Mut vielleicht, wenn man sich beispielsweise dann doch nicht traut, alles dem Alkohol zuzuschreiben und eine unbewusst eingenommene, härtere Droge als Erklärung herhalten muss, die damit in höherem Maße als zumindest anfänglich bewusst konsumierte Spirituosen die moralische Schuldfähigkeit lindert, gleichzeitig den möglicherweise dem Alkohol ebenfalls nicht abgeneigten Zuschauer in Sicherheit wiegt – schließlich ist nicht die Volksdroge, sondern ein fieser Chemiecocktail Auslöser gewesen. Auch das obligatorische Happy End hätte noch etwas mehr Zunder vertragen können, aber, gut, den hält der Abspann bereit. Unterm Strich mit Sicherheit eine der sehenswertesten US-Komödien der letzten Jahre. Prost!

Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Verfasst: Fr 24. Feb 2012, 13:25
von Bonpensiero
buxtebrawler hat geschrieben: [...] daran, die vergangene Nacht Stück für Stück zu rekonstruieren, um den zu Vermehlenden Doug wieder aufzutreiben und eine Erklärung für das alles zu finden.
Stimmt, Doug war ja Bäcker! :mrgreen:

Davon abgesehen hatte ich mit dem Film, ein paar Freunden und Bier aber viel Spaß gehabt. Auch der Nachfolger - identische Story, anderes Setting - muss sich nur bedingt verstecken. Guter Ausgleich zum geliebten Italokino!

Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Verfasst: Fr 24. Feb 2012, 13:28
von buxtebrawler
Bonpensiero hat geschrieben:Stimmt, Doug war ja Bäcker! :mrgreen:
Haha, sehr schön, dass dir das aufgefallen ist :lol:
Werd ich korrigieren...

Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Verfasst: Fr 24. Feb 2012, 21:27
von buxtebrawler
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Im Staub der Sonne

Der immer etwas im Schatten seines mächtigen großen Bruders Sergio stehende italienische Regisseur und Drehbuchautor Bruno Corbucci („Isabella - Mit blanker Brust und spitzem Degen“) drehte 1968 mit „Im Staub der Sonne“ einen seiner wenigen Western.

Pistolero Stark (Brian Kelly, „Flippers neue Abenteuer“ (!)) kann sich durch eine Finte aus dem Knast befreien und tötet einige Männer des reichen Mexikaners Quintaras (Folco Lulli, „Orientexpress“). Dieser lässt ihn unter der Bedingung am Leben, dass er dessen abtrünnigen Sohn Fidel (Fabrizio Moroni, „Vier Fliegen auf grauem Samt“), der nichts mehr mit seinem Vater zu tun haben will, zu ihm zurückbringt und wedelt außerdem mit einer Belohnung finanzieller Art. Fidel hat Unterschlupf bei einer Bande verbrecherischer Kriegsveteranen unter der Führung „Major“ Charlie Doneghans (Keenan Wynn, „Zotti, das Urviech“) gefunden, die ihn ebenso wenig kampflos herausrückt wie Fidel bereit ist, sich in sein Schicksal zu fügen...

Mit seiner Geschichte von zwei Männern, Jäger und Gejagtem, die bald eine Hassliebe füreinander entwickeln, sich gegenseitig zu respektieren lernen und letztlich sogar gegenseitig aus der Patsche helfen, erinnert „Im Staub der Sonne“ an die zwei Jahre zuvor erschienenen Meisterwerke „Der Gehetzte der Sierra Madre“ und „The Good, the Bad and the Ugly“, ohne jedoch deren Qualitäten zu erreichen. Da wären die beiden Hauptdarsteller, die durch ihr Schauspiel zwar nicht negativ auffallen, aber für einen Italo-Western dieser Sorte zu geleckt, zu schön aussehen – ob nun mit Dreitagebart oder ohne. Zudem nervt der Film nach seinem Auftakt ca. eine Viertelstunde lang mit nur bedingt lustigen komödiantischen Einlagen, um dann jedoch glücklicherweise die Kurve zu kriegen und nicht nur fortan wohldosierte Gags eher subtil und tatsächlich zum Schmunzeln anregend zu integrieren, sondern vor allem seine Handlung in sehr angenehmem Tempo zu erzählen und das Katz- und Maus-Spiel durch viele Nebenkriegsschauplätze hindurch ansprechend und unterhaltsam zu gestalten.

Als Genrefreund fühlt man sich sodann schnell wohl in einem von typischen Anti-Helden beherrschten und getragenen Plot, der immer wieder mit bemerkenswerten Details überrascht und eine liebevolle Handschrift erkennen lässt, die offensichtlich nicht einfach den x-ten Genrebeitrag dahinschludern wollte. Trotz vieler Toter wird auf verstörende, visuell ausgeschlachtete Gewaltexzesse verzichtet. Die vom schönen deutschen Titel suggerierte unbarmherzige, staubig-schwüle Atmosphäre stellt sich im Mittelteil auch endlich bei einem Marsch Starks und Fidels durch die Wüste ein, der von Durchhaltevermögen, Überlebenskampf und Solidarisierung gekennzeichnet ist. Ein sehr angenehmer Easy-Listening-Westernsoundtrack verwöhnt die Ohren und hilft der Entfaltung der gewünschten Stimmung auf die Sprünge, wenn die Regie an ihre Grenzen gerät.

Diese Stimmung aufrechtzuerhalten, fällt hingegen schwer, wenn das den Süden der USA an der Grenze zu Mexico darstellen sollende Ambiente bisweilen keinen einzigen Kaktus zu bieten hat und viel mehr nach europäischen Laubbäumen aussieht. Noch schwerer wiegt allerdings die Unfähigkeit Corbuccis, spannende Momente auszukosten, mit Dramatik, Tragik und Pathos zu arbeiten, statt uninspiriert einzelne Szenen im Eiltempo aneinanderzureihen, wodurch sein Film wirkt, als wäre ein Drittel dem Schnitt zum Opfer gefallen. Gut tat man hingegen daran, bis zum Finale offen zu lassen, was genau der Grund für das Familienzerwürfnis ist und sich dadurch die Neugier des Zuschauers über die volle Distanz zu sichern. Das klärt sich dann in einem packenden Finale, das allerdings die Chance zu einem ordentlich pessimistischen Ende vergeigt.

Fazit: Unterhaltsamer, sympathischer Italo-Western mit internationalem B-Cast und einigen deutlichen Schwächen, der mir persönlich etwas zu distanziert erscheint und nicht dreckig genug daherkommt.

Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Verfasst: Sa 25. Feb 2012, 22:18
von buxtebrawler
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Blindman – Der Vollstrecker
Ein blinder Revolverheld, der sich auf sein Pferd und sein Gehör verlassen muss, jagt 50 Frauen nach, die er für texanische Minenarbeiter eingekauft hat. Die Schönheiten wurden von einem mexikanischen Banditen und seinem Bruder entführt, um "El General" und dessen Männer zu ködern und zu töten. Blindman gerät zwischen die Fronten der rivalisierenden Banden, die einen bleihaltigen, brutalen Krieg führen. Und dabei will er doch eigentlich nur seine 50 Weiber.
„Jeden Abend knie ich nieder und sprech meine Gebete... Und jedes Mal frag ich dann unseren Herrn: ‚Herr! Wer sind meine Freunde?’ Und weißt du was, Skunk? Jedes Mal ist es dieselbe Sache: Er antwortet nicht..."

Produzent, Drehbuchautor und Hauptdarsteller Tony Anthony („Ein Dollar zwischen den Zähnen“) wählte den italienischen Regisseur Ferdinando Baldi („Django, der Rächer“) für seinen Western „Blindman, der Vollstrecker“ aus dem Jahre 1971 – eine höchst fruchtbare Kollaboration.

Anthony mimt den bis auf sein zum „Blindenpferd“ ausgebildeten Klepper auf sich alleingestellten, namenlosen Blinden, dem eine 50-köpfige Herde Frauen im besten Alter unrechtmäßig entwendet wurde. Diese befindet sich nun im Besitz des mexikanischen Banditen Domingo (Lloyd Battista, „Flippers neue Abenteuer“, „Trabbi Goes to Hollywood“), der mit ihrer Hilfe eine Division der mexikanischen Armee unter Führung von „El General“ (Raf Baldassarre, „Labyrinth des Schreckens“) anlocken und übers Ohr hauen will. Doch er hat die Rechnung ohne den intelligenten Blinden gemacht, der neben seinem Geschick davon profitiert, dass ihn seine Gegner grundsätzlich unterschätzen – und es für sie meist zu spät ist, wenn sie dies bemerken...

Neben einem unglaublich lässigen, durchtriebenen Tony Anthony, der einen etwas anderen Italo-Western-Antihelden verkörpert, kann „Blindman“ die Beteiligung des „Beatles“ Ringo Starr für sich verbuchen, der mit sichtlicher Freude Candy, den nicht minder schmierigen Bruder Domingos, darstellt. Eigentlich macht die gesamte Besetzung einen bestens aufgelegten Eindruck, was wenig verwundert, wenn sie von 50 nackten, jungen Frauen umgeben ist. Als wäre es das Selbstverständlichste auf der Welt, werden die Frauen hier wie Vieh behandelt, was aber hervorragend zur augenzwinkernd-zynischen Ausrichtung des Films passt. Mit Magda Konopka („Die sündigen Mädchen vom Lande“) als bösartige Partnerin Domingos hielt man indes als Kontrast eine starke Frauenrolle parat, die nicht minder attraktiv ist und sich sogar gleichberechtigt bis aufs Blut mit unserem Blinden Frauenfreund bzw. -händler bekämpfen darf. „Blindman“ als emanzipatorischen Film zu bezeichnen, wäre aber sicherlich etwas hochgegriffen, ähem...

Vielmehr handelt es sich um einen oberflächlich betrachtet ultra-harten, dabei originellen Italo-Western mit verdammt vielen Toten, blutigen Schießereien, zahlreichen Explosionen (der Blinde hat sein Dynamit im Dauereinsatz), einigen Sadismen und generell trotz relativ langer Laufzeit sehr hohem Tempo, das niemals auch nur ansatzweise Langatmigkeit aufkommen lässt. Italo-typisch ist alles herrlich schmutzig, staubig, verschwitzt und bis auf die Mädels unappetitlich. Der Mimik der Protagonisten wird viel Platz eingeräumt, besonders Anthony macht seine Sache famos und achtet darauf, bei allen Übertreibungen einen gewissen Realismusgrad für seine Rolle als Blindem beizubehalten, sich also nicht als Übermenschen zu geben, sondern als jemanden, der aus seiner Behinderung insofern Kapital schlägt, als er aufgrund ihrer seine restlichen Sinne besonders geschärft, aus den Demütigungen seiner Mitmenschen gelernt und begriffen hat, dass er erst recht immer einen Tick besser als die anderen sein muss, um zu überleben. Komponisten-Genius Stelvio Cipriani steuerte einen äußerst gelungenen Soundtrack bei, der sehr dominant zum Einsatz kommt.

Die eigentliche Handlung gerät bei der flotten, mit bösem Humor versehenen Inszenierung etwas in den Hintergrund, ist allerdings auch nicht sonderlich komplexer Natur. Sie wird aber wahrhaft meisterlich ausgeschmückt mit einem bunten Strauß an wahnwitzigen Ideen und Überraschungen, die entscheidend zum hohen Unterhaltungsfaktor beitragen. Mal lässt „Django“ grüßen, wenn mit einem Maschinengewehr gleich reihenweise Menschen ins Jenseits befördert werden, dann wieder verblüfft unser Blinder mit ausgebufften Einfällen oder hüpft ein Mexikaner overactend durchs Bild. Man liefert sich einige zitierwürdige, abgefuckte Dialoge und haut ansonsten einfach laut und ordentlich auf die Kacke, ohne dabei das stimmige Gesamtbild aus den Augen zu verlieren. Denn alles fügt sich trotz von Baldi als zeitweise chaotisch beschriebener Drehumstände perfekt zusammen und die Kameraarbeit mit ihren Perspektiven, Fahrten und Schwenks, ihren Panoramen und Zooms sowie ihren Ausleuchtungen ist auf so hohem Niveau, dass sie „Blindman“ nicht nur wegen des für einen Western ungewöhnlich hohen Frauenanteils zu einem visuellen Leckerbissen macht.

„Blindman“ ist zwar beileibe kein Western der leisen Töne, doch der diskriminierenden Behandlung, der unser blinder Geschäftsmann bisweilen ausgeliefert ist, wohnt unschwer zu erkennen Kritik am Umgang mit Behinderten inne. Und wer möchte, kann sich bestimmt auch Gedanken darüber machen, wie viel Sexismus in „Blindman“ steckt oder wie viel davon veranschaulichende Übertreibung zu karikierenden Zwecken ist und das Hauen und Stechen der ganzen Bagage auf dem Rücken der Frauen als zynischen Kommentar zum entfesselten Kapitalismus interpretieren. Zu allererst ist „Blindman“ aber ein perfekt inszenierter Unterhaltungswestern für Erwachsene, dessen Fazit mir angesichts des einmal mehr zynischen Endes zu sein scheint: „Weiber – wie gewonnen, so zerronnen.“

Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Verfasst: Sa 25. Feb 2012, 22:28
von buxtebrawler
Anschließend ging's ins Bizarre Cinema, um mir "Der Mafiaboss" auf großer Leinwand anzusehen. Hier noch einmal mein Kommentar aus dem Dezember 2010:

Verdammt, dieser Fernando Di Leo weiß wirklich, wie man schwer unterhaltsame Mafia-Action inszeniert. „Der Mafiaboss“ aus dem Jahre 1973 ist der zweite Teil einer Trilogie des italienischen Regisseurs, die aus drei eigenständigen Filmen besteht. Die Mailändische Mafia sowie zwei Killer aus Übersee machen aufgrund einer Intrige Jagd auf den verhältnismäßig kleinen Zuhälter Luca Canali, überragend gespielt von Mario Adorf, der für diese Rolle eigentlich einen Oscar verdient hätte. Von klischeehaftem, edlem Mafiapathos ist hier nicht viel zu sehen, Di Leos Film ist dreckig, rau und ungeschliffen und so sind seine Charaktere. Die US-Killer werden dargestellt von Woody Strode und „Eisengesicht“ Henry Silva, wobei auch Strode diesmal mit nur einem Gesichtsausdruck auskommt, so dass neben ihm selbst Silva fast schon facettenreich wirkt, ähem… Mario Adorf verdient seinen Lebensunterhalt zwar, indem er junge Mädels auf den Strich schickt, nimmt aber die Rolle des gar nicht mal so unsympathischen, zu unrecht Verfolgten ein, der das Herz am rechten Fleck trägt. Das Netz zieht sich immer stärker um ihn zu; die Mafia hat überall und nirgends ihre Kontaktmänner und Handlanger sitzen, die Canali das Leben schwer machen, der bald niemandem mehr trauen kann. Dabei beginnt der Film eigentlich relativ harmlos: Mafiosi schüsseln in Kleinwagen durch Mailand und prügeln sich zu fetzigen 70er-Discoklängen, Adorf verteilt Kopfnüsse gegen Gegner und Gegenstände. Doch spätestens nach den ersten Toten ist der Spaß vorbei bzw. fängt er für den Zuschauer erst so richtig an. Di Leo setzt rasante Verfolgungsjagden in Szene, die dem Zuschauer den Atem stocken lassen. Adorf rennt, kämpft, schießt und durchschlägt auf der Motorhaube eines fahrendes Autos hangelnd die Windschutzscheibe mit seinem Schädel – bis es zu einem packenden Showdown auf dem Schrottplatz zwischen den letzten drei Überlebenden kommt. Hammerhart fiel auch die Szene aus, in der Canali dem Mailänder Mafiaboss begegnet, denn Gefangene werden auch hier nicht gemacht. Interessantes Detail übrigens, wie die Angestellten des Mafiaobermotzes ihre Zigaretten in dessen Wohnung zu entsorgen pflegen. Noch interessanter ist aber das Frauenbild, das hier präsentiert wird: Eine meiner Lieblingsszenen sind die um den mit Geldscheinen wedelnden Henry Silva wild umherspringenden Prostituierten, was natürlich kein gutes Ende nimmt. Überhaupt rutscht öfter mal die Hand gegen das feminine Geschlecht aus, während eine emanzipierte Revoluzzerin mit Che-Guevara-Bildern an den Zimmerwänden als Animierdame in einem Nachtclub arbeitet und mit Zuhälter Canali befreundet ist… Dass die Mädels auch für einen gewissen Erotikanteil sorgen, brauche ich wohl nicht extra erwähnen. Der größte Hingucker ist und bleibt aber Mario Adorf, der tatsächlich um sein Leben zu spielen scheint und eine große Palette menschlicher Emotionen fulminant abdeckt. „Der Mafiaboss“ ist ein großartiger Mafia-Action-Reißer mit hohem Tempo, wahnwitzigen Stunts, verdienten bis hervorragenden Darstellern und kruden Ideen, der zum Unterhaltsamsten gehört, was ich bisher aus diesem Bereich zu sehen bekam. Ich glaube übrigens, im gesamten Film war kein einziger Polizist zu sehen...