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Re: Karl or Karla goes to Cinema

Verfasst: Di 11. Nov 2025, 16:53
von karlAbundzu
Eine kleine Reisegruppe machte sich auf zum angenehmen Monster machen Mobil Fest, diesmal trotz sehr gutem Programms nur einen Tag, der hatte es aber in sich:
7.11.2025, 17:30, Metropolis
Der Vampir von Notre Dame (1957)
35mm
R: Riccardo Freda, Mario Bava, D: Gianna Maria Canale, Carlo D’Angelo, Dario Michaelis, Wandisa Guida, Angiolo Galassi, Renato Tontini, Charles Fawcett, Gisela Mancinotti, Miranda Campa, Antoine Balpêtre, Paul Muller; M: Roman Vlad
Italienischer Gothic Klassiker, moderner Art.
Es gibt blutentleerte Frauenleichen, ein unheimliches Haus, einen Wissenschaftler mit Frankenstein-Ambitionen, ein investigativer Journalist mit Bathory Love Interest.
Klar, vielleicht ein bisschen viel Handlung drin, aber gefilmt, gespielt, ausgestattet ist der natürlich großartig. Allein die Einrichtung des Schlosses, voller Totenköpfe, halbnackte weibliche Drachen (*innen?) mit skelettierten Flügel. Von Bavas Kamera noch sehr expressionistisch, viel Licht und Schatten (eben auch in schwarz weiß). Der Alterungseffekt auch sehr klasse gemacht.
Diesen Film mal in sehr guter Qualität auf 35mm im Kino zu sehen, ein Traum.

20:15
Nightmare- Möderische Träume (1984)
35mm
R: Wes Craven, D: Heather Langkamp, Johnny Depp, Robert Englund, John Saxon; M: Charles Bernstein
Wir begaben uns in die Ulmenstraße zum allseits bekannten Schauplatz von Freddy Krüger, der den Slasher mit dem Übernatürlichen verband. Eigentlich eine Geist- oder Poltergeist-Geschichte, bei der der Kindermörder sich für die Selbstjustiz rächt.
Zu recht ein Klassiker des blutigen amerikanischen Kinos der 80er. Freddy hat kurze Lines und intensive Auftritte, es gibt allerhand gute Ideen. Da es immer wieder in der Traumwelt spielt, konnte Craven die Naturgesetze aufheben wie er wollte. Heather Langkamp wirklich angenehm in der Rolle, umgeben vom üblichen Opferkram der Slasher. Auch Johnny Depp hat da keine Chance, mehr raus zu holen, auch wenn er schon sehr süß aussieht.
Ich hatte den noch ein wenig heftiger in Erinnerung, doch gerade die alte Kinofassung ist ja ungeschnitten.
Zum ersten Mal auf großer Leinwand, ein Gewinn.

22:30
Das Blutgericht der reitenden Leichen (1975)
35mm
R: Amando de Ossorio, D: Víctor Petit, María Kosty, Sandra Mozarowsky, José Antonio Calvo, Julia Saly, Javier de Rivera, María Vidal; M: Antón García Abril
Der Ärztemangel auf dem Land war anscheinend auch schon im Spanien der 70er ein Thema und so verschlägt es ein paar in die Provinz, um seine Ärztekarriere zu starten. Die Bewohner des beschaulichen Ortes sind darüber allerdings nicht so erfreut, soll sie doch niemand beim opfern für die toten, reitenden Templer stören.
Ein Atmosphären-Kracher. Eigentlich kaum etwas langsameres gesehen, ist es doch die ganze Zeit faszinierend. Beginnt es noch typisch mit einem alten Ritual inklusive Jungfrauenverspeisung, ist es in der Neuzeit auf mindeste reduziert. Auch die Dialoge. Ich habe etwas gehört. Schlaf.
Dazu die eindringliche Musik, wenn die Templer in langsamer Zeitlupe einreiten.
Das hier ist sozusagen die Quintessenz der Reihe um den „blinden Terror“: Schön auch, das der Originaltitel übersetzt „Die Nacht der Möwen“ heißt. Ist auch viel am Strand.
Die Kopie war nicht mehr so der Bringer, aber auf großer Leinwand ein absolutes Erlebnis.

Danke, Andreas & Alex, Suse, Metropolis. Alle Filme wie immer mit passenden Trailern.

Re: Karl or Karla goes to Cinema

Verfasst: Do 13. Nov 2025, 09:22
von karlAbundzu
12.11.25, 15 Uhr, City46, Saal 1
Reflet dans un diamant mort (2025)
OmU
R: Hélène Cattet, Bruno Forzani, D: Fabio Testi, Yannick Renier, Koen De Bouw, Maria de Medeiros, Thi Mai Nguyen, Céline Camara, Kézia Quental; M: Dan Bruylandt (bzw. Sound Design, verwendet viele bekannte italienische Klassiker: Morricone, Cipriani, Celentano...)

Da ich bei unserer eigenen Reihe kränkelte, musste ich den Film im hiesigen Kommunalkino nachholen.
Cattet und Forzani nehmen sich ja immer wieder 70er Euro-Genres vor, diesmal den Eurospy, im Grunde allerdings vor allem Bond als auch Diabolik.
Dabei gehen sie nie rein narrativ vor, steckt hier allerdings mehr Story drin als z.B. in Amer. Ein alternder Agent lebt in einem Hotel und Begegnungen lassen ihn immer wieder an die großen Geschichten seiner Vergangenheit denken und vermuten, dass seine größte Gegnerin noch immer in der Nähe ist.
Hie vermischt sich Vergangenheit und Gegenwart, paranoide Vorstellungen, Träume, und auch die Metawirklichkeit, die Filmrealität wird in Roman und Comic gespiegelt und vermischt sich mit der Realität im Film. Das ist sehr bildgewaltig, voller Referenzen, wunderbaren Einstellungen, surrealer Szenen und Begebenheiten, unterlegt mit einem starken Soundkonzept, immer wieder aufgebrochen mit Musik von Genreklassikern. Ausstattung, Drehorte und Kamera im perfekten Zusammenspiel.
Ebenso die Darsteller*innen, die ja alle nur Fetzen eines Charakters spielen und die sich dessen (eventuell) bewusst werden. Interessant fand ich hier die Besetzung: Fabio Testi in der Hauptrolle, freut den Italo-Fan, hatte ja auch schon 1973 mit Diamanten zu tun, zwar kein Eurospy-Star, aber mit seiner körperlichen Spielweise und seinem kantigen Aussehen hätte er einer sein können. War ja erst Stuntman, wollte aber unbedingt Schauspieler werden, nachdem er Dreharbeiten am Comer See sah. Dagegen Maria de Medeiros, die meisten kennen sie als Fabienne, der Lebensgefährtin von Butch in Pulp Fiction. Sie sucht sich ihre Rollen gewissenhaft aus, ist jetzt nach Pulp Fiction nicht jedem Ruf aus Hollywood gefolgt, dreht lieber ambitioniertes in ihrer Heimat Portugal, hat ein großbürgerlichen Bildungsbackground (Vater sehr erfolgreicher Komponist, Musiker, Autor, Mutter Journalistin), Testi ja eher kleinbürgerlich, und engagiert sich stark, um auf soziale Missstände aufmerksam zu machen. Testi unterstützte Berlusconi und Forza Italia. Schauspielerisch hat de Medeiros eher einen ästhetischen, intellektuellen Zugang, ist auch Regisseurin, Autorin, Sängerin (immerhin hat Testi in ein paar Filmen in Duetten auch gesungen).
Da war sozusagen von der Besetzung schon eine Spannung drin, leider haben beide wenig Szenen zusammen, bzw. de Medeiros zu wenig Screentime, um das wirklich erfahrbar erscheinen zu lassen.
Genreversatzstücke werden aufgenommen: die technischen Gimmicks, die harte Gewalt, die auch vom Helden ausgeht, der tief verankerte Sexismus (u. a. auch in der Gewalt). Beides wird hier gezeigt, aber in der Darstellungsweise auch kritisch beleuchtet. Dazu die Metaebene: Filmarbeiten, Verwertungsebenen wie Romane, Comics, dessen sich die Figuren zwar bewusst werden, aber dem nicht ausbrechen können. Auch die Bondneubesetzungen und der Vorspann sind ein Thema. (der oft etwas peinliche Humor (meist ja auch auf sexistischer und/oder rassistischer Ebene) vieler Eurospys wird allerdings ausgelassen)
Das klingt gerade sehr intellektuell verkopft, ist aber alles eher sinnlich gelöst. Das sind Assoziationsketten, Bilderräusche, extreme Nahaufnahmen, eindringliche Sounds. Es wird nichts erklärt, sondern erfahrbar gemacht, was ja oberflächlich trügerischer ist, aber auch tiefer gehender. Und ich vermute, auch das war als Thema drin bzw. kann heraus gelesen werden. Oder eben nicht: einfach als 90 Minuten Filmerfahrung genießen. Am besten auf größtmöglicher Leinwand.