Re: TV-Tips
Verfasst: Di 14. Jul 2015, 11:22
mit einer dicken Empfehlung von mir!
"Shokuzai - Sühne" von Kiyoshi Kurosawa - Donnerstag, 23. Juli ab 20h15
"Shokuzai - Sühne" von Kiyoshi Kurosawa - Donnerstag, 23. Juli ab 20h15
quelle: http://cinema.arte.tv/de/artikel/shokuz ... 8.facebookarte.tv hat geschrieben: Am Donnerstag, den 23. Juli zeigt ARTE ab 20h15 die beiden Teile von "Shokuzai - Sühne" im Rahmen der Filmreihe "Mit ARTE nach Asien". Ein Pflichttermin für alle, die dieses großartige Werk im Kino verpasst haben. Beide Folgen von "Shokuzai - Sühne" sind im Anschluss auch auf ARTE+7 abrufbar.
Auf dem Schulhof eines verschlafenen japanischen Dörfchens werden vier Mädchen Zeuge, wie ihre Klassenkameradin Emili ermordet wird. Unter dem Eindruck des Schocks ist aber keine von ihnen in der Lage, sich an den Mörder zu erinnern. Asako, Emilis Mutter, verzweifelt an dem Gedanken, dass der Täter auf freiem Fuß ist, sperrt die vier Mädchen bei sich ein und droht ihnen, dass sie ihr Leben lang dafür büßen müssen, wenn sie sich nicht an das Gesicht des Mörders erinnern. Fünfzehn Jahre später. Was ist aus den Mädchen geworden? Sae und Maki wollen sich erinnern, die anderen jedoch ziehen es vor zu vergessen oder versuchen es zumindest.
Die Verfilmung des Romans "Shokuzai" (Sühne) von Kanae Minato ist eine gelungene und umfassende Synthese der filmischen Arbeit von Kiyoshi Kurosawa, der diese TV-Auftragsarbeit dafür nutzt, ein sehr persönliches Werk zu schaffen und allen Fernseh-Drehbuchautoren eine erstklassige Lektion in effektvoller Inszenierung erteilt.
Der Film beginnt mit den Polizeiermittlungen zu dem schrecklichen Verbrechen, doch schon bald wird in den Schilderungen der vier Mädchen und der Mutter von Emili, die von unfassbarer Trauer und Rachegelüsten getrieben wird, das eigentliche Thema deutlich: Die Rolle der Frau im modernen Japan. "Shokuzai - Sühne" ist in gewisser Weise ein Gespensterfilm – ein Genre, das Kurosawa meisterhaft beherrscht – da sämtliche weiblichen Figuren von dem Geist der ermorderten Emili verfolgt werden und ihr Schicksal durch den Tod des Mädchens einschneidend verändert wird.
"Shokuzai - Sühne" besteht aus einzelnen Kapiteln, die sich dem Leben der herangewachsenen Mädchen widmen. Bei jedem von ihnen hat der Versuch, das Trauma zu bewältigen, Spuren in der Psyche hinterlassen: Männerphobie, Gewalttätigkeit oder Unterwerfung … Dabei zeichnet Kurosawa zuweilen beängstigende Porträts (die Szene mit der Puppenfrau wäre eines Buñuel würdig), die zugleich anrührend und großartig gespielt sind. Dieses fast theoretisch anmutende Setting führt zur finalen Aufdeckung unvorstellbarer Grausamkeit. Kurosawa respektiert die feuilletonistische und melodramatische Grundstimmung der Romanvorlage, verleiht ihr jedoch dank seines filmischen Könnens eine mysteriöse und undurchsichtige Dimension, die beim Zuschauer für echtes Kopfkino sorgt.
Man spürt den Einfluss von Richard Fleischer, Robert Wise und Fritz Lang – großen Hollywood-Regisseuren, die von Kurosawa oft als Vorbilder genannt werden. Schon immer bewegte er sich im Grenzbereich zwischen dem klassischen und modernen Kino und hat nie einen Hehl aus seiner Bewunderung für Filme wie "Der Frauenmörder von Boston" gemacht, der mit "Shokuzai - Sühne" – aber auch mit "Cure" – die akribische Beschreibung von Polizeiermittlungen gemeinsam hat, die schließlich in die Erkundung einer kranken Psyche münden.
Nach "Shokuzai - Sühne" beschleunigte Kiyoshi Kurosawa seinen Arbeitsrhythmus wieder und drehte eine Reihe von Erfolgsfilmen, unter anderem "Real", der auf dem Filmfestival in Locarno 2013 vorgestellt wurde, oder der in Cannes prämierte Film "Journey to the Shore", der voraussichtlich im September 2015 in die Kinos kommt. Freuen darf man sich im kommenden Jahr auch auf "La Femme de la plaque argentique", den Kurosawa in Frankreich als Koproduktion mit ARTE France Cinéma gedreht hat.
Es ist bedauerlich, dass Kiyoshi Kurosawa trotz des internationalen Erfolgs seines Meisterwerks "Tokyo Sonata" aus dem Jahr 2008 über viele Jahre lang so große Mühe hatte, neue Kinoprojekte auf die Beine zu stellen. "Tokyo Sonata" war von den Kritikern gefeiert worden, hatte jedoch in Japan nicht die gewünschten Einspielergebnisse erzielt und sich so als Hemmschuh für die weitere Karriere des Regisseurs erwiesen.
Erfreulich dagegen, dass diese Schwierigkeiten Kurosawa nicht daran gehindert haben, sein Talent regelmäßig in den Dienst von Video- und Fernsehproduktionen zu stellen. Zum Beispiel 2012 mit der wunderbaren Mini-Serie "Shokuzai - Sühne", die eindeutig zeigt, dass die Verfilmung eines in Japan außerordentlich erfolgreichen Bestsellers für das Fernsehen und die damit verbundenen Zwänge dem Talent und dem Ehrgeiz des Filmemachers, der sonst nur mit Originaldrehbüchern arbeitet, in keinster Weise abträglich sind.