Zur Komplettierung des Film-Fadens hier noch die punktuell modifizierte Standbildanalyse um das Kronjuwel des italienischen Genrekinos: J&B
...einer der wenigen tatsächlich hellen Momente auf dem Regiestuhl ist in dieser Szene zu Tage getreten:
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Wie dem Kenner auffallen dürfte, ist die gesamte Bildkomposition perfekt arrangiert, um den geliebten goldenen Tropfen in Szene zu setzen. Das Gesamtbild wirkt durch seine kontrastreiche Staffellung ausgewogen und harmonisch, führt den Blick des Rezipienten gezielt und offenbart auch aus dem filmischen Kontext gelöst eine schier atemberaubende narrative Kraft.
Mise en Scène par excellence.
! | Nachricht von: buxtebrawler |
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Durch den indirekt gewährten Blick auf das begehrte Getränk, zielsicher an der lüstern lächelnden Dame vorbeigeführt, und durch die Positionierung außerhalb der Bild(-mittel-)achsen (blau), in doppelter Rahmung durch die Spiegelrundung (gelb) und die Bildteiler (blau), liegt der Schwerpunkt eindeutig links oben auf dem Flaschenarrangement. Unterstützt wird dies durch die massig dunkle Flächengestaltung der linken Bildhälfte, deren einziger Lichtpunkt das erwähnte, durststillende Getränk, arrangiert auf einem zarten Beistelltisch aus dunklem Holz, ist. Angenehm ist die Flächengestaltung zudem, da die Holzfarben von Stuhllehne, Spiegelverzierung, Kommode, Beistelltisch und Parkettmaserung sich im lockig-wilden, aber bei Weitem nicht aufdringlichen Haar der Darstellerin wiederfinden. In Summe dürften die dunklen, holzig bis schwarzfarbenden Töne demnach in quantitativ identischem Anteil zu den hellen, lose auf der rechten Bildhälfte platzierten Flächen stehen. Einzig die Physiognomie der Frau durchbricht, einer Lanze gleich, die starre Flächenverteilung und verhindert trotz ihrer Position auf der Mittelsenkrechten die gefürchtete, weil langweilige, Symmetrie im Bildaufbau.
Wo das Tischdeckchen links oben eine Weißfläche erzwingt, wirkt am rechten Rand das blumig dunkle Muster der Gardinen in leichter Beziehung hierzu als dunkle Form auf hellem Grund und formt in der Gesamtwirkung eine Yin und Yang-orientierte Farb- und Formharmonie. Die blasse Haut der lächelnden Meid tut ihr übriges, geht sie im Farbton doch leicht in der gesamten Hellflächenkomposition auf. Auch der dezent zurückgenommene Lippenstift fügt sich dieser Gliederung und untermauert letztlich nur den einen Fakt und den einen Informationsträger der Szene: Der einzig wahrhafte Farbpunkt geht von J&B aus!
Während die dunklen Flächen links, speziell links oben, massive Stabilität erzeugen, dekonstruieren die sichtbaren Linien (teils in gedachter Verlängerung) gerade im rechten Bildteil die Ordnung und Standfestigkeit. Diese Linien (rot), zumeist dynamisch wirkende Diagonalen, verlaufen im Bildraum, stehen chaotisch auf den hellen Flächen der diametralen Beständigkeit in der Dunkelheit entgegen. Sie kippen, wanken, sind in permanenter Bewegung und fliehen letztlich aus dem Bild. Dies ist einer gedachten Verlängerung der waagerechten drei Linien, die dem Bodenstuck des Interieurs entspringen, zu entnehmen. Irgendwann werden sie sich treffen und gemäß klassischer, perspektivischer Konstruktion an ihrer Schnittstelle einen Fluchtpunkt bilden, der auf der Horizontlinie zu suchen sein sollte. Diese entspricht meist auch der Augenhöhe des Betrachters, wodurch sowohl die Kameraperspektive als auch die dem Rezipienten aufgezwungene Perspektive entlarvt werden kann. Die Flasche erscheint darum (und dem Umstand geschuldet, dass der Spiegel offenbar leicht geneigt an der Wand befestigt wurde) in der Untersicht, obwohl sie im realen Raum aufsichtig wahrgenommen werden müsste und in ihrem Spiegelbild auch so reflektiert wird. Dennoch sind wir gezwungen zu ihr hochzublicken! Die Flasche ist folglich sowohl für den Rezipienten als auch für die Darstellerin im Bild in Überaugenhöhe positioniert. Hierdurch erhält sie eine übermächtige, Schrein-artige, Ehrfurcht-erweckende und surreal-prophetische Machtfülle! J&B als das goldene Kalb!
Die stabilisierende Kraft des gesamten Bildaufbaus entstammt demnach einzig der arrangierten Flasche, wohingegen die weichen und natürlichen Formen der Dame, trotz der mächtigen und stabilen Vertikale zwischen den Ellenbogen und der Stuhllehne, sich mit den ungeordneten Raumlinien im Chaos verlieren und so einen direkten Kontrast provozieren. Die Leere und das Chaos liegen im Zentrum und rechts, die Kraft und monolithische Ruhe liegen links (spätestens hier dürften auch Assoziationen zum konzeptuellen Meisterwerk 2001: ODYSSEE IM WELTRAUM von Stanley Kubrick geweckt werden). Und natürlich – um der Perfektion die Krone aufzusetzen – wurde dem durstigen Rezipienten auch gleich das passende Glas zur Verfügung gestellt.
Grande Cinéma!
Gänzlich unerwähnt blieb bis jetzt der Hohn über die Macht der Schwerkraft, welcher von der Flasche ausgeht, dem Betrachter Schwindel erregt und die Gesamtaussage des Arrangements unterstützt! Zur Erinnerung abermals der Screenshot:
! | Nachricht von: buxtebrawler |
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Tisch und Objekt in der Spiegelung stehen schief und sollten eigentlich fallen (sicherlich ein unbedeutender
fauxpas der Regie um die Spiegelung des Aufnahmemediums zu verhindern und die Illusion des Films zu bewahren)! Die Rahmung der Bildachsen und der starke Hell-Dunkel-Kontrast (gelbes Etikett und weiße Tischdecke auf dunklem, beinahe schwarzem Grund) verleihen hier Stabilität - speziell auch im formellen Kontrast zum Diagonalenwirrwar auf der gegenüberliegenden Bildseite. Auch die vielgliedrige Bildstrukturierung links oben im Kontrast zur monoton-weißen Fläche rechts unterstreicht dies meisterlich. Während die reale Umwelt ins Schwanken gerät und ihrem Gleichgewicht beraubt ist, bleibt der Ruhepol, die stabilisierende Macht in einer irren Welt (unterstrichen durch das irre Lachen des sexgeilen Luders), stets die J&B-Flasche! Wenn hier jemand fällt, dann doch der Betrachter! Und letztlich führt doch auch keine Bildlinie durch die Flasche – sie ist unantastbar! Wohingegen jeder andere, darum als unbedeutend zu klassifizierende, Bildgegenstand durch Linien zerschnitten wird. Dies löst auch die Gefüge von Raum und Zeit auf, ist doch Hintergrund das Zentrum und übermächtige die Präsenz. Der Vordergrund und das Bildzentrum werden gezielt attackiert und in ihrer eigentlich immanenten Wichtung aufgelöst.
Im Grunde wird final sogar der Raum des Rezipienten tangiert, ist doch die Flasche nur in Spiegelung zu sehen und muss sich demnach unweigerlich neben dem Betrachter befinden. Sie ist auch für ihn wichtig, während das lockende Weib starr an ihm vorbei blickt. Vordergrund und Bildzentrum werden somit meisterlich negiert und die Kommunikation findet einzig zwischen dem durstigen Filmgucker und der Perfektion in Reinform statt.
Chapeau, Herr Landi!
FAZIT: Eine Flasche J&B färbt die stupzige Nase in der Bildmitte rot