bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

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Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

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Die Beschissenheit der Dinge
In sehr bewegten Zeiten der Achtzigerjahre verbringt ein 13 Jahre alter Junge seine Jugend damit nach seinem Platz in der Familie zu suchen und dabei lebt er zusammen mit seinem Vater und dessen drei Brüdern bei seiner Großmutter. Die liebe Oma hat ihre Söhne nämlich bei sich aufgenommen, nachdem diese es alle fertigbrachten, ihre Ehen zu ruinieren. Die heruntergekommene Wohnung in diesem Männerhaushalt verhinderte es auch nicht, dass jeden Tag Parties gefeiert werden und die Frauen Tag und Nacht ein und ausgehen...
Basierend auf dem gleichnamigen, mir unbekannten Roman erschien im Jahre 2009 mit „Die Beschissenheit der Dinge“ der zweite Spielfilm des Regisseurs Felix Van Groeningen in belgisch-niederländischer Koproduktion.

Der 13-jährige Gunther (Kenneth Vanbaeden) wächst in den 1980ern in einem kleinen flämischen Ort bei seinem alkoholkranken Vater (Koen De Graeve, „Loft – Tödliche Affären“), dessen drei Brüdern und seiner für alle so weit es geht sorgenden Großmutter auf. Wilde Partys und Besäufnisse sind ebenso an der Tagesordnung wie Gewalt.

Der Belgier Van Groeningen lässt in seiner gewagten Mischung aus Sozialdrama, Milieustudie und Tragikomödie den erwachsenen, sich als Schriftsteller verdingenden und kurz vor einer (ungewollten) Familiengründung stehenden Gunther (als Erwachsener: Valentijn Dhaenens) zurückblicken auf die wilden 1980er, in denen er unter o.g. Umständen aufwuchs und in die Pubertät kam. Formal besteht der Film in erster Linie aus Rückblenden, hin und wieder unterbrochen von Gunthers Gegenwart. „Die Beschissenheit der Dinge“ kann anfänglich durchaus noch mit leichter Kost im Stile von Prollkomödien à la „Flodders“ verwechselt werden und scheint der ultimative Trinkerfilm zu sein, entfaltet jedoch schon bald seine ganze Ambivalenz: So ist es zwar durchaus amüsant, den Männern dabei zuzuschauen, wie sie Roy Orbison verehren, nackt Fahrradrennen gewinnen und um keine Party verlegen sind – und immerhin haben sie anderen Trinkern viel voraus, nämlich eine Familie, die allen Umständen zum Trotz zusammenhält. Andererseits wird aber auch die Schattenseite deutlich, die ein sozialverträgliches Aufwachsen Gunthers verhindert, zu handfesten Konflikten zwischen Gunther und seinem immer kränker werdenden Vater führt und der Familie schließlich Ärger mit dem Jugendamt einhandelt. Für Menschen, die im Alkohol ihren Kummer ertränken und irgendwann gar nicht mehr ohne können, ist das Leben eben keine einzige, fortdauernde Party – auch, wenn es auf den ersten Blick vielleicht danach aussehen mag. Fühlt man sich in seinem letzten bisschen Stolz, seiner „Familienehre“ angegriffen und verletzt, wenn Kritik laut wird und sich Außenstehende einmischen, explodieren diese menschlichen Zeitbomben.

Der erwachsene Gunther hadert noch immer mit seiner Sozialisation unter seinem mittlerweile verstorbenen Vater und seiner inzwischen dementen Großmutter, der er zu viel Dank verpflichtet ist. Van Groeningen zeigt behutsam und sensibel die Auswirkungen einer solchen Kindheit auf das Leben als Erwachsener und konkret den traumatische Anteil daran, der Gunther anders über eigene Beziehungen und eine eigene Familie denken lässt, als es zu entsprechenden Wendepunkten seines Lebens kommt. Die Fesseln der Vergangenheit abstreifen, Bindungen und Verpflichtungen eingehen, Verantwortung übernehmen? Gar nicht so einfach. Die Erzählweise fasziniert und fesselt enorm, da der Drahtseilakt gelang, aufgrund starker komödiantischer Momente zusammen mit den vier Brüdern über das Leben lachen zu können, wie sie es im Suff zu tun pflegten, und nichts ernstzunehmen. Man fühlt sich unweigerlich in eine gesellige Kneipenrunde versetzt oder an ähnliche Momente seines Lebens erinnert. Die einzelnen Charaktere werden nicht vorgeführt und ins Lächerliche gezogen oder abgewatscht. Auch in den absurden bis schmerzhaften Momenten wahrt „Die Beschissenheit der Dinge“ eine gewisse respektvolle Distanz, statt mit Klischees, Gut/Böse-Schemata und Eindimensionalität zu arbeiten, was das Ergebnis auf ärgerliche Weise verflacht und zu einem überflüssigen moralischen Zeigefinger gemacht hätte.

Die in den 1980ern spielenden Szenen erscheinen farblich abgeblasst, fast, als würde man sich heutzutage auf nicht sonderlich gut gealtertem Material gedrehte Filme jener Dekade ansehen. Die Schauspieler sind fast allesamt derbe Charakterfressen, die schlichtweg perfekt in ihre Rollen passen und denen zuzusehen eine irrsinnige Freude bereitet. Ambiente, Einrichtungen und Mode wurden recht detailgetreu nachempfunden und es herrscht ein wunderbarer Vokuhila-Overkill, der nur im ersten Moment eigenartig wirkt – schnell hat man sich als Zuschauer gefangen nehmen lassen von der 80er-Ästhetik, zu der diese Frisur ganz selbstverständlich dazugehörte. Die insbesondere den Gegenwartsbildern eigene Melancholie, stark gefördert von traurigen Klaviermelodien, läuft nie Gefahr, in kitschige Gefilde abzugleiten und schließt den Kreis zum Familienidol Roy Orbison, zu dessen Repertoire nicht wenige melancholische Rock- und Pop-Songs gehörten.

Fazit: Technisch einwandfreies, schauspielerisch grandioses, die gesamte Bandbreite zwischen himmelhoch jauchzend und zu Tode betrübt abdeckendes, harsch realistisches Stück aus dem Leben, das sich an Überlebende der Unterschicht-Untiefen der 1980er richtet, aber auch parabelartig auf viele andere Biographien und Situationen übertragen werden kann. Ein psychologisch intelligentes und ebensoviel Freude wie Kummer bereitendes Stück europäischen Kinos, in dem sich viele Zuschauer wiedererkennen dürften. Zugleich ein Film, der zunächst noch unbemerkt so sensibel erzählt wird, dass er lange nachklingt und vielleicht dem einen oder anderen Dämon der Vergangenheit ein neues Antlitz verleiht, mit dem es sich besser fertigwerden lässt.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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Flotte Teens und heiße Jeans
Die blonde Schülerin Loredana setzt ihre körperlichen Reize gekonnt ein, hat jedoch noch kein sexuelles Erlebnis gehabt. Als jedoch eines Tages Billy aus den Vereinigten Staaten in die Klasse kommt, verliebt sich Loredana in diesen. Er findet ebenso gefallen an der schönen Abiturientin. Jedoch kommt es zum Krach, als Billy Loredana zum Beischlaf drängen möchte. Loredanas Vater lebt getrennt von seiner Frau, da er eine junge Geliebte hat. Über ihn lernt die Blondine seinen jungen Geschäftspartner Marco kennen. Sie verliebt sich in ihn und es kommt zu ihrer ersten sexuellen Begegnung mit einem Mann. Als sie beschließt mit ihm nach Turin zu gehen, lässt er sie jedoch sitzen. Währendessen betritt Billy wieder das Geschehen und kann seine Loredana wieder für sich gewinnen.
„Ich bin kein Kind mehr – ich bin eine Frau!“

Noch bevor die israelisch-deutschen „Eis am Stiel“-Sexkomödien das Licht der Leinwand erblickten, gab es die „Flotten Teens“ aus Italien. Der Auftakt der Reihe, „Flotte Teens und heiße Jeans“, entstand im Jahre 1975 unter der Regie Michele Massimo Tarantinis („Blutiger Schweiß“) und verhalf Hauptdarstellerin Gloria Guida („Oben ohne, unten Jeans“) zu internationaler Popularität.

Die kesse, attraktive Schülerin Loredana (Gloria Guida) macht sich einen Spaß daraus, den Jungs aus ihrer Klasse sowie ihren Lehrern den Kopf zu verdrehen, bleibt jedoch keusch, wenn es um tatsächlichen Sex geht. Dies muss auch Austauschschüler Billy (Rodolfo Bigotti, „Ein Mann auf den Knien“) aus den USA zu seinem Leidwesen erfahren, der sich in Loredana verliebt hat und mit anbändelt. Über ihren geschiedenen Vater lernt Loredana schließlich den 29-jährigen Marco (Giuseppe Pambieri, „Yellow Emanuelle“) kennen, in den sie sich verliebt und dem sie sich auch sexuell hingibt, der sie allerdings nur als kurze Affäre betrachtet und sitzen lässt...

Gloria Guida ist zweifelsohne eine der niedlichsten und gleichsam erotischsten Blondinen des italienischen Kinos. Auf ihrer freizügigen Attraktivität aufbauend, entwickelt sich „Flotte Teens und heiße Jeans“ zu einer kuriosen Mischung aus Teenager-Drama und klamottigem Klamauk. Während zu schöner, verträumter Musik innerhalb einer unbeschwerten Sommeratmosphäre die Orientierungslosigkeit der mit ihren Reizen spielenden, in ihrer Sexualität jedoch verunsicherten Loredana mitunter durchaus ansprechend thematisiert wird, wird der Film eigentlich immer dann richtig schlecht, wenn er versucht, so richtig witzig zu sein. Loredanas dramatische Erfahrungen, die sie um eine erfüllte erste große Liebe bringen und sie dann doch ihre gut gehütete Jungfräulichkeit einbüßen lassen, vertragen sich dabei noch recht gut mit interessanten Nebenrollen wie der des späteren Pornostars (und Politikerin) Ilona Stallers („Yellow Emanuelle“) als verruchte, bisexuelle und sich selbstbewusst prostituierende Monica als Kontrast zum Charakter Loredanas. So gar nicht passend will das aber zu den peinlichen Klamauk- und Slapstick-Einlagen um Italo-Komiker Alvaro Vitali („Die Bumsköpfe“) als Verlierertype Thomas, der schließlich zum Sexobjekt der grauen Maus der Schulklasse wird, der man schlichtweg einen dicken Pulli anzog und eine große Brille aufsetzte, womit sich heutzutage problemlos als Hipster-Sexikone durchgehen würde, sowie Gianfranco D'Angelos als overactender und Martial-Arts-erprobter Klassenlehrer, dem u.a. eine ausgedehnte, anscheinend unvermeidliche und hochgradig alberne Kung-Fu-Szene zuteil wurde.

Damit ist „Flotte Teens und heiße Jeans“ weder Fisch noch Fleisch, wobei letzteres glücklicherweise immer wieder sehr ansprechend von einer überzeugenden Kameraarbeit stilsicher und nur selten wirklich obszön in Szene gesetzt wird und dem Film damit zu einem passablen Unterhaltungswert verhilft. Wer als Heranwachsender mit dieser Art Filme aufwuchs und sich selig daran erinnert, wie er deren infantilem Humor zugetan war, für den wird der Film vielleicht ein tolles nostalgisches Vergnügen darstellen. Ich hingegen kann damit nur bedingt etwas anfangen und wurde von italienischem Grottenhumor immer wieder aus schwelgerischer, sommerlicher, erotischer Zerstreuung jäh herausgerissen.
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Magier des Schreckens
Gegen Ende des 19.Jahrhunderts: Don Gallico (Vincent Price) ist ein begabter Mann: eben im Begriff sein Bühnendebut als Magier zu begeben, mit neuen aufsehenerregenden Tricks und seinen ausgezeichneten Fähigkeiten zur Maskerade, mittels derer er einen Berufsrivalen namens Rinaldi imitiert. Doch die Vorstellung wird durch den reichen Mr. Ormond (Don Randolf) unterbrochen, der Gallico unter Vertrag hat, eben diese Zauberkunststücke für ihn zu erfinden, damit er sie verkaufen kann. Als Ormond die neuen Tricks auch noch an Rinaldi weiter gibt, dreht Gallico durch und probiert seine Sägenummer an Ormond aus. Damit steht er aber vor dem Problem, die Leiche loszuwerden und fängt notgedrungen an, Ormonds Identität anzunehmen, eine Wohnung für ihn zu mieten und sich in der Umgebung sehen zu lassen. Doch schon bald durchschaut Claire, seine Exfrau und Ormonds Ehefrau, die Maskerade und muß ebenfalls sterben. Und dummerweise kann die Hobbyautorin Mrs. Prentiss, von der er als Ormond die Wohnung gemietet hat, schon bald ihre deduktiven Detektivkünste anwenden, was hier wirklich geschehen ist...
„Wie Sie sehen, ist mein Krematorium sehr viel mehr als ein Zaubertrick!“

Ende des 19. Jahrhunderts tritt Illusionist Don Gallico (Vincent Price, „Das Schreckenscabinett des Dr. Phibes“) an, seinem Rivalen Rinaldi mittels neuartiger, Aufsehen erregender Tricks ernsthaft Konkurrenz zu machen. Leider jedoch hat er einen Vertrag bei Mr. Ormond unterschreiben, durch den er die Rechte an den Tricks an eben jenen zum Weiterverkauf abtritt. Als Ormond Gallico eröffnet, die Tricks auch ausgerechnet an Rinaldi weiterzugeben, tötet Gallico Mr. Ormond und gerät in einen Strudel aus weiteren Verbrechen, unterschiedlichen Identitäten und der ihn verfolgenden Justiz...

Der Schwarzweiß-Film „Magier des Schreckens“ alias „Der wahnsinnige Zauberkünstler“ von US-Regisseur John Brahm („Das unsterbliche Monster“) aus dem Jahre 1954 ist eine Melange aus Thriller und Kriminalfilm mit dem unvergleichlichen Vincent Price in einer seiner ersten Spielfilmrollen nach dem Wachsfigurenkabinettspektakel „Das Kabinett des Professor Bondi“. Wie auch jener Film wurde „Magier des Schreckens“ in 3D-Technik fürs Kino gedreht.

Ein Thriller ist Brahms Film solange, wie er sein Hauptaugenmerk auf Gallico legt, der sich einiges einfallen lassen muss, um Leichen verschwinden zu lassen und unerkannt zu bleiben. Dabei hilft ihm sein eigentlich für die Bühne bestimmtes Verwandlungsgeschick und so wird „Magier des Schreckens“ zu einem vergnüglichen und spannenden Maskeradenverwirrspiel, das aber in den „unmaskierten“ Momenten stark von der charismatischen Mimik Vincent Price’ lebt. Zu beobachten, wie der talentierte, doch arme Tropf Gallico sich selbst immer weiter ins Unglück reitet und schließlich die Grenzen der vertretbaren Moral überschreitet, hat trotz der Leichtfüßigkeit des Films eine gehörige Prise Drama und Tragik in sich und auch vor manch kruder Idee – beispielsweise einer öffentlichen und doch unbemerkten Leichenverbrennung – wird nicht Halt gemacht. Ab einem etwas späteren Zeitpunkt wird die Handlung um klassische Krimielemente ergänzt, wenn Mrs. Prentiss als Hobbyautorin und -schnüfflerin mit detektivischem Spürsinn ins Spiel kommt und sich an Gallicos Fersen heftet. Die Polizei hat es nicht leicht, galt das Auswerten von Fingerabdrücken seinerzeit doch noch als neuartige Technik – was der Film thematisiert und damit auch auf diese Weise einen interessanten Bezug zur damaligen Zeit herstellt. Unaufdringlicher Humor zieht sich durch weite Teile des Films und trägt angenehm zur stilsicheren Unterhaltung bei.

Der unvergessliche Vincent Price in einem unterhaltsamen alten Schinken, der das heute noch aktuelle Joch von Knebelverträgen thematisiert, in dem Menschen bei lebendigem Leib zersägt werden und der die Maskeraden- und Identitätsspiele späterer Genrefilme vorwegnimmt, zudem mit sicherem Händchen mit neben Price nicht ganz so großen Namen besetzt wurde – Eva Gabor als Femme fatale, John Emery als Rinaldi etc. – und die richtige Balance zwischen Thrill, Kriminologie und Humor trifft – das ist gut gealterter, sympathischer Stoff, der für Kenner und Genießer auch heute noch so gut funktioniert, dass man nur schwer umhinkommt, sich vor Mr. Price ehrfurchtsvoll zu verbeugen. Doch auch, was die Regie betrifft, erscheint „Magier des Schreckens“ wesentlich ausgereifter und runder als beispielsweise „Das unsterbliche Monster“ des gleichen Regisseurs. Kein großer, epischer Klassiker, sondern ein feiner, kleiner, unterhaltsamer Vertreter des Kurzweiligen, der ein wenig mit dem Misstrauen gegenüber undurchsichtigen Möchtegern-Magiern spielt.
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Kampf der Welten
In der Nähe von Los Angeles in Kalifornien kommt ein Meteorit runter. Es stellt sich heraus, daß es ein Raumschiff ist, daß vom Mars kommt und daß die Wesen an dessen Bord nicht friedlich gestimmt sind, sie schiessen mit Todesstrahlen. Überall von der Welt kommen derartige Schreckensmeldungen, überall landen diese seltsamen Ufos und es kommt zum Krieg. Der Wissenschaftler schafft es, ein Auge und etwas Blut eines Marsmenschen zu ergattern und beides wird fieberhaft erforscht. Währenddessen ist die Welt schon fast in der Hand der Ausserirdischen und die Erde ist anscheinend dem Untergang geweiht. Das Militär schmeisst eine Atombombe auf einen ihrer Stützpunkte, doch selbst diese Wunderwaffe versagt. Nun bleiben nur noch sechs Tage, dann haben es die Ausserirdischen geschafft, die Welt einzunehmen. Sämtliche Städte werden geräumt und die Menschen flüchten in die Berge, natürlich kommt es zu Panik und Ausschreitungen...
„Kampf der Welten“ ist einer jener bei genauerer Betrachtung dann vielleicht doch gar nicht mal so vielen Science-Fiction-Filme, die von den Menschen feindlich gesinnten, hochentwickelten Marsbewohnern ausgehen, die die Erde in Ufos heimsuchen. Das Drehbuch des unter der Regie des US-Amerikaners Byron Haskin („Die Schatzinsel“) gedrehten und 1953 erschienenen Films ist eine stark abgewandelte Fassung des Romans „Der Krieg der Welten“ von H.G. Wells.

In einer Kleinstadt in Los Angeles landet ein Raumschiff vom Mars. Friedliche Kontaktaufnahmen seitens der menschlichen Bewohner scheitern und es stellt sich heraus, dass nahezu überall auf der Erde feindliche Invasoren vom roten Planeten gelandet sind, um sich die Welt Untertan zu machen. Sie zerstören die Städte und es kommt zu Massenpaniken.

„Kampf der Welten“ beginnt mit herrlichen Bildern der Planeten unseres Sonnensystems und stimmt zunächst ganz behaglich auf das kommende Inferno ein. Alsbald jedoch entwickelt sich der für damalige Verhältnisse hochbudgetierte, in prächtigem Technicolor gedrehte A-Film zu einer actionreichen Materialschlacht im Stile eines Kriegs- bzw. Katastrophenfilms und lässt das in diesem Falle wenig subtile Paranoia-Kino sich radikal Bahn brechen. Der Sci-Fi-Horroranteil wurde nur gering, dafür umso wirksamer platziert, beispielsweise bei der unheimlichen ersten direkten Begegnung zwischen Mensch und Marsianer. Die extraterristrischen Kreaturen werden nur schemenhaft anhand einzelner Körperteile gezeigt, die plastischen, sehnenswerten Gummikostüme regen die Phantasie des Zuschauers an. Technisch ist das alles sehr gut gemacht, Mantarochen-artige Raumschiffe fliegen durch die Stadt und machen mit ihren Todesstrahlen zahlreiche Miniaturbauten dem Erdboden gleich. Weitsichtig mutet an, wie global der Film sich gibt, indem er die ganze Welt und damit andere Völker und Systeme einbezieht. Das Militär ist hier weder Allheilmittel, noch per se kritikwürdigen Autoritätsorgan, sondern schlicht selbst mit seiner Atombombe ebenso hilflos wie der Rest der Menschheit, was durchaus als militärkritische Note betrachtet werden kann.

Das ab der unmissverständlichen Durchführung der Invasionspläne recht geradlinig verlaufende Spezialeffektspektaktel wird nach typischer Hollywoodmanier mit Fokus auf das Einzelschicksal einer zarten Liebesgeschichte aufgepeppt und bedient sich auch religiöser Untertöne. Nachdem interessante Schauspieler zu Beginn noch interessantere Rollen verkörperten, werden die Charaktere jedoch zunehmend austauschbar, gehen sie in auf Dauer etwas ermüdenden bunten Blitzen unter. Der genrekundige Zuschauer ahnt ab diesem Punkt bereits, dass die große überraschende Wendung ausbleiben wird und der Film mit seinem Hauptaugenmerk auf Action mit viel Sachschaden und Geballer bereits viel seines Pulvers verschossen hat. Die Schlusspointe ist dann auch sehr dem Zufall geschuldet, statt dramaturgisch geschickt herausgearbeitet worden zu sein, vermochte aber sicherlich das zeitgenössische Publikum in seinem Sicherheits- und Allmachtsglauben wenn nicht zu erschüttern, so zumindest zu verunsichern, sofern es das „Happy End“ eher als Zugeständnis ans Publikum denn als Manifestation der irdischen Überlegenheit durchschaut hat. Ein netter Klassiker des Science-Fiction-Actionkinos, dem andere weitaus niedriger budgetierte Produktionen der 1950er- und 1960er-Dekaden aber sowohl mehr Charme als auch Tiefgang voraus haben. Dennoch: Sollte man mal gesehen haben, auch wenn ich es wahlweise etwas abgedrehter/origineller oder aber subtiler, ruhiger, dafür spannender mag.

In meiner Kritik unberücksichtigt gelassen habe ich allerdings den Spaßfaktor, der aus der nach heutigem Stand der Wissenschaft irrsinnigen, naiven Vorstellung einer Marsmenschen-Invasion herrührt...
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Goodnight – Die Nacht, als Knecht Blutbrecht kam
Zwei Jahre nachdem an der "Calvin Finishing Girls School" bei einem makabren Weihnachtsscherz ein Mädchen ums Leben kam, wollen ein paar der dortigen Schülerinnen eine illegale Weihnachtsparty feiern. Dazu laden sie sich von einer Jungsschule sogar ein paar fesche Kerle ein und betäuben die Hausmutter, damit die Party auch wirklich steigen kann. Was nicht geplant war, ist der bis zu den Zähnen mit Schneidewerkzeugen bewaffnete Psychopath, der sich nächtens dann durch die Feiernden metzelt...
„Ihr tut ja gerade so, als wenn wir die Hauptdarsteller in einem schlechten Horrorfilm wären!“

Multitalent David Hess, Bösewicht in Rape-and-Revenge-Filmen wie „Last House on the Left“ und „Der Schlitzer“, Musiker und Komponist, versuchte sich für den 1980er US-Slasher mit dem grenzgenialen deutschen Titel „Goodnight – Die Nacht, als Knecht Blutbrecht kam“ auch einmal hinter der Kamera, nämlich als Regisseur. Es sollte die einzige Regiearbeit des viel zu früh verstorbenen Sympathieträgers bleiben.

In der „Calvin Finishing Girls School“, einer Art Internat für gutbetuchte Mädels, kam eines Weihnachts eine der Bewohnerinnen bei einem unglücklich verlaufenen Studentinnenscherz ums Leben. Zwei Jahre später richten die Schülerinnen eine heimliche Weihnachtsparty aus, laden dazu die Yuppies vom Jungeninternat ein und lassen es ordentlich krachen – ebenso der uneingeladene Psychopath im Weihnachtsmannkostüm, der sich durch die Partygäste meuchelt...

„Black Christmas“ trifft auf „Freitag, der 13.“ in diesem Slasher, der Motive aus beiden Filmen munter durcheinanderwürfelt, primär aber ein „Freitag, der 13.“-Rip-Off ist (welcher, wie man weiß, zwar gut gemacht, aber ebenfalls bereits nicht sonderlich originell war und sich fleißig bei „Psycho“, „Blutrausch des Satans“ und „Halloween“ bediente). Oder um es kurz zu machen: „Goodnight – Die Nacht, als Knecht Blutbrecht kam“ ist ein Klischee-Slasher, wie er im Buche steht. Im entweder recht dunkel gefilmten oder nachträglich für die Heimkinoauswertung abgedunkelten Film, der nach „Whodunit?“-Muster funktioniert, liefern sich notgeile Jugendliche schlechte Balzrituale zum Fremdschämen, jagt ein dummer Spruch den nächsten, erschrecken sich die Teenies ständig gegenseitig und wird der Verdacht erstmal „auffällig unauffällig“ auf diverse Männer gelenkt. Man ahnt recht früh, wer das „Final Girl“ sein wird und strunzdoofe Bullen haben nichts besseres zu tun, als herumzuvögeln. Der erste Mord geschieht bereits nach wenigen Minuten; die Tötungen mit Hieb- und Stichwerkzeugen fielen mal mehr, mal weniger originell bzw. blutig-explizit aus.

„Ich glaub, ich hab zuviel getrunken...“ – „Ein halbes Bier!“

Die debilen Dialoge aber machen mitunter richtiggehend Spaß, wobei ich nicht genau weiß, ob man erst bei der deutschen Synchronisation den Schalk im Nacken hatte. Trotz Weihnachtsthematik wirkt Hess’ Film lokationsbedingt eher wie ein Sommerfilm mit seinen grünen Bäumen, T-Shirts, Frohsinn und der Ermangelung an Schnee. Eine nette Genreklischeevariation ist das nicht anspringende Flugzeug (wir erinnern uns: Yuppie-Alarm...) anstelle des sonst üblichen Kraftfahrzeugs und die gut gemachte „Duschszene“ könnte tatsächlich als Ehrerbietung an Hitchcock gemeint gewesen sein. Der psychopathologische Hintergrund der Mordserie entpuppt sich am Ende als etwas sehr einfallslos, dafür geizt man aber nicht mit einer schönen Dopplung und einer recht atmosphärischen, versöhnlichen Schlusseinstellung.

Im Weihnachtsmannkostüm steckt übrigens anscheinend kein Geringerer als Regisseur Hess persönlich, ob dessen verbriefter Musikalität mir die ziemliche miese musikalische Untermalung des Films unverständlich ist. Immerhin gelang ihm ein durchschnittlicher Slasher für Genrefanatiker und Weihnachtshorrorsammler, doch auch diese Klientel wird zugeben, dass vieles in seinem glücklosen Debüt sehr billig erscheint und auch ein vermutlich geringes Budget nur schwer als Entschuldigung für das nur unzureichende Vorhandensein einer konsequent bedrohlichen Stimmung herhalten kann. Bekannte Namen sucht man in der Darstellerriege vergebens, für viele blieb „Goodnight – Die Nacht, als Knecht Blutbrecht kam“ offensichtlich das einzige Engagement. So etwas wie Wiedererkennungswert könnte ich auch kaum jemandem attestieren, aber das ist für Schlitzerfutter ja auch nicht unbedingt vonnöten – ebenso wenig wie herausragendes schauspielerisches Talent. Ich schließe mit einer rhetorischen Frage in Form eines weiteren Filmzitats: „Wer kauft dir diese Unterhosen?!“
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Eine Pistole für Ringo
Ringo (Giuliano Gemma) - genannt "Engelsgesicht" - ist im Grenzgebiet nach Mexiko als Meisterschütze bekannt. Nachdem er sich mal wieder gegen vier bewaffnete Männer zur Wehr gesetzt hat, sperrt ihn der Sheriff hinter Gitter. Zur gleichen Zeit rauben mexikanische Banditen unter Führung von Sancho (Fernando Sancho) die Bank der Stadt aus und verschanzen sich auf der Ranch von Major Clyde (Antonio Casas). Der Sheriff bietet Ringo eine Prämie und die Freiheit, wenn er sich unbewaffnet in die Bande einschleicht und die Geiseln befreit. Doch Ringo spielt mal wieder viel lieber sein eigenes Spiel! (Quelle: DVD Cover Koch Media)
„Eine Pistole! Ein Leben für eine Pistole!“

Die italienisch-spanische Koproduktion „Eine Pistole für Ringo“ ist nicht irgendein Italo-Western, sondern die erste Regie-Arbeit in diesem Bereich des Regisseurs Duccio Tessari („Tödlicher Hass“), der zuvor bereits am Drehbuch von Sergio Leones „Für eine Handvoll Dollar“ mitschrieb und diesen Film, der Giuliano Gemma („Der Tod ritt Dienstags“) als Genrestar etablierte (damals noch unter seinem Pseudonym Montgomery Wood), nur ein Jahr später, also 1965, veröffentlichte.

Im US-amerikanisch-mexikanischen Grenzgebiet wird der „Engelsgesicht“ genannte Meisterschütze Ringo wieder einmal verhaftet. Er soll wegen Mordes angeklagt werden, doch er beteuert, dass es Notwehr gewesen sei – wie üblich. Als jedoch eine brutale mexikanische Bande die Bank ausraubt und sich auf der Flucht auf der Ranch Major Clydes (Antonio Casas, „The Good, the Bad and the Ugly“) verschanzt, den sie mitsamt seiner Tochter und aller Bauern als Geiseln nehmen, lässt der Sheriff (George Martin, „Lanky Fellow - Der einsame Rächer“) das Gebiet umzingeln und hat nun die Wahl, tatenlos zuzusehen, wie Gangsterboss Sancho (Fernando Sancho, „Die Rückkehr der reitenden Leichen“) eine Geisel nach der anderen kaltblütig umbringt oder auf die Nationalgarde zu warten, die blindlings alles – egal, ob Freund oder Feind – über den Haufen schießen würde, nur um das geraubte Geld zurückzubekommen. Schließlich bittet er Ringo die Freiheit und 30% der Beute an, wenn er sich erfolgreich bei den Gangstern einschleicht und die Geiseln befreit. Seine Pistole bekommt Ringo jedoch nicht wieder...

Am Genre-Frühwerk „Eine Pistole für Ringo“ merkt man, dass die Genrecharakteristika im Jahre 1965 noch nicht so festgezurrt und auf schweigsame, abgeklärte, dreckige Kopfgeldjäger oder Rächer fokussiert waren. Tessari macht sich einen großen Spaß daraus, klassische US-Western-Elemente aufzugreifen, mit ihnen zu spielen, sie ins Gegenteil zu verkehren oder ironisch mit ihnen zu brechen. Gleichzeitig macht Tessari deutlich, dass wenig heldenhaft der schnöde Mammon an erster Stelle steht, jeder sich selbst der Nächste und ein Menschenleben nicht viel Wert ist. Der ehemalige Stuntman und „italienische Burt Lancaster“ Giuliano Gemma spielt mit viel Athletik seine Rolle als Ringo, der es spitzbübisch faustdick hinter den Ohren hat. Berüchtigt als schneller Schütze hat er bereits viele Kerben auf seinem Revolver, konnte jedoch immer wieder auf Notwehr plädieren und ungeschoren davonkommen. Gemmas gepflegtes Äußeres versucht man gar nicht erst, durch Staub, Schweiß und Dreck zu verdecken; er ist ein Strahlemann, glattrasiert und in sauberer Kleidung, ein supercooler, souveräner Sprücheklopfer und Revolverheld, den nichts aus der Ruhe bringt – womit er sicherlich Pate stand für spätere Genrerollen Terence Hills. Intelligent und verschlagen nimmt er gerne Herausforderungen an, wenn für ihn ordentlich etwas dabei herausspringt. Ähnlich wie Clint Eastwood als namenloser Fremder in „Für eine Handvoll Dollar“ spielt er ein doppeltes Spiel, indem er sich das Vertrauen von Sancho und dessen Bande erschleicht, um am Ende als lachender Gewinner dazustehen.

Sein Gegenspieler Sancho ist ein fieser Mexikaner, wie er im Bilderbuch steht. Mit überdimensionalem Sombrero, Schnauzbart, Hinterlist, ständigem Misstrauen und ohne jedes Gewissen hat er stets den Finger am Abzug und fackelt nicht lange, einen nach dem anderen kaltblütig und sadistisch über die Klinge springen zu lassen – egal ob Freund oder Feind: „Du Bursche redest mir zu schlau, um länger zu mir zu gehören!“ Der Sheriff ist ein Saubermann und typischer US-Western-Verschnitt, dem allerdings in vielerlei Hinsicht die Hände gebunden sind. Obwohl der Film zur Weihnachtszeit spielt und voller Anspielungen auf das christliche Weihnachtsmärchen steckt, gibt es bereits nach 15 Minuten unheimlich viele Tote zu beklagen, jagt den gesamten Film über eine Erschießung die nächste. Dem gegenüber stehen scharfzüngige Dialoge mit viel Humor, eine komische Nebenrolle in Form des Sheriffgehilfen und die bereits angesprochene Ironie. Wenn formelhaft Law-and-Order-Politik vertreten und die Macht des Colts beschworen wird, weiß man nie, wie ernst oder aber überspitzt-karikierend das gemeint ist, eine Art „Running Gag“ ist das Pochen des käuflichen Ringos auf seine Prinzipien: „Es ist eine Frage des Prinzips!“

Die zunächst so klischeehaft wirkenden Nebenrollen entwickeln im Laufe der Handlung zahlreiche unvorhergesehene Wendungen, die die ursprüngliche Ordnung nicht nur durch den Banditenüberfall zerrütten: Da bändelt der saubere, verwitwete Rancher mit der rassigen Gangsterbraut Sanchos an, bis schließlich ein Umdenken bei ihr einsetzt. Dies wiederum geschieht zum Leidwesen der Ranchertochter, die mit dem Sheriff liiert ist, jedoch Sympathien für Ringo zu entdecken scheint. Irrungen und Wirrungen sind vorprogrammiert. Selbstverständlich gerät auch Ringo irgendwann kräftig in die Bredouille und neigt zu auf den ersten Blick nur schwer nachzuvollziehenden Entscheidungen, beispielsweise unter Folter und Todesandrohung seine Forderungen zu erhöhen. Diese hochgradig vergnügliche Unvorhersehbarkeit bei dennoch erahnbarem finalem Ausgang ersetzt zu größeren Teilen heutzutage als klassisch verstandenen Italo-Western-Spannungsaufbau, auf den man ebenso weitestgehend verzichtete wie auf das genretypische Pathos. Für letzteres bleibt auch kaum Zeit, zu actionreich schreitet der Film voran und hat neben Schießereien auch einige tolle Choreographien zu bieten – allein schon, weil Ringo lange Zeit ohne Schießeisen auskommen muss –, für die Gemma kein Double benötigte. Obwohl sich sehr viele Szenen im inneren des Ranch-Anwesens abspielen, bekommt man dennoch herrliche, weitläufige Landschaftsaufnahmen geboten, zu denen die wunderschöne Musik Ennio Morricones erklingt.

Mit einem Übermaß an Spielfreude geht Gemma in seiner Rolle auf, während Fernando Sancho den besten Kontrast darstellt, den man sich nur vorstellen kann. Voller Inbrunst gibt dieser den mexikanischen Fiesling und scheint geboren für die Rolle. Lorella De Luca („Puppe mit Pfiff“) als Rancher-Tochter Ruby wiederum ist die grundgute, kein Wässerchen trüben könnende Reinheit vom Lande und damit das exakte Gegenteil von Sancho-Braut Dolores, gespielt von Nieves Navarro („Nackt unter Kannibalen“), bis sich die Vorzeichen ändern und die Karten neu gemischt werden. Kurzum: Dieser Streifen wurde großartig besetzt. Alles in allem ist Duccio Tessaris „Eine Pistole für Ringo“ ein hochinteressanter, früher Italo-Western, der auch heute noch als höchst unterhaltsame, ungewöhnliche Genreproduktion erscheint, wenngleich zarteren Gemütern der selbstverständliche, höchst zynische und dabei unerhört humorvolle Umgang mit dem massenhaften Ableben Unschuldiger sauer aufstoßen könnte. Ich persönlich bevorzuge letztlich dann doch die auch visuell schmutzigeren, staubigeren Genrevertreter, idealerweise in Kombination mit dem Anspruch eines Leones, Sollimas oder Corbuccis. Als willkommene Abwechslung lasse ich mir eine so tollkühne Sause wie diese aber sehr gerne schmecken und gebe in Anbetracht der übermächtigen Genrekollegen hochverdiente 7,5/10 Punkten.

P.S. Ob „Die Ärzte“ den milchtrinkenden Ringo beim Komponieren ihres Klassikers „Vollmilch“ im Hinterkopf hatten...?
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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Randale
Es ist ein Erziehungsheim wie tausend andere, in dem die 15 Mädchen leben. Äußerlich ein friedlicher Ort, alles ist geregelt. Man hat Verständnis, die Ordnung ist geprägt von Vernunft. Doch unter der glatten Oberfläche brodelt es. Die Mädchen fühlen sich wie Scheintote, eingemauert und unfrei. Ihre Sehnsucht ist ein Zuhause. Doch sie wissen, dass sie gezeichnet sind. Hoffnungslosigkeit, „no future“ scheint das Motto ihres Lebens zu sein. Für die Erwachsenen sind sie lästiger Ballast, abgestempelte Außenseiter. Sie wissen es und ihre Antwort heißt Randale ... (Quelle: Cent-Entertainment/Lisa-Film-DVD-Covertext)
„Die lügt doch, was die Fotze hält!“

Die anscheinend letzte Regiearbeit des Deutschen Manfred Purzer („Das Netz“) war „Randale“ aus dem Jahre 1983, ein vom ZDF vermutlich fürs Fernsehen koproduziertes Drama, das durch den zumindest auf DVD enthaltenen Titelzusatz „Junge Mädchen hinter Gittern“ eine Nähe zu Frauengefängnisfilmen suggeriert.

„Randale“ beschäftigt sich jedoch mit dem Leben minderjähriger pubertierender Mädchen hinter den Mauern eines Erziehungsheims und kehrt einzelne Schicksale heraus, um diese näher zu betrachten. Auch die Erzieherinnen und ihre Arbeit werden beleuchtet. Aufhänger des Films ist die Ankunft der neuen, motivierten und idealistischen Praktikantin Agnes, deren genaues Gegenteil die trinkende, resignierte und zynische Vorgesetzte ist. Etwas eigenartig und phasenweise leider recht langweilig erzählt, zeigt der Film ständig „Hang down your head, Tom Dooley“ mit deutschem Text singende Jugendliche, die erniedrigende Untersuchungen über sich ergehen lassen müssen, Gefahr laufen, in die Fänge von Zuhältern zu gelangen und sichtlich unter Bevormundungen, Gruppenzwang und Sippenhaft leiden, die nur schwer geeignet sind, ihre Probleme in den Griff zu bekommen. Doch auch die etwas blauäugige Praktikantin gerät an ihre Grenzen, beißt häufig auf Granit und kommt nur schwer an die Mädels heran, die ihr zum Teil mit offener Aggression gegenübertreten. Wirkliche Lösungen bietet der Film genauso wenig an wie auf den Zuschauer überschwappende Emotionen oder das tatsächliche Wecken von Empathie. Stattdessen ergeht man sich in einem exploitativen Sleaze-Anteil, wie er heutzutage vermutlich kaum noch Verwendung fände und fällt einigen Klischees anheim, die nicht sonderlich von Einblick der Filmemacher in die Materie zeugen. Die in diesem Zusammenhang bemerkenswerteste Szene ist sicherlich die der wie Rocker auf Motorrädern ins Heim stürmenden „Punks“, von denen der eine mehr schlecht als recht auf Subkultur gestylte Laiendarsteller herrlich herumpöbeln und sich zum Fremdschämen animierende Rangeleien mit seiner Freundin und einer Heimaufseherin liefern darf. Klasse hingegen ist eine Dose Karlsquell im Auto, das nenne ich Zeitkolorit!

Tatsächlich gut gelungen und erinnerungswürdig ist ein atmosphärischer Moment, in dem die Mädchen mit weißer Creme im Gesicht im Nachthemd Spalier stehend und rauchend die Heimleiterin abpassen. Ansonsten überwiegt aber der Eindruck eines irgendwie hinsichtlich des Themenkomplexes Pädagogik, Autorität und Gefahren ambitionierten Films, der an der Balance zwischen Anspruch und Unterhaltung gescheitert ist und sich keines so richtig zutraut – oder aber dem für beides schlicht die Mittel fehlten. Biedere und dröge deutsche TV-Unterhaltung auf der einen und Freizügigkeit sowie juvenile Aufmüpfigkeit auf der anderen Seite wollen nicht so recht zusammenpassen und wirken aus heutiger Sicht in erster Linie kurios. Na gut, die mitunter etwas gezwungen klingenden Dialoge sind gar nicht so übel: „Ordnung regiert die Welt – und der Knüppel die Leute!“ Falls der Film tatsächlich einmal von Bedeutung war, ist er eher schlecht gealtert – trotz Angelica Domröse („Die Legende von Paul und Paula“) in der Rolle der Heimleiterin Andrea.
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Dracula – Immer bei Anbruch der Nacht
Der Kleinstadtarzt Paul Beecher (John Beal) wird in das Labor des Wissenschaftlers Campbell (Wood Romoff) gerufen, kann diesem aber nicht mehr helfen. Campbell gibt ihm jedoch einen Behälter mit seltsamen Pillen, bevor er stirbt, auf die Beecher achten soll. Später am Tag erleidet er einen Migräneanfall und nimmt dagegen Tabletten, verliert dann aber am nächsten Tag gleich den nächsten Patienten, Mrs. Wilkins (Ann Staunton), die ein schwaches Herz hatte. Kurz darauf erfährt er von Campbells Kollegen Beaumont und Winston, daß der Wissenschaftler an einer drogenähnlichen Substanz gearbeitet hat, die die Agressivität bei Tieren steigern soll und hoch abhängig macht. Gewonnen wurde sie aus dem Blut von Fledermäusen - und Beecher vermutet nun, daß das nicht nur die Droge ist, die Campbell ihm gegeben hat, sondern er auch versehentlich eine davon genommen hat, was die seltsam verschwommenen Träume erklärt, die er von dem Todesopfer Mrs.Wilkins hat. Aus Angst vor dem Tod nimmt Beecher das Mittel weiter...und es kommt zu weiteren Todesfällen...
„Sind Sie die Sprechstundenhilfe?“ – „Was denn sonst?“ – „Aber doch bloß in Vertretung für die kleine Dicke!?“ – „Die kleine Dicke...?“ – „Ja, mit Brille und Raffzähnen!“

Der in erster Linie als TV-Serien-Regisseur tätig gewesene US-Regisseur Paul Landres („Draculas Blutnacht“) drehte im Jahre 1957 mit „Dracula – Immer bei Anbruch der Nacht“ einen kleinen, feinen B-Horror-Movie, dessen im Zuge der DVD-Veröffentlichung aktuelle deutsche Titelgebung etwas verwirrend ist – zwar lautet der Originaltitel „The Vampire“, klassischen Dracula-Vampirhorror darf man jedoch nicht erwarten. Vielmehr handelt es sich um eine in der damaligen Gegenwart spielende freie Vermischung von Vampir- mit „Dr. Jekyll & Mr. Hyde“-Thematik.

Kleinstadtarzt Paul Beecher (John Beal, „Die Firma“) kann dem sterbenden Wissenschaftler Campbell (Wood Romoff) nicht mehr helfen, bekommt aber noch einen Behälter Pillen zugesteckt, auf die er gut Acht geben solle. Als er einen seiner Migräneanfälle erleidet, greift er aus Versehen zu den Pillen Campbells. Seltsame Todesfälle in seinem Umfeld häufen sich ebenso wie seine Erinnerungslücken und verschwommenen, fiebrigen Alpträume – und bald erfährt er, dass es sich bei den Pillen um eine Substanz handelt, die die Aggressivität von Tieren steigern soll und aus dem Blut von Fledermäusen gewonnen wurde. Längst ist Beecher abhängig geworden von den zellzersetzenden Pillen, die nicht nur sein Leben bedrohen...

Ein bisschen Vampir-/Fledermaus-Mythologie, eine deftige Prise „Mad Scientist“ allgemein und ganz viel Jekyll/Hyde – fertig ist Landres’ Gebräu, das einen sehr unterhaltsamen, kurzweiligen, schwarzweißen B-Movie ergibt. Das Monstrum ist wie so häufig eigentlich ein bemitleidenswerter Tropf, denn Beecher kann nun wirklich gar nichts für sein Schicksal, was dem Film eine starke tragische Note verleiht. Einen ausgetüftelten Spannungsaufbau à la Jack Arnold sollte man nicht erwarten, dafür überzeugt aber der wohldosiert eingesetzte Humor und auch die Make-Up-Effekte können sich sehen lassen. Etwas abrupt mit Überblendungen gefilmt wurde die Verwandlungsszene, was ihrem Charme indes nichts anhaben kann. Spaßigerweise gab es damals anscheinend keine ärztliche Schweigepflicht und so wird viel geschnattert und getratscht. Dank patenter schauspielerischer Leistungen und nostalgischer ’50er-Kleinstadt-Atmosphäre erscheint dies jedoch nicht als unbeholfenes Streckmittel, sondern treibt die Handlung voran, während der der Zuschauer stets einen Wissensvorsprung vor Beecher allein schon deshalb hat, weil der Film seine Spannung weniger aus der Identität des Mörders als aus der tatsächlichen Wirkung der geheimnisvollen Substanz zieht. Parallelen zu Drogenmissbrauch und der Unberechenbarkeit neuartiger Medikamente sind deutlich erkennbar.

Fazit: Ein prima Horrorfilm aus der B-Riege des phantastischen US-Kinos der 1950er für Kenner und Genießer und ungleich gelungener als der nur ein Jahr später erschienene und von echten Vampiren handelnde „Draculas Blutnacht“ desselben Regisseurs.
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The Black Cat
Der erfolglose Autor Lou erhält von seiner Frau am ersten Jahrestag eine schwarze Katze als Geschenk. Als er sich betrinkt, greift er seine Frau an und glaubt im Wahn, die Katze sei die Reinkarnation des Vaters, den er immer gehasst hat. So versucht Lou, der Katze den Garaus zu machen, wobei seine Brutalität immer grenzenloser, seine Trinkerei immer zügelloser und sein Wahnsinn immer größer wird. Lou foltert die Katze zu Tode, doch dann taucht eine neue schwarze Katze auf – und Lou ist panisch, dass sie gekommen ist, um sich an ihm zu rächen. (Quelle: Savoy-Film/Intergroove-DVD-Covertext)
„Warte nur, bald kommt die Zeit, dann wird das Böse siegen. Und du kannst nichts dagegen tun – der Dämon wird dich kriegen.“

Die anscheinend dritte Verfilmung der Kurzgeschichte „The Black Cat“ von Edgar Allan Poe dürfte der gleichnamige Schwarzweiß-Horrorfilm sein, der 1966 unter der Regie des US-Amerikaners Harold Hoffman inszeniert wurde und dessen einzige Spielfilm-Regiearbeit bleiben sollte.

Der recht erfolglose Schriftsteller, dafür umso trinkfreudigere junge Mann Lou bekommt von seiner Frau eine schwarze Katze geschenkt. In seinem Alkoholwahn vergreift er sich an der Katze, schneidet ihr ein Auge heraus und misshandelt sie schließlich zu Tode. Doch plötzlich taucht eine neue schwarze Katze auf...

Obgleich zeitlich in der Gegenwart zum Zeitpunkt des Filmdrehs angesiedelt, ist Hoffmans „The Black Cat“ eine relativ vorlagengetreue Adaption der Kurzgeschichte Poes, wenngleich ihr viel psychologischer Tiefgang abgeht und einige Streckmittel angewandt werden mussten, um die Handlung auf Spielfilmlänge zu bringen. Die Schauspieler sind überwiegend unerfahren, was man insbesondere Robert Frost in der Rolle Lous anmerkt. Seine Freundin sieht permanent aus, als würde sie eine Perücke auf dem Kopf tragen. Durch Overacting wird versucht, den Zuschauer von Lous Wahnsinn zu überzeugen, was in unwirklichen, kruden, rauen Szenen mündet. Einerseits deutlich als solches erkennbares Streckmittel, andererseits aber visueller wie musikalischer Leckerbissen sind die ellenlangen, ekstatischen Tanzszenen während Lous Besuch eines Rock’n’Roll-Konzerts, die sich auf ihre Weise in den etwas kuriosen Stil des Films einfügen. Vorläufiger Höhepunkt ist, wie Lou seiner wie ein Löwe brüllenden Katze das Auge herausschneidet, was man in der expliziten Form der Umsetzung von einem solchen Schwarzweiß-Film nicht unbedingt erwartet hätte. In einer weiteren Konzertszene werden Lous Alpträume durch eine einäugige bzw. Augenklappe tragenden Band visualisiert; ein ebenso origineller Kniff des Films wie die zum Teil kreative Kameraarbeit, die die altbekannte Geschichte entschieden aufpeppt und die eigentlich recht offensichtlich kostengünstige Machart mal mehr, mal weniger erfolgreich etwas zu verschleiern vermag.

Der langsame Aufbau von Spannungsszenen erinnert wie so vieles an klassisches Grusel- und Thriller-Kino der 1950er-Dekade, wozu dann auch eine mit deutlich als solchen erkennbaren Miniaturbauen umgesetzte Brandszene gehört. Das Orchester spielt fast unentwegt und sorgt für stimmige musikalische Untermalung des Geschehens, wenngleich es mitunter etwas dominant in den Vordergrund gerückt wird. Lous Wahnsinn gipfelt dann in einer schockierenden Axtmordszene, die in ihrer blutigen Umsetzung ungewöhnlich harsch für einen Film dieser Art erscheint – eine Steigerung zu und gleichzeitig konsequente Entwicklung aus den gezeigten Tiersadismen. Lous Motivation für sein Verhalten indes wird trotz einiger bemühter Verweise auf eine gestörte Beziehung zu seinem Vater nicht so recht deutlich, was ich als den größten Schwachpunkt des Films erachte. An die bekannte Schlusspointe wird eine Verfolgungsjagd mit noch einer weiteren Pointe angehängt, was zumindest für einen zusätzlichen Überraschungseffekt sorgt. Im Endeffekt wirkt Hoffmans Poe-Variation wie ein besonders kruder Drive-in-Movie eines unerfahrenen Teams, der zeitlich etwas spät dran war und das durch explizite Brutalität zu kaschieren versucht. Für Genrefreunde ein interessanter Leckerbissen, der trotz seiner Schwächen fesselt und gut unterhält.
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Psycho Legacy

Nachdem bereits die „Freitag, der 13.“-, „Halloween“- und „A Nightmare on Elm Street“-Horrorfilmreihen ausführlich in Dokumentarfilmen behandelt wurden, wobei sich besonders die beiden letztgenannten qualitativ wie informativ hervortaten, machte sich US-Regisseur Robert V. Galluzzo mit seinem Regiedebüt auf, der von Alfred Hitchcock initiierten „Psycho“-Reihe um Motelbetreiber, Muttersöhnchen und Psychopath Norman Bates alle Ehre zu erweisen. Der 2010 erschienene Film „Psycho Legacy“ behandelt dabei nicht nur Hitchcocks Meisterwerk, sondern auch die von der Kritik unterschiedlich aufgefassten drei Fortsetzungen.

„Psycho Legacy“ setzt sich in erster Linie aus Interviews mit beteiligten Regisseuren und Schauspielern, von „Psycho“ beeinflussten Filmschaffenden und belesenen Fans sowie kommentierten Filmausschnitten zusammen und geht dabei in seinen rund 90 Minuten chronologisch vor. Da sowohl Alfred Hitchcock als auch Norman-Bates-Darsteller Anthony Perkins leider verstorben sind, muss man für beide auf Archivmaterial zurückgreifen. So erfährt man, was am 1960 veröffentlichten „Psycho“ so neu und andersartig war, dass er nicht nur zu einem der erfolgreichsten und meistzitierten Horrorfilme, sondern auch zum Prototypen eines Jahre später von John Carpenter mit „Halloween“ ins Leben gerufenen Subgenres, dem „Stalk’n’Slash“-Film, kurz: Slasher, avancierte. So machte Hitchcock beispielsweise Schluss mit der Unsitte, dem Publikum zuzugestehen, ruhig etwas später in die Vorstellung kommen zu können, da zu Beginn eines Films ohnehin nicht viel passiert. Wer bei „Psycho“ zu spät kam, hatte das Nachsehen. Zudem bat er um absolute Geheimhaltung des Plottwists, der die Identität des Mörders und dessen Motiv enthüllt. Auf Feinheiten wie Hitchcocks Vogelsymbolik wird ebenso eingegangen wie auf die berüchtigte Filmmusik, die schockierende Duschszene und ganz besonders natürlich auf Hauptdarsteller Anthony Perkins. Dieser war vor „Psycho“ vornehmlich der nette Junge von nebenan, nahm aber die Rolle an, identifizierte sich mit ihr und führte sie weiter, baute sie aus. „Psycho Legacy“ erklärt, wie Hitchcock das Filmemachen verändert und geprägt und den Grad der Akzeptanz von Gewalt im Film erhöht hat. Und wer es nicht ohnehin schon wusste, erfährt, dass der US-amerikanische Serienmörder Ed Gein reales Vorbild für den Charakter Norman Bates war.

Während sich hinsichtlich der Qualitäten des Original-„Psycho“ heutzutage alle weitestgehend einig sein dürften, gehen die Meinungen in Bezug auf die Fortsetzungen stark auseinander. Erst im Jahre 1983 wagte sich US-Regisseur Richard Franklin („Link, der Butler“) an „Psycho II“, der von einem nach 22 Jahren als geheilt entlassenen Norman Bates ausgeht und Anthony Perkins erneut für dessen Paraderolle gewinnen konnte. Die Auseinandersetzung mit den so ein bisschen ein stiefmütterliches Dasein gefristeten Fortsetzungen ist für mich das eigentlich Interessante an „Psycho Legacy“. Auch für die künstlerischen Details dieser Filme wird der Blick geschärft, über Erfolg und Misserfolg informiert, Konzepte und Drehbücher erläutert. Im Mittelpunkt steht nach wie vor Perkins, über dessen Zusammenarbeit Regisseure und Schauspielkollegen berichten. „Psycho III“ wurde von Perkins höchstpersönlich inszeniert, für „Psycho IV“ die Mythologie abgeändert und Stephen-King-Hausregisseur Mick Garris verpflichtet. Das ist alles zweifelsohne interessant zu verfolgen und macht große Lust, sich die Filme (noch) einmal anzusehen – als etwas problematisch empfinde ich jedoch die Perspektive: Diese fiel recht einseitig aus, wirkliche kritische Stimmen finden keine Berücksichtigung. Das ist schade, denn gerade die Gegenüberstellung von argumentativ untermauerter positiver und negativer Kritik wäre interessant gewesen. Diese Chance ergreift Galluzzo leider nicht, so dass „Psycho Legacy“ bisweilen wie eine Werbeveranstaltung für die Filmreihe wirkt. Generell erscheint die Laufzeit des Films aber auch etwas zu kurz geraten, um wirklich in die Tiefe gehen zu können.

Die Interview-Passagen wurden so zusammengeschnitten, dass sich ein unterhaltsamer, dynamischer Informationsfluss ergibt. Der radikale Schnitt verfuhr jedoch vermutlich nach dem Motto „besser zu wenig als zu viel“ und ließ mit Sicherheit viel Interessantes unter den Tisch fallen, gefangengenommen vom 90-Minuten-Diktat. Wem es nach mehr dürstet, wird aber vermutlich im ausgiebigen Bonusmaterial der Heimkino-Veröffentlichungen fündig werden. „Psycho Legacy“ ist eine unterm Strich nicht uninteressante Ehrerbietung an die gesamte Filmreihe, die in erster Linie dazu animiert, sich selbst mit den Filmen auseinanderzusetzen, aber auch schönes, rares Bild- und Videomaterial Anthony Perkins‘ bietet, der mit seinem Schauspiel alle vier Filme prägte und hoffentlich auf ewig unvergessen bleiben wird.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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