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Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Verfasst: Mi 6. Mär 2013, 00:22
von buxtebrawler
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Das Millionenspiel
Lotz ist Kandidat beim Millionenspiel, einer Live-Show, wo er von drei Profikillern gejagt wird und eine Woche lang überleben muss, um den Preis von einer Millionen Mark zu gewinnen. Doch das ganze ist kein Spiel: Die Killer schießen mit echten Patronen und haben den Auftrag, während dieser Zeit Lotz zu töten. Erst wenn er es ins Studio geschafft hat, ist er in Sicherheit. Die komplette Jagd wird via Kameras live übertragen...
„Meine Grundeinstellung dazu ist: Wenn einer ins Wasser springen will, dann soll man ihm keinen Kahn kaufen.“

„Das Millionenspiel“ ist eine in vollkommenem Ernst präsentierte TV-Satire aus dem Jahre 1970, dessen Drehbuch aus der Feder Wolfgang Menges („Ein Herz und eine Seele“) stammt, das wiederum auf der Kurzgeschichte „The Prize of Peril“ des US-amerikanischen Schriftstellers Robert Sheckley basiert. Die Regie führte Tom Toelle („Der Trinker“). Es handelt sich um die erste Verfilmung einer medialen Menschenjagd-Geschichte.

Bernhard Lotz ist Kandidat der fünfzehnten Ausgabe des „Millionenspiels“, einer Sendereihe des privaten TV-Senders „TETV“, die traumhafte Einschaltquoten erzielt. Gejagt von drei Killern, der Köhler-Bande, muss er eine Woche lang überleben, um das Preisgeld von einer Million Mark zu gewinnen. Die Killer wiederum erhalten umso mehr Geld, je später sie Lotz erwischen und töten. Showmaster Thilo Uhlenhorst führt durch die Livesendung, die sich mit zahlreichen Einspielern des ungleichen Duells einem sensationslüsternen Millionenpublikum präsentiert und die normale Bevölkerung einbezieht, indem sie Lotz sowohl helfen, als auch ihn verraten darf. Wird Lotz es schaffen, bis zum Showdown im Fernsehstudio zu überleben?

Die Dystopie des „Millionenspiels“ wurde im Jahre 1973 – also in einer nahen Zukunft – zeitlich angesiedelt, was noch lange vor der tatsächlichen Liberalisierung des Rundfunks war, die privaten Betreibern Tür und Tor öffnete. In hochgradig realistischem Stil wird der Zuschauer Zeuge der Live-Sendung, des Überlebenskampfes Lotz‘ und der Abläufe hinter den Kulissen. Gedreht wurde mit tatsächlichen bekannten Gesichtern aus der Fernsehwelt wie Dieter Thomas Heck und Heribert Faßbender. „Das Millionenspiel“ sollte sich als visionär erweisen, indem es den heutzutage längst als Normalität angesehenen Werteverfall weiter Teile des Fernsehens überspitzt aufs Korn nimmt und anprangert. Die Sensationslust des Publikums sowohl weckende als auch befriedigende TV-Formate sind längst Alltag, ebenso ständige Werbeunterbrechungen, die hier vom fiktiven Hauptsponsor „Stabilelite“ mit allerlei kuriosen Werbespots gefüllt werden. Kritische Stimmen der Zuschauer erfüllen eine Alibifunktion, wenn sie neben zahlreichen positiven eingespielt werden, denn die Sendungsmacher können sich sicher sein: Ansehen tun sich die Sendung ohnehin alle; Hauptsache, es wird darüber geredet. Die zynische Art der Moderation heuchelt Empathie für Lotz, während im Hintergrund der Spielverlauf manipuliert wird, um ihn möglichst spektakulär zu gestalten. Die Auftragskiller der Köhler-Bande werden in ihrem Handeln nicht mehr als kriminell verurteilt und müssen am Ende der mit Varieté-Einlagen garnierten Show gar Autogramme verteilen.

So kritisch es auch zu betrachten sein mag, wenn von amoralischer, ethisch bedenklicher Unterhaltung schwadroniert und der pädagogische Zeigefinger erhoben wird, so treffsicher legt das Team Menge/Toelle bisweilen subtil schwarzhumorig den Finger in die Wunde von Quotenjagd und der Suche nach einem kleinsten gemeinsamen Nenner, um möglichst breite Zuschauerschichten zu erreichen, dabei jedoch Bildungsauftrag und sozialethische Werte vernachlässigen. Jörg Pleva macht dabei als gehetzter Lotz eine sehr gute, weil authentische Figur, Kabarettist Dieter Hallervorden („Didi, der Doppelgänger“), der später stets zwischen plumpem Klamauk und anspruchsvollem politischem Kabarett pendeln sollte, ist in einer seiner ersten Filmrollen mit ungewohnten Ernst als Namensgeber und Anführer der Köhler-Bande zu sehen, die sich aus Kriminellen zusammensetzt, die unbehelligt ihrer Tätigkeit als Auftragskiller fürs Fernsehen nachgehen können. Hallervorden setzt eine finstere Verbrechervisage auf, die ihm besser steht als manch Grimasse. Showmaster Dieter Thomas Heck spielt Showmaster Thilo Uhlenhorst und sich damit quasi selbst, Dampfplauderei, die sich selbst gern reden hört und marktschreierisch den größten Dreck als spannenden kulturellen Höhepunkt ankündigt – was wenn überhaupt nur marginal von Hecks tatsächlicher Tätigkeit entfernt ist und es deshalb überrascht, dass ausgerechnet er diese Rolle übernahm, die sein eigenes Tun infrage stellt.

Der spannend inszenierte Film erzeugte seinerzeit einen TV-Skandal und wurde von Teilen der Zuschauerschaft – eben jenen, an denen sich heutzutage viele Privatsender orientieren – als echte Show erachtet, die sich daraufhin als Jäger oder Gejagte bewarben. „Das Millionenspiel“ hielt und hält den Zuschauern einen Spiegel vor, zeigt aber auch anhand unheimlich trister Bilder deutscher Innenstädte, weshalb man es sich 1970 lieber auf dem Fernsehsessel bequem machte. Selbst vor Mutter Lotz macht die Begeisterung für das Format nicht Halt, sie spielt mit und wünscht ihrem Sohn vor laufenden Kameras im Studio stolzerfüllt viel Glück, was die breite Akzeptanz derartiger Formate noch einmal unterstreicht und Parallelen zu heutigen Sendungen hervorruft, in denen beispielsweise Eltern vollkommen arglos ihre Kinder vor die Kamera zerren. Kurios ist, dass mit Dieter Thomas Heck ein CDU-Mitglied für den Film verpflichtet wurde, dessen Partei später maßgeblich für die Öffnung des Rundfunkmarktes verantwortlich war und bewusst die Entstehung von Privatsendern vorantrieb, hinter denen reiche Geldgeber stehen, deren Hauptinteresse nicht der seriösen Berichterstattung gilt und die keineswegs an einer Veränderung der Herrschaftsverhältnisse und der gerechteren Verteilung des Reichtums interessiert sind, sondern nach dem „Brot und Spiele“-Prinzip die Zuschauer einzulullen und abzulenken versuchen. Auch die F.D.P., der wiederum Dieter Hallervorden nahesteht, schlägt in ihrer politischen Ausrichtung in dieselbe Kerbe, wobei sich – insbesondere im Vergleich zu Heck – Hallervorden durchaus mit bissigem Kabarett um die politische Bildung des Publikums verdient macht.

Stephen King verfasste im Jahre 1982 unter seinem Pseudonym „Richard Bachman“ den Roman „Menschenjagd“, der noch ein paar Schritte weiter ging und die Dystopie noch einmal verschärfte. Dieser wurde als „Running Man“ mit Arnold Schwarzenegger in der Hauptrolle als simpler Actionfilm verfilmt, beraubt um seine gesellschafts- und medienkritische Relevanz. „Das Millionenspiel“ ist „Runing Man“ daher in jedem Falle vorzuziehen und auch ungeachtet dessen ein großer Klassiker des mutigen deutschen Fernsehfilms.

Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Verfasst: Mi 6. Mär 2013, 18:16
von buxtebrawler
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Goldfinger
Die teuerste Art zu töten. James Bond, der Superagent seiner Majestät, wird auf die Fährte eines verbrecherischen Genies gesetzt, das die Goldreserven von Fort Knox in seinen Besitz bringen will. Bonds Gegner Goldfinger ist der Mann, der seine abtrünnig gewordene Geliebte einem tödlichen Veredelungsprozeß aussetzte, indem er sie mit Gold überzog. Männliche Rivalen barbiert Odd-Job, der Leibwächter des exzentrischen Mulitmillionärs, mit seiner rasiermesserscharfen Hutkrempe aus Metall. Mit Hilfe von Pussy Galore will Bond den Raub des Goldes vereiteln...
„Er ist Engländer, aber das merkt man nicht!“ (Ist das jetzt positiv oder negativ gemeint?)

„Goldfinger“ aus dem Jahre 1964 war der erste James-Bond-Film, der unter der Regie Guy Hamiltons („Diamantenfieber“) entstand und der dritte überhaupt in der britischen Reihe der Mutter aller Agentenfilme, die von Schriftsteller Ian Fleming erdacht wurde, der auch für „Goldfinger“ die Romanvorlage lieferte und tragischerweise im Jahr des Kinostarts verstarb. Verbrechergenie Goldfinger (Gert Fröbe, „Der kleine Vampir“) will Fort Knox plündern, James Bond (Sean Connery, „Der Name der Rose“) soll das verhindern.

Der weltgewandte Mr. Goldfinger, der sein Leben der Sammlung von Edelmetallen verschrieben hat, lange vor der sexuellen Revolution und Gleichstellung der Geschlechter auffallend viele Frauen beschäftigt und ihnen damit Karrierechancen außerhalb von Heim und Herd bietet, will also die US-amerikanische Regierung ihres obszönen Reichtums entledigen, die damit ohnehin nur Fragwürdiges leistet. Bei revolutions- und Beatles-feindlichen Sprüchen treffen sich geheime Regierungskreise protzig bei Cognac und teuren Zigarren in noblen Prunkbauten und beauftragen den chauvinistischen Auftragskiller James Bond, die Umverteilung des Reichtums mit allen Mitteln zu verhindern! So zieht die über dem Gesetz stehende und sich vor keinem Gericht verantworten müssende Tötungsmaschine auf der Suche nach Mr. Goldfinger von dannen…

Der gutaussehende, aalglatte Bond manipuliert ein Kartenspiel Mr. Goldfingers mit einem Geschäftspartner, indem er eine von Goldfingers Angestellten bedroht und anschließend verführt. Schwer enttäuscht von der Illoyalität der Dame, muss Mr. Goldfinger das Beschäftigungsverhältnis notgedrungen aufkündigen, vermacht ihr jedoch noch eine opulente Abfindung in Form eines Ganzkörperdresses aus echtem Gold. Doch Bond treibt weiter sein perfides Spiel und lädt Goldfinger zu einer Partie Golf. Auch hierbei hält er allerdings nicht viel von Fairness und Sportsgeist und kommt nur durch Betrug zum Sieg. Dennoch nimmt Goldfinger, der Arbeitsplätze für Migranten aus dem asiatischen Raum schafft, es gelassen und lässt seinen sprachbehinderten, ostasiatischen Assistenten, der vermutlich große Schwierigkeiten hätte, einen anderen Job zu finden, aber glücklicherweise von Goldfingers sozialer Ader für Minderheiten und Randgruppen profitiert, Bond zu Ehren Kunststücke mit seiner Kopfbedeckung aufführen. Als Bond wenig später luxuriös in einem Privatflieger zu Goldfingers Anwesen chauffiert wird, behandelt Goldfinger ihn noch immer bevorzugend und präsentiert ihm neueste Technik, lange bevor diese auf internationalen Fachmessen ausgestellt wird. Bond kam gerade rechtzeitig, um Zeuge zu werden, wie Goldfinger der Menschheit weitere große Dienste leistet, indem er kurzerhand die Mafia quasi komplett zerschlägt. Was für ein Mann! Doch der notgeile Bond weiß all das nicht zu würdigen, belästigt permanent die Angestellten sexuell und verfolgt weiter starrsinnig seinen unheilvollen Regierungsauftrag. Um das US-amerikanische Vorrecht auf den Goldschatz zu sichern, nimmt er sogar billigend den Tod zahlreicher Angestellter des Sicherheitsdienstes Goldfingers in Kauf und wütet sich mit Unterstützung des Militärs wie ein Berserker durch wahre Leichenberge, nur um in allerletzter Sekunde doch noch sein Ziel zu erreichen – Gold ist eben viel mehr wert als Menschenleben, zumindest im zynischen Weltbild Bonds und seiner Auftraggeber…

Im Ernst: Hamiltons Film macht es dem Zuschauer nicht leicht, den widerwärtigen Bond als Sympathieträger zu akzeptieren. Als hätte es die Anti-Helden des Film noir nie gegeben, wird hier ein glattgebügelter, patriotischer Schönling und Snob als „Held“ installiert, dass man unweigerlich geneigt ist, dem allerdings in der Tat sehr gelungen als comichaften Superschurken charakterisierten Goldfinger die Daumen zu drücken, der von Gert Fröbe wunderbar mit Leben und Charisma gefüllt wird. Der himmelschreiende Sexismus des Films wirkt längst überholt und damit aus heutiger Sicht befremdlich und peinlich bis unfreiwillig komisch. Zwischen langwierigen Golfspielen, übertrieben schnellen Explosionen, faszinierenden Frauen und Bonds schleimigem Gebaggere begeistert vor allem Goldfingers Anwesen mit all seinen technischen Möglichkeiten und gewinnt die erzählte Geschichte im Laufe der Handlung tatsächlich bis zum Showdown in Fort Knox an Qualität. Der berühmte Bond-Dienstwagen Aston Martin DB5 kommt hier erstmals zum Einsatz und erheitert mit seinen zahlreichen Gadgets das Kind im Manne, musikalisch überzeugt der von Shirley Bassey gesungene Titelsong, der folgerichtig die Charts stürmte. Seinerzeit spielte „Goldfinger“ Rekordergebnisse ein und gilt bis heute als der vielleicht beste Bond-Film überhaupt, ich persönlich bevorzuge meinen „Eurospy“ jedoch in komödiantischer/parodistischer Form und bin ansonsten mehr an ambivalenteren Hauptfiguren interessiert. Nichtsdestotrotz muss ich der Bond-Reihe aber zugestehen, einige hochinteressante Schurken kreiert zu haben, die i.d.R. weitaus charismatischer sind als ihre Gegenspieler. Sofern dies der Hauptgrund für die anhaltende Bond-Manie ist, kann ich sie zumindest im Ansatz nachvollziehen.

Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Verfasst: Fr 8. Mär 2013, 14:13
von buxtebrawler
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Zwei Trottel gegen Goldfinger

Zwischen 1964 und 1966 brachte es das italienische Komiker-Duo Franco e Ciccio auf satte 42 (!) Filme. Zu den besseren dieser Massenproduktion soll die „Goldginger“-Parodie „Zwei Trottel gegen Goldfinger“ zählen, der im Jahre 1965 unter der Regie Giorgio Simonellis („Ursus der Unbesiegbare“) entstand und bis dato der einzige ist, den ich mir zu Gemüte geführt habe.

Limonadenhersteller Goldfinger (im Original „Goldginger“, gespielt von Fernando Rey, „Navajo Joe“) will die Weltherrschaft an sich reißen und lässt zu diesem Zwecke arglose Bürger wie Franco und Ciccio hochrangige Persönlichkeiten aus Politik und Militär mittels eines Spezialapparats fotografieren, die dadurch zu willenlosen Zombies werden. Deshalb entsendet der Geheimdienst Agent 007 (George Hilton, „Der Killer von Wien“), der jedoch kläglich versagt. Nun liegt am trotteligen Duo, die Welt zu retten…

Ich bin mir gar nicht sicher, ob ich die Prämisse des Films 100%ig richtig wiedergegeben habe, aber die ist auch nebensächlich in diesem Klamauk-Feuerwerk oberster Kajüte, durch das sich Franco und Ciccio im Affenzahn blödeln, wortwitzeln, slapsticken, grimassieren und gestikulieren. Mit so manch italienischer Komödie tat ich mich bislang schwer und so war ich auch hier auf alles gefasst – was mir sicherlich dabei half, „Zwei Trottel gegen Goldfinger“ genießen zu können. Hinzu kommt, dass ich ohnehin bereits die Original-„James Bond“-Filme überhaupt nicht erstnehmen kann und von daher meinen „Eurospy“ üblicherweise komödiantisch bzw. parodistisch bevorzuge. Am wirklichen „Goldfinger“ orientiert man sich nur grob, übernimmt einige Szenen wie das Tauchen zu Beginn, die goldüberzogene Lady (Rosalba Neri, „Sklaven ihrer Triebe“) oder die geplante saubere Zweiteilung der Agenten und Elemente wie den hier „Mordi“ genannten und Grunzlaute absondernden Gehilfen Goldfingers (Dakar, „Zombies unter Kannibalen“) – und lässt den eigentlich 007 bereits zu einem frühen Zeitpunkt das Zeitliche segnen, an dessen Stelle unsere beiden Chaoten treten. Dieser rotzfreche Umgang mit dem Original gefällt mir und anstelle eines aalglatten Snobs nun den permanent und angestrengt eine Grimasse auf seiner Visage vor sich hertragenden Franco in der Hauptrolle zu sehen, bedarf zwar starker Nerven und schlechten Geschmacks, ringt mir ebenso wie der Dauerblödelfaktor in seiner Konsequenz aber Respekt ab und unterhält mich aufgrund seiner vollkommenen Übertreibung köstlich!

Very british geht es hier natürlich nicht zu, viel mehr molto italiano, denn das delirierende Geplappere der beiden ohne Luft zu holen und vor allem die sich ständig zwecks wilden Gestikulierens in der Luft befindenden Hände und Arme stecken auch noch in der deutschen Synchronisation, in der bestimmt einiges verlorenging, voller Südländer-Temperament. Heilig ist den beiden natürlich nichts und so jagt ein gerade aus heutiger Sicht politisch wenig korrekter Gag den nächsten, gefällt aber insbesondere der respektlose Umgang mit staatlichen Autoritäten, der dem Humor einen anarchischen Anstrich verleiht. Auch schöne Frauen dürfen nicht fehlen, allen voran Gloria Paul („Die drei Suppermänner räumen auf“) als Angestellte Goldfingers. „Zwei Trottel gegen Goldfinger“ nimmt keinerlei Rücksicht auf Verluste, lässt sich seine beiden Protagonisten völlig zum Horst machen und vergisst bei allem jedoch nicht, gelungene parodistische Akzente zu setzen und das „Vorbild“ noch lange vor „Austin Powers“ deftig zu verulken. Besser, als ich es erwartet hatte und in einem „Double Feature“ mit Hamiltons „Goldfinger“ eine empfehlenswerte Abwechslung für dem maschinengewehrsalvengleichen Italo-Brachialhumor aufgeschlossen Gegenüberstehende.

Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Verfasst: Di 12. Mär 2013, 22:00
von buxtebrawler
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Smog
Das Ruhrgebiet leidet auf Grund von anhaltendem Hochdruckeinfluss zusehendst an den Negativfolgen - SMOG. Morgends wenn der Vater der Familie Rykalla ( u.a. Marie Luise Marjan ) zur Arbeit will, muss er erstmal den schmierigen Niederschlag von seinem Auto wegwischen. Auch beginnen die Leute allmählich gesundheitlich unter den Einflüssen des Smogs zu leiden. Doch die Warnungen der Behörden werden anfangs von den Bürgern nur halbherzig wahrgenommen und auch die lokalen Industriellen versuchen wehement sich gegen Emissionsauflagen des Wetteramtes Essen zur Wehr zu setzten ...
Satiriker, Mahner und Visionär Wolfgang Menge, der den meisten Deutschen als Erschaffer von Charakteren wie „Ekel“ Alfred Tetzlaff und Motzki bekannt sein dürfte, hielt seinem Publikum auch in weit weniger lustiger Weise den Spiegel vors Gesicht, beispielsweise durch den fernsehkritischen Film „Das Millionenspiel“ aus dem Jahre 1970, für den er das Drehbuch schrieb, und durch „Smog“ aus dem Jahre 1973, den ein junger Wolfgang Petersen („Das Boot“, „Die unendliche Geschichte“) verfilmte.

Das Ruhrgebiet ächzt unter der Belastung von Industrie- und Kfz-Abgasen. Die Wetterlage verhindert einen Abzug der kontaminierten Luft, wie unter einer Glocke setzt sich das giftige Gemisch überall ab. Herz- und Kreislaufgeschwächte leiden ebenso besonders wie Neugeborene, das Baby der Duisburger Familie Rykalla schwebt in Lebensgefahr. Vorsichtig rufen die Behörden zum Missmut der Industrie die Smog-Warnstufe 1 eins aus und bitten die Bürger, weitestgehend auf das Auto zu verzichten. Die Industrie wehrt sich gegen entsprechende Auflagen und auch die Bürger erkennen lange Zeit den Ernst der Lage nicht und sind nur widerwillig bereit, ihren gewohnten Komfort einzuschränken...

„Smog“ porträtiert eine Zeit, in der Umweltschutzbewusstsein ein Fremdwort in deutschen Landen war und man die Industrie weitestgehend darin gewähren ließ, Ressourcen zu verschwenden und die Umwelt nachhaltig zu verschmutzen und zu schädigen. In semi-dokumentarischem Stil betrachtet Petersen sowohl das große Ganze in Form von gestellten Interviews, Nachrichtensendungen, Diskussionsrunden etc., als auch ein konkretes Einzelschicksal anhand Familie Rykalla, die insbesondere um ihr Neugeborenes bangt. Die für die damalige Zeit so typischen Bilder trister deutscher Innenstädte wurden in grauen Nebel getaucht, durch den die Menschen zunächst unbeeindruckt zum Schichtdienst trotten. Dialoge der einfachen Bevölkerung finden gern in breitestem Ruhrpottslang statt und sind ebenfalls um Authentizität bemüht. Scheinbar lose aneinandergereiht folgt eine dialogreiche Szene auf die nächste, zwischen der recht eindeutig als solcher erkennbaren Spielfilmhandlung (Familie Rykalla besteht u.a. aus den „Lindenstraße“-Darstellern Marie-Luise Marjan und Wolfgang Grönebaum) und den pseudodokumentarischen Stilelementen wird munter geschwankt, temporeiche Momente wechseln sich mit beunruhigend ruhigen Bildern der nahenden bzw. eintretenden Katastrophe ab. Auf eine klassische Dramaturgie verzichtete man zugunsten des spröden, mitunter sperrigen Stils, Spannung im eigentlichen Sinne wird nicht forciert.

Darin liegt gewissermaßen der Knackpunkt, weshalb „Smog“ heutzutage als wertvolles Zeitdokument anerkannt ist, jedoch mit seinem zeitlichen Abstand zum Entstehungszeitpunkt nur bedingt auf der Unterhaltungsebene taugt. Sehr gut möglich, dass man Familie Rykalla und die Sorge um ihr Baby ursprünglich als durch den Film führende Identifikationsfiguren etablieren wollte, jedoch gerät dieses Einzelschicksal in der Fülle der Perspektiven und Handlungsorte zwischenzeitlich fast in Vergessenheit. Wirklich schlimm ist das indes nicht, denn es ist wesentlich interessanter zu beobachten, wie Menge und Petersen den unterschiedlichen Umgang mit dem irgendwann dann doch endlich zur Stufe 2 erklärten Smog-Alarm differenziert beschreiben, von berichtenden Journalisten, verharmlosenden und die Behörden unter Druck setzenden Industrie-Vertretern und sich nur mühsam regenden, zu weiten Teilen ohnmächtigen Behörden über zu unterschiedlichen Schlüssen kommenden Gelehrten und Wissenschaftlern bis hin zu die Lage verkennenden, ignoranten Bürgern und aufgebrachten Protestlern. Am (pessimistischen) Ende ist es ein Wechsel der Wetterlage, der die Lage entspannt – und erschreckende Bilder zeigen, dass weitergemacht wird wie bisher, trotz vieler Toter. Nicht wenige Zuschauer hielten die dokumentarischen Szenen seinerzeit für echt und wähnten sich im Smog-Alarm, riefen erschrocken beim ausstrahlenden Sender an.

Auch in der Realität übten Vertreter von Industrie und Politik Druck auf die Sendeanstalten aus und erklärten „Smog“ zu paranoider Panikmache. Doch nur wenige Jahre später wurde tatsächlich erstmals Smog-Alarm im Ruhrgebiet ausgelöst, wurde aus Menges Dystopie bittere Realität, gewannen aber auch endlich Umweltschützer und weitere kritische Stimmen mehr Gehör. Insbesondere darin, wie die Industrie Druck auf Politik und Öffentlichkeit ausübt und mit dem Verlust von Arbeitsplätzen und Wohlstand droht, wenn man sie nicht ungehindert so weitermachen lassen möchte, wie sie es bevorzugt, hat „Smog“ leider kaum an Aktualität eingebüßt; noch immer agiert die Politik viel zu häufig als Steigbügelhalter für die Großindustrie, die, wenn überhaupt, nur sekundär ein Interesse an sozialem Wohlstand verfolgt, sondern primär Gewinne privatisiert und Kosten – gerade auch durch den beschriebenen Umgang mit Ressourcen und Umwelt entstehende – sozialisiert. „Smog“ ist ein wichtiges Stück deutscher Fernseh- und Zeitgeschichte, ein aufrüttelnder, unbequemer und mutiger Fernsehfilm und eine Parabel auf das gesellschaftliche Zusammen- und Gegeneinanderspiel unterschiedlicher Interessengruppen und Stände und die Rolle der einfachen Bevölkerung währenddessen.

Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Verfasst: Mi 13. Mär 2013, 00:38
von buxtebrawler
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Zombie Strippers
Die USA in nicht allzu ferner Zukunft: Amerika ist mittlerweile in unzählige Kriege verstrickt und um den Nachschub an Soldaten zu gewährleisten, wurde ein künstlicher Virus entwickelt, der tote Soldaten in Zombies verwandeln soll, damit diese als Untote weiterkämpfen können. Als in einem geheimen Forschungslabor Experimente mit diesem Virus aus der Bahn geraten, soll ein Sondereinsatzkommando eingreifen und die Zombies vernichten. Doch einer der Soldaten wird gebissen und flüchtet in einen nahegelegenen Strip Club, in dem er Kat (Jenna Jameson), die Startänzerin des Clubs, ebenfalls mit dem Virus infiziert. Da Kat als untote Stripperin das Publikum jedoch mehr begeistert als jemals zuvor, riecht Club-Besitzer Ian (Robert Englund) die große Kohle und überredet die meisten seiner weiteren Tänzerinnen dazu, sich von Kat beißen und in Zombies verwandeln zu lassen. Dumm nur, dass die Zombie Stripper ständig Lust auf frisches Menschenfleisch verspüren...
„Tot sein ist gut!“

„Zombie Strippers“ von US-Regisseur Jay Lee („The Slaughter“) aus dem Jahre 2008 verspricht eine erotische Splatter-Zombie-Komödie, die manch Horrornerd die Hose ausbeult. Mit Ex-Pornodarstellerin Jenna Jameson in der Haupt- und Horrorgenre-Ikone Robert Englund („A Nightmare on Elm Street“) in einer größeren Nebenrolle hat man zwei mehr oder weniger werbewirksame Namen vorzuweisen und die Story klingt zunächst wie eine Art Mischung aus Politsatire und „Return of the Living Dead“:

Die USA sind in naher Zukunft in so derartig viele Kriege verstrickt, dass man mit dem Soldatennachschub nicht mehr hinterherkommt. Deshalb wurde ein Virus entwickelt, der gefallene Soldaten in blutrünstige Zombies verwandelt und damit weiterhin einsatzfähig macht. Doch die Experimente mit dem Virus geraten außer Kontrolle, ein Sondereinsatzkommando muss eingreifen, um die renitenten Untoten zu vernichten. Einer der Soldaten infiziert sich jedoch und flieht in einen illegalen Stripclub, der vom schmierigen Ian (Robert Englund) betrieben wird. Dort infiziert er seinerseits Stripperin Kat (Jenna Jameson), die als Zombie-Stripperin das Publikum zu wahren Begeisterungsstürmen veranlasst. Daraufhin lassen sich auch alle anderen Stripperinnen des Clubs infizieren, um ähnlich gut beim Publikum zu landen. Da nimmt der geldgierige Ian es auch als notwendiges Übel hin, dass die Tänzerinnen Gier auf Menschenfleisch verspüren und das Publikum nach und nach ein wenig dezimieren...

Tatsächlich beginnt „Zombie Strippers“ als geniale, die imperialistische US-Außen“politik“ aufs Korn nehmende Politsatire, jedoch nur, um schon nach kurzer Zeit enorm abzuflachen und selbst dem sleazigen Blödsinn Aufgeschlossene zu enttäuschen. Eine Handlung ohne jegliche Rücksicht auf halbwegs logisch nachvollziehbares Verhalten seiner Protagonisten zu konstruieren, kann man machen, wenn es dem Witz des Films dient. Leider ist der Humor des Films schlichtweg trotz aller Bemühtheit weitestgehend unlustig, wozu leider auch Englunds Overacting zu zählen ist. Na gut, geschenkt, aber wie steht es um den Erotikanteil? Nun, für Zombie- und Plastikhupenfetischisten ist dieser sicherlich ein Fest. Für alle, die noch halbwegs geschmackssicher gepolt sind, hat sich das inflationäre Zurschaustellen unnatürlich aussehender Oben-ohne-Stripperinnen, deren Silikontitten wie Fremdkörper wirken, recht bald komplett abgenutzt und mit Erotik nicht mehr viel zu tun. Seine Stärken hat „Zombie Strippers“ bei den Masken und Spezialeffekten, von denen der handgemachte Anteil sehr ordentlich aussieht und man es dementsprechend auch mitunter anscheinend recht deftig splattern lässt – was die verstümmelte Fassung, die ich eines Nachts auf einem Privatsender sah, jedoch in einigen Szenen lediglich erahnen lässt. Ein klasse umgesetzter Kopfschuss aber blieb neben anderem erhalten und lässt einen Eindruck von den Qualitäten der entsprechenden Arbeiten zu.

Viel mehr hat „Zombie Strippers“ dann aber wahrlich nicht vorzuweisen. Billardkugeln als Vaginalgeschosse sind ebenso neu wie hochgradig albern, die ganze Geschichte ohnehin nach ca. zehn Minuten für den Allerwertesten und bis auf eine kleine Italo-Western-Sound-Hommage für den Quoten-Mexikaner gegen Ende hat auch der Soundtrack außer modernem Metalzeug während der tänzerischen Darbietungen nichts zu bieten. Als in mancherlei Hinsicht netter Appetithappen für Zwischendurch immerhin leidlich akzeptabel, eigentlich aber ein Beitrag zum sog. „Fun-Splatter“-Bereich, der diesen viel mehr überflüssig erscheinen lässt, denn seine Existenzberechtigung zu untermauern. Den comichaften Stil, sofern man von einem reden möchte, erkenne ich wohlwollend ebenso an wie den satirischen Auftakt und insbesondere die Arbeit der Spezialeffektkünstler, Genreskeptiker werden aber vermutlich eher sogar noch ein Pünktchen abziehen. Und über eine Frage sollte man besser gar nicht erst nachdenken: Warum zur Hölle strippen Zombies?!

5/10

Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Verfasst: Fr 15. Mär 2013, 20:45
von buxtebrawler
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Die Nacht der reitenden Leichen
Unerfahrene Touristen stossen im spanischen Bergland auf eine leerstehende Burg. Bei Nacht steigen hier die Toten aus ihren Gräbern und machen Jagd auf Menschenblut. Sind es die vor langer Zeit hingerichteten Tempelritter, deren Seelen keine Ruhe finden?
„Das ist doch was für alte Weiber!“ (kann ich nicht bestätigen…)

„Die Nacht der reitenden Leichen“ ist der Auftakt zur iberischen Kult-Horror-Tetralogie des spanischen Regisseurs Amando de Ossorio und vermutlich dessen populärster Film. Er entstand im Jahre 1971 in spanisch-portugiesischer Koproduktion und dürfte neben den zahlreichen Paul-Naschy-Beiträgen einer der bekanntesten und berüchtigtsten Genrebeiträge jener Zeit sein. Stark beeinflusst wurde er vermutlich vom drei Jahre zuvor veröffentlichten Zombie-Schocker „Night of the Living Dead“ von George A. Romero.

In einem spanischen Ferienparadies treffen sich die alten Schulfreundinnen Betty (Lone Fleming, „Saat der Angst“) und Virginia (María Elena Arpón, „Fuzzy, halt die Ohren steif!“) wieder, die ihre Kindheit zusammen in einem strengen Internat verbrachten. Doch die Wiedersehensfreude währt nur kurz, denn als Virginias Freund Roger (César Burner, „Die große Abrechnung“) hinzustößt, brechen sich während einer gemeinsamen Zugreise Eifersüchteleien bahn, woraufhin Virginia entnervt während der Fahrt in einer gottverlassenen Einöde abspringt und sich schließlich in einer uralten Burgruine zur Nacht bettet. Was sie nicht ahnt: In der Nacht erwachen die auf dem nahen Friedhof begrabenen Mitglieder eines geheimnisvollen Templerordens aus ihrem Totenschlaf und machen Jagd auf die Lebenden. Nachdem sie Virginia schließlich totgebissen haben, begeben sich sowohl die Polizei, als auch Betty und Roger auf die Suche nach ihrer Freundin – und direkt in die Knochenarme(e) der untoten Templer...

Amando de Ossorio transportiert sein ganz eigenes Gemisch aus Gothic- und Untoten-Horror ins sonnendurchflutete Spanien der frühen 1970er. Sicherlich war er kein perfekter Regisseur, doch auch bei allen Schwächen dieses Low-Budget-Reißers schlägt das Pendel eindeutig in die richtige Richtung aus. Noch zu Zeiten des faschistischen Franco-Regimes gedreht, beschritt er mit „Die Nacht der reitenden Leichen“ manch mutigen Weg. Doch auch außerhalb von Zensurproblematik u.ä. traf er manch unkonventionelle Entscheidung. So ist Virginia, nachdem sie vom Zug in die vermeintliche Einsamkeit sprang, ganz auf sich allein gestellt, so dass es folgerichtig keinen einzigen Dialog gibt – und das verdammt lange! Genüsslich und mit aller Zeit der Welt folgt ihr die Kamera in die Ruine, filmt stilvoll durchs prasselnde Lagerfeuer, wie sie sich umzieht, während sich die schaurige Atmosphäre des Films langsam aber sicher in den Nacken des Zuschauers schleicht. Die Ruinen stehen im Kontrast zu den grünen Sommerlandschaften Spaniens, die man zuvor zu sehen bekam. Diese wunderschönen, authentischen Kulissen etablieren bereits die morbide Ästhetik, die mit dem Auftauchen der wiedererwachten Templer ihre Formvollendung findet: Lebendige Skelette, gehüllt in vermoderte Kutten, die mit leeren Augenhöhlen durch die Gemäuer schleichen oder auf ihren unheimlichen Pferden durch die Nacht reiten. Diese liebevolle Masken- und Spezialeffektarbeit wurde mit viel Sinn fürs Detail aufwändig und sorgfältig umgesetzt und wenngleich nicht jede Nahaufnahme einzelner Extremitäten ebenso wenig wie manch ein sparsam, aber effektiv eingesetzter blutiger Effekt hyperrealistisch wirkt, verfehlt sie ihre Wirkung nicht und kann ich nur meinen Hut ziehen vor dieser Arbeit, die weder in dieser Qualität, noch in dieser Konsequenz seinerzeit an der Tagesordnung war. Ein Markenzeichen des Films sind Schockeffekte mit einem aus dem Off versehenen Schrei, was mal mehr, mal weniger passend erscheint, zugegebenermaßen stark in Richtung Effekthascherei tendiert, dabei jedoch durchaus Charme entwickelt. Zusätzlich für wohlige Schauer garantieren die musikalische Untermalung mit ihren sakralen Chören, eine unheimliche Geräuschkulisse, die die Hufe der Templerpferde durch die Gemäuer hallen lässt und der häufige Gebrauch von Zeitlupen, die die sich aus ihren Gräbern erhoben habenden Reiter mächtig und erhaben durch die nebelverhangene Szenerie galoppieren lassen.

Wie bereits angedeutet, gesellen sich zur höchst gelungenen morbiden Ästhetik einige krude Szenen, allen voran die Rückblende ins 12. Jahrhundert, die die fantastische Mythologie des Films erläutert. Während man erfährt, dass es sich bei den Templern um Kreuzzügler handelt, die aus dem Orient nicht nur mit materieller Beute, sondern auch mit reichlich okkultem Geheimwissen zurückkehrten, wird man Augenzeuge eines ihrer mörderischen Rituale, während dessen einer entblößten, gefesselten Frau von Reitern mit Schwertern die Brustpartie aufgeschlitzt wird, woraufhin sich, wenn das Blut erst einmal so richtig fließt, die Templer an ihr festsaugten und gierig das Blut schlürfen. Nackte Oberweiten und explizite Gewalt – Exploitation vom Feinsten! Ferner erfahren wir, dass die mittelalterliche Obrigkeit dem blasphemischen Treiben nicht lange tatenlos zusah und die Ketzer böse bestrafte. Schließlich wurden ihnen die Augen von Krähen herausgehackt, weshalb nun auch die Untoten Skelett-Templer blind sind, dafür umso besser hören – beispielsweise das nervöse Herzpochen ihrer nächsten Opfer. Wunderbar originell und ein sehr schönes Alleinstellungsmerkmal!

Nicht sonderlich vertrauenserweckend werden auch die noch menschlichen Spanier gezeichnet. So wird man mit einem debilen, finsteren, hämisch grinsenden Pathologen ebenso konfrontiert wie mit einem kauzigen, abweisenden Bibliothekar und einem unsympathischen Anführer einer Bande Kleinkrimineller, der sich zudem in einer ebenfalls wenig dezent gefilmten Szene als Vergewaltiger entpuppt – wodurch sich zum Teil Genugtuung beim Zuschauer einstellt, sobald einer dieser schmierigen Vertreter der eigenen Spezies das Zeitliche segnet. Der Grund, weshalb die nicht nur reitenden, sondern vor allem schleichenden und schlurfenden Leichen überhaupt einige Opfer erwischen, liegt in ihrem zahlreichen Auftreten, ähnlich wie bei einer auf die Ebbe folgenden Flut: Ganz langsam steigt der Wasserpegel und ehe man sich versieht, ist man knietief drin. Skeptiker und Gegner der phantastischen Films werden vermutlich spätestens hier anknüpfen und versuchen, dem Film jegliches Gespür für Logik abzusprechen. Sicherlich sollte man „Die Nacht der reitenden Leichen“ logisch nicht allzu sehr hinterfragen und stattdessen das Treiben genussvoll auf sich wirken lassen. Die große Zahl vermeintlicher Logikfehler entdecke ich hier dennoch nicht, erst in den weiteren Teilen verwickelt man sich stellenweise ein wenig in Widersprüche. Schade ist jedoch, weshalb aus dem Umstand, dass Virginia nach ihrem Tod eine Art Vampirin wird, meines Erachtens etwas wenig gemacht wird. Auch diese außerhalb der Ruine spielenden Szenen sind zwar schön anzusehen, wirken aber bisweilen wie ein Fremdkörper und finden keine wirkliche Entsprechung in der Mythologie des Films. Weitaus kritischer darf man indes einige wenig sinnvolle Streckdialoge betrachten, die jedoch spätestens im großartigen Finale vergessen sind. Die Pointe setzt einen herrlich bösen Schlusspunkt, an ein „Happy End“ ist nicht zu denken. Nicht alle aufgekommenen Fragen werden erschöpfend geklärt, was für sich genommen schon Grund genug ist, auch die Fortsetzungen nicht unbeachtet an sich vorbeiziehen zu lassen, wenn diese auch nicht mehr ganz die Qualität dieses Originals heranreichen. In der mir bekannten ungeschnittenen deutschen Fassung lenken die zahlreichen nachsynchronisierten Dialoge zu sehr von den schauspielerischen Leistungen ab, als das ich diese wirklich beurteilen könnte, deshalb nur so viel: Die Mädels sind hübsch anzusehen und geizen nicht mit ihren Reizen, die Kerle sind i.d.R. hässlich und/oder prollig, die Unterscheidung zwischen Unsympath und Sympathieträger fällt nicht immer leicht, dafür wird viel geschrien und gekreischt. Sicher ist aber: Alle spielen hinter den skelettierten Templern die zweite Geige. Je nach Zeitgeist mag ein Film wie dieser in der einen oder anderen Weise unfreiwillig komisch auf den abgeklärten Rezipienten wirken, doch während Trends und Modeerscheinungen kommen und gehen, bleibt den reitenden Leichen auf ewig ein Platz im Herzen des Liebhabers europäischer Horrorfilme längst vergangener Zeiten sicher.

Fazit: Spanischer Kult-Horror, der bei mir trotz ein paar Abzügen in der B-Note ganz hohen Stellenwert genießt. Seinerzeit erstmals im RTL-Nachtprogramm, anmoderiert vom Elvira-Plagiat „Wilde Hilde“, damit konfrontiert worden und seitdem ins morbide Herz geschlossen. Reitende Knochenmänner - atmosphärisch, gruselig, grandios!

Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Verfasst: Mo 18. Mär 2013, 00:00
von buxtebrawler
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Blaubart – Die Bestie
Ein seltsames Geheimnis umgibt den Baron Kurt von Sepper, der in seinem Schloß inmitten eines dichten Waldes lebt. Die schönsten Frauen hat der Baron auf sein Schloß gebracht. Und er wurde ihrer überdrüssig. Sie mussten alle sterben: die eine wurde erstickt, die andere erschossen, die nächste enthauptet, zwei weitere mit einem Kronleuchter erschlagen, die sechste ertränkt, die siebte von einem Jagdfalken zerhackt. Und die achte? Fast wäre Anna die Flucht gelungen, aber der Baron holt sie zurück und sperrt sie in den Kühlraum zu ihren eiskalten Gefährtinnen. Er selbst fährt in die Stadt und wird von einem jungen Attentäter erschossen. Mit ihm stirbt das Wissen, dass Anna im Augenblick noch lebt… oder? Covertext
„Männer, die mit dem Krieg fertig geworden sind, mit Maschinengewehrhagel, mit Bomben, und sogar mit Kommunisten!“

Für den 1972 in deutsch-italienisch-französisch-ungarischer Koproduktion entstandenen Horror-Thriller „Blaubart – Die Bestie“ des gebürtigen Kanadiers Edward Dmytryk („Ein Mann rechnet ab“) portierte man das französische Schauermärchen in eine anscheinend fiktive, zumindest nie näher definierte Zeit Deutschlands irgendwann in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts und machte aus dem Antagonisten den blaublütigen und blaubärtigen Baron Kurt von Sepper (Richard Burton, „Der Schrecken der Medusa“), der als Kriegsheld verehrt wird, ranghohes Mitglied einer faschistischen Para-Miliz mit an Hakenkreuze erinnernden stilisierten Armbinden ist und in einem ausladenden Schloss im Wald lebt. Pech hat er jedoch mit den Frauen und auch seine jüngste Errungenschaft verstirbt bei einem Jagdunfall. Doch kurz darauf heiratet er die US-amerikanische Tänzerin Anna (Joey Heatherton, „Cry-Baby“), die sich jedoch schnell in der Einöde zu langweilen beginnt, zumal ihr Gatte auch keinerlei Anstalten macht, sie sexuell zu beglücken. Nachdem sie die Schlüsselgewalt über sämtliche Räume des Schlosses anvertraut bekommen hat, möchte sie gern einige innenausstatterische Maßnahmen ergreifen. Nur einen einzigen Raum darf sie partout nicht öffnen, doch die Neugier überwiegt…

„Sie waren durchwegs Ungeheuer! Sie sahen erst menschlich aus, als sie tot waren!“

In dieser den Genrefilm-Geist der 1970er aus jedem Filmkorn atmenden Verfilmung zweiteilt man die Geschichte insoweit, als die Entdeckung des schrecklichen Geheimnisses hinter der verbotenen Tür – in einer Art Kühlkammer verwahrte Leichen von Blaubarts vorherigen Frauen – nicht als Pointe oder Klimax verwendet, sondern sie in den Mittelteil platziert und fortan Blaubart durch Rückblenden erzählen lässt, weshalb er sich gezwungen sah, sie alle nacheinander zu töten. Spannung bezieht „Blaubart – Die Bestie“ fortan aus dem psychologischen Spiel zwischen von Sepper und Anna und der Frage, ob es ihr als erste gelingen wird, ihrem Schicksal zu entkommen. Für Zuschauer, die wie ich erstmals durch „Shining“ auf die blaubart’sche Erzählung aufmerksam wurden, ist das zwar arg überraschend und gewöhnungsbedürftig, jedoch kostet Dmytryk dieses Konzept voll aus. Er vermischt den gruseligen Stoff mit dramatischen Elementen, mit viel Erotik sowie sogar frechem, makabrem Witz und zieht den Faschismus kräftig durch den Kakao durch die erst gegen Ende erfolgende Aufdeckung der wahren Hintergründe von Seppers Charakteristik und Motivation: Die (Achtung, Spoiler!) Überdeckung seiner Impotenz.

„Diesen Ungeheuern in Menschengestalt verleiht nur der Tod Würde und Anstand!“

Das Schöne an „Blaubart – Die Bestie“ ist, dass sämtliche unterschiedlichen Versatzstücke wie aus dem Effeff beherrscht werden. Die prächtigen Gemäuer des Adligen verströmen wohligen Gothic-Grusel, der erst für die komödiantischen Momente aufgegeben wird, und halten manch schreiende Geschmacklosigkeit wie die „Eulenuhr“ bereit, die des Barons kranken Geist bereits symbolisiert. Für den Erotik-Anteil geben sich einige der aufregendsten zeitgenössischen Schauspielerinnen ein Stelldichein, insbesondere Joey Heatherton wurde in ansprechenden erotischen Momenten in Szene gesetzt und darf zudem sehenswerte wilde Tänze aufführen. Mit einem nicht zu knappen Augenzwinkern bekommen in überzeichnet-karikierter Form diverse Definitionen nerviger Frauentypen ihr Fett weg, um jedoch gegen Ende genüsslich eventuelle Sexismus-Vorwürfe zu entkräften, wenn der Fokus wieder auf den Baron und damit auf die derangierte Psyche hinter Faschismus und erzkonservativem Autoritätswahn gerichtet wird. Ausufernde blutige Spezialeffekte sind nicht der Stil des Films, Explizitäten wie eine Köpfung per Guillotine fanden dennoch hinein. Authentische Jagdszenen zu Beginn des Films zeigen ungeschönt und verstörend ausgiebig die Erschießung von Wildtieren und damit dem Zuschauer, wo sein Wildbraten herkommt. Viele spitzzüngige Dialoge wurden exakt auf den Punkt geschrieben und liefern viel Zitierwürdiges. Übrigens spricht fast jeder mit irgendeinem fiesen Akzent, viel mehr den Ohren schmeichelt da der gewohnt stimmige, hochwertige Soundtrack Ennio Morricones. Burton spielt seine Rolle facettenreich und versieht seinen Charakter mit der nötigen, permanent durchschimmernden Portion Wahnsinns, ohne sein Schauspiel zu diesem Zwecke allzu sehr übertreiben zu müssen. Man spürt förmlich, wie er sich in seine Rolle hineingefühlt hat; er erweist sich als der ideale Hauptdarsteller dieses Films.

Doch genug der schönen Worte – wodurch erleidet „Blaubart – Die Bestie“ Punktabzug? Zumindest während meiner Erstsichtung mit der ihr vorausgegangenen Erwartungshaltung konnte ich mich nur schwer damit anfreunden, wie wenig letztlich aus dem Motiv des einen bestimmten „Tabu-Raums“ gemacht wurde, mir erschien es beinahe ein wenig verschenkt. Diese für psychologischen Horror par excellence taugende Ausgangssituation wird kaum ausgekostet, dabei hätte sie auch auf der Grundlage dieses Filmkonzepts als großartiger Höhepunkt zur Mitte der Handlung fungieren können. Wie man so etwas perfekt umsetzt, hat einige Jahre später Stanley Kubrick mit seiner „Shining“-Verfilmung bewiesen. Mein zweiter Kritikpunkt setzt in der zweiten Hälfte des Films an, dem Überlebenskampf Annas und den rückblendenden Erzählungen von Seppers. Denn hier generiert Dmytryk eine Überlänge, die – bei allem Genuss – nicht hätte sein müssen. Der plötzlich eingesetzte episodenhafte Stil ist ein kleiner Bruch und bedient sich einiger Quasi-Wiederholungen, bei denen weniger mehr gewesen wäre. Zugeben muss ich, dass Dmytryk auch hierbei mit meiner Erwartungshaltung Achterbahn fuhr und ich bestehe auf die Option, diese Punkte bei einer nun entsprechend vorbereiteten Zweitsichtung eventuell aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten.

Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Verfasst: Mo 18. Mär 2013, 15:36
von buxtebrawler
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Escondido
Ein junger Desperado namens Steve, der gerade erst mit Müh und Not dem Strick entrinnen konnte, trifft an einem Bach einen sterbenden Soldaten. Dieser erzählt ihm von seiner Heimat, der Geisterstadt Escondido, seinem Vater, Sam, und seinem gesparten Geld, mit dem er der Familie eine Ranch kaufen wollte. Verkleidet als dieser Soldat mit dem Namen Bill Flanagan, macht sich Steve auf den Weg. In der Stadt findet er den alten blinden Sam. Doch sie sind nicht die einzigen, auch ein Goldtransport der Armee durchquert die Stadt und eine Horde Banditen, die auf genau dieses Gold scharf sind… (quelle: dtm.at)
„Es ist eine gottgefällige Tat, wenn man einen Desperado in die Hölle schickt!“

Das Regie-Debüt des Italieners Franco Rossetti ist der 1967 in italienisch-spanischer Koproduktion realisierte Italo-Western „Escondido“ alias „Django – Die im Schlamm verrecken“. Anscheinend blieb es Rossettis einziger Beitrag zum Genre. Das „Django“ im deutschen Titel ist natürlich wieder einmal Etikettenschwindel, wenngleich der Film stark von Sergio Corbuccis Meisterwerk inspiriert worden zu sein scheint:

Steve (Andrea Giordana, „Django – Die Totengräber warten schon“) ist ein gesetzloser Desperado, der Dank der List eines Freundes einmal mehr dem Galgen entkommen konnte. Während seiner Flucht trifft er auf einen sterbenden Soldaten, der ihm von seinem Vater (Piero Lulli, „Mein Name ist Nobody“) erzählt, der in der Geisterstadt Escondido lebt und blind ist, aber zusammengespartes Geld hortet, von dem er sich und seiner Familie eine Ranch kaufen will. Der Soldat bittet Steve, seinen Vater aufzusuchen und ihm zuzureden, dieses Vorhaben endlich in die Tat umzusetzen. Steve jedoch wittert das schnelle Geld und gibt sich dem blinden Sam gegenüber als dessen aus dem Krieg zurückgekehrter Sohn aus. Jedoch hat Steve die Rechnung ohne die Banditen gemacht, die in Escondido auf den Goldtransport der Armee warten…

„Escondido“ ist ein zwar nicht sonderlich origineller, dabei jedoch unheimlich ambitionierter Western aus der B-Riege, der die „Läuterung“ eines kleinen Ganoven, dem andere Menschenleben nichts bedeuten, zum mitfühlenden, einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn entwickelnden Rächer beschreibt. Dabei fährt Rossetti zunächst einmal Achterbahn mit den Empfindungen, die der Zuschauer der Hauptrolle des Gesetzlosen entgegenbringt. Empfindet man zu Beginn Mitgefühl für das Beinahe-Opfer von Lynchjustiz, verkehrt sich dies jedoch bald ins Gegenteil durch das perfide Spiel, das er mit dem alten, blinden Vater des toten Soldaten spielt. Sympathisch wird uns Steve erst wieder, als wesentlich finsterere Buben einige sadistische Grausamkeiten verüben und Steve durch diese Erlebnisse seine Rache – nicht nur für sich persönlich, sondern auch für den blinden Sam und dessen Haushälterin Katy (Rosemary Dexter, „Für ein paar Dollar mehr“), mit der sich ein Techtelmechtel angebahnt hat – wichtiger wird als schnöder Mammon. Zwar wurden die Schießereien weitestgehend unblutig gefilmt, manch letztlich weitaus fiesere Idee, die den deutschen Titel „Die im Schlamm verrecken“ wortwörtlich wie die Kugel ins Herz passen lässt, geht jedoch ziemlich an die Nieren. Ein weiterer Höhepunkt ist ein Duell, bei dem sich die Kontrahenten in gleißender Sonne unmittelbar gegenüberstehen, mit zitternden Händen und voller Todesangst. Der Adrenalinausstoß wird quasi spürbar, die Anspannung überträgt sich auf den Zuschauer – genial! Ferner fanden sehr viele Schlägereien in den Film, während der ernsthafte Ton für eine Massenschlägerei in der Dorfkneipe leider vorübergehend aufgegeben und man stattdessen komödiantisch wird.

Der vor dem Hintergrund des endenden US-Bürgerkriegs der Nord- gegen die Südstaaten spielende Film, der parallel zu Steves persönlicher Entwicklung die wenig patriotischen Nutznießer des Bürgerkriegs thematisiert und zwischen den Zeilen Kritik am vermeintlichen Sinn eines solch blutigen Konflikts erkennen lässt, gewinnt stark an Stimmung durch seine aus dem üblichen Durchschnitt herausragende Tonkulisse bestehend aus einer wunderbar kräftig gesungenen Titelmelodie, atmosphärischer Musik und unheilschwangerem Windgeheul. Wie ein roter Faden durchzieht die Handlung, dass nicht jeder derjenige oder das ist, wer oder was er vorgibt zu sein. Das beginnt bei Steves windigem Kumpel, der mal als Priester, mal als Richter auftritt, um sich den Respekt der einfachen Bevölkerung zu sichern und Steve aus der Bredouille zu helfen, zieht sich über Steve, der sich als Sams Sohn ausgibt, bis hin zu falschen Soldaten. Eine interessante Rolle wird auch der holden Weiblichkeit zuteil: Während Steve mit der verwegenen Gangsterbraut Lucy (Dana Ghia, „Vier Fäuste für ein Halleluja“) bereits in der Vergangenheit etwas laufen hatte und ihr Interesse ungebrochen ist, fühlt er sich nun vielmehr zur bildhübschen, aber zurückhaltenden, unscheinbaren Katy hingezogen. Kaum ein Zweifel wird indes daran gelassen, dass Steve nicht der Mann für eine feste Bindung ist, er ist und bleibt ein rastloser, auf sich allein gestellt seiner Wege ziehender Wolf. Die Gegenüberstellung zwei gänzlich unterschiedlicher Frauentypen ist das Salz in Charaktersuppe bzw. der Pfeffer in der Darstellerriege, die ungewöhnlicherweise mit Andrea Giordana von einem No-Name angeführt wird, der hiermit anscheinend seine erste Hauptrolle bekam. Zwar macht er seine Sache grundsätzlich gut und engagiert, kann jedoch nicht ganz mit den wahren Charakterfressen des Genres mithalten. Und solange Sam noch lebt, droht Piero Lulli ihm bisweilen glatt, die Show zu stehlen.

Ein arg pathetisches Ende besiegelt einen meines Erachtens etwas unterbewerteten Italo-Western aus der zweiten Reihe, der intelligent geschrieben und konstruiert sowie sorgfältig umgesetzt wurde, gehobene Unterhaltung bietet und sich keineswegs lediglich auf die x-te Variation einer genreüblichen Rache-Story beschränkt.

7,5/10 Punkten.

Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Verfasst: Di 19. Mär 2013, 20:06
von buxtebrawler
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Die Tür
Als David sich mal wieder zu einem kleinen Schäferstündchen zu seiner Nachbarin aufmacht passiert es: seine Tochter, welcher er eigentlich beaufsichtigen soll, stürzt in den Pool der Familie und ertrinkt.

5 Jahre später: David hat den Tod seiner Tochter noch immer nicht verkraftet und von seiner Frau Maja lebt er seither getrennt. Ein Selbstmordversuch scheitert, doch er kann mit seinen Schuldgefühlen einfach nicht mehr weiterleben. Da entdeckt er eines Tages, in einer Höhle, eine mysteriöse Tür, welche ihn 5 Jahre zurück in die Vergangenheit bringt. Dort schafft er es gerade noch seine Tochter zu retten. Doch als sein anderes ich ihn plötzlich überrascht, kommt es zu einer folgenschweren Tat...
„Die Tür“, Mystery-Drama/-Thriller aus deutschen Landen, entstand im Jahre 2009 unter der Regie Anno Sauls („Grüne Wüste“, „Kebab Connection“). Das von Jan Berger verfasste Drehbuch fußt lose auf dem (mir unbekannten) Roman „Die Damalstür“ von Akif Pirinçci.

Maler David Andernach (Mads Mikkelsen, „Exit“) betrügt seine Frau Maja (Jessica Schwarz, „Das Parfum – Die Geschichte eines Mörders“) regelmäßig mit seiner Nachbarin Gia (Heike Makatsch, „Nackt“). Er möchte die Affäre beenden und sucht aus diesem Grund Gia auf. Doch erneut kommt es zum Sex, währenddessen er seine Tochter Leonie vernachlässigt und diese im Swimmingpool ertrinkt. Fünf Jahre später ist Davids Beziehung längst daran zerbrochen, Maja mit Leonies früherem Musiklehrer liiert. David leidet unentwegt unter der Situation und ist ein körperliches wie psychisches Wrack, seine Karriere beendet, er dem Alkohol verfallen. Ein Selbstmordversuch misslingt. Ein Schmetterling weist ihm jedoch unvermittelt den Weg zu einem geheimnisvollen Gang, dessen Ende in Davids Leben vor fünf Jahren führt – Leonie lebt noch, doch ebenso sein fünf Jahre jüngeres Alter Ego...

Der psychologisch hochinteressante Film setzt sich mit der menschlichen Sehnsucht auseinander, Dinge ungeschehen zu machen, Fehler der Vergangenheit zu vermeiden. Die damit einhergehenden Konflikte – angefangen bei den parallel existierenden selben Menschen über die Herausforderung, fünf ungesund gelebte Jahre optisch wegzuretuschieren bis hin zu einem plagenden schlechten Gewissen und einem düsteren Geheimnis, das eigentlich keinerlei Mitwisser duldet – werden spannend konstruiert und laden zu Gedankenspielen des Zuschauers ein. Die Tür zur Vergangenheit wurde prima visuell gelöst, die mystischen Aspekte des Films sind aufregende Details neben dem ansonsten düsteren Realismus. Dieser gestaltet sich vor allem durch einen Mads Mikkelsen, dem man die tiefe Traurigkeit seiner Rolle stets ansieht und abnimmt. Seine Beziehung zu Maja, resolut gespielt von einer wunderschönen Jessica Schwarz, erscheint seltsam distanziert, geprägt von scheinbar unüberwindbarem Misstrauen. Die daraus resultierende emotionale Einsamkeit Davids macht „Die Tür“ trotz sommerlicher Bilder beklemmend, schwer und wenig optimistisch.

In dieser Form nicht unbedingt nötig gewesen wäre der Action- und Gewaltanteil, der im letzten Drittel das Geschehen dominiert, wenn plötzlich mehr und mehr Menschen den Gang in die Vergangenheit antreten und David sich gegen eine bewaffnete, kriminelle „Interessengemeinschaft“ Zurückgekehrter behaupten muss, was schließlich im Chaos endet. Diese Szenen sind zwar auch in Ordnung und werden vor allem diejenigen befriedigen, die zum Ende eines Films angezogenes Tempo und eine Art Showdown erwarten, seine wahren Stärken offenbart „Die Tür“ jedoch in den sensiblen Momenten, wenn er gestattet, zu den verschlossenen, in sich gekehrten Charakteren vorzudringen, mit ihnen mitzufühlen sowie in den Komplizenhaftigkeit, mit der der Zuschauer Davids Wiedergutmachungsversuche verfolgt.

„Die Tür“ ist ein gut besetztes, handwerklich-technisch herausragend, weil atmosphärisch umgesetztes Mystery-Drama, das zum Thriller wird und eine psychologisch doppelbödige, anspruchsvolle Geschichte auf mitreißende Weise erzählt. Die von der Ausgangssituation des Films geweckte Neugier des Publikums wird jedenfalls nicht enttäuscht.

Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Verfasst: Mi 20. Mär 2013, 15:05
von buxtebrawler
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Teufel im Blut
Nachdem ihre Mutter und ihr Stiefvater bei einem Feuer ums Leben gekommen sind, lebt die 17-jährige Schülerin Debbie Strand (Rose McGowan) bei ihrer herrschsüchtigen Großmutter, von der sie ständig schikaniert wird. Auf der neuen Schule verliebt sich Debbie dann in ihren Englischlehrer Peter Rinaldi (Alex McArthur) und versucht ihn mit knapper, aufreizender Kleidung für sich zu gewinnen. Als sie merkt, dass sie so nicht weiter kommt, greift die Lolita zu drastischeren Mitteln, um ihr Ziel zu erreichen...
„Wir brauchen einfach ein bisschen Zeit für uns alleine!“

Mit „Teufel im Blut“, wie meine DVD-Fassung des US-amerikanischen Spielfilms „Devil in the Flesh“ aus dem Jahre 1998 lautet, schuf Regisseur Steve Cohen („Tough and Deadly“) einen Psycho-Thriller aus der B-Reihe direkt für den Videothekenmarkt. Nachdem ihre Mutter und ihr Stiefvater scheinbar einem Wohnungsbrand zum Opfer fielen, wird die 17-jährige Schülerin Debbie Strand (Rose McGowan, „Scream – Schrei!“) von ihrer Großmutter (Peg Shirley, „Buried Alive - Lebendig begraben“) aufgenommen, einer religiösen Fundamentalistin, die sie fortan schikaniert und mit Gewalt zu einem „gottesfürchtigen“ Leben zwingen will. Doch Debbie hat andere Pläne: Sie hat sich krankhaft in ihren Lehrer Peter Rinaldi (Alex McArthur, „Fletcher’s Visionen“) verknallt und möchte ihn für sich gewinnen – koste es, was es wolle...

Cohens Film entpuppt sich als wenig origineller, aus zahlreichen Genrevorbildern zusammengeklaubter, holpriger Gehversuch in Sachen Psycho-Thrill, der seine Unsicherheit und seine Berechenbarkeit hinter einem exploitativen und schwarzhumorigen Stil mehr schlecht als recht zu verstecken versucht. Dabei bleibt vieles auf der Strecke, was einen gelungenen Psycho-Thriller ausmacht: Spannung, tiefgründige Charakterisierungen seiner Rollen und ein Spiel mit den Ängsten des Zuschauers. Stattdessen wirkt „Teufel im Blut“ vielmehr wie ein seichterer Vertreter des leichtfüßigen Teenie-Slashers, nur eben wesentlich blutärmer. Dass Debbie vermutlich mit dem Tod ihrer (Stief-)Eltern mehr zu tun hat, als es zunächst den Anschein hat, wird schnell klar und so darf man fortan auch den Ermittlungsarbeiten zweier Polizisten in diesem Fall beiwohnen sowie deren unlustigem Running-Gag, einer Art Buchstabierspiel. Zu gefallen wissen jedoch die plakative antireligiöse Aussage in Form der bösen Großmutter sowie ein angenehm derbe umgesetztes Anti-Vergewaltigungs-Statement. Das Problem, das diese Szenen mit sich bringt, ist, dass Debbie in ihnen als eindeutige Sympathieträgerin agiert, während sie in den den Film bestimmenden Szenen mit ihrem Lehrer als lebensgefährliche Psychopathin aufzubauen versucht wird. Dem Unterhaltungsfaktor – der Stärke des Films – tut das indes kaum einen Abbruch, ebenso wenig wie die zahlreichen Klischees, von denen die als gnadenlos und unfassbar doof gezeichneten Sportprolls der Schule eines der auffälligsten sind. Abstriche machen muss man beim Erotikfaktor, für den „Teufel im Blut“ eigentlich prädestiniert gewesen wäre. Eine anregende Sexszene zwischen Rinaldi und seiner attraktiven Lebensgefährtin Marilyn (Sherrie Rose, „Ritter der Dämonen“) wurde leider etwas hektisch geschnitten, McGowan als Debbie agiert hingegen nahezu gänzlich züchtig, zwängte sich lediglich mühsam in lolitahafte knappe Kleidung. Unter diesem Aspekt wäre wesentlich mehr drin gewesen, hätte man erkannt, dass man in erster Linie an einem nicht sonderlich ernst zu nehmenden Gute-Laune-Film arbeitet und wäre dementsprechend weniger prüde zu Werke gegangen.

So aber bleibt „Teufel im Blut“ zwar größtenteils solide bis gut geschauspielert, jedoch in jeder Hinsicht reichlich oberflächlich und erscheint mit zunehmender Spieldauer mehr und mehr ohne Rücksicht auf innere Logik unglücklich herbeikonstruiert, worunter auch der ansonsten gar nicht so üble Showdown leidet. Da es generell aber durchaus Spaß macht, Debbie bei ihren Gemeinheiten zuzusehen und die bereits während ihrer ersten Begegnung mit Debbies egomanischer Energie aufgeladene Stimmung zwischen ihr und dem tatsächlich wie ein feuchter Traum eines jeden Backfischs aufspielenden Rinaldi zu beobachten, eignet sich Cohens Film als netter „No-Brainer“ an einem verkaterten Sonntag oder einfach als anspruchsloser Appetithappen für Genre-Vielglotzer.

5,5/10 Punkten.