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Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Verfasst: Do 21. Mär 2013, 21:54
von buxtebrawler
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Und jetzt das Ganze noch mal von vorn
Pierre Renaud (Pierre Richard) ist Hauptkassierer in einem Nobelhotel in Vichy. Sein grösstes Problem ist seine schon fast krankhafte Schüchternheit gegenüber dem anderen Geschlecht. Als eines Tages das populäre Model Agnès Jensen (Mimi Coutelier) in dem Hotel einzieht, ist es für Pierre Liebe auf den ersten Blick. Da er die Angebetete für sich gewinnen will, belegt er für viel Geld einen Schnellkurs in "sicherem Auftreten", den er vom dubiosen Vertreter Aldo Ferrari (Aldo Maccione) angedreht bekommt und kündigt seinen Job im Hotel, um Agnès von Stadt zu Stadt nachzureisen. Unterwegs trifft Pierre erneut auf Aldo, der ihm nun ernsthaft helfen will bei Agnès zu landen.
„Du gehst ran wie ein Gentleman – maliziös!“

Die französische Komödie mit dem etwas sperrigen deutschen Titel „Und jetzt das Ganze noch mal von vorn“ aus dem Jahre 1978 ist die vierte Regie-Arbeit des französischen Genrestars Pierre Richard, der hier auch die Hauptrolle bekleidet – erstmals an der Seite Aldo Macciones.

Der Kassierer eines Nobelhotels in Vichy, Pierre Renaud (Pierre Richard, „Der große Blonde mit dem schwarzen Schuh“) ist so schüchtern, dass sein einziger libidiöser Kontakt zum anderen Geschlecht darin besteht, seit Jahren an der immer gleichen Haustür zu klingeln, um seiner Herzensdame per Gegensprechanlage seine Liebe zu gestehen und sich anschließend flink vom Staub zu machen. Doch eines Tages verliebt er sich in das Model Agnès Jensen (Mimi Coutelier), als es für ein paar Tage in seinem Hotel absteigt. Der windige Vertreter Aldo Ferrari (Aldo Maccione, „Zwei Kamele auf einem Pferd“) kommt ihm da gerade recht und so lässt sich Renaud jede Menge unnützen Nippes im Rahmen eines Schnellkurses für sicheres Auftreten andrehen. Er kündigt seinen Job und reist Agnès von Stadt zu Stadt nach. Dabei kreuzen sich seine Wege erneut mit Aldo, der fortan ernstlich bemüht ist, ihm unter die Arme zu greifen, um Renauds Schüchternheit zu besiegen und ihm zu einem erfolgreichen Rendevouz mit seiner Herzensdame zu verhelfen.

Was zunächst nach dem überstrapazierten Subgenre der romantischen Komödie klingt, mittlerweile häufig wenig ehrfurchtsvoll und jeglichen phonetischen Wohlklangs beraubt „RomCom“ abgekürzt, entpuppt sich natürlich als gewohnt turbulente, temperamentvolle, typisch französische Komödie, die zwischenmenschliche Balzrituale nicht etwa glorifiziert, sondern karikierend übertrieben durch den Kakao zieht. Pierre Richard schlüpft dafür einmal mehr in die Rolle eines Leben und Alltag entrückten Pechvogels und Trottels, geht dabei jedoch weniger chaotisch und sprunghaft vor als noch in seinen ersten beiden Regie-Arbeiten, die dadurch mitunter etwas anstrengend bzw. ermüdend wirkten. Hier schafft er es, bei allem Slapstick und anderen Albernheiten einen roten Faden beizubehalten und den Zuschauer dauerhaft für sein Treiben zu interessieren. Entscheidend dazu bei trägt das Erfolgsrezept der starken männlichen zweiten Hauptrolle an seiner Seite bei, in diesem Falle Aldo Maccione als Aldo Ferrari, was sich bereits bei „Eine Wolke zwischen den Zähnen“ und später bei den Filmen mit Gérard Depardieu als sehr inspirierend für den Humor herausstellte.

So wird es einer urkomischen Angelegenheit, dem verhinderten Don Juan bzw. dem ungleichen Duo dabei zuzusehen, wie Konfrontationen mit arglosen Passanten geübt oder Boule-Spieler durch unentwegtes Anstarren (mein Höhepunkt des Films, herrlich Richards Backpfeifen-Mimik!) in den Wahnsinn getrieben werden. Kommentiert wird die episodenhaft aufgebaute Sause von Richard/Renaud aus dem Off naiv und beschönigend/verharmlosend, was im Zusammenspiel mit den Bildern für zusätzliche Lacher sorgt. Mimi Coutelier findet bewusst nur am Rande statt, primär geht es um die persönliche Entwicklung Renauds. Verschiedene französische Originalschauplätze wie z.B. das schöne Nizza und viele ganz selbstverständlich eingeflochtene Verweise auf die französische Lebensart wie Appetit anregendes, gutes Essen in Restaurants versehen „Und jetzt das Ganze noch mal von vorn“ mit einer Menge unverkennbaren Lokalkolorits, das den entschleunigenden Genießer im Zuschauer anspricht. Abstriche hingegen müssen leider bei der Musik gemacht werden, die zu sehr in den Vordergrund gemischt wurde und deren Kompositionen teilweise eher nerviger Natur sind. Dafür setzt die augenzwinkernde Pointe einen sympathischen Schlusspunkt, wenn sie vornehmem, dekadentem Habitus und protzigem Materialismus eine Absage erteilt.

Fazit: Auch Richard und Maccione sind ein wunderbares Team, Richard ist hier einmal mehr in Hochform. Die verhältnismäßig geradlinige Geschichte dient als Aufhänger für höchst amüsante Episoden eines endlich im Leben Fuß fassen wollenden, einsamen und zunächst unscheinbaren Außenseiters, der facettenreich und stets zwischen bemitleidenswert und zurecht Ohrfeigen provozierend von einem der ganz Großen der französischen Komödie verkörpert wird. Prima gealterte Unterhaltung, die heutzutage zusätzlich einer wunderbaren Zeitreise ins Frankreich der 1970er gleicht.

Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Verfasst: Fr 22. Mär 2013, 23:50
von buxtebrawler
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Frankenstein 2000
Georgia ist eine junge Witwe, mit telepatischen und telekinetischen Fähigkeiten. Als sie eines Abends allein zu Hause ist wird sie von ein paar Jugendlichen überfallen und vergewaltigt. Sie erleidet einen Schock und fällt in eine Art Koma, doch ihr Gehirn funktioniert noch. Ric - Georgias Freund - wird von einem Komplizen der Vergewaltiger ermordet, damit er nicht mehr gegen diese aussagen kann. Doch da haben sie die Rechnung ohne Georgia gemacht: Sie nutzt - noch immer im Koma - ihre telekinetischen Fähigkeiten und läßt Ric von den Toten auferstehen. Nun hat sie einen willigen Sklaven, den sie dazu benutzt, ihre Peiniger und jene, die diese beschützt haben, zu töten. Ric verwandelt sich in ein Monster und wird Teil von Georgias grausamer Rache...
„Das ist für diese Wahnsinnigen typisch. Sie bringen sich um, wenn sie keinen Ausweg mehr sehen.“

„Frankenstein 2000“ aus dem Jahre 1991 war der letzte Horrorfilm des berüchtigten italienischen Filmemachers Joe D’Amato („Man-Eater“, „Sado – Stoß das Tor zur Hölle auf“), bevor er sich fortan ausschließlich dem Sex- und Pornofilm widmete (evtl. mit Ausnahme von einer Produktion wie „Top Girl“...?). Sieht man sich den Film an, wird klar, dass er diesen Schritt schon früher hätte beschreiten sollen. Doch der Reihe nach, hier die Story:

Die mit telepathischen und -kinetischen Fähigkeiten ausgestattete Georgia (Cinzia Monreale, „The Beyond“) lebt mit ihrem Sohn Stephen (Robin Tazusky), ihrem Freund Thomas (Riccardo Acerbi, „Daemonia“) und ihrem älteren Gärtner, Dienstboten oder was auch immer, Ric (Donald O'Brien, „Lauf um dein Leben“) in einem beschaulichen österreichischen Örtchen. Dieses jedoch wird terrorisiert von einer Bande jugendlicher Motorradfahrer, die unbehelligt von der Polizei die Menschen schikanieren können, weil einer der Halbstarken der Sohn des einflussreichen Herrn Hoffners (Maurice Poli, „Wild Dogs“) ist. Eines Tages jedoch gehen die Rowdys zu weit und vergewaltigen Georgia (oder versuchen es zumindest – das geht aus dem Film nicht hervor), die anschließend im Koma liegend ins Krankenhaus eingeliefert wird. Um den Tathergang zu verschleiern und die wahren Täter zu schützen, intrigiert man gegen den armen Ric, der ebenfalls in Georgia verliebt ist. Man beschuldigt ihn der Vergewaltigung, sperrt ihn ein und erhängt ihn anschließend, um es wie Selbstmord aussehen zu lassen. Doch dank ihrer übernatürlichen Begabung kann Georgia den toten und jetzt nahezu unverwüstlichen Ric lenken – und schickt ihn auf einen grausamen Rachefeldzug...

D’Amatos schlecht zusammengeklaute Mischung aus „Rape and Revenge“-Subgenre-Motiven und dem Italo-Trash-Oberheuler „Patrick lebt!“ hat mit der klassischen Frankenstein-Thematik überhaupt nichts zu tun, wenngleich man ohne Sinn und Verstand Ric nach seiner Ermordung eine fiese Narbe auf die Stirn und Metallpenökel an den Dötz klebte, um eine entfernte optische Verwandtschaft mit Frankensteins Monster zu erzwingen. Doch was zunächst vielleicht nach einer durchaus spaßigen Trash-Sause klingt, ist eine geschlagene Stunde lang von furchtbar mieser Elektro- und Synthiemucke unterlegte Langeweile pur! Nahezu eine einzige Aneinanderreihung belangloser Füllszenen in Billigoptik, absolut hirnrissig konstruiert und keinerlei Sinn ergebend. Die einzigen Lichtblicke bis dahin sind die schicken Plakate von Filmklassikern im Inneren einer Videothek, bei deren Anblick man sich unweigerlich fragt, weshalb man sich nicht lieber einen davon ansieht, sowie unfreiwillig komische Alptraumvisionen Georgias, in denen ihr kleiner Sohnemann geköpft wird – übrigens unheimlich schlecht getrickst und selbstverständlich in keinerlei Zusammenhang mit der, äh, „Handlung“ stehend. Ansonsten bekommt man schlicht lustlos und dröge heruntergespulten Blödsinn von sowohl Laien- als auch unverständlicherweise gestandenen Darstellern geboten, die sich dank Drehbuch (natürlich ebenfalls aus der Feder D’Amatos) durch die Bank weg verhalten wie geistig Zurückgebliebene. Für ungläubiges Staunen sorgt neben dem Verhalten der Polizisten, auf deren Autos „Schutzengel“ steht (!), Georgias Freund Thomas, der 1000 Schilling (umgerechnet also 73 Euro!) für einen Ball und eine Schachtel Kippen bezahlt.

Wenn „Frankenstein 2000“ nach einer Stunde endlich Fahrt aufnimmt, geschieht zwar endlich etwas mehr, damit aber auch noch mehr Schwachsinn. Donald O’Brien stapft mit dem immer gleichen Gesichtsausdruck umher und wurde dann in wenigstens in ein, zwei Szenen halbwegs atmosphärisch ins Licht gerückt. Ein weiterer inszenatorischer Tiefpunkt ist dann aber die Szene, in der er jemandem den Kopf zerquetscht, bis dessen Augen heraustreten – ich kann mich nicht erinnern, jemals einen dilettantischeren offensichtlich ernst gemeinten „Spezialeffekt“ gesehen zu haben! Unfassbar auch die mit Hakenkreuzflaggen etc. geschmückte Kostümparty, auf der die Besucher ihren Nazifetisch ausleben – bis auf ein Mädel, das im Weckerkostüm (!) partizipiert. Dass das Duo Georgia/Ric generell nicht mehr zwischen Freund und Feind unterscheidet und sich amokgleich durch die Gegend meuchelt, ist einem dann auch schon reichlich egal und klingt vor allem wieder wesentlich kruder, als es letztlich ist: „Frankenstein 2000“ bleibt unblutig und völlig lächerlich. Es ist eine Schande, was D’Amato, der trotz vieler billiger Schnellschüsse mit ebenso skurrilen wie charmanten Schnellschüssen in den Jahrzehnten zuvor immer wieder sein durchaus vorhandenes Talent hatte erkennen lassen, hier dem Publikum vor die Füße rotzt. Allerbilligster Schrott dümmlichster und unmotiviertester, uninspiriertester Machart, dem quasi alles abgeht, was seine Filme – egal welchen Genres – einmal ausgemacht hat. Dieser Film taugt leider nicht einmal als lustiger Volltrash, da er dafür einfach viel zu selten lustig ist. In erster Linie ist es ärgerlich, mit welch schluderigem Mist hier dem Zuschauer das Geld aus den Taschen gezogen werden sollte.

Ein beschissener Film, den am Stück zu schauen schwerfällt und der zudem mit einer dementsprechenden deutschen Synchronisation bedacht wurde, deren Discountsprecher unglaublich unpassend besetzt werden. Ein Punkt für den armen Donald O’Brien, der sich aus welchen Gründen auch immer an diesem Schmierentheater beteiligte, und einen für das Weckerkostüm.

Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Verfasst: Di 26. Mär 2013, 22:55
von buxtebrawler
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Freaks
Ricky Coogan, geldgeiles Teenie-Idol und Megastar, soll für den Turbodünger "Noxon" eines Konzerns werben. Also fliegt er mit seinem chaotischen Kumpel Ernie nach Südamerika, in das tiefste Provinznest - dem einzigen Flecken Erde, auf dem der zellveränderte Powerdung noch nicht verboten ist. Die zwei verirren sich im Dschungel und landen plötzlich vor Prof. Skuggs "Mutanten-Warenhaus". Erst mal drin, machen sie eine grausige Entdeckung. Skuggs hat für das hochgiftige "Noxon" längst eine andere Verwendung gefunden. Er schüttet es auf ahnungslose Touristen und produziert so seine Monster, die "Freaks"! Ricky ist sein nächstes Opfer. Eine Körperhälfte Rickys hat sich bereits in ein richtig ekelerregendes, haariges Monster verwandelt, da geht Skuggs das "Noxon" aus ...
„Wo bleibt der Spaß? Wo der Funke? Wo das unsagbare Böse?!“ – „Diesen Punkt wollte ich gerade ansprechen...“ (Konferenz bei EES)

Der britische Schauspieler Alex Winter („Fever“), der in erster Linie als Schauspieler durch die Komödie „Bill & Ted's verrückte Reise durch die Zeit“ populär wurde, führte im Jahre 1993 zusammen mit Tom Stern („Ein Mann greift zur Waffe“) die Regie für die US-Horror-Trash-Komödie „Freaks“, für die er auch höchstpersönlich das Drehbuch verfasste – und die Hauptrolle übernahm. Die „20th Century Fox“ verweigerte dem Film schließlich die Promotion und ließ ihn an den Lichtspielhauskassen floppen. Fürs Heimkino allerdings handelt es sich um einen echten Geheimtipp für Freunde des abseitigen Geschmacks.

Hollywood-Teenie-Sternchen Ricky Coogan (Alex Winter) hat sich vom „EES“-Konzern („Everything Except Shoes“) verpflichten lassen, für deren auf der Chemikalie Cygrot-24 basierenden Superdünger „Noxon“ zu werben. Er geht auf Promotion-Tour in Südamerika, wo er zusammen mit seinem Freund Ernie (Michael Stoyanov, „The Dark Knight“) und der Umweltschützerin Julie (Megan Ward, „Rated X“) auf den Freakshow-Betreiber Skuggs (Randy Quaid, „Das letzte Kommando“) trifft, der das Trio mittels eben jener Chemikalie kurzerhand selbst zu Freaks mutieren lässt. Ernie und Julie sind künftig zusammengeschmolzen wie siamesische Zwillinge und Ricky wurde halbseitig zu einem grässlichen, sabbernden, schleimigen Ungetüm entstellt. Skuggs will die neu erschaffenen Kreaturen neben den anderen Stars seiner Freakshow – dem Wurmmann, dem Kuhjungen, der bärtigen Lady, dem Sockenkopf etc. – öffentlich zur Schau stellen. Dock Ricky trommelt alle Schicksalsgenossen zusammen, um sich gegen Skuggs zur Wehr zu setzen und die Freaks zu befreien…

Da nimmt man mal einen ansonsten eher unscheinbaren Film vom Trödelhändler mit, weil einen das Cover mit skurrilen Mutanten anlacht, wundert sich noch über die Angabe namhafter Darsteller auf der Verpackung… und reibt sich spätestens dann ungläubig die Augen, wenn Haudegen Mr. T („Das A-Team“) als „bärtige Lady“ im Fummel zwischen einer Bande Freaks sitzt. Was Alex Winter hier fabriziert hat, ist eine freiwillige Trash-Komödie oberster Kajüte, voll von schwarzem Humor, Albernheiten, Masken, Make-up- und Spezialeffekten von Screaming Mad George und Zitaten aus bzw. Verweisen auf zahlreiche Unterhaltungsfilmklassiker. Neben dem grotesken Anblick der Gestalten – beispielsweise einer, äh, „Person“, die anstelle eines Kopfes eine Socke hat, unter der sich, wie in einer wahrhaft schockierenden (haha!) Sequenz aufgedeckt wird, eine dritte Hand befindet, oder eben dem wie „Two-Bad“ aus der Bande Skeletors ungleich zusammengeschweißten Paar Ernie und Julia, das sich trotz allem einfach nicht näherkommt, ganz zu schweigen von Ricky, der aussieht wie eine besonders ekelerregende Mischung aus Gremlin im Fiesheitsmodus und Two-Face und ständig Schleim und Eiter absondert – ist es der absichtlich geschmacksverirrte, selbstironische, häufig extrem alberne und doofe Humor, der dafür sehr pointiert, in verdammt hoher Frequenz und vor allem oftmals tatsächlich überraschend daherkommt, der den Unterhaltungsfaktor von „Freaks“ in die Höhe schnellen lässt. Die Sause steckt voller witziger und augenzwinkernder Details, derer es bei einer Zweitsichtung mit Sicherheit noch so einige zu entdecken gibt. Skuggs Freak-Wunderland ist ein Hort des Bizarren, ein Paralleluniversum des Abnormen, das den kleinen Jungen im Zuschauer weckt, der mit großen Augen alles in sich aufsaugt (pfui!). Diverse Kostüme und Tricks wurden dabei bewusst leicht fürs Publikum nachvollziehbar umgesetzt, was den Trashfaktor erhöht und besonders dann viel Freude spendet, wenn von Menschen in Anzügen über Stop-Motion bis hin zu hartem Körperhorror die ganze Palette der Phantastik-SFX Berücksichtigung findet.

In „Freaks“ regiert der Wahnsinn, von dem sich wodurch auch immer auch „seriöse“ Schauspieler wie Brooke Shields und Keanu Reeves anstecken ließen und sich an der Freakshow beteiligten. Von Keanu Reeves bekommt man unter seine Maske als Hundemensch zudem so gut wie nichts zu sehen, so dass man theoretisch jeden anderen Schauspieler hätte nehmen können. Große Klasse, wie Hollywood-Größen den respektlosen Umgang mit ihren Personen gestatten, das bringt Sympathiepunkte ein. Auch Filmemacher wie Sam Raimi und Rob Tapert finden sich in Nebenrollen. Die große Spannung ist nun natürlich nicht Sache des Films, doch läuft er auch nie Gefahr, zu einer eindimensionalen Gag-Revue zu verkommen, die irgendwann nur noch langweilt. Stattdessen reicherte man die Handlung mit satirischen Elementen an, die den unbedarften Umgang mit hochgiftigen Chemikalien sowie die mit Füßen getretenen Arbeitnehmerrechte von Industriekonzernen frech aufs Korn nehmen und damit bei aller Entrücktheit Bodenständigkeit und Intelligenz beweisen, die über reinen Fäkal- und Schmodder-Holzhammer-Humor weit hinausgehen. Auch der Punk-Soundtrack mit Songs von Henry Rollins, den Butthole Surfers und Blind Idiot God unterstreicht den anarchischen Stil des Films und passt perfekt – bereits wenn er zu Beginn zum animierten Vorspann erklingt, der die grobe Marschrichtung vorgibt.

Fazit: Höchst unterhaltsames Freak- und Kreaturenspektakel voll nur oberflächlich betrachtet stumpfsinnigem, viel mehr schrägem, ironischem und bisweilen hintergründigem Humor und Darstellern, die sich im positiven Sinne für nichts zu schade sind. Herrlich geschmacksverirrt und aufgrund seiner Mischung aus Ekelfaktor und Frechheit garantiert nicht gesellschaftstauglich – demnach Pflicht für B-Movie-Freaks, die auch mit „Bad Taste“, „Meet the Feebles“ und ähnlichen Kalibern bzw. generell allem, worin Screaming Mad George auf die Kacke haut, etwas anzufangen wissen. Kultverdächtig!

Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Verfasst: Di 26. Mär 2013, 22:57
von buxtebrawler
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Das Haus der Vergessenen
Gauner LeRoy und der kleine Fool sitzen in der Falle, Das Haus, daß sie ausrauben wollten, gehört ausgerechnet einem teuflischen Psychopathen-Pärchen. Die sind über die ungebetenen Gäste gar nicht erfreut und wetzen eifrig die Messer...
„Ich sehe niemals, noch höre ich oder spreche Böses...“ (Überlebenstaktik im Hause Robeson)

Zwischen seiner TV-Arbeit „Night Visions“ und der Wiederaufnahme seines Serienkillers und „Traummanns“ Freddy Krueger in „Freddy’s New Nightmare“ drehte US-Horror-Regisseur Wes Craven im Jahre 1991 den Horrorfilm „Das Haus der Vergessenen“, sein erster Film jener Dekade. Das Drehbuch stammt ebenfalls aus seiner Feder.

Ghettokid „Fool“ (Brandon Quintin Adams, „Moonwalker“) ist verzweifelt: Seine Familie ist verarmt und seine Mutter benötigt dringend Geld, um sich eine lebenswichtige Operation leisten zu können. Zusammen mit zwei befreundeten älteren Kleinkriminellen dringt er in das Haus der seltsamen Familie Robeson ein, von der man sagt, dass diese einen Goldschatz horten würde und die zudem das Viertel systematisch ausbeutet. Im Haus angelangt jedoch segnen Fools Freunde schnell das Zeitliche und muss nun auch er selbst um sein junges Leben bangen, denn die Familie entpuppt als inzestiöses und mörderisches Geschwisterpaar, das im Keller des Hauses von der Außenwelt isoliert Kinder und Jugendliche gefangen hält, die im Laufe der Jahre kannibalistische Neigungen entwickelt haben. Außerdem lernt er das Mädchen Alice (A.J. Langer, „Flucht aus L.A.“) kennen, die angebliche Tochter des Paars (Wendy Robie, „.Dentist II - Zahnarzt des Schreckens“ und Everett McGill, „Werwolf von Tarker Mills“). Zusammen versuchen die beiden, ihrer Situation zu entkommen und der sich des Zugriffs des sadistischen Paares entziehende Roach (Sean Whalen, „Batmans Rückkehr“), der zwischen den Wänden des architektonischen Kuriosums lebt, hilft ihnen dabei…

Wes Cravens „Das Haus der Vergessenen“ ist eine hysterische, überzeichnete, schwarzhumorige Parabel auf den mit geistiger wie ökonomischer Gesundheit nicht mehr viel gemein habenden Zustand der besitzenden Klasse, ihr sinnloses Anhäufen von Reichtum, ihr krampfhaftes Festhalten an vermeintlich traditionell gewachsenen Verhältnissen, deren bizarre Entstellungen sie selbst nicht mehr wahrzunehmen in der Lage sind und die fatalen Auswirkungen auf die elementaren Grundbedürfnisse der Bevölkerung wie gesundheitliche Absicherung und bezahlbaren, menschenwürdigen Wohnraum. Zu diesem Zwecke wurde eine Familie erdacht, die sich nach außen hin das Gesicht konservativer Durchschnittsamerikaner gibt, sich mit ihrem wahren Handeln und ihren eigentlichen Interessen aber weitestmöglich abschottet von Bevölkerung und staatlichem Einfluss. Stilistisch bewegt sich Craven damit zwischen zahlreiche Genremotive abdeckendem Horror, der mit tief verwurzelten Ängsten spielt, jedoch jeweils auch aus zahlreichen anderen Produktionen bekannt sein sollte, und einem sich an den Erzählstrukturen des Mainstreams orientierenden, alptraummärchenhaften Kinder-/Außenseiter-Fantasy-Abenteuer, das indes in wenig kindgerechter Form dargereicht wird, aber die Überwindung von Rassengrenzen sowie von Ekel und Scheu gegenüber andersartigen Wesen aufgreift.

Dabei setzt Craven auf ein beinahe irrsinniges Tempo, das einhergeht mit dem Overacting insbesondere der erwachsenen Darsteller und bei rasanten Hatzen durch Kellergänge kaum Zeit zum Luftholen lässt. Einige visuelle Härten und grauenerregende Masken garantieren Schreckspitzen und werden in ihrer Konsequenz lediglich durch den satirisch-humoristischen Unterton in ihrer Wirkung relativiert. So hält sich der Verstörungsgrad in Grenzen, während die wenig ambivalenten Charakterisierungen und die Thematik zweier (dann doch gar nicht so) hilfloser Kinder gegen eine übermächtige, von der gefühlskalten Erwachsenenwelt ausgehenden Gefahr dem Märchenhaften Vorschub leistet. Das Ende ist dann irgendwo zwischen spielbergesker kitschiger Sozialromantik und abstrahierter, allgemein verständlicher und – wie letztlich der ganze Film – auf emotionaler Ebene funktionierender Beschreibung der potentiellen Macht eines solidarischen Einstehens für seine Rechte anzusiedeln.

„Das Haus der Vergessenen“ ist von Anfang bis Ende „typisch US-amerikanisch“ und mag auf den ersten Blick etwas oberflächlich erscheinen mit seiner wenig subtilen Art, gesellschaftliche Missstände aufzugreifen um dem Zuschauer in der beschriebenen Form um die Ohren zu hauen, ist für den wahren Mainstream und dessen Sehgewohnheiten aber zu schwer verdaulich und bietet unabhängig davon aber unterhaltsame, laut polternde Genrekost, passable Schauspieler, bizarr-morbide Kulissen und einem Inszenierungsstil, der sich durchaus angenehm an große Kinder bzw. das Kind im Manne richtet. Sicherlich kein Craven-Klassiker, aber ein sympathischer, recht gelungener Film. Dass man des Öfteren an den in der Wand lebenden Herrn Riebmann wird denken müssen, konnte der gute Wes seinerzeit natürlich nicht ahnen...

Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Verfasst: Mi 27. Mär 2013, 20:41
von buxtebrawler
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Zwei Kamele auf einem Pferd
Pierre arbeitet als schlecht bezahlter Gagschreiber für den bekannten Drehbuchautor Georges Vallier. Obwohl Valliers Filme den komischen Einfällen seines Gagschreibers ihren eigentlichen Erfolg verdanken, taucht Pierres Name im Abspann nicht auf. Als Vallier seinen Ghostwriter bittet, unter seinem Namen auf der Cocktailparty des italienischen Filmstars Aldo Barazutti zu erscheinen, wittert Pierre seine Chance. Er bietet Barazutti an, ihm einen fantastischen Filmstoff auf den Leib zu schreiben. Voller Begeisterung sagt Barazutti zu und lädt Pierre zu einem Arbeitsurlaub nach Tunesien ein. Pierre ahnt nicht, dass Barazzuti ihn längst durchschaut hat.
„Haben Sie vielleicht einen Herrn gesehen mit so’ner Löwenmähne und ‘ner leichten Macke?“ (Wer könnte da gemeint sein...?)

Auch die zweite Zusammenarbeit des französischen Komödienstars Pierre Richard („Die Flüchtigen“) mit Aldo Maccione („Der große Angeber“) nach „Und jetzt das Ganze noch mal von vorn“ an seiner Seite entstand unter Richards Regie, der auch persönlich das Drehbuch verfasste. Die Rede ist von der Verwechslungskomödie „Zwei Kamele auf einem Pferd“, die 1980 veröffentlicht wurde und bis 1997 Richards letzte Regiearbeit bleiben sollte.

Pierre Renard (Pierre Richard) arbeitet als „Neger“ in der Filmbranche. Das bedeutet, dass er als Ghostwriter Drehbücher verfasst, aber nicht im Vor- oder Abspann genannt wird. Als sein aktueller Arbeitgeber, der erfolgreiche Filmemacher Georges Vallier (Henri Garcin, „Die Frau nebenan“), Renard bittet, an seiner Stelle auf einer Party des italienischen Filmstars Aldo Barazutti (Aldo Maccione) aufzutauchen, gibt sich Renard als Vallier aus und bietet Barazutti an, ihm ein hochkarätiges Drehbuch zu auf den Leib zu schneidern. Barazutti ist begeistert von der Idee und begibt sich mit Renard auf einen Arbeitsreise nach Nordafrika, um das gemeinsame Projekt miteinander zu entwickeln. Doch Barazuttis Frauengeschichten sorgen ebenso für Turbulenzen wie der nachgereiste Vallier, vor dem Renard unterzutauchen versucht…

„Das ist sein Neger!“

Nach „Ein Tolpatsch auf Abwegen“ schlüpft Pierre Richard zum zweiten Mal in die Rolle eines glücklosen Drehbuchautors und nicht nur aufgrund desselben Vor- und sehr ähnlich klingenden Nachnamens dieser scheint er einmal mehr ein Stück weit sich selbst zu spielen. Diese Gleichheit der Vornamen auch seines Kompagnons Aldo Macciones zieht sich durch viele Filme Richards und inwieweit Richard auch in der Realität als mit Almosen abgespeister Ghostwriter übervorteilt wurde, entzieht sich meiner Kenntnis. Ich kann aber mit Gewissheit sagen, dass ihm auch mit „Zwei Kamele auf einem Pferd“ eine erfrischende Komödie gelang, die neben dem üblichen Slapstick und Wortwitz satirische Elemente in Bezug auf das Filmgeschäft bereithält und zu großen Teilen im Stil einer Verwechslungskomödie aufgezogen wurde, ohne jedoch aus diesem Aspekt das ganz große turbulente Chaos zu schöpfen. Das bekommt das wie so oft ungleiche Duo nämlich auch hin, ohne dass es eine allzu große Rolle spielen würde, ob Renards Gegenüber nun wissen, um wen es sich bei seiner Person wirklich handelt. Denn während sich Barazutti gern bei devoten Spielchen im Hundekostüm vergnügt und Richard durch einen Kaftan verhüllt durch afrikanische Straßen läuft, bleibt kein Auge trocken – und Renard kommt einfach nicht zum Arbeiten. Stattdessen hält er in aller Seelenruhe einen inneren Monolog unter Wasser und versucht, sich eine Zigarette anzuzünden, muss im Basar um Preise feilschen oder sich vor eifersüchtigen Liebhabern in Acht nehmen und sich gar mit Barazutti unter öffentlicher Beobachtung im Restaurant als Schwulenpärchen ausgeben.

Damit seien bereits einige Höhepunkte des Klamauks genannt, der bei der hohen Frequenz der Benutzung des Wortes „Neger“, und dann auch noch in abwertender Konnotation, und mit seiner auch mal lockeren Ohrfeigenhand gegen eine Frau in Sachen politischer Korrektheit hoffnungslos überholt erscheint, aber wie gehabt über diese besonderen Momente verfügt, in denen man den guten Pierre bemitleidet, während man gleichzeitig über ihn lacht. Maccione als Partner ist wieder eine schöne Reflektionsfläche für Renards gänzlich anders gestrickten Charakter, dessen Besonder- und Entrücktheiten dadurch zusätzlich hervorgehoben werden. Leider wird die eigentliche Handlung irgendwann etwas sehr aus den Augen verloren und immer absurder wird das Geschehen, womit bereits Richards erste Regiearbeiten zu kämpfen hatten. Die Möglichkeiten des bissigen Seitenhiebs auf die Filmbranche wird dementsprechend weniger genutzt, vielmehr spielt all das keine wirkliche Rolle mehr, wenn im allerdings sehr makabren Ende Renard mit Terroristen durch die Wüsten zieht. Das ist alles zu viel auf einmal.

Fazit: Da wäre noch mehr drin gewesen, hätte man sich auf das Ausgangssujet fokussiert, doch auch in dieser Form ist „Zwei Kamele auf einem Pferd“ eine sehr unterhaltsame und lustige Komödie mit dem typischen französischen Charme des großen blonden Lockenkopfs mit dem Händchen fürs Chaotische und dem Füßchen fürs Fettnäpfchen.

Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Verfasst: Di 2. Apr 2013, 21:09
von buxtebrawler
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Die Insel der blutigen Plantage
Die Insel ist ein Paradies, ihr Leben ist die Hölle: Bildschöne Südsee-Mädchen werden versklavt und sexuell missbraucht. Bis einer der Peiniger sich ins schönste seiner Opfer verliebt und sich gegen seine Anführer auflehnt....
„Ich dachte, du wärst ‘ne gute Mösenakrobatin!“

Die ehemalige Nazi-Fratze Otto Globocnik (Karl-Otto Alberty, „Blaubart“) hat sich auf eine ursprünglich einmal paradiesische Südseeninsel abgesetzt und kann es nicht sein lassen, Völker auszubeuten und zu unterdrücken. So hat er sich selbst als Diktator eingesetzt und herrscht mit eiserner Hand über zahlreiche Untertanen, die er unter menschenunwürdigen Umständen Sklavenarbeiten verrichten lässt. Seine sexbesessene Frau „Die blutige Olga“ (Barbara Valentin, „Geld oder Leber!“) und ein ganzes Soldatenregiment halten die Bevölkerung in Schach, die Frauen werden vergewaltigt, Qual und Folter sind an der Tagesordnung. Doch als Wachmann Hermano (Udo Kier, „Hexen bis aufs Blut gequält“) sich in die Sklavin Cora verliebt und sich langsam auf die Seite der unterdrückten Frauen schlägt, ja, sogar Fluchtversuche plant, eskaliert die Situation vollends…

Was der Story nach wie krude (S)Exploitation-Action-Kost klingt, ist im Prinzip auch genau das, doch ist sie auf dem Mist des Teams des deutschen Autorenfilmers Rainer Werner Fassbinder gewachsen. Das Drehbuch verfasste Kurt Raab unter dem Pseudonym Timmy Herrera, produziert wurde von Peter Kern und Erwin C. Dietrich (gut, der hat nun wahrlich keinen Fassbinder-Bezug, passt aber perfekt zum Inhalt der Produktion) und die Regie übernahm ebenfalls Raab, nachdem man sich mit dem ursprünglich eingeplanten Philippino Celso Ad. Castillo überworfen hatte. Dieser Film sollte bei möglichst geringen Produktionskosten ordentlich Geld in die Kassen wirtschaften, mit dem man anspruchsvollere Autorenfilm-Produktionen realisieren wollte. Welch ein Plan! – Der dann doch anders kam, als man sich mit den widrigen Umständen vor Ort und dem mangelnden Arbeitseifer der philippinischen Crew konfrontiert sah. Doch unter Blut, Schweiß, Tränen und Todesangst bekam man den Film dennoch innerhalb von rund zwei Monaten fertig und bereicherte die Unterhaltungsfilmlandschaft damit um ein Kuriosum.

„Die Unmenschlichkeit ist unsterblich!“

Mit Armbinden in SA-Manier stapfen die Darsteller durch den Dschungel respektive Wald in einem Film, der quasi ganzheitlich wie ein irrer Fetisch aus dem S/M-Bereich wirkt und dementsprechend sexuell aufgeladen ist. Die Sklavinnen werden nämlich nicht nur hinsichtlich ihrer Arbeitskraft ausgebeutet – wobei entweder im Dunkeln bleibt, was genau auf der „blutigen Plantage“ eigentlich angebaut wird, oder ich just in dem Moment unaufmerksam war, als dieses eigentlich nicht unwichtige, für diesen Film aber vollkommen nebensächliche, äh, „Detail“ Erwähnung fand –, nein, sie werden auch sexuell belästigt und vergewaltigt. Wenn sich die „blutige Olga“ einschaltet und den armen Hermano zwingt, sie zu begatten, da ihr Obernazi es in Sachen Manneskraft nicht mehr bringt, haben wir einerseits einen Höhepunkt der vollkommen entromantisierten, von Dominanz, Hörigkeit und Gewalt geprägten Sexploitation des Films zu verzeichnen, andererseits aber auch einen von zahlreichen Seitenhieben auf Nazi-Schergen, die es sich nach Kriegsende im Exil bequem gemacht haben. Dabei wird selbstverständlich kaum ein Klischee ausgelassen, und das ist auch gut so, davon lebt die „Naziploitation“. Sogar Zwerge (=Kleinwüchsige) sind mit von der Partie, ebenfalls bekannt aus einigen unrühmlichen Rollen in reißerischer Exploitation. Es gibt viele Tote, recht unpassenden okkulten Unfug, der „Die Insel der blutigen Plantage“ in Richtung des phantastischen Films bugsiert, und ein überaus actionreiches Finale mit zahlreichen Explosionen. Der ganze Kladderadatsch wird lose zusammengehalten von der zum Scheitern verurteilten Beziehung zwischen Cora und Hermano, die ebenso wenig ernstzunehmen ist wie alles andere.

Technisch wie handwerklich gesehen treffen erfahrene Schauspieler – neben Schönling Kier viele einprägsame Charaktergesichter! – auf Laien und wird sich standardmäßig viel in Overacting ergangen, was eine professionelle Kamera in Zusammenhang mit den authentischen Drehorten in Bildern von exotischer Schönheit und schwül-morbider Faszination dokumentiert. Ihr gegenüber steht leider ein etwas eigenartiger Schnitt, der manch Spannungsszene einfach weglässt und lediglich das jeweilige Ergebnis präsentiert, was sicherlich den schwierigen Drehumständen sowie Zeitdruck und kargem Budget geschuldet ist. Der Anteil entblößter weiblicher Geschlechtsorgane ist trotz allem für einen Film voll exotischer Sklavinnen noch verhältnismäßig gering, dafür zeigt das Drehbuch bei der Konzeption des Irrsinns keinerlei Scham. Ein schmissiger, poppiger Titelsong eröffnet den Reigen, der ansonsten sowohl von karibischen Rhythmen als auch klassischen Tönen musikalisch untermalt wird. Das stark an den ebenfalls auf den Philippinen gedrehten „Apocalypse Now“ angelehnte DVD-Cover unterstreicht den Plagiatscharakter des Film, der sich sehr offensichtlich bei diverser ähnlich gelagerter Vollblut-Exploitation bedient, dabei aber nicht nur in grafisch-offensiver Hinsicht nie deren Konsequenz erreicht – der für einen Ausflug eines größtenteils mit der Materie nicht unbedingt vertrauten Teams aber durchaus respektabel und gut unterhaltsam geglückt ist. Dass es sich um in gewisser Weise „freiwilligen Trash“ handelt, springt dem Publikum nicht mit jeder Einstellung ins Gesicht und macht das Ergebnis für diejenigen, die etwaige Vorstellungen davon haben, was sie erwartet, auf angenehm subtil augenzwinkernde Weise genießbar. Kurz: Ich hatte Spaß!

Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Verfasst: Do 4. Apr 2013, 00:47
von buxtebrawler
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Blutrausch
Der psychisch gestörte Kriminelle "Memphis" (Telly Savalas) und sein Komplize "Mosquito" (Franco Nero) überfallen mit der Hilfe von Maria (Ely Galleani), die den Fluchtwagen steuert, ein Juweliergeschäft. Dabei erschießt "Memphis" den Juwelier. Nach einer wilden Verfolgungsjagd nehmen sie sich ein neues Fluchtauto - was sie nicht wissen: Hinten im Wagen hat sich der junge Lennox Duncan (Mark Lester) versteckt - der Sohn einflussreicher Eltern, die sofort die Polizei alarmieren. Während der Flucht zeigt sich Lennox zur Überraschung von "Mosquito" fasziniert vom Leben der beiden Verbrecher. Derweil dreht "Memphis" immer mehr durch, erschießt weitere Menschen, während die Polizei ihnen immer näher kommt...
„Lieber ’n Augenblick feige als ein Leben lang tot!“

„Blutrausch“, 1973 unter der Regie des gebürtigen Kanadiers Silvio Narizzano in italienisch-britischer Koproduktion entstanden, ist ein harter, pessimistischer Kriminal-Thriller, der die beiden Filmstars Telly Savalas („Kojak“, „Der Teuflische“) und Franco Nero („Django“, „Der Clan, der seine Feinde lebendig einmauert“) vor der Kamera vereint.

Die beiden Gangster Memphis (Telly Savalas) und Mosquito (Franco Nero) überfallen ein Juweliergeschäft. Dabei erschießt Memphis den Ladenbesitzer, bevor Maria (Ely Galleani, „Tote Zeugen singen nicht“) den Fluchtwagen mit den Ganoven durch eine wilde Verfolgungsjagd steuert. Als sie sich ein neues Fluchtfahrzeug „nehmen“, bemerken sie erst später, dass sich auf der Rückbank der kleine Lennox Duncan (Mark Lester, Black Beauty“) versteckt hat, dessen Eltern zur einflussreichen Oberschicht gehören. Es beginnt eine langwierige Flucht vor der Polizei, die ihnen immer dichter auf die Fersen kommt. Und es entwickelt sich ein destruktives Sozialgefüge zwischen beiden Ganoven, dem von seinem goldenen Käfig gelangweilten Lennox, der vom gesetzlosen Leben fasziniert ist, und Mosquitos Freundin Maria, die dem soziopathischen Memphis wie so vieles andere auch ein Dorn im Auge ist…

Die harte Marschrichtung macht „Blutrausch“ von Beginn an unmissverständlich klar, wenn es zur blutigen Ermordung des Juweliers und anschließender rasanter Verfolgungsjagd mit hohem Blechschaden kommt. Doch fortan arbeitet Narizzano bzw. das Drehbuch einige weitere, hochinteressante Aspekte heraus und erweitert den Film um Versatzstücke aus einem Sozialdrama und einem Road-Movie, der er im Prinzip auch ist. Während sich Mosquito als gar nicht mal so übler Kerl entpuppt, wird Memphis immer mehr zum abgefuckten Sadisten. In ihrem Leben außerhalb der Gesellschaft sind beide jedoch auf Gedeih und Verderb aufeinander angewiesen und gezwungen, ihr Leben auf der Flucht gemeinsam zu bestreiten. Lennox ist dabei das andere Extrem, ein unschuldiger Junge aus „gutem Hause“, der allerdings wenig Interesse an seinem bisherigen, emotional vernachlässigten Leben hegt und in Mosquito ein größeres Vorbild erkennt als im leiblichen Vater. Auf der Flucht mit den beiden wird er, trotz seines Geisel-Status, ein Stück weit erwachsen. Der Junge und Mosquito nähern sich einander an, Mosquito und Memphis entzweien sich mehr und mehr. Immer wieder entgleitet Memphis’ Wahnsinn Mosquitos Kontrolle oder vielmehr „Schadensbegrenzung“. Memphis gibt Mosquito die Schuld für eigene Fehler und ist eine tickende Zeitbombe, die immer wieder explodiert und sowohl Memphis, als auch Lennox mit in den Abgrund zu reißen droht.

Narizzano inszenierte seinen Film konsequent bösartig bis verstörend. Grundsätzlich ist vom Schlimmsten auszugehen, das quasi immer eintritt. Mehrfach sterben Unschuldige, insbesondere die Szene mit den deutschen Campern, deren Wege das Trio kreuzt, ist schwer zu verkraften. Die Menschlichkeit, die den Charakteren innewohnt, wird immer wieder mit Füßen getreten von Memphis’ Aggression und Hass. Anflüge von Verständnis und Empathie für Memphis werden im jeweils nächsten Moment zunichte gemacht, bis die Polizei irgendwann nicht mehr grundsätzlich ein paar Schritte zu spät ist, sondern einen düsteren, traurigen, pessimistischen Showdown einleitet. Bis dahin dominieren zwei ausgesprochen talentierte Schauspieler das Geschehen, die sich gegenseitig die Bälle zuspielen und einmal mehr ihre Wandlungsfähigkeit unter Beweis stellen. Narizzano versteht es gut, mit beiden umzugehen, sie innerhalb seiner ansonsten „nur“ soliden Regie in Szene zu setzen. Dabei wird so manches Tabu gebrochen, wenn Memphis’ wortwörtlicher „Blutrausch“ sich Bahn bricht. Spannend und letztlich wenig vorhersehbar konstruiert, wenn auch in seinem bitteren Ende erahnbar, flocht man die ein oder andere Überraschung ein, beispielsweise einen sehr effektiven, gruseligen Schreckmoment, wenn Memphis wie ein Dämon unerwartet an einem Fenster auftaucht. Manch eine(n) wird es auch interessieren, dass Neros Kehrseite komplett entblößt zu begutachten ist. Einen Bock nach dem anderen schießt jedoch die deutsche Bearbeitung: Die Synchronisation von Karlheinz Brunnemann klamaukt und kalauert sich in bester bzw. übelster Rainer-Brandt-Manier durch die Dialoge und rückt den Film in die Nähe einer albernen Komödie. Insbesondere, was man Savalas in den Mund legte, spottet jeder Beschreibung, unfassbar unpassende Sprücheklopfereien laufen dem Geschehen vollkommen konträr. Die Korrespondenz der Polizei hingegen wurde gar nicht erst synchronisiert, auch andere Szenen bleiben ohne deutsche Übersetzung, während Memphis plappert wie ein Wasserfall. Glücklicherweise lässt der Klamauk im späteren Verlauf etwas nach. Zudem sind einige Nachtszenen verdammt dunkel, wobei ich nicht weiß, ob dies so intendiert war oder man für die deutschen VHS-Auswertungen nachdunkelte. So kultverdächtig die deutsche Synchronisation für sich betrachtet erscheinen mag, so sehr leistet sie diesem in großen Teilen sehr gelungenen, besonderen Film einen Bärendienst.

Fazit: Hartes, bewegendes, bisweilen einfühlsames Gangster-Road-Movie-Drama mit zwei Weltklasse-Schauspielern in den Hauptrollen, das enorm unter dem deutschen Synchro-Trash leidet – damit jedoch eine andere Zielgruppe anspricht, die gewiss nicht enttäuscht werden wird. „Der Teufel scheißt immer ins selbe Loch!“

Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Verfasst: Sa 6. Apr 2013, 00:22
von buxtebrawler
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Der Sanfte mit den schnellen Beinen
Jean-Philippe Duroc ist ein idealistischer aber ziemlich tollpatschiger Anwalt, und sein Mandant Gaulard steht kurz vor seiner Verhandlung. Da in den zehn Monaten seiner Untersuchungshaft keinerlei Beweise gegen ihn gefunden werden konnten, rechnet man fest mit einem Freispruch. Das Schlussplädoyer seines chaotischen Verteidigers Duroc gerät jedoch zu solch einer Katastrophe, dass Gaulard zu einer Gefängnisstrafe von zehn Jahren verurteilt wird. Als Duroc noch am Abend seinen in Wut entbrannten Klienten besuchen will, bricht im Gefängnis auch noch eine Revolte aus, und die aufgebrachten Insassen zerstören alles, was sich ihnen in den Weg stellt. Der verurteilte Gaulard übernimmt die Rolle des Anführers, und der ungeschickte Duroc wird prompt in die ganze Sache hinein gezogen. Als die beiden überstürzt fliehen, entsteht für die Polizei natürlich der Eindruck, es mit Komplizen zu tun zu haben. So beginnt für die beiden ein turbulenter Trip durch ganz Frankreich, bei dem sie zusammen kein halsbrecherisches Abenteuer auslassen…
„Knast ist out!“ – „Aber irgendwie sollte jeder mal drin gewesen sein. Sollte ‚Must’ sein!“

Die erste von zwei Kollaborationen des französischen Komödienregisseurs Gérard Oury („Louis, das Schlitzohr“) mit Genrestar Pierre Richard („Ein Tolpatsch kommt selten allein“) in der Hauptrolle ist der im Jahre 1978 entstandene Spielfilm „Der Sanfte mit den schnellen Beinen“. Zuvor arbeitete Oury vornehmlich mit „dem anderen“ großen Komiker Frankreichs zusammen: mit Louis de Funes. Richard trifft hier nach „Ich weiß von nichts und sage alles“ zum zweiten Mal auf Victor Lanoux („Louis la brocante“), der diesmal die zweite Hauptrolle neben Richard bekleidet und sich damit neben Namen wie Aldo Maccione, Gérard Depardieu und Philippe Noiret als Filmpartner Richards einreiht.

Der in Lyon in Untersuchungshaft sitzende Gaulard (Victor Lanoux) wurde zu Unrecht zum Tode verurteilt und nicht ganz unschuldig daran ist sein Verteidiger, der schusselige Anwalt Jean-Philippe Duroc (Pierre Richard). Just als Duroc seinen wütenden Mandanten im Gefängnis besucht, entbrennt eine Knastrevolte, in deren Folge sich auch Gaulard unvermittelt in Freiheit wiederfindet. Duroc war schlicht zur falschen Zeit am falschen Ort, wird gar für den Anführer der Revolte gehalten und daraufhin zwangsläufig in Durocs Flucht hineingezogen. Gemeinsam schlägt sich das ungleiche Duo von Ort zu Ort durch, während Duroc versucht, eine Begnadigung seines Mandanten beim französischen Präsidenten de Gaulle zu erreichen...

De Gaulle? Ja, denn „Der Sanfte mit den schnellen Beinen“ spielt zehn Jahre vor seinem Dreh, genauer: im Jahre 1968. Vor dem Hintergrund der ’68-Proteste erzählt der Film seine wilde, anarchische Geschichte, die zunächst ganz idyllisch mit einem somerlich-leichten Popsong und einer Kamerafahrt über die Dächer einer französischen Provinz beginnt. Doch kurz, nachdem Duroc liebevoll seinem gehbehinderten Vater in Ermangelung eines Rollstuhls geholfen hat, ist es auch schon vorbei mit der Idylle und der Zuschauer wird Zeuge einer insbesondere für eine Komödie unheimlich gut und actionreich gefilmten Gefängnisrevolte. Fortan gibt sich der Film überaus urban, zeigt uns einen Striptease und darauf folgende Auffahrunfälle an einer Tankstelle sowie einige weitere Autocrashs und Wahnwitziges wie einen alles andere als ungefährlich aussehenden Autobahn-Stunt, bevor es wieder in ländliche Gefilde geht und es zu Konfusionen um die schöne Bauerntochter Marguerite (Blanche Ravalec, „Moonraker – Streng geheim“) kommt. Mittlerweile hat sich „Der Sanfte mit den schnellen Beinen“ zu einem Road-Movie entwickelt, innerhalb dessen sich zwei gegensätzliche Charaktere insofern näher kommen, als sie gegenseitiges Verständnis entwickeln, über Klassen- und Standesgrenzen hinaus Berührungsängste verlieren und Vorurteile abbauen. Schließlich findet man sich mitten in den Straßenschlachten der ’68er-Mai-Unruhen wieder, die zu einem Generalstreik führten und langfristig kulturelle, politische und ökonomische Reformen in Frankreich nach sich zogen.

„Jetzt schmeißen die schon mit Gold!“

Was nach schwerem Stoff klingen mag, ist eine freche, entfesselte Komödie, die die jüngste Geschichte Frankreichs humoristisch und selbstironisch betrachtet, welche quasi „nebenbei“ abläuft, während der Film vorgibt, sich vornehmlich auf seine beiden Protagonisten zu konzentrieren – ein Konzept, wie es immer wieder sowohl im politkritischen als auch im komödiantischen Film anzutreffen ist (als Beispiel sei „Herr Lehmann“ genannt). Ein überzeichnetes, reiches Goldschmuggler-Ehepaar, das angesichts der durch die Unruhen drohenden Umverteilungen überstürzt seine Reichtümer in Sicherheit bringen möchte, steht dabei stellvertretend für die reiche, entfremdete Klasse. Dem komplett in Luxusfummel gehüllten Pärchen ergeht es nicht sonderlich gut in Ourys Film, sein britischer Habitus inkl. Rolls Royce bekommt einen besonderen Beigeschmack in Anbetracht der damals schwierigen Beziehungen Frankreichs mit dem Vereinigten Königreich. Bei aller Turbulenz der sich überschlagenden Ereignisse lebt der Humor des Films nicht übermäßig von Slapstick und Klamauk, wenngleich Duroc Sprachschwierigkeiten bekommt, sobald er aufgeregt ist, und dabei die Vokale durcheinanderwirft. In erster Linie ist es die Situationskomik, die hier groß geschrieben wird, unterstützt von schrulligen, exaltierten Charakteren. Die große Schenkelklopfer-Revue ist „Der Sanfte mit den schnellen Beinen“ sicherlich nicht, wichtiger ist es ihm, eine Geschichte mit einem über den reinen Witz hinausgehenden Anspruch zu erzählen, die zudem als Plädoyer gegen die Todesstrafe verstanden werden will.

Gut möglich, dass in ihrer Nachkriegsgeschichte bewanderte Franzosen noch wesentlich mehr in diesem Film erkennen bzw. entdecken als ich. Als Pierre-Richard-Fan war ich überrascht ob des stark realitätsbezogenen und gewichtigen Inhalts, der aus „Der Sanfte mit den schnellen Beinen“ einen etwas anderen Richard-Film macht (dabei hätte ich seit „Eine Wolke zwischen den Zähnen“ darauf vorbereitet sein sollen), bei dem jedoch wie üblich der Spaß nie zu kurz kommt. Die aufwändige Inszenierung bietet auch für Skeptiker gewisse Schauwerte und die Schauspieler agieren tadellos. Franzosencharmekomödie trifft auf Road-Movie trifft auf Geschichtsunterricht – passt!

Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Verfasst: Mo 8. Apr 2013, 00:00
von buxtebrawler
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Der Regenschirmmörder
Der erfolglose Schauspieler Grégoire Lecomte (Pierre Richard) hofft schon lange auf den Durchbruch. Als er die Rolle eines kaltblütigen Mörders angeboten bekommt, macht er sich auf den Weg, um mit dem Filmproduzenten zu verhandeln. Allerdings verwechselt er die Bürotüren und sitzt irrtümlicherweise einem großen Mafiaboss gegenüber. Der wiederum glaubt den Profikiller Moskovitz vor sich zu haben und erteilt Grégoire den Auftrag einen reichen Waffenhändler in St. Tropez zu ermorden. Mit einem zur Waffe umfunktionierten Regenschirm, macht sich der ahnungslose Grégoire auf den Weg nach St. Tropez und das Chaos nimmt seinen Lauf…
„Was ist das nur für eine bescheuerte, drittklassige Töle? Und ich spreche nicht von dem Hund, der ist ausgezeichnet!“

Die zweite und letzte Zusammenarbeit des französischen Komödienregisseurs Gérard Oury („Louis, das Schlitzohr“) mit Komödienstar Pierre Richard („Ein Tolpatsch kommt selten allein“) in der Hauptrolle ist die 1980 erschienene Verwechslungskomödie „Der Regenschirmmörder“. Der ambitionierte, doch erfolglose Schauspieler Grégoire Lecomte (Pierre Richard) hält sich mit lächerlichen Werbespots für Hundefutter über Wasser, wittert jedoch seine große Chance, als er zum Vorsprechen für einen Gangsterfilm eingeladen wird. Jedoch irrt er sich in der Tür und steht nichts ahnend einem Mafiaboss gegenüber, der seinerseits glaubt, den Profikiller Moskovitz (Gordon Mitchell, „Frankenstein 80“) vor sich zu haben und ihm den Auftrag erteilt, den reichen Waffenhändler Otto Krampe (Gert Fröbe, „Goldfinger“) in St. Tropez um die Ecke zu bringen – während Moskovitz versehentlich auf den Filmproduzenten trifft. Den zu einer Waffe umfunktionierten Regenschirm, der Lecomte ausgehändigt wird, hält dieser für eine Requisite und macht sich vollkommen arglos auf den Weg nach St. Tropez – die Polizei und den wahren Killer auf den Fersen...

Pierre Richard trifft auf Gert Fröbe und Gordon Mitchell in einer – wie auch schon Ourys Vorgänger „Der Sanfte mit den schnellen Beinen“ – handwerklich beeindruckenden, rasanten und turbulenten Komödie, die direkt zu Beginn mit einem wunderbar inszenierten Mord in einer Photokabine überrascht. Richard gibt in unmöglichen Klamotten einmal mehr den bislang mit wenig Glück gesegneten Tollpatsch und ist für jeden Slapstick zu haben, so dass der Zuschauer zwischen Schadenfreude und Mitleid hin und her gerissen ist. Ein Kapitel für sich sind seine Frauengeschichten, die er hier am laufen hat und die ihm eine unnachgiebige Jagd der Politessen auf ihn beschert, gegen die selbst die Grazer Polizeihostess harmlos erscheint. Allein dieser Stoff hätte schon für einen eigenständigen Film gereicht. Der zu seiner Rolle passend stoisch und grimmig dreinblickende Gordon Mitchell sieht hier verglichen mit manch anderer seiner Rollen einmal richtig gepflegt aus und verulkt in seiner Überzeichnung das Klischee vom gefühlskalten Auftragskiller. Gert Fröbes Nebenrolle ist nicht allzu groß, doch erfüllt er sie mit seiner Aura, die sofort Reminiszenzen an Goldfinger weckt. Das wiederum liegt vor allem daran, dass „Der Regenschirmmörder“ Mafia- und ein gutes Stück weit auch „Eurospy“-Filme parodiert, wofür man sich sicherlich an „Der große Blonde mit dem schwarzen Schuh“ orientierte; Richards Paraderolle, die ebenfalls nicht wusste, in welchem Spiel sie sich eigentlich befindet.

Ein plumper Wiederaufguss ist „Der Regenschirmmörder“ aber mitnichten, die Gag-Dichte ist höher, um genau zu sein: verdammt hoch, glücklicherweise ohne, ins völlig Absurde abzudriften wie zuvor die eine oder andere Regiearbeit Richards. Angereichert wurde das stärker als Ourys Vorgänger Slapstick-betonte Verwechselspiel mit einem nicht ungefähren Grad an Gewalt in Form von Handgreiflichkeiten und Schießereien sowie mit planlosen Polizisten, einer Wasserstoffblondine, einer mörderischen Pool-Party im großangelegten Finale und einer wahnsinnigen Regenschirmperformance Piere Richards, die man gesehen haben muss. Tempo, entfesselter Witz, charakteristische Darsteller, einnehmende End-’70er-Stimmung, eine vorzügliche, perspektivenreiche Kameraarbeit und ein punktgenauer Schnitt machen aus „Der Regenschirmmörder“ meines Erachtens einen der Höhepunkte der charmanten Franzosen-Komödie aus den 1960ern bis 1980ern und katapultieren ihn von null in meine persönliche Pierre-Richard-Top-3!

Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Verfasst: Mo 8. Apr 2013, 00:34
von buxtebrawler
Und anschließend gab's wieder ihn hier, erneut im Kino. Gefiel mir während der Zweitsichtung sogar noch ein Stück weit besser als 2011 in Frankfurt. Hier mein alter Eintrag, der Vollständigkeit halber:

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Paco – Kampfmaschine des Todes
Paco Queruak, halb Mensch, halb Cyborg, soll im Auftrag eines mächtigen Konzerns einen einflussreichen Politiker töten. Doch der von ihm übrig gebliebende Teil menschlichen Gewissens lässt ihn den Auftrag nicht erfüllen und somit ist Pacos Leben keinen Pfifferling mehr wert. Der Konzern schickt seine besten Killer...
1986, als der italienische Unterhaltungsfilm seine besten Zeiten bereits hinter sich hatte, wollte es Regisseur Sergio Martino („Der Killer von Wien“, „Fireflash – Der Tag nach dem Ende“) mit „Paco – Kampfmaschine des Todes“ noch einmal wissen – ein bisschen Endzeit, ein bisschen Science Fiction, ganz viel Actiongülle, 1980er-Ästhetik und eine bemerkenswerte Darstellerriege, das ist „Vendetta dal futuro“, so der Originaltitel.

Als Hauptdarsteller für diesen damals geschäftstüchtig-zeitgemäßen Cyborg-Action-Exploiter konnte man Daniel Greene, den Mann, der mit Rocky den Ring durchwischte (oder so ähnlich, Quelle: hochseriöses VHS-Cover), gewinnen, der den zu 70% aus Ionen bestehenden Paco Queruak mimt – eine künstlich erschaffene Kampfmaschine (des Todes), die in einer nahen Zukunft im Auftrag viel zu mächtiger Industrieller einen ihnen gefährlich werdenden, oppositionellen Politiker eliminieren soll. Jener wirbt übrigens mit der wunderbaren Parole „You have no future!“ – besser hätte es kein Punkrocker formulieren können!

Doch unser Paco ist eben zu 30% auch noch menschlich und da er grundsätzlich kein schlechter Kerl ist, verwundet er den rhetorisch geschickten Politiker lediglich und sucht das Weite – logisch, dass von nun an seine „Auftraggeber“ hinter ihm her sind. Paco findet derweil Unterschlupf bei der attraktiven Linda (Janet Agren, „Ein Zombie hing am Glockenseil“, „Lebendig gefressen“), die einen abgelegenen Imbiss betreibt. Und während die Bösewichte unter Anleitung des fiesen Francis Turners (niemand Geringerer als John Saxon, „Asphalt-Kannibalen“, „A Nightmare on Elm Street“, „Tenebrae“ etc.) Paco auf den Fersen sind und zwischendurch Pacos Erschaffer (Donald O‘Brien, „Lauf um dein Leben“, „Keoma“, „Nackt unter Kannibalen“, „Zombies unter Kannibalen“ – ich liebe diese Aufzählungen) legt sich dummerweise ein vorlauter Trucker (George Eastman, „Man-Eater“, „Fireflash – Der Tag nach dem Ende“) mit ihm an, bis dieser beim Armdrücken klein bei geben muss – Ähnlichkeiten mit Stallones „Over The Top“ sind natürlich rein zufällig… wobei, hey, der erschien erst ein Jahr später!

Ja, „Paco – Kampfmaschine des Todes“ ist ein quietschvergnügtes Potpourri aus wenn nicht allem, so doch vielem, was seinerzeit im Actiongenre so angesagt war. Manchem US-Vorbild ist er aber allein schon dadurch überlegen, dass er keinen Einzelkämpfer in den Krieg gegen die bösen Kommunisten o.ä. schickt, sondern den Machtanspruch Großindustrieller aufgreift und – zwar exploitativ, aber immerhin – Kritik an ihm übt. Ein weiterer Hinweis auf einen bei aller Phantastik dennoch gewünschten Realitätsbezug ist zudem der Beginn des Films, der Kamerafahrten durch vermutlich echte US-amerikanische Ghettos zeigt und das Treiben auf der Straße einfängt, bevor zum oppositionellen Politiker übergegangen wird.

Allzu viel sollte man da aber sicherlich nicht hineininterpretieren, denn der überwiegende Teil des Films kratzt doch stark an der Trashgrenze und überschreitet sie recht häufig auch behände und ohne viele Skrupel. Dabei ist das Tempo zunächst noch relativ gemächlich, gewinnt aber stetig an Fahrt, um schließlich in einem furiosen Finale den Rest des Budgets zu verheizen. Dabei bekommt der geneigte Zuschauer so einiges geboten: Ein weibliches Cyborg-Killerkommando mit dem schlimmsten Schlampenminirock, den ich je gesehen habe, eine überdimensionale Laserkanone, mit der John Saxon herumhantieren darf, dementsprechende Laserblitze, Explosionen, Stunts, Gewalt, Spezialeffekte, einen psychopathischen George Eastman, der einmal mehr so richtig rockt… und einen finalen Showdown zwischen Paco und Turner, wobei Paco zu einer radikalen Maßnahme greift, um Turners Herzlosigkeit auch physikalisch Ausdruck zu verleihen. All das wurde nach bester Italo-Exploitation-Manier so dermaßen übertrieben inszeniert, dass es die reinste Freude ist und jedes Trash-Herz höherschlägt. Dadurch wirkt der Film fast wie eine comicartige Karikatur auf US-Big-Budget-Action, die für Übertreibungen in jeder außer intellektueller Hinsicht ja berüchtigt ist.

Doch „Paco – Kampfmaschine des Todes“ verfügt darüber hinaus über einen verhältnismäßig dominanten Subplot, der Romanze zwischen Paco und Linda, einer ungleichen, zum Scheitern verurteilten Liebe und zugleich ein Plädoyer für die Menschlichkeit, für Verletzlichkeit, für Gefühl, Moral und Gewissen, was selbst die Wissenschaftler nicht aus Paco Queruak herausbekamen, allen in schönen SFX-Szenen gezeigten Kabeln und Platinen seines Körpers zum Trotze. Mag kitschig klingen, wird aber natürlich in bewährter Exploitation-Manier kredenzt.

Daniel Greene war dabei trotz seines „No Name“-Status eine gute Wahl für die Rolle Pacos, steht er doch anderen Actiondarstellern der damaligen Zeit in nichts nach. Durchtrainiert und mit meist stoischem Gesichtsausdruck, dabei aber nicht so doof wie Schwarzenegger, nicht so müde wie Stallone und nicht so bubihaft wie Van Damme aussehend, macht er seine Sache stets effektiv und bietet kaum ernsthaften Anlass zur Kritik. Es ist fast ein wenig verwunderlich, dass Greene nicht wie so viele andere auch ebenfalls im Actionbereich durchgestartet ist, denn das Zeug dazu hätte er sicherlich gehabt.

„Paco – Kampfmaschine des Todes“ ist eine unfreiwillige Parodie auf „Terminator“ und Konsorten inkl. herzausreißender Liebesgeschichte. Wer Spaß an so etwas haben könnte (und mir fällt spontan niemand ein, der das nicht können sollte), der fasse sich ein Herz (ähem…) und lade Herrn Queruak zu einem feisten Filmabend ein. Die deutsche VHS ist leider geschnitten, die Kinoauswertung auf 35 Millimeter dürfte aber noch ungeschnitten gewesen sein – und es war ein Riesenspaß, diese kürzlich einmal im Kino gesehen haben zu können.