Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt
Verfasst: Do 21. Mär 2013, 21:54

Und jetzt das Ganze noch mal von vorn
„Du gehst ran wie ein Gentleman – maliziös!“Pierre Renaud (Pierre Richard) ist Hauptkassierer in einem Nobelhotel in Vichy. Sein grösstes Problem ist seine schon fast krankhafte Schüchternheit gegenüber dem anderen Geschlecht. Als eines Tages das populäre Model Agnès Jensen (Mimi Coutelier) in dem Hotel einzieht, ist es für Pierre Liebe auf den ersten Blick. Da er die Angebetete für sich gewinnen will, belegt er für viel Geld einen Schnellkurs in "sicherem Auftreten", den er vom dubiosen Vertreter Aldo Ferrari (Aldo Maccione) angedreht bekommt und kündigt seinen Job im Hotel, um Agnès von Stadt zu Stadt nachzureisen. Unterwegs trifft Pierre erneut auf Aldo, der ihm nun ernsthaft helfen will bei Agnès zu landen.
Die französische Komödie mit dem etwas sperrigen deutschen Titel „Und jetzt das Ganze noch mal von vorn“ aus dem Jahre 1978 ist die vierte Regie-Arbeit des französischen Genrestars Pierre Richard, der hier auch die Hauptrolle bekleidet – erstmals an der Seite Aldo Macciones.
Der Kassierer eines Nobelhotels in Vichy, Pierre Renaud (Pierre Richard, „Der große Blonde mit dem schwarzen Schuh“) ist so schüchtern, dass sein einziger libidiöser Kontakt zum anderen Geschlecht darin besteht, seit Jahren an der immer gleichen Haustür zu klingeln, um seiner Herzensdame per Gegensprechanlage seine Liebe zu gestehen und sich anschließend flink vom Staub zu machen. Doch eines Tages verliebt er sich in das Model Agnès Jensen (Mimi Coutelier), als es für ein paar Tage in seinem Hotel absteigt. Der windige Vertreter Aldo Ferrari (Aldo Maccione, „Zwei Kamele auf einem Pferd“) kommt ihm da gerade recht und so lässt sich Renaud jede Menge unnützen Nippes im Rahmen eines Schnellkurses für sicheres Auftreten andrehen. Er kündigt seinen Job und reist Agnès von Stadt zu Stadt nach. Dabei kreuzen sich seine Wege erneut mit Aldo, der fortan ernstlich bemüht ist, ihm unter die Arme zu greifen, um Renauds Schüchternheit zu besiegen und ihm zu einem erfolgreichen Rendevouz mit seiner Herzensdame zu verhelfen.
Was zunächst nach dem überstrapazierten Subgenre der romantischen Komödie klingt, mittlerweile häufig wenig ehrfurchtsvoll und jeglichen phonetischen Wohlklangs beraubt „RomCom“ abgekürzt, entpuppt sich natürlich als gewohnt turbulente, temperamentvolle, typisch französische Komödie, die zwischenmenschliche Balzrituale nicht etwa glorifiziert, sondern karikierend übertrieben durch den Kakao zieht. Pierre Richard schlüpft dafür einmal mehr in die Rolle eines Leben und Alltag entrückten Pechvogels und Trottels, geht dabei jedoch weniger chaotisch und sprunghaft vor als noch in seinen ersten beiden Regie-Arbeiten, die dadurch mitunter etwas anstrengend bzw. ermüdend wirkten. Hier schafft er es, bei allem Slapstick und anderen Albernheiten einen roten Faden beizubehalten und den Zuschauer dauerhaft für sein Treiben zu interessieren. Entscheidend dazu bei trägt das Erfolgsrezept der starken männlichen zweiten Hauptrolle an seiner Seite bei, in diesem Falle Aldo Maccione als Aldo Ferrari, was sich bereits bei „Eine Wolke zwischen den Zähnen“ und später bei den Filmen mit Gérard Depardieu als sehr inspirierend für den Humor herausstellte.
So wird es einer urkomischen Angelegenheit, dem verhinderten Don Juan bzw. dem ungleichen Duo dabei zuzusehen, wie Konfrontationen mit arglosen Passanten geübt oder Boule-Spieler durch unentwegtes Anstarren (mein Höhepunkt des Films, herrlich Richards Backpfeifen-Mimik!) in den Wahnsinn getrieben werden. Kommentiert wird die episodenhaft aufgebaute Sause von Richard/Renaud aus dem Off naiv und beschönigend/verharmlosend, was im Zusammenspiel mit den Bildern für zusätzliche Lacher sorgt. Mimi Coutelier findet bewusst nur am Rande statt, primär geht es um die persönliche Entwicklung Renauds. Verschiedene französische Originalschauplätze wie z.B. das schöne Nizza und viele ganz selbstverständlich eingeflochtene Verweise auf die französische Lebensart wie Appetit anregendes, gutes Essen in Restaurants versehen „Und jetzt das Ganze noch mal von vorn“ mit einer Menge unverkennbaren Lokalkolorits, das den entschleunigenden Genießer im Zuschauer anspricht. Abstriche hingegen müssen leider bei der Musik gemacht werden, die zu sehr in den Vordergrund gemischt wurde und deren Kompositionen teilweise eher nerviger Natur sind. Dafür setzt die augenzwinkernde Pointe einen sympathischen Schlusspunkt, wenn sie vornehmem, dekadentem Habitus und protzigem Materialismus eine Absage erteilt.
Fazit: Auch Richard und Maccione sind ein wunderbares Team, Richard ist hier einmal mehr in Hochform. Die verhältnismäßig geradlinige Geschichte dient als Aufhänger für höchst amüsante Episoden eines endlich im Leben Fuß fassen wollenden, einsamen und zunächst unscheinbaren Außenseiters, der facettenreich und stets zwischen bemitleidenswert und zurecht Ohrfeigen provozierend von einem der ganz Großen der französischen Komödie verkörpert wird. Prima gealterte Unterhaltung, die heutzutage zusätzlich einer wunderbaren Zeitreise ins Frankreich der 1970er gleicht.