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Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Verfasst: Di 8. Jun 2010, 22:10
von buxtebrawler
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Das Dunkel der Nacht
Als diverse Mitglieder des Vorstands der Van-Traylen-Stiftung für Waisenkinder scheinbar durch Unfälle sterben, werden die Behörden unter der Leitung des Col.Bingham (Christopher Lee) hellhörig. Nach einem Busunglück hat eines der Waisenkinder im Krankenhaus schlimme Alpträume, die nicht erklärbar sind. Der Arzt Haynes und der Pathologe Ashley (Peter Cushing) wollen den Fall klären, doch Haynes stirbt auf mysteriöse Weise, anscheinend durch die Hand der wahren Mutter des Mädchens, einer verurteilten Mörderin. Doch die Journalistin Foster bohrt weiter und kommt einem schrecklichen Geheimnis auf die Spur, daß den Stiftungsmitgliedern die Unsterblichkeit bringen soll...
Von Peter Sasdy 1972 inszenierter Horrorstreifen mit den altbekannten Genrestars Christopher Lee und Peter Cushing. Sasdy hatte sich bereits mit einigen Filmen für „Hammer“ verdient gemacht, wobei seine Arbeiten zwar keinesfalls schlecht ausfielen, aber auch nicht unbedingt zu den Höhepunkten der „Hammer“-Produktionen zählen. „Das Dunkel der Nacht“ beginnt vielversprechend mit einem absolut sehenswerten Prolog, der Lust auf mehr macht. Was folgt, ist allerdings ein recht dialoglastiger, über weite Strecken eher zahmer, an einen Mystery-Thriller erinnernder Streifen, der zumindest Peter Cushing auch nicht sonderlich fordert. Der Zuschauer soll auf eine falsche Fährte gelockt werden, durchschaut die Chose aber relativ schnell. Hier sticht Diana Dorse mehr hervor als die beiden Herren, indem sie eine rabiate, vorbestrafte Prostituierte mimt, deren übertriebenes Spiel sich allerdings an der Grenze zum Komischen befindet. Der Spannungsbogen bleibt aber schon noch soweit aufrecht erhalten, dass man der Auflösung entgegenfiebert, die dann auch wirklich überrascht und in einem starken, mir ein wenig „The Wicker Man“ vergegenwärtigenden Finale mündet, in dem auch Christopher Lees Talent zumindest mehr als im etwas unspektakulären Mittelteil aufblitzt. Erwähnenswert sind an dieser Stelle auch die Leistungen der Kinderdarsteller, die ihre Sache gut machen. Parallelen zur Realität, in der als Gutmütigkeit getarnte, aber letztendlich dem eigenen Vorteil gereichende Wohltätigkeitsaktivitäten dekadent reicher Personen ebenfalls vorkommen, lassen sich durchaus ziehen, sofern man etwas über den reinen Unterhaltungswert Hinausgehendes in die Geschichte hineininterpretieren möchte. In Anbetracht des Umstands, dass „Das Dunkel der Nacht“ hierzulande weitestgehend unbekannt zu sein scheint und die puristische DVD von M.I.B. sehr günstig zu bekommen ist, möchte ich Fans klassischen britischen Grusels trotz der Schwächen eine Empfehlung aussprechen.

Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Verfasst: Mi 9. Jun 2010, 13:53
von buxtebrawler
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12 Uhr mittags
Will Kane (Gary Cooper) war viele Jahre Sheriff einer kleinen Stadt im Wilden Westen. Nun ist die Zeit gekommen sich zur Ruhe zu setzen, was auch von seiner Frau Amy (Grace Kelly) begrüßt wird. Während ihm ein schöner Abschied gemacht wird, erreicht ihn die Nachricht, daß der Mörder Frank Miller mit Freunden in die Stadt kommen wird, um sich an Kane zu rächen. Obwohl er eigentlich außer Dienst ist, weigert sich Kane, die Stadt zu verlassen und vor der Bedrohung zu fliehen. Doch seine Suche nach Hilfe in der Stadt bleibt ergebnislos, alle Mitbürger sind zu feige. Auch Amy ist nicht erfreut darüber, daß Kane die Herausforderung annehmen will. Und so steht Will Kane allein da, als um zwölf Uhr mittags die Banditen in die Stadt einreiten...
Fred Zinnemanns US-Western aus dem Jahre 1952 erschien seinerzeit sehr gewagt, hat er doch nichts mit den die Vergangenheit verklärenden, typischen Western zu tun, in denen strahlende Helden per „Law and Order“ für Ordnung sorgen, ohne sich dabei die Hände schmutzig zu machen. Gary Cooper spielt seinen Charakter Will Kane absolut glaubhaft und stellt einen Sheriff dar, der in erster Linie ein normaler Mensch ist, der Verantwortung übernommen hat. Das bedeutet, dass er auch über normale menschliche Gefühlsregungen wie Angst und Unsicherheit verfügt. Er wird auf kein Podest gestellt, wodurch dem Zuschauer eine maximale Identifikation mit Kane ermöglicht wird. Da der Film fast in Echtzeit spielt, erfährt der Zuschauer in einem kurzen Zeitabschnitt allerlei über die Bewohner der Stadt, über Kontroversen und in der Vergangenheit Vorgefallenes, ohne, dass die Handlung überfrachtet wirken würde. Im Gegenteil, „12 Uhr mittags“ nimmt sich viel Zeit für die Gefühlswelt Kanes, seiner Ex-Freundin und seiner Frau und thematisiert, ohne mit dem moralischen Zeigefinger zu wedeln, Fragen nach Zivilcourage, Verantwortung, Zusammenhalt und Egoismus sowie gesellschaftlichen Außenseitern auf intelligente, immer nachvollziehbare Weise. Viele Charaktere sind alles andere als eindimensional gezeichnet worden und beim Betrachten ihrer Beweggründe, Kane nicht helfend zur Seite zu stehen, wird sich manch Zuschauer mit eigenen Unzulänglichkeiten konfrontiert sehen. Eine wunderbar angespannte, schwüle Atmosphäre, ein Ohrwurm als eigens für den Film komponierter Titelsong und eine schön provokante Schlussszene runden „12 Uhr mittags“ perfekt ab. Die Geschichte, die hier erzählt wurde, hat von ihrer Aktualität nichts eingebüßt, ihr gesellschaftskritischer Aspekt scheint zeitlos. Ein großer Klassiker, der lange vor den ersten Italo-Western mit kitschigen Western-Klischees aufräumte.

Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Verfasst: Mi 9. Jun 2010, 22:46
von buxtebrawler
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2000 Maniacs
Die kleine Stadt Pleasant Valley, die im Jahr 1865 währen des amerikanischen Bürgerkriegs von den Yankees zerstört wurde, erwacht nach 100 Jahren plötzlich wieder zum Leben. Als sich ein paar ahnungslose Touristen in das verschlafene Tal verirren, beginnt ein grausamer Rachefeldzug. Sie sollen als "Gäste" an den Feierlichkeiten und "Spielen" teilnehmen. Auf blutige Art und Weise wird jedoch schnell klar, was die zweitausend wahnsinnigen Einwohner des Ortes darunter verstehen. Als Terry und Jank die Situation begreifen, versuchen sie den Horror zu entkommen...
Rotzfreche, trashige Satire auf die Südstaatenbewohner der USA, verfilmt 1964 von Herschell Gordon Lewis. „2000 Maniacs“ zählt zu den Pionieren des Splatterfilms und Backwood-Horrors und verbindet eine vollkommen überdrehte Komödie mit expliziten blutigen Effekten innerhalb eines totalen Trash-Ambientes und ist mehr Provokation als ernstgemeinter Film. Filmhistorisch interessant und für Zuschauer mit einem Faible für solche Filme durchaus unterhaltsam. Am Ende wird der Film sogar tatsächlich noch um eine phantastische Note erweitert, womit ich wirklich nicht mehr gerechnet hätte und „2000 Maniacs“ einen angenehmen Überraschungseffekt beschert. Der Hillbilly-Titelsong ist absolut großartig und noch kultverdächtiger als der eigentliche Film und obwohl ich eigentlich überzeugter Synchro-Gucker bin, freut mich hier das Fehlen einer deutschen Tonspur, denn im O-Ton wird man Zeuge des herrlich breiten Südstaatenakzents. Ein verdienter Schmuddelklassiker.

Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Verfasst: Do 10. Jun 2010, 01:39
von Blap
buxtebrawler hat geschrieben:...Satire auf die Südstaatenbewohner der USA...
Wieso Satire? :mrgreen:

Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Verfasst: Do 10. Jun 2010, 10:48
von buxtebrawler
Blap hat geschrieben:Wieso Satire? :mrgreen:
:D

Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Verfasst: Do 10. Jun 2010, 22:57
von buxtebrawler
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Das letzte Kommando
Die Soldaten Buddusky und Mulhal sollen einen jungen Matrosen ins Gefängnis bringen. Ihr Gefangener entpuppt sich als liebenswerter, hilfloser Mensch. Wegen Diebstahls erwarten ihn acht Jahre Knast. Die beiden beschließen, ihm die letzten Tage in Freiheit zu versüßen.
„Das letzte Kommando“ von Hal Ashby, veröffentlicht im Jahre 1973, ist eine sehr geschickte, militärkritische Tragikomödie mit Jack Nicholson in einer der drei Hauptrollen. Geschickt deshalb, weil die Kritik an der Unmenschlich- und Sinnlosigkeit des US-amerikanischen Militärs, hier in Form der Marine, nicht durch einen revolutionären Sympathieträger oder brutalen Racheengel ausgedrückt wird, sondern durch die facettenreiche Charakterzeichnung der als „harte Hunde“ verschrienen Soldaten Buddusky und Mulhal. Diese sollen den jungen und naiven, aber eigentlich recht harmlosen Kleptomanen Meadows ins Militärgefängnis zum Antritt seiner achtjährigen Haftstrafe deportieren, nehmen diesen Auftrag zwangsläufig und widerwillig an, beschließen aber, aus der Zeit das beste zu machen. Als sie den lächerlichen Grund für Meadows Verurteilung, die bedeutet, dass ihm ein beträchtlicher Teil seiner Jugend genommen wird, erfahren, freunden sie sich mit ihm an und versuchen, ihm die Zeit seiner unfreiwilligen Reise mit Annehmlichkeiten wie Sex und Alkohol zu versüßen. Dabei offenbart sich nicht nur die Grausamkeit des Militärapparats, sondern auch das desillusionierte, zynische Wesen Budduskys und Mulhals, die keinesfalls wie überzeugte Patrioten wirken, sondern eigentlich auch keinen Bock auf ihren „Job“ haben, ihr Dasein als Angehörige der Marine aber als gegeben hinnehmen und mitunter wie das Pfeifen im Walde die Richtigkeit ihres Handelns bekräftigen („Die Marine ist das beste, was mir je passiert ist!“, sinngemäß). Dabei führt ihnen das vollkommen unnötig harte Schicksal Meadows eigentlich radikal vor Augen, wie fragwürdig nicht nur ihr Einsatz, der ein junges Leben dessen Zerstörung zuführt, sondern ihr komplettes Berufssoldatendasein ist. Ohne allerdings die Konsequenz zu ziehen, dem ganzen den Rücken zu kehren, arrangiert man sich irgendwie mit der Situation, indem man versucht, das beste draus zu machen und in kurzen „freien“ Momenten zu schimpfen, zu prügeln, zu saufen und zu vögeln. Wer da Parallelen zu moralisch verwerflichen, aus humanitärer Sicht untragbaren US-amerikanischen Kriegseinsätzen erkennt, hat, so denke ich, die Intention des Films verstanden. Die Anti-Kriegs- und Anti-Nixon-Fraktion wird allerdings genauso wenig glorifiziert und in Form bekiffter Mitglieder einer Hippiesekte kräftig durch den Kakao gezogen. Jack Nicholson geht in seiner Rolle als Raubein Buddusky nahezu ebenso grandios auf wie in seinen anderen großen Rollen in „Einer flog über das Kuckucksnest“ und „Shining“ und wurde schlicht perfekt ausgewählt. Der gesamte Film ist durchzogen von großartigem, sarkastischem Humor, aber auch traurigen und nachdenklichen Momenten. Denn soviel Herzlichkeit in der Handlung auch steckt, an der desillusionierenden harten Realität ändert sie nichts. „Das letzte Kommando“ ist ein fesselndes, hoch unterhaltsames, komisches und rührendes Gegenstück zu US-amerikanischen Militär-Propagandafilmen voll von selbstlosen, schillernden, unglaubwürdigen Überzeugungstätern. So wie hier dargestellt möchte sich die Marine mit Sicherheit nicht wahrgenommen wissen.

Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Verfasst: Fr 11. Jun 2010, 13:55
von buxtebrawler
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Deadlock
In einer verlassenen Wüste, irgendwo im mexikanischen Niemandsland, strandet der junge Räuber Kid (Marquard Bohm) mit seiner Beute. Kurz bevor er durch die Hitze umgekommen wäre, findet ihn der scheinbar einzige Bewohner der Gegend, Charles Dump (Mario Adorf). Dieser versucht die Beute an sich zu reißen und der Einöde mit dem Geld endlich entfliehen zu können. Allerdings hat er dabei nicht mit Kids Komplizen Sunshine (Anthony Dawson) gerechnet, der sich auf die Suche nach Kid gemacht hat. Ein harter Kampf um das Geld entfacht, wobei von vornherein klar ist, dass es keinen wahren Gewinner geben kann.
Ein in Mexiko spielender Italo-Western, sozusagen, was Roland Klick hier 1970 geschaffen hat. „Deadlock“ ist von seiner Kamerarbeit, seiner schmutzigen Optik und den fiesen Charakteren her überdeutlich vom Italo-Western inspiriert. Die Kulisse, ein heruntergekommenes Lager irgendwo im absoluten Nirgendwo unter gleißender Sonne sorgt im Zusammenhang mit ihrer weitestgehenden Menschenleere sogar für eine gewisse Endzeitstimmung. Getragen wird der Film von seinen drei hervorragenden Hauptdarstellern. Mario Adorf stellt als verschlagener, aber ebenso bemitleidenswerter Charles Dump sein Talent eindrucksvoll unter Beweis, Marquard Bohm verkörpert so etwas wie die abgefuckte Jugend und als endlich Anthony Dawson als „Sunshine“ auf der Bildfläche erscheint, ist „Deadlock“ um einen großartigen durch und durch unsympathischen Fiesling reicher. Vom ersten Moment an, in dem Kid mit seiner Geldbeute in der Wüste zusammenbricht und von Dump, der es nicht fertig bringt, ihn umzubringen, mehr oder weniger „gerettet“ wird, entwickelt sich ein spannendes Psycho-Duell zwischen den Protagonisten, das vor Gefühls- und Gewaltausbrüchen nicht halt macht und dem Zuschauer die Charaktere nach und nach näher bringt. Die Nebenrollen in Form zwei fertiger Frauen spielen dabei eine absolut untergeordnete, eher symbolhafte Rolle und sollen vermutlich in erster Linie die missliche Lage Dumps unterstreichen. Das ambivalente, angespannte Verhältnis zwischen den Charakteren, die immer wieder neue Tricks und Intrigen probieren, um den jeweils anderen übers Ohr zu hauen und möglichst viel von der Beute abzubekommen, wird mit dem Erscheinen „Sunshines“ auf die Spitze getrieben. Während Dump von Kid mitunter bemitleidet wird, quält „Sunshine“ den Kerl mit sadistischen Spielchen, womit der alternde Gangster anscheinend seine Überlegenheit ggü. Kid demonstrieren möchte, jener ihn aber durchschaut und zu übertrumpfen versucht. „Deadlock“ verzichtet weitestgehend auf eine Pointe, einen Aha-Effekt; die Dramaturgie zielt darauf ab, wer am Schluss noch am leben sein und wie viel von der Beute er bei sich tragen wird. Die somit etwas überraschungsarme Handlung fällt aber nicht weiter negativ ins Gewicht, da es mir bei Western noch mehr als bei anderen Genres um die Atmosphäre geht - und die verstand Klick, überaus gekonnt zu erzeugen. „Deadlock“ ist insofern kein Italo-Western-Plagiat, sondern ein sehr interessanter, eigenständiger Film, der sich bekannter Techniken und großartiger Schauspieler bedient, um seine nihilistische Geschichte zu erzählen. Davor ziehe ich meinen staubigen Sombrero!

Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Verfasst: Sa 12. Jun 2010, 14:07
von buxtebrawler
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The Children
Zwei junge Familien treffen sich um das Sylvesterfest gemeinsam zu verbringen und um die Zeit im Schnee zu nutzen. Während der ersten kleinen Schlittenfahrt nimmt das Verhängnis seinen Lauf und steigert sich zu einem Alptraum, den niemand vorausgesehen hat oder sehen konnte.
„The Children“, ein britischer Horrorfilm von Regisseur Tom Shankland aus dem Jahre 2009, hat viele überschwängliche Kritiken eingeheimst, was ich nicht ganz nachvollziehen kann. Zugegeben, augenscheinlich angelehnt an das spanische Atmosphäre-Highlight „Ein Kind zu töten...“ aus den 1970ern und dessen Tabuthema, sich gegen mörderische Kinder erwehren zu müssen, beginnt der Film recht stark. Im ersten Drittel lernt der Zuschauer die Charaktere kennen, zwei junge Familien mit Kindern, die ein paar Tage Urlaub miteinander verbringen und feiern wollen. Was also eigentlich der Entspannung dienen sollte, wird immer wieder durch unter der Oberfläche brodelnde Konflikte gefährdet. Schnell ist klar, dass in diesen Familien nicht alles eitel Sonnenschein ist und der Nervfaktor der Kinder, den die Erwachsenen zu ignorieren versuchen, ist hoch. Die Subtilität, mit der die bis zu diesem Zeitpunkt so gar nicht außergewöhnlichen Schwierigkeiten kinderreicher Familien dem Zuschauer nähergebracht werden, der die aufgeheizte Atmosphäre aufnimmt und sie in vielen Fällen selbst zur Genüge kennen dürfte, weckt aus sicherer Entfernung vom heimischen Sofa aus Interesse daran, was noch kommen mag. Ein Abgesang auf im Grunde vollkommen gestresste, nach außen aber die Contenance zu wahren versuchende, „glückliche“ Mittelstandsfamilien? Kritik an zeitgenössischen Erziehungsmethoden? Beweise dafür, was für Monster kleine Kinder sein können? Letzteres am ehesten. Durch irgendwelche Bakterien oder Milben infizieren sich die Kinder mit einer seltsamen Krankheit, die sie zu einer Art Zombies macht, welche blutrünstig rasend auf ihre eigenen Eltern losgehen. Diese kapieren natürlich meist erst viel zu spät, was Sache ist, und sind zudem zwischen angebrachter Notwehr und beschützendem Elterninstinkt hin und her gerissen. Dabei geht es mitunter ziemlich hoch her, was in einigen unappetitlichen Effekten gipfelt. Dem hektischen Schnitt, der während der Actioneinlagen zum Tragen kommt, kann ich allerdings gar nichts abgewinnen, er scheint aber mittlerweile breit akzeptiertes Stilmittel im Horrorbereich zu sein. Leider gibt der Film nach dem ersten Drittel seine Subtilität komplett auf und versagt dem Zuschauer eine schlüssige oder nachdenklich stimmende Erklärung für das Verhalten der Kinder, indem sie lediglich angedeutet wird. Das ist mir aber entschieden zu wenig und zu platt. Dass sich Eltern i.d.R. damit schwer tun, ihre eigenen Kinder umzubringen, ist wenig überraschend und der vermeintliche Tabubruch lockt mich nicht wirklich hinterm Ofen vor. Positiv zu erwähnen sind die Kinderdarsteller, die überraschend gut agieren und dank des Maskenbildners auch gruselig rüberkommen. Die die Situation durchschauende und dann und wann in knappen sexy Klamotten agierende Tochter im Heranwachsendenalter bietet manch männlichem Zuschauer etwas fürs Auge, auf nackte Tatsachen und allzu schlüpfrige Ausflüge wird aber verzichtet. Alles in allem habe ich mir von „The Children“ mehr versprochen. Meines Erachtens fehlt diesem durchaus unterhaltsamen, aber sehr geradlinigen und vorhersehbaren Genrebeitrag etwas, und das ist zunächst einmal eine intelligente oder wenigstens interessante Geschichte.

Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Verfasst: Mi 23. Jun 2010, 12:06
von buxtebrawler
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Wo die wilden Kerle wohnen
Der kleine Max hadert mit seinem derzeitigen Lebensumständen, weil ihm seiner Ansicht nach zu wenig Beachtung geschenkt wird. Sein Vater hat die Familie verlassen, seine Schwester ist nur mit ihren Freunden zusammen und seine überforderte Mutter hat jetzt auch noch einen neuen Freund. Schließlich kriegt Max einen Wutausbruch und läuft davon, besteigt ein kleines Boot und fährt auf die See hinaus. Nach längerer Zeit kommt er an eine urwüchsige Insel, wo er an Land geht. Dort begegnet er großen, haarigen Lebewesen mit großen Mäulern, den "wilden Kerlen"! Max lügt den Kerlen vor, daß er in seiner Heimat ein König war und wird prompt auch von den Kerlen zum König ernannt, denn immer wieder gibt es Streitigkeiten zwischen ihnen und Max soll dafür sorgen, daß alle glücklich sind. Zusammen mit dem "Kerl" Carol hat Max eine wilde Zeit, aber als es daran geht, allen Bewohnern gerecht zu werden, muß Max lernen, daß das Leben komplizierter ist und nicht jedem immer alles recht gemacht werden kann...
US-amerikanische Verfilmung eines mir unbekannten Kinder-Bilderbuchklassikers, der unter der Regie von Spike Jonze auf Spielfilmlänge gestreckt wurde. „Wo die wilden Kerle wohnen“ ist abenteuerliche Fantasy bzw. ein fantastisches Abenteuer für Kinder, denen riesige, zottelige Monstren, die auch mal böse werden, nicht zu gruselig sind. Der hyperaktiv anmutende, sich von seiner Familie vernachlässigt fühlende Max flüchtet sich in eine Fantasiewelt, die von eben jenen Wesen, den „Wilden Kerlen“, bewohnt wird. Diese vertreiben sich die Zeit mit zumindest dem erwachsenen Zuschauer unvernünftig und destruktiv erscheinenden Dingen und sind überrascht von Max’ Erscheinen, der sich ihnen als König ausgibt. Als König der „Wilden Kerle“ nun wird ihm plötzlich die Verantwortung über seine „Untertanen“ zuteil, was natürlich unweigerlich zu Schwierigkeiten wie gekränkten Eitelkeiten, Enttäuschungen etc. führt. Das soll vermutlich auch die pädagogische Aussage dieses Films sein, wobei ich mir kein Urteil darüber erlauben kann, inwieweit diese Botschaft bei der Zielgruppe ankommt bzw. wie sinnvoll sie überhaupt ist. Die Fantasiewesen jedenfalls sehen eindrucksvoll aus und versprühen einen herrlich anarchistischen Charme, der den größten Unterhaltungswert des Films ausmacht. Als es später zu den bereits erwähnten Problemen kommt, wird „Wo die Wilden Kerle wohnen“ für meinen Geschmack zu rührselig und traurig. Das ist zwar noch kein Vergleich zu dem Kitsch oder auch der inhaltlichen Härte, die manch andere Kindergeschichte mit sich bringt, trotzdem wird der Handlung ab diesem Zeitpunkt viel von ihrer humoristischen Leichtigkeit genommen, die mich an die einiger Gestalten aus der „Sesamstraße“ erinnert und für mich als erwachsenen Zuschauer den eigentlichen Reiz des Films ausgemacht hat.

Der Prolog vor Max’ „Flucht“, der nachvollziehbar und auf ein vereinfachendes Gut/Böse-Schama verzichtend Max’ Situation schildert, wurde sehr gut umgesetzt. Seine Konfrontation mit den „Wilden Kerlen“ empfand ich, wohl wissend, dass ich nicht zur Zielgruppe zähle, zunächst als gewöhnungsbedürftig, wurde aber bald vom Charme und Humor der seltsamen Wesen gefangen genommen. Zugunsten der pädagogischen Ausrichtung wurden diese aber bald aufgegeben, was den Film etwas anstrengend machte. Nichtsdestotrotz konnte ich mich über die gesamte Spielzeit an den hervorragenden Leistungen des Kinderdarstellers, atmosphärischen Landschaftsaufnahmen aus der Welt der „Wilden Kerle“ und der liebevollen Gestaltung der Kreaturen erfreuen. An einen Film wie z.B. Jim Hensons „Die Reise ins Labyrinth“ mit Jennifer Connelly und David Bowie kommt „Wo die Wilden Kerle wohnen“ aber nicht heran.

Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Verfasst: Mi 23. Jun 2010, 13:11
von buxtebrawler
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Midnight Meat Train
Endlich bekommt der Fotograf Leon (Bradley Cooper) seine große Chance – die angesehene Galeristin Susan Hoff (Brooke Shields) ist zwar überzeugt von seinem Talent aber auch der Meinung, seinen Arbeiten fehle noch der letzte Schliff. So beauftragt sie Leon, tief in die Dunkelheit der Stadt einzutauchen und ihre wahre Seele abzulichten. Leon begibt sich nun auf nächtliche Streifzüge um unverfälschte Eindrücke zu bekommen und seinen Fotos die nötige Authentizität zu verleihen. Da diese Ausflüge nicht ungefährlich sind und Leon mit urbaner Kriminalität konfrontiert wird, bekommt es dessen Freundin Maya (Leslie Bibb) zunehmend mit der Angst zu tun, ihm könne etwas passieren. Die Sorge ist nicht unbegründet denn Leon wird immer obsessiver und verfolgt eine ihm verdächtige Person – ein schweigsamer Hüne, der tagsüber als Schlachter arbeitet und abends in wenig besetzten U-Bahn-Abteilen verschwindet. Besteht zwischen dem mysteriösen Metzger (Vinnie Jones) eine Verbindung zu den Menschen, die regelmäßig in der U-Bahn verschwinden?
Bei „Midnight Meat Train“ handelt es sich um eine Verfilmung einer mir unbekannten Kurzgeschichte von Clive Barker („Hellraiser“), die im Jahre 2008 von Barker, der auch am Drehbuch beteiligt war, höchstpersönlich produziert wurde. Als Regisseur agierte der Japaner Ryûhei Kitamura. Aufgrund seines angeblich hohen Härtegrads und vieler positiver Kritiken war ich sehr gespannt auf diesen Film und legte mir die nicht gerade günstige, schweizerische Uncut-Fassung zu, auf die sich meine Kurzkritik sodann auch bezieht.

Was ich, „Hellraiser“ im Hinterkopf habend, zu sehen bekam, war leider nicht der von mir erwartete ähnlich hochklassige Horrorfilm, sondern eine selbstzweckhafte CGI-Splatterorgie mit einem zwar durchaus imposanten Vinnie Jones als brutalem Metzgermeister, dessen vollkommen übertriebenen Metzeleien durch die Computereffekte aber jeglicher Realismus und damit jede Wirkung genommen werden. Da fliegen Augäpfel durch die Gegend und spritzt das Blut gleich literweise; mich lässt das alles vollkommen kalt und ich wähne mich in einem Computerspiel. Aus der Geschichte hätte man eine wundervoll mystische Angelegenheit machen können; eine Verschwörung, die darauf abzielt, das muntere urbane Treiben ungestört zu ermöglichen, indem sie zahlreiche Opfer billigend in Kauf nimmt und den Mantel des Schweigens bereits über Jahrhunderte hinweg darüber hüllt – bis ihr jemand auf die Spur kommt, der nicht bereit ist, das so hinzunehmen und fast wahnhaft von seiner Neugierde getrieben wird. Gelungen ist so etwas Ähnliches z.B. fabulös bei „Stephen Kings Es“. Stattdessen hält sich „Midnight Meat Train“ in seiner künstlichen Optik mit unnötigen, störenden Nebenhandlungen auf, die weder die Dramaturgie noch den Logikgehalt voranbringen, sondern lediglich verwirrte Zuschauer hinterlassen. So pendelt die Handlung zwischen CGI-Splatter und Nebensächlichkeiten und schon bald ist der mitdenkende Zuschauer in der Lage, das Ende und sogar die Schlusspointe vorherzusehen, hofft aber, eine – so schwer das bei Barker-Verfilmungen auch sein mag – halbwegs logische Erklärung durch weitere Hintergrundinformationen oder wenigstens ein paar interessante Details zu erfahren. Leider bleibt all dies größtenteils aus, so dass die Geschichte, die in Printform vermutlich funktioniert, halbgar und fast schon doof erscheint. Bleibt noch die Hoffnung auf ein packendes Finale, das aber zu Gunsten einer menschlichen Schlägerei aufgegeben wird, denn die Kreaturen, die zu Gesicht zu bekommen man die gesamte Zeit drauf hingefiebert hat, machen sich sehr rar.

Dadurch hinterlässt „Midnight Meat Train“ einen recht zwiespältigen Eindruck. Die Erwartungshaltung des Zuschauers wird kaum erfüllt, es wird ihm aber auch kein adäquater Ausgleich angeboten. Stattdessen wurde viel Potential verschenkt. Für seine Kurzweiligkeit (immerhin wird man bei der Stange gehalten, wenn auch letztendlich enttäuscht), den schweigsamen Vinnie Jones, den Mut zur (leider CGI-)Härte und manch interessante Kameraarbeit zücke ich dann doch noch wohlwollende 6/10. Wenn so aber ein sehr guter moderner Horrorfilm aussehen soll, bin ich mit meinen 30 Lenze wohl endgültig raus und sollte mir überlegen, zukünftig gänzlich die Finger von Neuerscheinungen zu lassen...