bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Euer Filmtagebuch, Kommentare zu Filmen, Reviews

Moderator: jogiwan

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Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

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Tödlicher Hass
Kurz nachdem er mit seinem Sohn dessen Geburtstag gefeiert hatte, erledigt Tony Arzenta (Alain Delon), ein für die Mafia arbeitender Killer, seinen letzten Job. Er will aussteigen und bittet deshalb Nick Gusto (Richard Conte) um seine Entlassung. Als dieser beim Treffen der Führungsschicht Arzentas Ansinnen vorträgt, stösst er nicht nur auf die erwartete Ablehnung, sondern wird zu den entsprechenden Konsequenzen aufgefordert. Doch wegen eines Defekts an ihrem Wagen, nimmt Arzentas Frau, als sie ihren Sohn zur Schule bringen will, das Auto ihres Mannes. Sie sterben durch die Bombe, die eigentlich Arzenta gegolten hätte...
„Dieses sinnlose Töten, das keinem nutzt, macht mich verrückt!“

Der italienische Regisseur Duccio Tessari, der im Western-Genre mit seinen beiden „Ringo“-Filmen auffiel und mit Gialli wie „Blutspur im Park“ und „Der Mann ohne Gedächtnis“ den meisten Italophilen ein Begriff ist, war genauso im Poliziesco- bzw. Gangster-Film zuhause, wie er u.a. mit der italienisch-französischen Koproduktion „Tödlicher Hass“ aus dem Jahre 1973 bewies.

Mafia-Auftragskiller Tony Arzenta (Alain Delon, „Eiskalter Engel“) möchte aus seinem blutigen Geschäft zugunsten eines harmonischen Familienlebens mit seiner Frau und seinem Sohn aussteigen, erledigt noch einen letzten Job und eröffnet seinen Auftraggebern sein Anliegen. Diese reagieren jedoch wenig verständnisvoll und möchten ihn mittels einer Autobombe um die Ecke bringen. Diese trifft jedoch versehentlich seine junge Familie. Arzento, der nun alles verloren hat, sinnt auf Rache und begibt sich auf eine gnadenlose Jagd auf seine ehemaligen Verbündeten durch halb Europa…

„Sie bringen die Leute dahin, wo sie hingehören: Unter die Erde!“

Für „Tödlicher Hass“ verpflichtete man den aus ähnlich gelagerten französischen Produktionen bekannten Alain Delon für seine Paraderolle als emotionsarmen Killer. Vergleiche anzustellen verbietet sich mir, da ich mich erst langsam durch den Polizei-, Mafia- und Gangsterfilm arbeite und mein Hauptaugenmerk auf die Italiener lege, weshalb dies mein erster Film mit Delon in der Hauptrolle ist. Typisch italienisch ist – Delon hin oder her – jedoch die grimmig-nihilistische Stimmung Tessaris Films, die einmal mehr beweist, dass viele Produktionen dieser Art eine Quasi-Weiterführung des Italo-Westerns sind. Tessari zeichnet ein von beinahe todessehnsüchtiger Trostlosigkeit erfülltes Bild einer Welt, in der ein Menschenleben einen feuchten Kehricht wert ist und in der sich staatlicher Eingriffe weitestgehend entziehende Parallelgesellschaften alle drei Gewalten in sich vereinen, ihre eigenen Gesetze aufstellen und vollstrecken und generell den Ton angeben, um sich Reichtum und Einfluss nachhaltig durch ein Klima der Autorität und Angst zu sichern. Doch dass auch die hohen Mafiosi sich durchaus überschätzen können, macht ihnen unmissverständlich ihr „verlorener Sohn“ Arzenta klar, der seinen Rachefeldzug ähnlich stoisch und kalt berechnend vollzieht, wie er zuvor seine Aufträge ausgeführt hat – bis selbst die Führungskriege weiche Knie bekommt und sich ihrer Lage bewusst wird, dass das Monster, das sie erschaffen haben, sich gegen sie wendet.

Bei all dem schwingt stets eine Art abgeklärter Melancholie mit, unterstützt von der traurigen Musik Gianni Ferrios, die jedoch, wenn es die Bilder erfordern, auch in zeitgenössisch funkige Töne umschlagen kann. Das passend zur Charakterisierung der Hauptrolle „in sich ruhende“ Erzähltempo der Handlung steht im spannenden Kontrast zu ausgiebigen, wilden, rasant gefilmten Verfolgungsjagden und verschwenderischen Autocrashs und blutigen, originell fotografierten Erschießungen, die häufig mit Sicht auf den Rücken des von vorn gerichteten Opfers gezeigt werden. Meist geht der Schuss durch den Körper hindurch und noch etwas anderes zu Bruch, z.B. ein Fenster oder ein Aquarium. Die Brutalität des Films äußert sich nicht nur in seinen Shoot-Outs, sondern setzt beispielsweise bei Szenen in einer Autopresse noch einen drauf, zeigt eindrucksvoll bis verstörend die Skrupellosigkeit, mit der beide Seiten vorgehen. Auf der anderen Seite schwelgt Tessari in wahnsinnig ästhetischen Bildern des Europas der 1970er, die neben Italien auch Kopenhagen, Paris und Deutschland (bzw. eine Zugfahrt nach Hamburg) zeigen. Und eine Autofahrt durch nächtliche Straßen voller Leuchtreklamen wird schon einmal von einem schönen Chanson unterlegt. Das Kontrastprogramm wird durch die kreative Kameraarbeit auf ein Podest gehoben, woraus sich eine subtile morbid-zynische Ästhetik ergibt. Trotz seiner wechselnden Schauplätze gibt es, vermutlich zum Zwecke der Vereinfachung, keinerlei Sprachbarrieren, aber das nur als wertfreie Randnotiz.

Seine dramaturgische Spannung bezieht „Tödlicher Hass“ allein schon aus der Frage, wie weit er in seinem eingangs beschriebenen Nihilismus wirklich gehen wird, da man ihm grundsätzlich alles zutraut. Folgerichtig und dennoch überraschend entpuppt sich – Achtung, Spoiler! – das „Happy End“ als ein vermeintliches und holt noch einmal zu einem echten Magenschwinger aus. „Tödlicher Hass“ ist ein deftiges Brett, das neben seinen optischen Schauwerten mit einem hörenswerten Soundtrack aufwartet und vor allem mit einer konsequenten, bösartigen Handlung ein Klima der Hoffnungslosigkeit heraufbeschwört, den Zuschauer zum Komplizen eines nicht geläuterten, sondern seines Jobs aufgrund verschobener Prioritäten überdrüssigen kalten Killers macht, dessen Geisteshaltung vom kompromisslosen Ende zur einzigen Überlebensmöglichkeit erklärt wird – denn „Schwächen“ wie Menschlichkeit werden mit dem Tode bestraft. Ein Film, der einen trotz seiner Schönheit frösteln lässt – tadellos gespielt von Delon, Richard Conte („Der Pate“), Anton Diffring („Plutonium“) und Konsorten und in Nebenrollen besetzt mit großkalibrigen Damen wie Erika Blanc („Die toten Augen des Dr. Dracula“) und Rosalba Neri („Sklaven ihrer Triebe“).
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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Der Todesrächer von Soho
Ohne Zutun der Polizei sterben plötzlich Verdächtige, von denen man annimmt, daß sie mit Rauschgift handeln. Ist der Täter nun einer, der ganz groß ins Geschäft einsteigen will und mutmaßliche Konkurrenten beseitigt? Ist ein "Rächer" am Werk oder nur ein Irrer? Scotland Yard steht vor einem Rätsel - und einem Problem: bei aller Todesangst die die "Branche" erfaßt, will dennoch keiner der Bedrohten der Polizei Hinweise liefern um den Mörder zu stellen...
„So enden wir alle mal: Jeden Tag brauchen wir eine stärkere Dosis. Bis unser Gehirn aussetzt und wir selbst am helllichten Tag furchtbare Alpträume haben. Und dann kommt der Augenblick, wo wir irgendwo winselnd in der Gosse verrecken!“ (Barton bringt das Leid Franco-Süchtiger auf den Punkt)

Im Jahre 1971 drehte der spanische Viel- und Billigfilmer mit der spanisch-deutschen Koproduktion „Der Todesrächer von Soho“ eine Neuverfilmung des (mir unbekannten) Romans „Der Tod packt seine Koffer“, den Krimiautor Bryan Edgar Wallace zehn Jahre veröffentlichte und der mit „Das Geheimnis der schwarzen Koffer“ im Jahre 1962 seine (mir ebenfalls unbekannte) Erstverfilmung erfuhr.

Wer in London plötzlich seinen Koffer gepackt vorfindet, muss berechtigte Sorge haben, kurz darauf von einem unbekannten Messerwerfer erdolcht zu werden. Inspektor Rupert Redford (Fred Williams, „Sie tötete in Ekstase“) begibt sich zusammen mit seinem Freund und Krimi-Autor Charles Barton (Horst Tappert, „Derrick“) auf die Spur des Killers. Während er aber mehr oder weniger auf der Stelle tritt, startet Barton auf eigene Faust Ermittlungen, die in die Drogenszene um einen berüchtigten Nachtclub führen. Ist Mediziner Dr. Bladmore (Siegfried Schürenberg, „Die Brücke“) der Mörder? Welche Informationen verschweigt die verruchte Celia (Barbara Rütting, „Der Zinker“)? Und warum hat Barton ein solch gesteigertes Interesse an der Aufklärung des Falls?

Nach „Der Teufel kam aus Akasava“ versuchte sich Jess Franco also an einer weiteren Wallace-Verfilmung, diesmal allerdings aus der Feder Wallace Juniors. Den Zuschauer erwartet eine konfus erzählte Geschichte, die fröhlich zwischen allen möglichen (und unmöglichen) Charakteren, Orten und Perspektiven hin und her springt und keinerlei Identifikationsfigur anbietet, geschweige denn die für einen Kriminalfilm so wichtige Spannung erzeugt. Was die absurden Abziehbilder an Rollen treiben und was ihnen zustößt, ist dem Zuschauer herzlich egal und ernstzunehmen ist quasi gar nichts davon. Horst Tappert als falscher Krimi-Autor ist in seiner Prä-Derrick-Phase aus heutiger Sicht lustig anzusehen, da man ihn eben in erster Linie mit seinen TV-Krimi-Ermittlungen in Verbindung bringt und wenn er eine Dame mit Benzin übergießt und sie anzuzünden droht, erscheint das reichlich skurril, doch ein sonderlich mitreißender Schauspieler war er nicht. Dass die Handlung es zu etwas Besonderem erklärt, dass ein Schriftsteller unter einem Pseudonym arbeitet, zeugt von wenig Einblick in die Materie (bitte sagt mir nicht, dass das in Wallace‘ Vorlage genauso vorkommt) und steht stellvertretend für zahlreiche redundante Dummschwätz-Dialoge, die mit intelligenter Ermittlungsarbeit so viel zu tun haben wie eine Giraffe mit Schlittschuhlaufen. Inspektor Redfords Ermittlungserfolge tendieren gen null, Franco zeigt ihn in allerlei Belanglosigkeiten und schweigt sich über seine wenigen geglückten, letztlich aber entscheidenden Kombinationen gar komplett aus. Den besten, wenn auch leider alles andere als dominanten Eindruck hinterlässt Barbara Rütting, deren Rolle nicht nur interessant ausfiel, sondern in die sie auch gut hineinpasst.

Die tödlichen Dolchwürfe klingen stets wie ein zum Vibrieren gebrachtes, gespanntes Gummiband, die komödiantisch angelegte Nebenrolle des Fotografen, die ihn zum nervigen, unlustigen Clown degradiert und fröhliche Soundtrack-Klänge während des Fenstersturzes einer Prostituierten machen aus „Der Todesrächer von Soho“ endgültig eine trashige Farce, deren tragische Thematik des Drogenmissbrauchs und des damit verbundenen Geschäfts reichlich aufgesetzt wirkt und die begleitet wird von saxophonlastigen Jazzklängen und Leierkastenmusik, mal mehr, mal weniger passend (s.o.) eingesetzt. Der amateurhafte Schnitt raubt allen, die immer noch versuchen, sich auf die Handlung zu konzentrieren und den roten Faden zu entdecken, den letzten Nerv, und zumindest auf der von mir zu Gemüte geführten VHS-Kassette geschieht vieles im absolut Dunklen bzw. ist nur schemenhaft zu erkennen.

Doch bei aller nichtvorhandenen Spannung, Nachvollziehbarkeit und dem Mangel an eigentlich allem, was einen guten Krimi ausmacht, unterhält „Der Todesrächer von Soho“ auf trashiger Ebene bisweilen passabel, bietet so einige amüsante Kopfschüttel-Momente und überrascht hin und wieder dann doch mit plötzlicher inhaltlicher Härte/Konsequenz und der einen oder anderen netten Idee. Vor allem aber wirkt das muntere Treiben auf groteske Weise immer wieder wie aus einem Paralleluniversum, in dem sich erwachsene Menschen wahlweise wie ein aufgeschreckter Hühnerhaufen oder wie schlafwandlerisch keiner irdischen Logik folgend verhalten und das ganz selbstverständlich als ihre Normalität betrachten. In Zusammenhang mit Tappert und Konsorten erscheint das wie ein schelmischer Streich, den Franco ihnen gespielt hat, was ihn im Vergleich zu den wahren Gurken des Regisseurs ins Mittelfeld hievt – wobei sicherlich auch etwas wohlwollende Dankbarkeit meinerseits mitspielt, diesmal nicht mittels absoluter Langeweile in den Prä-Abspann-Schlaf getrieben worden zu sein. Andererseits bin ich aber auch ein kleiner Krimi-Muffel. Insofern halte ich meine 5/10 für fair, zaubere mir aber auch ein debiles Grinsen beim Gedanken daran, wie unbedarfte Krimi- bzw. Edgar-Wallace-Freunde zu diesem Film greifen, aufs Gesicht. Noch einmal gucken möchte ich den Soho’schen Todesrächer aber bitte auf keinen Fall.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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Nur Tote überleben
Denise "Deedee" Watson (Anita Skinner) ist die einzige Überlebende eines verheerenden Flugzeugabsturzes. Körperlich völlig unversehrt, wird sie von ihrem Arzt vor dem "Überlebenden-Syndrom" gewarnt, bei dem sich mancher, der eine solche Katastrophe überstanden hat, hinterher freiwillig das Leben nimmt. Das ist bei Denise nicht der Fall - ihr lauern urplötzlich Menschen auf, die nachweislich verstorben sind...
„Sie hat letzte Woche Gott gesehen!“ – „Wie hat er ausgesehen?“ – „Nicht so gut, so als würde er nicht richtig essen.“

US-Regisseur Thom Eberhardt, der z.B. mit Keanu Reeves „Eine verrückte Reise durch die Nacht“ drehte, debütierte im Jahre 1982 mit dem Horrorfilm „Nur Tote überleben“, dessen Originaltitel „Sole Survivor“ wesentlich sinnvoller klingt.

Die junge Frau Denise Watson (Anita Skinner) hatte großes Glück: Sie überlebte als einzige einen Flugzeugabsturz, ohne körperliche Schäden davonzutragen. Doch fortan begegnet sie immer wieder unheimlichen Gestalten, die sie zu verfolgen scheinen. Ihr Umfeld schenkt ihr keinen Glauben, denn die von ihr beschriebenen Personen sind bereits tot…

„Nur Tote überleben“ ist ein Genrefilm der kostengünstigen Sorte und wahrscheinlich aus Budgetgründen entschloss man sich, erst gar keine Bilder des Flugzeugabsturzes zu zeigen. Dass Eberhardt auch nicht wie so viele andere auf Archiv-Material zurückgriff, rechne ich ihm allerdings positiv an. Zu bieten hat der in sehr angenehmem, ruhigem Tempo erzählte Film eine grundsympathische, attraktive, selbstbewusste Frau als Hauptrolle, die zunächst ständig Zeugin wird, wie irgendwelche Leute stumm, aber bedeutungsschwanger in der Gegend herumstehen. Doch die sog. „False Scares“ werden irgendwann zu wahrhaft durchschüttelnden, gefährlichen Schreckmomenten, gruselige Szenen verdeutlichen die Genrezugehörigkeit. Was seine Stimmung anbelangt, ist „Nur Tote überleben“ noch eher in den 1970ern zuhause, die 1980er waren noch jung und der Film hegte keinen modernistischen Ansatz. Auf eine langsam das Rückenmark in Beschlag nehmende, unheimliche Atmosphäre wird mehr Wert gelegt als auf hektische Schnitte und splatterige Spezialeffekte. Die gute Kameraarbeit wartet mit einigen interessanten Perspektiven auf, der Schnitt ist originell und die musikalische Untermalung stimmig, die insbesondere die Schockszenen unterstützt. Trotz (oder gerade wegen?) seiner Gemächlichkeit ist der Film spannend, da man sich zwar denken kann, was Sache ist – „Tanz der toten Seelen“ oder auch „Final Destination“ lassen grüßen –, jedoch nicht, welche Konsequenz der Film ziehen wird, wie es der liebgewonnen Hauptrolle ergehen wird.

Dass diese ans Herz wächst, liegt zum einen daran, dass „Nur Tote überleben“ zwar relativ dialoglastig ausfiel, die zahlreichen Konversationen jedoch nicht zum reinen Zeitschinden genutzt werden, sondern um die drei bis vier relevanten Rollen anschaulich zu charakterisieren und Denise zur Sympathieträgerin aufzubauen. Zum anderen entsteht dieser Effekt aus den überraschend guten schauspielerischen Leistungen, die ich von der ohne große Namen auskommenden Besetzung und schon gar nicht von Anita Skinner erwartet hätte, die ansonsten mit lediglich einem weiteren Spielfilm gelistet wird. Skinner versieht die mitten im Berufsleben stehende, um Rationalität bemühte, nach außen hin starke Denise mit Leben, geht in der Rolle auf und formt einen Charakter, der nicht viel mit den typischen Genre-„Scream Queens“ gemein hat. Doch das reichte Eberhardt anscheinend nicht an geballter Weiblichkeit und er baute recht bemüht eine Oben-ohne-Szene beim Strip-Poker einer Nebendarstellerin ein. Nichtsdestotrotz gibt es hier und da Leerlauf und ist nicht jede Szene wirklich von Belang, doch in den entscheidenden Momenten wird der dramaturgische Bogen stets wieder gestrafft und der Zuschauer erfolgreich zu einem überraschenden, schockierenden Ende geleitet, das zudem keinerlei Erklärung liefert, sondern die Geschehnisse für sich stehen und im Geiste des Publikums nachwirken lässt.

„Nur Tote überleben“ ist ein idealer Film, um sich in einem Zustand innerer Ruhe einige kalte Schauer über den Rücken jagen zu lassen, sich in seine Bettdecke einzumümmeln und mit der Hauptrolle mitzufühlen. Ein kleines, feines Stück B-Horror-Geschichte für Kenner und Genießer, aber nun wirklich so gar nichts für hektiksüchtige ADHS-Kids.
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The Living Dead Girl
Helene und Catherine sind seit ihrer Kindheit die besten Freundinnen. Auch Catherines Tod tut der Freundschaft keinen Abbruch. Ganz im Gegenteil. Zwar ist Catherine jetzt eine Untote, die regelmäßig frisches Blut benötigt, aber die alte Freundin stellt sich gerne zur Verfügung, um frische Opfer zu besorgen.
„Wir gehören zusammen!“

Der französische Horror-, Erotik- und Pornofilmer Jean Rollin („Foltermühle der gefangenen Frauen“) veröffentlichte 1982 mit „The Living Dead Girl“ alias „Lady Dracula“ einen Erotik-Horrorfilm, der die klassische Vampirthematik für ein tragisches, phantastisches Drama aufgreift und auf seine eigene spezielle Weise variiert.

Die unterirdischen Gewölbe eines alten Schlosses werden von skrupellosen Industriellen zweckentfremdet, um Fässer hochgiftigen Abfalls illegal zu entsorgen. Als die Handlanger eines Tages neue Fässer hineintragen und sich an den dort befindenden Gräbern auf der Suche nach Wertgegenständen vergreifen, beschädigt ein plötzlich auftretendes Erdbeben die Fässer. Toxische Dämpfe treten aus, die die vor zwei Monaten dort noch in jungen Jahren zur letzten Ruhe gebettete Catherine (Françoise Blanchard, „Oase der gefangenen Frauen“) wieder zum Leben erwecken. Diese macht mit den Kriminellen kurzen Prozess und befindet sich fortan auf der Suche nach ihrer alten Blutsschwester Hélène (Marina Pierro, „Unmoralische Novizinnen“) – und braucht ständig frisches Blut…

In den trashigen Beginn brachte Rollin eine ökologische, industriekritische Aussage ein, wie man sie in ähnlicher Form aus seinem empfehlenswerten Zombiefilm „Foltermühle der gefangenen Frauen“ kennt. Doch darauf folgt düstere, morbide Poesie um ein wenig erstrebenswertes Leben nach dem Tod und die Romantik ewiger Freundschaft und Liebe, immer wieder jäh durchbrochen von nicht immer gut getricksten splatterigen Gewalteruptionen. Die untote Catherine erinnert sich an Hélène und den gemeinsamen Treueschwur zu Kindheitszeiten. Offensichtlich führten beide bis zu Catherines Tod eine lesbische Beziehung zueinander. Nachdem Catherine ihre Freundin aufgesucht hat, will Hélène zunächst nicht an ein Leben nach dem Tod glauben, wird aber zu Catherines Komplizin. Was durchaus interessant und nach nekrophiler Romantik klingt, wurde jedoch dramaturgisch fragwürdig mit viel Leerlauf und Füllmaterial, wie z.B. der Tanzszene während eines Volksfests bei unheimlich schlechter Musik, umgesetzt und stellt die Geduld des Zuschauers bisweilen auf eine harte Probe. So richtig durchdacht hat Rollin seine Geschichte leider auch nicht, denn wie ist es zu erklären, dass Catherine nach zwei Monaten in der Totengruft aussieht wie das pralle Leben, von Zersetzung, Mumi- oder Zombifizierung keine Spur?

Natürlich wären die Erotikszenen der nackt und paralysiert wirkend umherwandelnden Catherine unter diesen Umständen weniger ansehnlich ausgefallen, doch so hat es Rollin sich etwas sehr einfach gemacht. Auch an den Erotikanteil sollte man keine größeren Ansprüche stellen, denn mit prickelnden gleichgeschlechtlichen Liebesszenen, für die die Handlung jeden Anlass gegeben hatte, hält sich Rollin ebenfalls sehr zurück. Das ist sehr schade, denn so muss man bis zum Finale warten, bis „The Living Dead Girl“ wirklich überzeugen kann: Die schlussendliche Tötungs- und Konsumszene, die sehr ruhig und detailliert gefilmt wurde und aus der sowohl die unerschöpfliche Gier als auch die erbarmungswürdige Verzweiflung Catherins sprechen, stellt Rollins Talent unter Beweis und berührt stark auf emotionaler Ebene. Dies ist umso höher zu bewerten, als man zuvor nicht gerade bemüht war, Hélène als Sympathieträgerin zu etablieren, im Gegenteil: Die Frau ist unsympathisch wie nur was. Das Mitgefühl des Zuschauers entwickelt sich demnach auch ausschließlich für Catherine, denn der für sie schmerzhafte Verlust wiegt dann doch stärker als die Freude über Hélènes Ableben.

Aus einer neugierig machenden Idee fabrizierte Rollin einen (nicht nur auf die Produktionskosten bezogen) eher billig wirkenden Film, der über weite Strecken recht unbeholfen und unbefriedigend profan erscheint und letztlich zu inkonsequent ist, um mich zu begeistern. Schade, da hatte ich mir doch wesentlich mehr von versprochen.
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WarGames
27 Stunden und 59 Minuten bleiben David Lightman, um das nukleare Desaster eines Dritten Weltkriegs zu verhindern. Über seinen Homecomputer hat der 16-Jährige durch einen fatalen Zufall Joshua auf den Plan gerufen. Joshua, ein Computer aus dem amerikanischen Frühwarnsystem, registriert seine Eingaben als sowjetischen Nuklearangriff. Beide Supermächte sind der Meinung, von der jeweils anderen Seite angegriffen zu werden. Nur der geniale Stephen Falken, der Joshua programmierte, kann die nukleare Katastrophe verhindern. David muss ihn rechtzeitig finden...
„Sie wollen mir damit sagen, dass dieses Zigmillionen-Dollar-Wunder in Wirklichkeit der Gnade von ein paar Männern mit dem kleinen Metallschlüssel ausgeliefert ist...?“ – „...deren einziges Problem es ist, Menschen zu sein. Aber in etwa 30 Tagen können wir sie bestimmt durch elektronische Relais ersetzen!“

Der US-amerikanische Thriller „WarGames“ aus dem Jahre 1983 thematisiert zu Zeiten des Kalten Kriegs die Gefahren eines durch Computertechnologie versehentlich ausgelösten Atomkriegs zwischen den beiden hochgerüsteten Weltmächten USA und UdSSR. Die Regie führte zunächst der US-Amerikaner Martin Brest („Beverly Hills Cop“), der jedoch nach zwölf Drehtagen vom Briten John Badham („Das fliegende Auge“, „Nummer 5 lebt!“, „Ein Vogel auf dem Drahtseil“) abgelöst wurde.

David Lightman (Matthew Broderick, „Ferris macht blau“) ist nicht besonders aufmerksam in der Schule und handelt sich dadurch manch schlechte Note ein. Was jedoch die Wenigsten ahnen: In seiner Freizeit verdingt er sich an seinem alten IMSAI-8080-Rechner als Hacker und Cracker und macht sich einen Spaß daraus, in fremde Systeme einzudringen. Unbewusst gelangt er eines Tages ins NORAD-Computersystem „WOPR“ des Pentagons, das er irrtümlich für den Server eines Spieleherstellers hält, und startet das vermeintliche Spiel „Weltweiter thermonuklearer Krieg“. Zwar bricht er das Spiel schnell ab, doch die Simulation eines Angriffskriegs der Sowjetunion läuft weiter und die Bediensteten des Pentagons sehen sich mit vermeintlichen sowjetischen Angriffen konfrontiert – und leiten entsprechende Gegenmaßnahmen ein... Kann der mittlerweile von den US-Behörden verhaftete David das Missverständnis aufklären und den totalen Atomkrieg verhindern?

„WarGames“ thematisiert gleichzeitig die verbreitete Kalte-Kriegs-Paranoia und den Kontrollverlust der Menschen über die übermächtige, verheerende nukleare Kriegstechnologie, deren tatsächlicher Einsatz aufgrund durch eine zynische Simulation zu Beginn des Films festgestellter moralischer Skrupel der Entscheidungsbevollmächtigten komplett einem lernfähigen Computersystem überantwortet wurde, das diese vermeintlichen menschlichen Schwächen ausmerzen soll. Ferner zeigt der Film die Anfänge des privaten Hackens durch politisch unmotivierte Jugendliche. Beachtlich, aber auch inkohärent ist dabei die Rezeptur des Films: Während die Gefahr eines durch Computerfehler ausgelösten Ernstfalls keinesfalls unrealistisch war, wie z.B. ein im Drehjahr des Films angezeigter Atomraketenangriff der USA auf die UdSSR bewies, und man durchaus realitätsgetreu verschiedene Aspekte der Cyberkriminalität thematisierte (Phreaking, Replay-Angriffe, Aufspüren und Ausnutzen von Backdoors etc.), folgt er ansonsten überwiegend einer typischen Hollywood-Unterhaltungsfilm-Dramaturgie: Der ernstmöglichste Gegenstand der Handlung wird aufgelockert durch humoristische Momente, in durchaus nicht unangenehmer augenzwinkernder Weise zugunsten einer einfacheren Konsumierbarkeit durch ein breitgefächertes Publikum, dem ursprünglich als Nerd-typisch lediglich auf einem Fachgebiet besonders bewandert gezeichneten David werden plötzlich Überlebensimprovisationsfähigkeiten nach Vorbild eines MacGyvers sowie eine grundsätzlich intellektuelle wie moralische Überlegenheit gegenüber der Erwachsenenwelt zugeschrieben, um der Identifikation eines jugendlichen Publikums mit der Hauptrolle Vorschub zu leisten, und eine obligatorische Romanze zwischen David und seiner Schulfreundin Jennifer (Ally Sheedy, „Breakfast Club“) fehlt ebenso wenig, ohne dass diese für die Handlung von zwingender Bedeutung wäre.

Die zu Beginn in einer Art Prolog gezeigte Simulation des Ernstfalls wurde gekonnt spannend inszeniert und der Zuschauer direkt in die richtige Stimmung versetzt, indem an seine Angst vor einem zunächst von der Öffentlichkeit unbemerkt ausbrechenden, alles Leben vernichtenden Atomkrieg appelliert wird. Mit einem fast schon kruden Wahnwitz angereichert wird dieser Gemütszustand, wenn dem unbedarften Spielen Davids die von ihm verursachte, im Pentagon grassierende Panik gegenübergestellt wird. Allem technischen Realismus zum Trotz wird die Kommunikation Davids mit dem Verteidigungscomputer stark abstrahiert im Stile eines allgemein verständlichen Chats dargestellt, um – gerade im Entstehungsjahr – ein wenig technikaffines Publikum nicht zu überfordern. In seiner Haltung zum atomaren Wettrüsten begibt sich „WarGames“ in ein gesichertes Mittelfeld: Abrüstung und Pazifismus sind sicherlich nicht die Themen des Films, die Ausgeglichenheit der militärischen Ressourcen wird als eine Art Garantie für den Nichtausbruch eines heißen Kriegs verkauft. Man nimmt jedoch eine eindeutig humanistische Position ein, indem überdeutlich betont wird, dass ein Kriegsausbruch in jedem Falle verhindert werden müsse, da es bei einem derartigen Konflikt keinerlei Gewinner geben könnte – wie der lernfähige Computer schließlich auch nach komplettem Durchspiel seiner Simulation eindrucksvoll als Ergebnis seiner Berechnungen präsentiert.

Während man den Spannungsbogen stets gut gestrafft hält und nach und nach veranschaulicht, wie gefährlich ein Computersystem werden kann, das im Zuge der Bekämpfung menschlicher Schwächen seine Benutzer weitestgehend aussperrt, findet mit dem Aufspüren des sich auf eine einsame Insel zurückgezogenen habenden Programmierer des Systems ein antitechnologischer Kontrast in den Film. Mr. Stephen Falken (John Wood, „Sodbrennen“) ist nämlich zu einem desillusionierten, fatalistischen Misanthropen geworden, der seine selbstgewählte Isolation schätzt und nichts mehr mit all den Kriegsspielen zu tun haben möchte. Zwar lässt er sich dennoch überreden, ins Pentagon zurückzukehren und beim Zurückerlangen der Kontrolle über sein System zu helfen, doch steht er stellvertretend für die durch den Kalten Krieg ausgelösten existenziellen Ängste und das Ohnmachtsgefühl gegenüber den Machtapparaten. Eine mit der Erwartungshaltung des Zuschauers spielende, überraschende Wendung nach dem vorläufigen, vermeintlichen Ende treibt die Spannung noch einmal auf die Spitze, wenngleich das „Tic Tac Toe“-Spiel des Computers dann doch auch bei allem Wohlwollen reichlich absurd erscheint. Die melancholische, leicht pathetische Note, die „WarGames“ am Schluss bekommt, steht ihm nicht schlecht zu Gesicht und dürfte den Nerv des in einem sicherlich nicht alltäglichen Ausmaß für die Vorgänge im Pentagon unter einer Reagan’schen Regierung sensibilisierten Publikums getroffen haben.

Fazit: In einer seiner allerersten Rollen setzt Matthew Broderick voll jugendlicher Unbedarftheit und ebensolchem Eifer gleich den „Weltfrieden“ aufs Spiel. „WarGames“ ist ein gar nicht ungeschickt zwischen Anspruch, Anti-Kriegs-Pädagogik und Unterhaltungsfilm pendelnder US-Thriller der familientauglichen Sorte, der den Geist der 1980er unter der Knute des Kalten Kriegs aus jedem Filmkorn atmet. Technisch mittlerweile überholt, thematisch jedoch nur bedingt, heutzutage in erster Linie aber ein großes Vergnügen für alle, die jenes Jahrzehnt bewusst miterlebt haben.

„Ein seltsames Spiel. Der einzig gewinnbringende Zug ist, nicht zu spielen.“ 7,5/10 Punkten.
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The Gathering
Die US-Touristin Cassie Grant (Christina Ricci) erleidet auf ihrer England-Tour einen Unfall und leidet von nun an an einer Art Amnesie - zumindest weiß sie nicht mehr, wie sie in diese englische Kleinstadt gekommen ist, in der man gerade eine frühchristliche Kirche aus dem ersten Jahrhundert nach Christi ausgegraben hat. Ein Wandgemälde mit den Zuschauern der Kreuzigung hat es den Experten besonders angetan - nur daß Cassie inzwischen eigenartige Halluzinationen hat, die genau die Gesichter dieser Zuschauer der Kreuzigung beinhalten. Steht eine neue Katastrophe an, die den Lauf der Menschheit verändern wird oder liegt es nur an den Folgen der Amnesie?
„Wenn man eine ganze Kirche vollständig begräbt, dann muss es einen Grund dafür geben!“

„The Gathering“ aus dem Jahre 2002 ist ein sich der christlichen Mythologie bedienender Mystery-Thriller, der in britisch-US-amerikanischer Koproduktion unter der Regie Brian Gilberts („Nicht ohne meine Tochter“) entstand.

Im Südwesten Englands stürzen zwei Jugendliche durch ein Loch im Boden in eine Höhle, die sich bei Restaurationsarbeiten als vergrabene Kirche entpuppt, in der die Kreuzigung Jesus Christus’ mitsamt einiger ungerührt starrender Zuschauer nachgestellt wurde. Die Frau des Restaurators (Stephen Dillane, „Déjà Vu“), Marion Kirkman (Kerry Fox, „Intimacy“), fährt unterdessen die Touristin Cassie Grant (Christina Ricci, „Monster“) an, die daraufhin unter einer Amnesie leidet. Sie wird von den Kirkmans zuhause aufgenommen und fortan von unheimlich Visionen geplagt, in denen immer wieder die Gesichter aus der Kreuzigungsszene auftauchen. Sie spürt, dass eine Katastrophe naht, doch kann all die Bilder nicht richtig zuordnen...

Christina Ricci in einem okkulten, in England angesiedelten Mystery-Thriller? Das macht neugierig. „The Gathering“ beginnt dann auch direkt mit supermorbiden, grausamen Höhlenkulissen, die Lust auf mehr machen. Typische dramatische Musik, angereichert durch sakrale Gesänge, begleitet schließlich die etwas abgemagert wirkende Ricci akustisch durch die schönen, für einen Mystery-Thriller prädestinierten Bilder des ländlichen Englands und die vereinzelten, unvermittelt auftauchenden Gruselszenen. Doch wenn man sich schon an einem bei gedrosseltem Tempo erzählten Film dieser Art versucht, sollte man dramaturgisch und inszenatorisch sorgfältiger vorgehen, als es Gilbert tat, der relativ uninspiriert eine Szene an die andere zu fügen scheint und dem Zuschauer mal zu wenige, mal zu viele Informationen an die Hand gibt, um einen spannenden Handlungsaufbau zu ermöglichen. Ein Film dieser Art funktioniert in der Regel über heraufbeschworene, über einen gewissen Zeitraum aufrecht erhaltene Stimmungen und nicht über abrupte Schnitte, in deren Folge der Film atmosphärisch stets bei Null zu beginnen scheint.

Um das zu kompensieren, hätte es neben der gewohnt kompetent aufspielenden Ricci und den restlichen soliden bis guten Schauspielern eine gute Geschichte gebraucht, die nicht schon derart früh beinahe ihr gesamtes Pulver verschießt und sich lediglich durch die wenig überraschende Pointe noch etwas fürs Ende aufbewahrt. Denn die beiden großen Clous, über die „The Gathering“ zu verfügen vorgibt – das Geheimnis um die Gesichter aus der Kreuzigung und die Rolle Cassies in dem ganzen Verwirrspiel –, erweisen sich als keine; stattdessen dienen sie einer aufdringlich moralistischen, christlichen Mär über bei Unglücken gaffende Mitmenschen, die daraufhin jahrhundertelang verflucht wurden und deren einzige Chance darin besteht, es in ihrem untoten Geisterdasein irgendwie wieder gut zu machen. Ächz...

Die völlige Kritiklosigkeit, mit der diese Art göttlichen Fluchs nicht nur aufgegriffen, sondern verdammt weit hergeholt als Grundidee für diesen Film herangezogen wird, wirkt wie aus dem Fahrwasser autoritärer, konservativer religiöser Kreise, die in einem phantastischen Film mit Horror-Versatzstücken nicht viel verloren haben. Zieht man die missglückte Geschichte bzw. ihre Moral ab, bleiben knapp eineinhalb Stunden eine Ricci, der es wie üblich Spaß macht, zuzusehen, viel angenehmes Lokalkolorit und gerade zu Beginn großartige Kulissen. Als Mystery-Fast-Food für zwischendurch zu gebrauchen, was allerdings vermutlich komplett gegen die Intention des Films gehen würde.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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Hypnos
Beatriz ist eine Spezialistin auf dem Gebiet der Hypnose. Sie will einem jungen Mädchen helfen, das seit einem furchtbaren Ereignis in einer Psychiatrie befindet. Doch nach anfänglichen Erfolgen wird das Mädchen plötzlich mit aufgeschnittenen Pulsadern tot aufgefunden. Ein unheimlicher Patient warnt Beatriz: "Es war kein Selbstmord." Je mehr sie sich mit dem Vorfall befasst, desto mehr verschwimmen für sie die Grenzen zwischen Traum und Realität. Und eines steht fest: Beatriz soll als nächste sterben. [Quelle: Verleih]
„Es ist so einfach, zu sterben…“

Der spanische TV-Serien-Regisseur David Carreras Solè verfilmte für seinen bis dato einzigen Kinofilm „Hypnos“ aus dem Jahre 2004 einen Roman Javier Azpeitias. Beatriz (Cristina Brondo, „Do You Like Hitchcock?“) tritt eine neue Arbeitsstelle als Therapeutin in einer psychiatrischen Klinik an, in der u.a. ein junges Mädchen als Patientin weilt. Als diese sich eines Tages die Pulsadern aufschneidet, beginnt Beatritz die Methoden des Klinikleiters Sánchez Blanch (Féodor Atkine, „Aktion Mutante“) in Frage zu stellen und heimlich Nachforschungen zu diesem und anderen (vermeintlichen?) Selbstmordfällen anzustellen – woraufhin Wirklichkeit und Traumwelt immer mehr miteinander zu verschmelzen scheinen und sich Beatriz unheimlichen Visionen ausgesetzt sieht…

In den jüngeren vergangenen Jahrzehnten kamen eine Menge sehenswerter Horrorfilme und (Mystery-)Thriller von der iberischen Halbinsel und „Hypnos“ ist einer davon. Der gruselige Mystery-Thriller wurde mit Xavi Giménez hinter der Kamera realisiert, der bekannter ist für seine Arbeiten an „The Machinist“ und „The Nameless“ und der auch diesem Film seinen originellen visuellen Stempel aufdrückt. In lebensfremden, widernatürlichen, unbehaglich übersterilen und damit ins Surreale tendierenden Bildern aus dem Klinikinneren wird eine Parallelwelt etabliert, in der Traum und Realität sowie Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft ineinander zerfließen und sich die Hauptrolle auf der Suche nach der Wahrheit und schließlich nach sich selbst befindet. „Hypnos“ ist ein verfilmter Psychotrip, der in keinen kunterbunten LSD-Rausch führt, sondern in Tristesse, Misstrauen und Haltlosigkeit mündet und eine unheimliche Atmosphäre des Realitätsverlusts erzeugt. Der Sound spielt dabei eine große Rolle, verträumte Klaviermusik wechselt sich ab mit einer Klangkulisse aus Stimmen, Geräuschen und akzentuiert eingesetzten Tönen, wobei die gesamte musikalische Untermalung ebenso dynamischen, pointierten, abgehackten Schnitten ausgesetzt ist wie die artifizielle Bilderwelt. Die wenigen Schocks und Gewaltausbrüche des viel erzählenden, wenig verratenden und dabei sogar trotz des beschriebenen Schnitts im Tempo besonnen wirkenden Films sitzen dafür umso heftiger.

Die wunderschöne Cristina Brondo führt als Beatriz sehr offenherzig durch den durchästhetisierten Film und ihre eigene Gefühlswelt bis hin zu ihren tiefsten seelischen Abgründen, zeigt sich immer wieder nackt vor der Kamera und setzt damit einen naturalistischen Kontrast zum Künstlichen, Sterilen. Ihre Darbietung endet in einem wahren Magenschwinger von Ende, den ich trotz des Konsums so mancher sog. „Mindfuck-Filme“ in dieser Konsequenz nicht vorhergesehen habe, wenngleich primäres Thema des Subtexts unschwer erkennbar der Selbstmord ist und zahlreiche Überlegungen dahin tendierten, den Film mit seinen verschiedenen, ineinander verschachtelten Ebenen und Zeitsprüngen puzzleartig zu einem sinnergebenden Ganzen unter Berücksichtigung dieses Aspekts zusammenzusetzen. Auch wenn seinerzeit Filme mit dieser Art Plottwists sich abzunutzen begannen und irgendwann den einen oder anderen Filmfreund nervten, so handelt es sich beim spannenden „Hypnos“ doch um einen positiven, länger nachwirkenden und nachdenklich stimmenden Genre-Beitrag, der zu einem späteren Zeitpunkt sicherlich als schönes Beispiel für eine stark europäisch bzw. spanisch dominierte Epoche des Films stehen und anerkannt werden wird.
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Tail Sting
Dr. Jennifer Ryan befindet sich mit einer Gruppe von Wissenschaftlern sowie weiteren Passagieren an Board des Passagierflugzeuges von Kapitän Jack Russel. Was keiner ahnt, ist, dass die Wissenschaftler eine gefährliche schlafende Lebendladung transportieren. Diese Ladung besteht aus genmanipulierten Skorpionen. Durch einen Vertrauensmissbrauch und ein zeitgleiches Unglück wird die Brut jedoch erweckt. Einmal an frischer Luft gelangt, fangen die Tiere an zu wachsen und setzen die Elektronik des Flugzeuges außer Kraft. Immer mehr Passagiere und Besatzungsmitglieder werden Opfer der Mutanten. Dr. Ryan und Kapitän Russel kämpfen den Kampf ihres Lebens … [Quelle: Wicked-Vision]
Die unglaubliche Reise in einem verrückten Flugzeug

„Bleiben Sie bitte auf Ihren Plätzen! Das haben wir gleich unter Kontrolle!“

„Tail Sting“, ein direkt für den Videothekenmarkt gedrehter US-Lowest-Budget-Film aus dem Jahre 2001 von Regisseur Paul Wynne („Bombshell“), vermengt Tierhorror um Riesenskorpione mit Katastrophenfilm-Motiven.

Eine Gruppe Wissenschaftler transportiert im Gepäckraum eines Flugzeugs genmanipulierte Skorpione zu Forschungszwecken. Als einer der Wissenschaftler die gefährliche Fracht widerrechtlich an sich reißen will, können sich die Tiere befreien und wachsen in rasender Geschwindigkeit zu überlebensgroßen Bestien heran, die die Passagiere bedrohen und die Elektronik des Flugzeugs außer Kraft setzen. Kapitän Jack Russel (Robert Merrill, „Backlash“) kämpft zusammen mit Dr. Jennifer Ryan (Laura Putney, „Death Ride“) und den übrigen Passagieren ums nackte Überleben...

Es gibt Dinge, die passen einfach nicht zueinander. Jagdwurst und Nutella z.B., Veganer und Wildbrät, die F.D.P. und die 5%-Hürde – sowie aggressive Riesenskorpione und Flugzeuge. Diesen Beweis tritt Paul Wynne mit seinem Low-Budgetter und No-Brainer „Tail Sting“ an, der beim Wühlen im DVD-Regal des Trödelhändlers sofort mein Interesse als Kreaturenfan weckte, denn Riesenskorpione hatte ich bisher noch nicht in meiner Sammlung. Der Film entpuppt sich als billiger Vertreter seiner Art, der in arg eingeschränkten Kulissen – die nicht sonderlich realistisch anmutende Nachbildung eines Flugzeugs mitsamt Cockpit, Frachtraum und Toilette – handgefertigte Riesenskorpione auf eine allerlei Stereotypen verkörpernde Passagierflugzeugbesatzung von schauspielerischen No-Names hetzt. Schon früh beginnt „Tail Sting“, sich selbst kaum ernst zu nehmen und mit blöden, tendenziell unlustigen Sprüchen um sich zu werfen. Dadurch werden gewisse Erinnerungen an die mir nicht ohne Grund als Überschrift dienende Komödie geweckt (durch den Stil, nicht die Qualität der Gags!), wenngleich „Tail Sting“ die Grenze zur Komödie nie überschreitet, wohl aber die zum Absurden: Dass die Viecher mir nichts, dir nichts plötzlich überproportional zu riesenhaften Ungetümen mutieren, wird quasi in einem Nebensatz schnell mit „Genmanipulation“ erklärt, dass diese es schaffen, an den verschiedensten Stellen des Flugzeugs aufzutauchen, ohne jeweils zuvor bemerkt worden zu sein, muss hingenommen werden, dass mit einem Laptop auf die Arachniden eingeprügelt wird erscheint ebenso kurios wie ihre offensichtliche Allergie gegen Taschenlampenlicht und dass die obligatorische Liebesgeschichte dazu führt, dass sich der Käpt’n und die Wissenschaftlerin in einem Sarg näherkommen, ist eines von vielen Details, die zum Unterhaltungswert des Films beitragen.

Mit derlei Späßen, die nicht immer eindeutig als freiwillig oder unfreiwillig zu klassifizieren sind, muss man sich in erster Linie begnügen, denn die Kreaturen wurden doch sehr billig getrickst (dankenswerterweise jedoch nicht per CGI) und sonderlich blutig ist die Sause auch nicht. Die unnötigen Klischeehacker, die die wenigen Szenen am Erdboden bestreiten, laden zum Fremdschämen ein und bringen die Handlung kein Stück voran, da sie kläglich gegen die zunächst den Eindruck nervöser Terroristen vermittelnder, sich dann jedoch als illegale Einwanderer mit lebensrettenden technischen Fähigkeiten entpuppenden Araber versagen. Witzig überzeichnet sind alle übrigen Charaktere, der Bösewicht an Bord fühlt sich sogar plötzlich reichlich bluna. Die bedeutungsschwangere Schockreaktion auf die noch bedeutungsschwangerer herausposaunte Erkenntnis „Es ist eine Königin!“ ist einer von mehreren eher missglückten Versuchen, Dramatik in die unwahrscheinliche Situation zu bringen und damit ebenso köstlich wie viele weitere Momente, die „Tail Sting“ letztlich mit seiner Mischung aus Dilettantismus und augenzwinkerndem Spaß zu einem durchaus kurzweiligen Vergnügen für geeichte Trashologen machen, der verglichen mit anderen Kreaturenspektakeln aber gnadenlos abstinkt und sich bei aller Dankbarkeit dafür, dass die rund 90 Minuten nicht in totaler Apathie abliefen, sondern manch Lacher boten, mit 4 von 10 Punkten begnügen muss.
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The Gravedancers
Seit der Collegezeit haben sich Harris (Dominic Purcell), Kira (Josie Maran), seine damalige Freundin, und Sid (Marcus Thomas) nicht mehr gesehen, doch als das vierte Mitglied ihrer damaligen Clique, Devin, stirbt, treffen sie auf dessen Beerdigung wieder aufeinander. Harris' Frau Allison (Clare Kramer) möchte nicht stören und lässt die drei Freunde deshalb allein, um über alte Zeiten zu reden. Kurze Zeit später landen sie in einer Bar, in der Sid nach ein paar alkoholischen Getränken vorschlägt, ihren Freund aus vergangenen Tagen richtig zu verabschieden und jetzt in der Nacht ein weiteres Mal zum Friedhof zu gehen. Nach anfänglicher Skepsis kommen auch Kira und Harris mit. Dort angekommen, findet Sid, während die beiden anderen ihre damalige Beziehung mit einem Kuss aufleben lassen, einen Brief auf Devins Grab, in dem ein Gedicht niedergeschrieben steht. Er liest es dem einstigen Paar vor und sie kommen der abschließenden Aufforderung des Textes nach, hier auf dem Friedhof zu tanzen. Dabei wissen sie aber nicht, dass dies die Geister der Leichen aus den Gräbern ziemlich verärgert und diese sie nun zuhause heimsuchen...
„Ich hab ‘ne Menge seltsamen Scheiß erlebt!“

US-Regisseur Mike Mendez‘ nach den umstrittenen Filmen „Killers“, „Bimbo Movie Bash“ und „Convent“ vierte Regiearbeit datiert auf das Jahr 2006 und hört auf den Namen „The Gravedancers“, sein bis dato auch letzter Spielfilm. Die drei alten Schulfreunde Harris (Dominic Purcell, „Blood Creek“), Kira (Josie Maran, „Van Helsing“) und Sid (Marcus Thomas, „Abgezockt!“) treffen sich nach langer Zeit wieder, um Abschied von ihrem verstorbenen Freund Devin zu nehmen. Nach der offiziellen Trauerfeier betrinkt man sich und sucht erneut den Friedhof auf. Dort finden sie ein Gedicht, das sie laut rezitieren und der poetischen Aufforderung, auf den Gräbern zu tanzen, prompt nachkommen. Was sie nicht ahnen: Durch ihren Tanz haben sie die Geister der Toten herbeigerufen, die sie fortan verfolgen – unter dem zweckentfremdeten Boden zur vermeintlich letzten Ruhe liegen nämlich ein paar ganz besonders finstere Gesellen begraben…

„An dieser Stelle beerdigt die Stadt ihre unerwünschten Personen: Die Mörder, die Vergewaltiger, die Geisteskranken, die Alkoholiker, die Obdachlosen!“

Ein klassischer Horrorfilm sollte es werden und tatsächlich beginnt „The Gravedancers“ durchaus vielversprechend: Mendez bedient sich dabei zahlreicher Genre-Vorbilder, von „Haunted House“-Gruslern bis hin zum einen oder anderen Zombiefilm, setzt diese Versatzstücke aber auf angenehme Weise zusammen und versteht es, manch Spukszene furchteinflößend umzusetzen. Leider behält er diesen Stil nicht durchgehend bei und verfällt – besonders in der zweiten Hälfte – wieder zunehmend in unpassende komödiantische Einlagen und Absurditäten, die die zuvor mehr oder weniger sorgsam aufgebaute Stimmung gefährden. Nachdem er das Grundgerüst seiner Geschichte geschaffen hat, wird die Handlung zumindest in Teilaspekten profan und wenig nachvollziehbar; als prominentestes Beispiel sei hier genannt, dass unsere drei Freunde die Existenz von Paranormalität und die beiden Forscher auf diesem Gebiet, die ihnen fortan zur Seite stehen, als gegeben hinnehmen, als wäre das alles nichts sonderlich Außergewöhnliches. Zu oft wabert „The Gravedancers“ oberflächlich vor sich hin, punktet dafür aber immer wieder mit unheimlichen Kreaturen, diesbzgl. guter Maskenarbeit, einigen morbiden Kulissen/Drehorten, makabren Skeletten etc., bietet also einiges, was das Horrorherz begehrt.

Die Idee, dass sich die Geister als diejenigen dreier Psycho- und Soziopathen entpuppen, deren unheilvolle Taten zu Lebzeiten in kurzen, gruseligen Rückblenden abgehandelt werden, ist wahrlich nicht schlecht, wenn sie sicherlich auch keinen Originalitätspreis gewinnt. Bis zum ziemlich furiosen Finale muss man sich jedoch mit eher blassen Darstellern auseinandersetzen, von denen besonders Dominic Purcell mit seiner Legofrisur und gefühlten Einfältigkeit Sympathie und Einfühlungsvermögen für das Trio seitens des Zuschauers immer wieder auf eine harte Probe stellt. Charismatischer ist das paranormal forschende Duo bestehend aus Tchéky Karyo („Dobermann“) und einer attraktiv und nerdig zugleich wirkenden Megahn Perry („Convent“). Ferner spreche ich Mendez‘ Film jeglichen Subtext und alles über die reine Präsentation einer systemerhaltenden Schauermär im B-Movie-Gewand Hinausgehende ab. Als zwar noch nicht wirklich gute, doch tendenziell überdurchschnittliche, kurzweilige Unterhaltung für Genrefreunde geht „The Gravedancers“ aber soweit in Ordnung, sofern man nicht mit übermäßigem Anspruch an den Film herantritt.
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Amulett des Bösen
Der Archäologe George Hacker findet in Ägypten das Grab des uralten und unglaublich bösen Pharaos Habnubenors. Zur selben Zeit bekommt seine Tochter Susie von einer mysteriösen Unbekannten ein sonderbares Amulett geschenkt. Zurück in New York zeigt das Amulett auch schon seine unheimliche Wirkung: Der Geist des Pharaos ergreift Besitz von dem Mädchen und macht es zu einem willenlosen Killer, der in der Gestalt einer Schlange fortan alle ermordet, die das Geheimnis um das Amulett lüften wollen. George und seine Frau wissen sich keinen Rat mehr, als ihnen ein etwas angestaubter Antiquar zu Hilfe kommt, der den bösen Geist in sich aufnimmt und vernichtet.
„Allah sei mit Ihnen, Professor!“

Ende der 1970er und Anfang der 1980er inszenierte der berüchtigte italienische Regisseur Lucio Fulci mit Filmen wie „Woodoo“, „Ein Zombie hing Glockenseil“, „Das Haus an der Friedhofmauer“ und „Über dem Jenseits“ beinharte Horrorstreifen, die bis heute zurecht Kultstatus genießen. Doch 1982, in dem auch der fiese, aber nicht minder gelungene Slasher „New York Ripper“ erschien, begann Fulci im Genre zu schwächeln, wie seine Poe-Adaption „The Black Cat“ und eben „Amulett des Bösen“ bezeugen.

Der New Yorker Archäologe George Hacker (Christopher Connelly, „The Riffs – Die Gewalt sind wir“) findet in Ägypten das Grab eines uralten Pharaos. Doch beim Öffnen des Grabs verliert er unter mysteriösen Umständen sein Augenlicht, während seine Tochter Susie (Brigitta Boccoli) ein altes Amulett von einer blinden Frau geschenkt bekommt. Zurück in New York erlangt Hacker zwar relativ bald seine Sehkraft zurück, doch seine Kinder scheinen fortan unter dem Einfluss des Amuletts in Verbindung mit bösen Kräften zu stehen. Kann Hacker etwas gegen den Fluch unternehmen?

Was seine Handlung betrifft, ist „Amulett des Bösen“ ein Quasi-Remake des britischen „Hammer“-Horrors „Das Grab der blutigen Mumie“ aus dem Jahre 1971. Stilistisch ist er hingegen durchaus typisch Fulci bzw. italiano: Der für ihn typische Kamerastil mit seinen Zooms, Fokussierungen etc. findet sich ebenso wieder wie subjektive Kamerafahrten, am auffälligsten sicherlich die in der Kriechperspektive einer Schlange, und Tiersymbolik durch Schlangen und Skorpione bis hin zu Fulcis beliebtem Motiv, einen Menschen durch die Attacke mehrerer Tiere zerfleischen zu lassen (vgl. Spinnenangriff in „Über dem Jenseits“) – am Ende muss jemand durch eine zwar durchschaubar, doch gar nicht schlecht gefilmte, splatterige Vogel-Atacke sein Leben lassen. Der Soundtrack verfügt über eine prima Titelmelodie und kann sich auch darüber hinaus in seinem Spagat zwischen Synthesizer und Jazz-Einlagen hören lassen. Der Schnitt ist mal kreativ und zielführend, mal aber auch etwas holprig – alles in allem ist der technische Aspekt des Films solide bis gut. In den schönen Bildern der Drehorte, gerade den exotischen, keimt auch immer wieder Atmosphäre zwischen anheimelnd und morbide auf.

Nur leider nützt das alles nicht allzu viel, wenn die Story ansonsten über weite Strecken furchtbar unspektakulär erzählt wird und sich zudem in vielen Konfusionen verstrickt, die diesmal tatsächlich Fulcis Kritikern, die dies bereits in seinen vorausgegangenen Horrorproduktionen bemängelt haben, Wasser auf die Mühlen sind. Einige gelungene gruselige Bilder lenken nur unzureichend davon ab und aufregende Spezialeffekte sind ohnehin rar gesät; hier und da werden Erinnerungen an „Poltergeist“ wach, wobei ich nicht weiß, welcher Film zuerst da war. Fulci appelliert an die Angst vor den Geheimnissen des Orients, der schon Aufhänger für zahlreiche sich um Pharaonengräber, Mumien und Pyramiden drehende Filme war, doch wenn wieder einmal ein klischeehaftes Jahrhundertunwetter tobt und Mutti Hacker müde abwiegelt „Ist doch nur ein Gewitter!“, dann ist das nur eines von mehreren Beispielen für wenig originelle Effekthascherei, die dem Ausgangssujet nicht gerecht wird. Schauspielerisch geht das alles soweit in Ordnung, Connelly bleibt als ungewöhnliche Wahl für die männliche Hauptrolle in Erinnerung, Sohnemann Tommy wird gespielt von „Das Haus an der Friedhofmauer“-Bob, genauer: Giovanni Frezza und polarisiert mit seinem Äußeren, Brigitta Boccoli überrascht positiv als Jungmimin in Ihrem Spielfilmdebüt, sollte in der Zukunft dennoch kaum weitere Rolle bekommen. Lucio Fulci persönlich spielt eine Nebenrolle als Arzt.

Fazit: Ein handwerklich versierter Film, der sein kreatives Potential leider weitestgehend verschenkt, im Erzählerischen versagt und sich damit im glatten Mittelfeld einordnet. Schade, da wäre mehr drin gewesen.
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