bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

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Moderator: jogiwan

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buxtebrawler
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Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

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Ænigma
Ein Streich, den der Turnlehrer Fred mit den Schülerinnen des St. Mary's College ausheckt, endet für das Opfer Kathy durch einen anschließenden Unfall im Koma. Sie rächt sich grausam an den Tätern, indem ihr Geist von der neuen Schülerin Eva Besitz ergreift. Mit ihr als Werkzeug begeht sie eine Serie von Morden...
„Ein strammer junger Mädchenleib lockt die Jungs zum Zeitvertreib!“

In der zweiten Hälfte der 1980er war das italienische Genrekino weitestgehend am Ende und auch Kult-Regisseur Lucio Fulcis („Über dem Jenseits“) Œuvre blieb vom allgemeinen Qualitätsabfall nicht verschont. Zwischen dem Giallo „Dämon in Seide“ und dem von ihm begonnenen und schließlich von Claudio Fragasso und Bruno Mattei fertiggestellten Zombie-Trash „Zombie III“ drehte er im Jahre 1987 mit „Ænigma“ eine Mischung aus Quasi-Remake des Sleazehorrortrash-Heulers „Patrick lebt!“ und typischen US-Teenie-Slashern, die in jugoslawischer Koproduktion entstand.

Sportlehrer Fred (Riccardo Acerbi) macht sich mit seinen Schülerinnen des St. Mary's College einen Spaß daraus, der Mitschülerin Kathy (Milijana Zirojevic), einem schüchternen Mauerblümchen, einen bösen Streich zu spielen: Er heuchelt Interesse an ihr vor und verführt sie, nur um sie im entscheidenden Moment vor allen anderen bloßzustellen. Der pädagogisch wenig wertvolle Schachzug endet in einem Unfall, durch den Kathy ins Koma fällt. Doch ihr unruhiger Geist sinnt auf Rache und ergreift Besitz von der neuen, attraktiven Schülerin Eva (Lara Lamberti, „Red Sonja“), die sich fortan durchs Mädcheninternat meuchelt...

„Nein, ich will nicht sterben!“

Der Originalitätsfaktor von „Ænigma“ tendiert streng gegen null, wenn Fulci in spannungsarmer Slasher-Manier die Schülerinnen und Belegschaft eines Mädcheninternats dezimiert. Es gibt kein „Whodunit?“, es gibt keine Fragen hinsichtlich des Motivs und auch keinerlei Mystik um die Reinkarnation, die man vollkommen lustlos gar nicht erst zu erklären oder sonstwie näher zu beleuchten versucht. Auch von Fulcis ehemals so unverwechselbarer Kamera- und Bildästhetik blieb nicht mehr viel. „Ænigma“ wirkt wie ein Versuch, an schon damals nicht mehr sonderlich modernere US-Horrorfilme anzuschließen und verzichtet demzufolge leider auch auf einen charakteristischen Soundtrack, für den die Italiener zuvor so berüchtigt waren und die oftmals entscheidend zur Erzeugung einer ganz speziellen Atmosphäre beitrugen. Stattdessen fungieren hier zeitgenössische Pop- und Rockklänge als musikalische Untermalung. Doch so plump die Geschichte ist und auch erzählt wird, so auf Nummer sicher geht man in Bezug auf die typischen Slasherklischee-Versatzstücke: Permanent von Sex brabbelnde, tumbe Teenie-Gören, denen der Garaus gemacht wird. Freunde des Genres können sich dabei entspannt zurücklehnen, schmunzeln und genießen und mit einer Szene wie der des „Schneckentods“, bei der ein Opfer von Scharen der schleimigen Kriechtiere angefressen wird, hat man dann doch noch ein originelles Alleinstellungsmerkmal vorzuweisen. Zwar schweigt man sich auch dabei darüber aus, wie so etwas möglich sein soll und woher die Komapatientin plötzlich Macht über die Fauna erlangt hat, doch spaßig anzusehen ist's allemal und Fulci bekam einmal mehr Gelegenheit, eine für ihn typische Tierattacke umzusetzen (und es dürfte auch die bemerkenswerteste – gleich in welcher Hinsicht – sein). Ein paar weitere Ekelbilder hier und da bieten etwas fürs Auge, allzu sleazig wird „Ænigma“ (die Schnecken einmal ausgenommen...) indes nicht.

Die schauspielerischen Leistungen des namenlosen Ensembles decken ein Spektrum von zum Fremdschämen über steif und blass bis hin zu unauffällig, systemerhaltend ab; Fulci persönlich taucht wieder in einer Nebenrolle als Kommissar auf. Anspruchslose Genre-Fans sind eingeladen, das Hirn weitestgehend herunterzufahren und sich nett berieseln zu lassen, auch für Freunde des unfreiwilligen Trashs hat „Ænigma“ einiges zu bieten. Aufgrund seines Unterhaltungsfaktors und meiner Schwäche fürs Slasherkino zücke ich eine glatte Durchschnittsnote, zumal Fulci später noch wesentlich größeren Mumpitz verzapft hat. Eigentlich ist „Ænigma“ aber ein Paradebeispiel für den Niedergang des italienischen Genrekinos.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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Demonia
Im Jahre 1486 werden drei Nonnen in den Kellergewölben eines Klosters gekreuzigt. Mehr als fünf Jahrhunderte später wird Liza während einer Seance Zeugin dieser grausamen Ereignisse. Kurze Zeit später reist sie mir einer archäologischen Expedition nach Sizilien, wo sie die Leichen der Nonnen in der alten Klosterruine entdeckt. Die so in ihrer Ruhe gestörten Geister rächen sich fortan an jedem, der sich im Kloster herumtreibt. Doch Liza deckt nach und nach die Geschichte der drei Hingerichteten auf.
„Für eine Archäologiestudentin sind Sie nicht sehr wissenschaftlich!“

Im Jahre 1990 war der ehemalige italienische Kult-Regisseur Lucio Fulci („Über dem Jenseits“) bereits ganz unten angelangt, hatte furchtbar billige TV-Produktionen gedreht und kaum mehr an seine alten Leistungen anknüpfen können. Insofern hat man von „Demonia“ nicht viel zu erwarten, auch wenn Horror auf Splatter auf Nunploitation trifft:

Während einer Seance bekommt die kanadische Archäologiestudentin Liza (Meg Register) schreckliche Visionen. Als Mitglied einer archäologischen Expedition entdeckt sie schließlich an einem geheimen Ort eines sizilianischen Klosters die Überreste dreier im Jahre 1486 wegen blasphemischer Rituale am Kreuz hingerichteter Nonnen. Dadurch provoziert sie die Rachegelüste der Geister der Getöteten, die fortan jeden umbringen, der die Totenruhe im Kloster stört. Liza recherchiert die Biographien der Nonnen, kann aber auch nichts mehr gegen sie ausrichten.

Der Prolog zeigt dem Zuschauer, was 1486 los gewesen ist. Nach wenigen Minuten siedelt sich „Demonia“ in der filmischen Gegenwart an und verbindet eine relativ hohe Anzahl mal mehr, mal weniger gut getrickster Splatterszenen ohne viel Sinn und Verstand durch eine wenig aufregende Geschichte, die dilettantisch erzählt wird. Die Zeit zwischen den Splattereien wurde mit reichlich belanglosen Füllszenen gestreckt, wodurch sich der Film unheimlich zieht. „Demonia“ ächzt unter erheblichen Timing-Problemen und hält sich lange mit totalen Nebensächlichkeiten auf, z.B. den Verdächtigungen gegen den Archäologen, obwohl der Zuschauer längst weiß, dass dieser nichts mit den Toten zu tun hat. Das hat die pure Langeweile zur Folge und ist ein Indiz dafür, dass das Drehbuch geradezu dahingeschludert wurde und über kaum Substanz verfügt, Fulci zudem kaum eine Idee hatte, wie er es ansprechend auf die Leinwand bringen sollte. Wer im Subtext Kritik am Klerus vermutet, liegt leider daneben, denn die Nonnen bzw. ihre Geister werden recht plump als böse dargestellt, die Unschuldige brutal foltern und ermorden und die eigentlich auch schon für fünfhundert Jahren die gerechte Strafe ereilt hat.

Visuell ist „Demonia“ auch nicht sonderlich gelungen; über vielen Bildern scheint ein Nebelschleier zu hängen, sie sehen aus, wie durch milchiges Plexiglas betrachtet. Vom typisch italienischen Kameragenie so vieler Produktionen ist nicht viel übrig geblieben. Und wenn wie im Theater geschminkte Damen in Nonnenkluft und mit punktlosem Fragezeichen auf der Stirn herumlaufen, ist das unfreiwillig komisch, aber bestimmt nicht gruselig. Die schauspielerischen Leistungen sind nicht weiter erwähnenswert, Brett Halsey („Der Pate III“) als Professor Paul Evans schlägt sich mit mäßig auffälligen bzw. mäßig talentierten „Namenlosen“ herum, die wiederum treffen auf Al Cliver („Woodoo - Die Schreckensinsel der Zombies“) in einer Nebenrolle und Lucio Fulci als Inspector Carter in einem der langweiligsten und überflüssigsten Momente des Films. So ist es also an den Spezialeffekten, das Ruder herumzureißen und tatsächlich, einige Szenen haben es in sich: Aufspießungen, der Kopf am Ankerhaken und die von einem kleinen Kind verursachte Zweiteilung des eigenen Vaters (der Kracher des Films überhaupt) erfreuen das morbide Herz; Fulcis berühmte Tierattacke, diesmal in Form augenauskratzender Katzen, darf auch nicht fehlen, wurde aber arg durchschaubar umgesetzt. Das Finale schließlich hat auch durchaus seine Momente, wirkt aber reichlich konfus, womit es sich nicht vom Restfilm unterscheidet. „Restfilm“ scheint mir auch allgemein eine gute Bezeichnung für „Demonia“ zu sein, denn der wirkt wie aus Drehbuchresten mit Fulcis restlicher Kraft und übriggebliebenen Schauspielern mittels irgendeines Restbudgets umgesetzt worden zu sein, der letzte Rest Kreativität floss dabei in die Splattereffekte. Einem „normalen“ Publikum gibt man mit „Demonia“ den Rest, Splatter-, Fulci- und Italo-Affiniciados werden ihn zumindest einmal sehen wollen und ihn möglicherweise wie ich im gerade noch gehobenen unterdurchschnittlichen Bereich einordnen. Ein schönes, irgendwie passendes Zitat aus „Demonia“ zum Schluss: „Hier ist ein Menschenleben weniger wert als ein Gefühl!“
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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Zombie Child
USA in den 30er Jahren. Alicianne, eine junge Frau, wird von einem Witwer angestellt, um seine kleine Tochter Rosalie zu pflegen, die seit dem Tod der Mutter merkwürdig kränkelt. Des Nachts stellt die Pflegerin fest, daß Rosalie sich heimlich auf den Friedhof zum Grab ihrer Mutter schleicht. Dort kann sie mittels übernatürlicher Kräfte einige Zombies zum Leben erwecken, die für sie Rache an denen nehmen sollen, die in den Augen des Kindes für den Tod der Mutter verantwortlich sind. Ein blutiger Reigen beginnt ...
„Das ist meine Mutter, sie hat wunderschönes Haar!“

„Zombie Child“ alias „The Child“ aus dem Jahre 1977 ist ein US-Horrorfilm, der unter der Regie Robert Voskanians entstand und bis heute offenbar seine einzige Regiearbeit blieb. Sie erzählt von Alicianne, die irgendwann in den 1930er-Jahren in irgendeinem Waldgebiet der USA von einem Witwer als Kindermädchen für seine Tochter Rosalie angestellt wird. Doch Rosalie kommt eigentlich ganz gut allein zurecht und schlendert regelmäßig nachts zum Friedhof, wo sie eine Horde Zombies reanimiert, die in ihrem Auftrag all diejenigen töten sollen, die sie für verantwortlich für den Tod ihrer Mutter hält...

Voskanians Film ist einer dieser B-Movies, denen man ihre billige Machart zu jeder Sekunde ansieht. Am Budget scheint es extrem gemangelt zu haben und Voskanian gelingt es leider nicht, diesen Eindruck künstlerisch oder technisch geschickt zu verschleiern. Stattdessen setzt er vornehmlich auf eigenartige verspielte Soundeffekte, vor allem aber auch furchtbares Klaviergeklimper, das er mit einem übertrieben lauten Klangteppich zu einem gefühlt permanent dominant lärmenden Soundtrack vermengt, der enervierend die Leidensfähigkeit des Zuschauers (bzw. -hörers) auf die Probe stellt. Dass u.a. Windgeräusche ertönen, obwohl sich im ach so finst’ren Walde kein Blättchen regt, wird da fast schon nebensächlich. Die Eingeschränktheit des Drehorts, der Kulissen und des Ambientes werden durch wilde Bildcollagen und Wackelhandkameraeinsätze aufzuwerten versucht, was nur bedingt gelingt. In seinen besten Momenten ist „Zombie Child“ sozusagen „tanzderteuflisch“, wenn im Buschwerk des Walds das Grauen lauert, doch größtenteils erscheint die stringent (um nicht zu sagen: plump) erzählte, wenig Sinn ergebende und keinerlei Erklärungen liefernde Geschichte dramaturgisch einschläfernd und hat mit einer Augenausreißszene einen einzigen deftigen Spezialeffekt zu bieten. Ansonsten bekommt man nur die Resultate der tödlichen Attacken in Form allerdings ansehnlicher Make-up-Arbeiten präsentiert. Die Kreaturen selbst bekommt man erst gegen Ende in voller „Pracht“ zu Gesicht, wären aber besser in ihren Gräbern geblieben...

Was der einfältige Film theoretisch auch mit seinen „namenlosen“ Schauspielern an Charme hätte entwickeln können, verdirbt er mit seinem komatös-gleichbleibenden Tempo und seinem Frontalangriff auf den Hörsinn des Publikums. Ich war froh, als es vorbei war.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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Giallo
Im nächtlichen Turin verschwinden immer wieder junge Ausländerinnen und werden später verstümmelt und ermordet aufgefunden. Der Täter ist offenbar ein mysteriöser Taxifahrer. Inspektor Enzo Avolfi (Adrien Brody) und seine Kollegen tappen im Dunkeln. Erst als das französische Model Celine (Elsa Pataky) verschwindet und sich ihre Schwester Linda (Emmanuelle Seigner) an die Polizei wendet, stößt Avolfi auf die Spur des Unheimlichen. Gemeinsam mit Linda nimmt er die Ermittlungen auf und setzt alles daran, Celine zu finden, bevor der Taximörder sein nächstes Opfer um die Ecke bringt. Ein Wettlauf gegen die Zeit beginnt...
„Er hasst schöne Dinge!“

Nach dem umstrittenen Abschluss seiner Mütter-Trilogie mit „Mother of Tears“ im Jahre 2007 weckte der berüchtigte italienische Filmemacher Dario Argento („Opera“) durch die Titelvergabe seines neuen Films die Hoffnung, wieder an alte Großtaten anzuknüpfen: „Giallo“ hieß der 2009 in US-amerikanisch-britisch-spanisch-italienischer Koproduktion entstandene Thriller und gab sich damit den Namen des Genres, in dem Argento in den 1970ern und 1980ern brillierte. Doch es kam anders...

Ein Serienkiller treibt in Turin sein Unwesen: Als Taxifahrer lockt er attraktive junge Frauen in sein Auto, um sie an einem geheimen Ort zu foltern, zu verstümmeln und schließlich zu ermorden. Die Leichen seiner Opfer hinterlässt er an unterschiedlichen Stellen der Stadt. Die Polizei hat zwar Inspektor Enzo Avolfi (Adrien Brody, „Der Pianist“) auf den Fall angesetzt, doch tappt weitestgehend im Dunkeln. Als das französische Mannequin Celine (Elsa Pataky, „Beyond Re-Animator“) verschwindet, wendet sich ihre Schwester Linda (Emmanuelle Seigner, „Die neun Pforten“) sorgenvoll an die Polizei und beginnt bald, zusammen mit Avolfi die Spur des Täters aufzunehmen. Eines seiner Opfer stammelt mehr tot als lebendig „gelb“, kurz bevor es stirbt und liefert damit den entscheidenden Hinweis.

Der Beginn des Films mit einer Opern-Inszenierung erinnert an Dario Argentos Hang zum Pomp, tolle, dramatische Musik lässt einen nervenaufreibenden Thriller bzw. eben Giallo, jenes Genre italienischer Psycho-Thriller, benannt nach der gelben Farbe des Einbands reißerischer Groschenromane, erwarten. Man bekommt zwar keine eskapadistischen Kamerafahrten wie zu Argentos Hochzeiten mehr geboten, dennoch ist die Kameraführung alles andere als unkreativ. Einige harte Bilder beunruhigen und beweisen den gekonnten Umgang der Make-up-Künstler mit Kunstblut. Ein gelungener Witz auf Kosten von Taxifahrern beweist köstlichen Humor. In Bezug auf seine Charaktere, die erzählte Geschichte und vor allem, wie sie erzählt wird, ist „Giallo“ indes äußerst kritikwürdig geraten. Vornehmlich werden dem Zuschauer die entgegengesetzten Charaktere der besorgten Schwester Linda und des ein Kindheitstrauma mit sich herumschleppenden, kettenrauchenden Inspektors Avolfi präsentiert. Während es Emmanuelle Seigner kaum gelingt, die Empathie des Zuschauers zu wecken und für ihre Rolle zwischen Hysterie und Hölzernheit vor allem durch die ihr vom Drehbuch zugeschriebene Penetranz auffällt, passt Supernase Adrien Brody schon besser in die Rolle des eigenbrötlerischen, introvertierten Inspektors mit traurigem Blick – wenn das Drehbuch ihm nur mehr eingeräumt hätte, als ihn geschafft aussehend eine Kippe nach der anderen rauchen und nach dem entsprechenden Hinweis relativ geradlinig den Täter aufspüren zu lassen. Dass er sich auf Schritt und Tritt von Linda folgen lässt, erscheint zunächst reichlich seltsam und unwahrscheinlich. Aus seiner emotionalen, seelischen Einsamkeit, aus der heraus er das zulässt, hätte man viel mehr machen und damit einen echten, charismatischen Charakter formen können, statt ihn in in Gelbtöne getauchten Erinnerungen schwelgen zu lassen, die jedoch wohlgemerkt in eine wahrhaft schockierende Rückblende münden – eine Gewalteruption, die zwar gut aussieht und ihre Wirkung für den Augenblick sicher nicht verfehlt, zur Glaubwürdigkeit der Rolle aber nicht unbedingt beiträgt. Um es kurz zu machen: Beide Rollen wirken nicht sonderlich sorgfältig konstruiert und die Chemie zwischen beiden Schauspielern (oder ihren Rollen) scheint nicht ganz zu stimmen.

Ein Thriller ist natürlich nichts ohne einen interessanten Täter. Dieser wird ebenfalls von Brody gespielt, den man unter der Maske jedoch nicht erkennt. Wie macht uns der Film mit ihm bekannt? Zunächst verfährt er nach Art eines „Whodunit?“, man bekommt den Täter nicht zu Gesicht. Doch dieses Konzept wirft man nach ca. einer Dreiviertelstunde über den Haufen und zeigt ihn reichlich unvermittelt in voller Pracht. Kurz darauf erklären Rückblenden im Schnelldurchlauf auch noch grob die Eckpunkte seiner (Anti-)Sozialisation, um ihn vollends zu entmystifizieren. Spätestens hier wird klar: Nein, ein Giallo ist „Giallo“ nicht, der Name bezieht sich tatsächlich ausschließlich auf die Hautfarbe des Killers, der an Gelbsucht leidet... Zu allem Überfluss stellt „Giallo“ in fragwürdiger Weise einen Leberkranken als zurückgebliebenen, geistig behinderten Psychopathen dar, der nicht einen geraden Satz herausbringt, nur in Babysprache stammelt. Das Finale inkl. Pointe fiel leider auch noch reichlich unbefriedigend aus, womit es sich dem Film anpasst. Es darf bezweifelt werden, ob die Zusammenarbeit Argentos mit den kaum bis keine Referenzen aufweisen könnenden US-Drehbuchautoren Jim Agnew und Sean Keller eine sonderlich potente war.

„Giallo“ ist unterm Strich eine Art Etikettenschwindel (oder mutwilliger Irreführung?), mit dem sich Argento keinen Gefallen getan hat. Trotz des schmutzigen Ambientes des Täters wirkt er geleckter und sauberer als andere Argentos, was das kleinste Problem dieses Films ist. Ärgerlich ist, welch ein plumper, banaler Thriller „Giallo“ wurde, der zwar nicht langweilt, gar die Neugier des Zuschauers weckt, aber auf breiter Linie enttäuscht – ganz gleich, ob man einen reinrassigen Giallo erwartet oder einen US-amerikanisch geprägten, geradlinigeren, harten Thriller sehen möchte. Ein erschreckend oberflächlicher Film ohne viel Substanz, der außer kurzweiliger Unterhaltung nicht viel zu bieten hat. Aus meiner Sicht wenig markanter, glatter Durchschnitt und damit vielleicht das schlimmste aller möglichen Urteile über ein Werk des sonst so polarisierenden Argentos.
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Henry - Portrait of a Serial Killer
In einer heruntergekommenen Wohnung in Downtown Chicago lebt Henry zusammen mit seinem Freund Otis. Während Otis sein täglich Brot mit kleinen Gaunereien verdient, geht Henry in seiner Frustration als eiskalter Massenmörder um. Nachdem sich Otis geschiedene Schwester in Henry verliebt, nimmt das Schicksal seinen Lauf...
Er sollte für rund 100.000 Dollar einen möglichst kassenträchtigen Horrorfilm fürs Videothekengeschäft drehen, größere Ansprüche gab es keine an das Regiedebüt des US-Amerikaners John McNaughton („Wild Things“) aus dem Jahre 1986. Doch sein sich am realen Serienkiller Henry Lee Lucas orientierender Thriller „Henry - Portrait of a Serial Killer“ wurde etwas ganz anderes, nämlich eine Perle des eigenständigen, ambitionierten Low-Budget-Kinos, das fortan Zuschauern, Kritikern und Zensoren Kopfzerbrechen bereiten sollte.

Der Kammerjäger Henry (Michael Rooker), dessen wahre Berufung das Ermorden in erster Linie von Frauen ist, ist bei seinem Kumpel Otis in einer kleinen Wohnung in Chicago untergekommen. Otis (Tom Towles) hält sich mit kleinen Gaunereien über Wasser. Als seine Schwester Becky (Tracy Arnold) sich von ihrem Mann trennt und zu den beiden zieht, entdecken sie und ihre Henry ihre Zuneigung zueinander, während Otis von Henry in die Kunst des Serienmords eingeweiht wird und in seiner neuen Rolle voll aufgeht…

Für seinen Thriller setzt McNaughton auf einen eigenwilligen Stil, indem er einige Elemente des Exploitation-Films mit einer authentischen, semidokumentarischen Ausdrucksform vermengt und damit einen schockierenden Film erschafft, der mit seinen Morden nicht primär unterhält, sondern für Entsetzen sorgt. Zu Beginn zeigt er die Ergebnisse von Henrys Taten, umkreist mit der Kamera die drapierten, übel zugerichteten, teils verstümmelten Leichen und spielt dazu eine Geräuschkulisse bestehend aus Schreien, Schlägen und Schüssen ein, die das Kopfkino zur Verknüpfung mit den Bildern provoziert und auf Hochtouren rattern lässt. Daraufhin stellt er die drei Charaktere vor: den schmierigen Otis, der sich offensichtlich zu seiner Schwester sexuell hingezogen fühlt, die sympathische, doch naive Becky, die anscheinend grundsätzlich an die falschen Männer gerät, und eben Henry, den in sich ruhenden, stoischen Killer, dem man zunächst einmal nichts anmerkt, der jedoch über eine unnahbare, kaltschnäuzige Aura verfügt – einer, mit dem man besser keinen Streit beginnt. Aus seinem Leben macht er ein Geheimnis, auf die Frage nach den Gründen für seinen Gefängnisaufenthalt verwickelt er sich in Widersprüche. Sicher scheint nur: Er hat seine eigene Mutter getötet, nachdem sie ihn über einen längeren Zeitraum sexuell genötigt hatte. Henry und Otis sind ehemalige Knackis, alle drei entstammen bildungsfernen Schichten, sind Angehörige der unteren Unterschicht und haben eine Art Zweckgemeinschaft gebildet – eine fatale sondergleichen.

Mit das Schockierendste an „Henry - Portrait of a Serial Killer“ ist mit Sicherheit die nüchterne, unaufgeregte Erzählweise, die die Selbstverständlichkeit, mit der Henry, später auch Otis, seinem mörderischen Treiben aus Spaß, zum Zeitvertreib, aus Triebhaftigkeit nachgeht, ohne dass der Film es ausdrücklich moralisch bewerten bzw. verurteilen würde. Hier gibt es keine Polizei, die für Gerechtigkeit sorgt, keine sich rächenden Opfer und schon gar keine übernatürliche Macht, die für Ausgleich sorgt und das Gezeigte erträglich macht. Ein besonderer Kniff der Handlung ist gar, dass Henry zwar zweifelsohne als weitestgehend amoralisch, dabei aber immer noch moralischer als der sich als noch größerer Widerling entpuppende Otis dargestellt wird. Und während Otis anscheinend ausschließlich aus Spaß bzw. das, was er dafür hält, sämtliche Bedenken und humanistischen Schranken über Bord wirft, wird bei Henry ein stark verzerrtes, krankes, gestörtes Verhältnis zum anderen Geschlecht, zu Liebe und Zärtlichkeit, deutlich, das ihm zumindest ein Stück weit eine Art Opferrolle zugesteht. In einer der thematisch härtesten Szene, der Auslöschung einer ganzen Familie durch das mörderische Duo, geht McNaughton sogar so weit, einen Bogen zum Voyeurismus auch des Publikums zu spannen, denn die Vorgänge entpuppen sich als von den beiden gefilmtes Snuff-Video, das sich Otis genüsslich auf dem Sofa sitzend anschaut – eine Szene bzw. Intention, die Michael Haneke später in abgewandelter Form für „Funny Games“ aufgegriffen hat. Das Ende schließlich ist konsequent, traurig, tragisch, macht wütend durch das Ohnmachtsgefühl, das es beschert, und hinterlässt einen pessimistischen Zuschauer, der extrem sensibilisiert wurde für den möglicherweise unerkannt nebenan lauernden Serienmörder, der jede Rasterfahnung umgeht, indem er es durch seine unterschiedliche Vorgehensweise und seine Rastlosigkeit gar nicht erst zulässt, dass ein Profil seiner Person erstellt würde. Die Nüchternheit, Sachlichkeit der Bilder, die das Vergewaltigen und Morden fast schon als beiläufige Selbstverständlichkeiten zeigen, werden indes unterwandert von einem Soundtrack, der mit seinen düsteren, collagenhaften, bisweilen unsortiert-experimentell tönenden Klängen auf einer Subebene den Wahnsinn des Gezeigten dokumentiert. Die visuell expliziten Gewaltausbrüche indes zeugen von hohem handwerklichem Geschick und pendeln zwischen exploitativ-übertrieben/künstlerisch konstruiert (eher die Ausnahme) und bar jeglicher Ästhetik, hässlich, dreckig, hochgradig verachtenswert.

Die Schauspieler, Michael Rooker („Slither“) als Henry in seiner ersten (!) Spielfilmrolle, brillieren und scheinen wie gemacht für diesen Film. Rooker durfte, nein, sollte bis auf wenige Ausnahmen seine Alltagskleidung anbehalten, so punktgenau erfüllte er die Anforderungen an seine Rolle. Die übrigen, sich seinerzeit aus einem Theater-Ensemble rekrutierenden Schauspieler stehen dem in nichts nach, Tom Towles („Meister des Grauens“ und später Stammgast in Rob Zombies Filmen) mit Mut zur Hässlichkeit und Tracy Arnold („Alienkiller“) als geschundenes, doch charakterlich integeres Ghetto-Aschenputtel spielen ihre Rollen mit einer beängstigenden Authentizität. Ein wenig irritiert hat mich allerdings die Charakterentwicklung. Zwar weist „Henry - Portrait of a Serial Killer“ auf einer Texttafel zu Beginn ausdrücklich darauf hin, dass der größte Teil des Films frei erfunden und lediglich zu Teilen von Henry Lee Lucas inspiriert worden ist, obwohl andere das zum Anlass genommen hätten, breitestmöglich mit „Eine wahre Geschichte!“-Werbeparolen hausieren zu gehen. Aufgrund der starken Parallelen zum Fall Lucas wirkte es auf mich befremdlich, dass ausgerechnet Henry, dessen realem Vorbild das Töten von Frauen zwecks Sex mit ihren Leichen nachgesagt wurde, in einem entscheidenden Moment Otis davon abhält, selbiges zu tun. Was Henry mit den Leichen tut, bleibt im Dunkeln, von Nekrophilie ist nie explizit die Rede. Wurden hier schlicht die Rollen durch das Drehbuch getauscht? Interessant hätte ich gefunden, hätte man sich Henry in genannter Situation quasi vor sich selbst erschrecken lassen, oder aber hätte man Bezug auf sein Kindheitstrauma genommen (Sex von Bezugspersonen, den er mit ungewollt mit ansehen muss). Meines Erachtens wird dadurch eine Gelegenheit verspielt, die Geschichte mit weiterem psychologischen Tiefgang zu versehen, andererseits bleiben so aber Interpretationsmöglichkeiten und wird zum Nachdenken über die Charaktere angeregt – vielleicht liege ich gedanklich schon ganz richtig und vermisse in meiner Einfalt lediglich eine eindeutige Bestätigung. Ähnliches verursachte ferner Otis‘ wahnsinnig rasant erscheinende Wandlung vom Kleinkriminellen zum skrupellosen Serienmörder, nachdem er zuvor bisweilen gar hier und da ein wenig Sympathie auf sich zog: als leicht gestörter Verlierertyp, der aber so sozial ist, obdachlose Mitmenschen bei sich aufzunehmen und immer einen frechen Spruch auf den Lippen hat, viel lacht. Was genau war es, das Otis dazu trieb, der Prostituierten im Auto den Garaus zu machen und sich nach kurzen Gewissensbissen mit Anlauf in Henrys Welt zu stürzen? Gerade dieser Aspekt wäre für diesen Film, dem oftmals attestiert wird, ein Psychogramm zu sein, von Bedeutung gewesen. Vielleicht möchte McNaughton aber auch, dass der Zuschauer genau diese Fragen stellt und auch einmal in sich selbst hineinhorcht…

„Henry - Portrait of a Serial Killer“ ist ein Paradebeispiel für hochqualitative, grimmige, in vielleicht etwas anderer Weise als man gemeinhin mit dem Begriff assoziiert „anspruchsvolle“ Low-Budget-Produktionen, in denen sich junge Künstler austoben und unbewusst Klassiker des unterschlagenen Films schaffen, die die ihnen gerecht werdende Reputation erst im Laufe der Jahre und Jahrzehnte erfahren. Ein Film, der Gänsehaut erzeugt und dabei an anderer Stelle ansetzt als die bekannte Slasher- und Psycho-Thriller-Ware. Muss man gesehen, oder besser: gespürt haben.
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Mimic
Dr. Susan Tyler und Dr. Peter Mann, zwei junge Wissenschaftler, retten New York mit Hilfe eines genetischen Experiments vor einer tödlichen Epidemie. Doch drei Jahre später droht erneut Gefahr: Die Gen-Manipulation hatte fatale Folgen... Jetzt ist der gefährlichste aller Jäger unterwegs, die Menschheit auszulöschen.
„Komische Schuhe…“

Nach seinem Spielfilmdebüt „Cronos“ gingen vier Jahre ins Land, bevor der mexikanische Filmemacher Guillermo del Toro im Jahre 1997 mit „Mimic“ sein diesmal in US-Produktion entstandenes Zweitwerk drehte: einen irdischen, urbanen Science-Fiction-Horrorfilm, der auf der gleichnamigen Kurzgeschichte von Donald A. Wollheim basiert.

Wenige Jahre nachdem die Insektenforscher Dr. Susan Tyler (Mira Sorvino, „Summer of Sam“) und Dr. Peter Mann (Jeremy Northam, „Das Netz“) die genmanipulierte „Judas-Züchtung“ kreierten, die die eine für Kinder tödliche Seuche in New York übertragenden Kakerlaken vernichten sollten, kommt es zu seltsamen Phänomenen und Todesfällen in der Metropole. Anscheinend ist die Züchtung nicht wie geplant von selbst ausgestorben, sondern hat sich weiterentwickelt – in rasender Geschwindigkeit…

Del Toro transportiert mit „Mimic“ klassischen Kreaturen-/Insektenhorror in die Moderne, genauer: die moderne Großstadt und stellt dabei die Frage nach den ethischen Voraussetzungen und der moralischen Verantwortlichkeit für genmanipulative Eingriffe in die Fauna, zeigt überspitzt mögliche Folgen und spinnt aus diesem Konzept einen zwischen Originalität und Klischee pendelnden Unterhaltungsfilm, der auf eine übersichtliche Anzahl gegensätzlicher Charaktere, Ekel und gut gemachte Spezialeffekte setzt. Ich hatte nun endlich das Vergnügen, mir den Director’s Cut anzusehen, der „Mimic“ so präsentiert, wie er vom Regisseur intendiert war. Meine Erstsichtung der alten VHS-Fassung liegt Jahre zurück, ich erinnerte mich an einen unterhaltsamen Genrefilm, der zunächst keinen sonderlich großen Eindruck auf mich machte, sich jedoch mit einigen Bildern im Langzeitgedächtnis festgesetzt hatte. Del Toro ist zwischenzeitlich gut durchgestartet und so wuchs mein Interesse an einer Neusichtung. Zudem habe ich eine Schwäche für U-Bahn-Schächte, seit ich Michael Jacksons Videoclip (bzw. Martin Scorseses Kurzfilm) „Bad“ gesehen habe und erfreue mich daher ganz besonders an den Untergrund-Kulissen dieses Films, die Schauplatz wilder Verfolgungsjagden und Überlebenskämpfe werden, aber auch, ebenso wie die Szenen in den Straßen New Yorks, atmosphärische Gruselmomente mit sehr unheimlichen, nur schemenhaft erkennbaren Gestalten bieten, die erst relativ spät in voller Pracht gezeigt werden.

Mit der Zeit machen sich ein paar kleinere Timing- und Tempo-Probleme bemerkbar, die daraus zu resultieren scheinen, dass del Toro in Ruhe seine Geschichte erzählen möchte, statt auf plakative Schocks und Spannungsspitzen zu setzen. Der Dramaturgie besonders im Mittelteil hätte ein wenig mehr Pfeffer jedoch gut getan. Dafür wissen neben der charismatischen, kecken Dr. Tyler und ihrem etwas streberhaften Lebensgefährten auch die Nebenrollen zu gefallen; der schimpfende schwarze U-Bahn-Bulle Leonard (Charles S. Dutton, „Alien³“) und der italienische Schuhputzer Manny (Giancarlo Giannini, „Hannibal“) mit seinem autistischen Sohn Chuy (Alexander Goodwin) spiegeln einen Teil der Vielfalt New Yorks wider und avancieren zu Sympathieträgern. Faszinierend, wie Chuy die unterschiedlichen Schuhe von Passanten schon von weitem u.a. am Klang der Schritte erkennt, bei den sich humanoid gebenden Kreaturen aber passen muss. Er weiß prinzipiell mehr als die anderen, kann es aber nicht zum Ausdruck bringen. Das große Finale indes unterscheidet sich doch stark vom Rest des Films, denn so konsequent del Toro vorher Sympathieträgern das Lebenslicht ausblies, so dick aufgetragen und sich in Hollywood-typischen Unwahrscheinlichkeiten ebenso wie in Pathos und Märtyrertum gesuhlt wird sich hier. Das wirkt wie ein Zugeständnis an ein vermutlich mit dem Film angepeiltes Massenpublikum und hätte es in diesem Ausmaß nun nicht unbedingt gebraucht.

Alles in allem aber ist „Mimic“ ein empfehlenswerter, spannender, ekliger Tier-Sci-Fi-Horrorfilm geworden, der mit seinem ruhigen Erzähltempo angenehm einlullt, mit seiner wissenschaftlichen Note tatsächlich mehr informiert und sensibilisiert als zum Lachen anregt und in tollen Bildern der wortwörtlichen Ober- und Unterwelt New Yorks den ungewöhnlichen Überlebenskampf der Schöpfer gegen ihre eigenen Kreaturen – und natürlich umgekehrt – zeigt. Ein Lichtblick aus den ‘90ern, der über einiges an Substanz verfügt, mittlerweile gut gereift ist und sich in seinem Director’s Cut ansprechend präsentiert.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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Pontypool
Der Radio-Moderator Grant ist ein Urgestein und durch nichts aus der Ruhe zu bringen. Eines Nachts, er ist gerade auf Sendung, erfährt er, dass sich ein tödliches Virus in der Stadt Pontypool ausbreitet. Er verschanzt sich mit seiner Crew im Sender, die einzige Verbindung nach draußen ist das Radio. Ihre einzige Möglichkeit, die Welt vor der totalen Vernichtung zu bewahren ist ihre Sendung, in der sie die Menschen warnen. Sie wissen aber nicht, wie lange sie sicher sind. Wird das Virus in das Gebäude eindringen?
Die Macht des Wortes

„Ich sah Dinge, die mir den Rest meines Lebens verdorben haben!“

Der kanadische Regisseur Bruce McDonald war mir bisher lediglich durch seine Punk-Mockumentary „Hard Core Logo“, quasi dem bösen kleinen Bruder von „This is Spinal Tap“, bekannt, doch sein Zombiefilm „Pontypool“ aus dem Jahre 2008 weckte ebenfalls mein Interesse. Und tatsächlich handelt es sich nicht um den x-ten inspirierten Abklatsch eines überfluteten Subgenres, sondern um einen kleinen, feinen, eigenständigen Film, der Beachtung verdient. Er basiert auf dem dem Roman „Pontypool Changes Everything“ von Tony Burgess.

Radio-Moderator Grant Mazzy (Stephen McHattie, „300“) tritt wie immer seit geraumer Zeit seinen Dienst für die Morgensendung in Pontypool in der kanadischen Provinz an. Er stellt sich auf einen gewohnt wenig aufregenden Arbeitstag ein und liefert sich wie üblich kleinere Reibereien mit seiner Produzentin Sidney (Lisa Houle), die nicht immer begeistert ist von Mazzys offensivem bis sarkastischem Stil. Im Hinterkopf hat er noch die seltsame Begegnung mit einer offensichtlich verwirrten Frau, als er sich auf dem Weg zum Sender befand, doch ein Gespräch mit Außenkorrespondent Ken Loney berichtet plötzlich von einer aufgebrachten Menschenmenge vor der Praxis Dr. Mendez‘ (Hrant Alaniak, „Billy Madison - Ein Chaot zum Verlieben“). Die Berichte werden immer furchterregender und unglaublicher, die Rede ist von Mord, Totschlag und kannibalistischen Auswüchsen. Zunächst hält Mazzy all das noch für einen schlechten Scherz, doch bald hat er auch Gewissheit: Irgendetwas verwandelt die Menschen draußen in reißende Bestien. Im kleinen Radiosender mit seiner Produzentin und der Telefonistin/Technikerin Laurel Ann (Georgina Reilly) verschanzt er sich…

„Pontypool“ ist kein grafisch expliziter Splatter-Reißer, vielmehr ein Kammerspiel, das in den beengten Räumlichkeiten eines Radiosenders spielt und seine Geschichte aus Sicht des Radiomoderators Grant Mazzy erzählt, der stets über denselben Informationsstand wie der Zuschauer verfügt. Und genauso wenig, wie er zu Gesicht bekommt, sieht der Zuschauer. „Pontypool“ funktioniert und fasziniert über die von außen herangetragenen Informationen, über die Mimik Mazzys und seiner Kolleginnen sowie die Emotionen des Trios im Umgang mit dem schier Unfassbaren. Das funktioniert deshalb einwandfrei, weil McHattie sich als hervorragender Schauspieler entpuppt, der den grummeligen, nach außen hin etwas prolligen und chauvinistischen, jedoch liebenswürdigen und intelligenten Cowboyhut-Träger perfekt verkörpert. „Pontypool“ transportiert die Stimmung eines müden Alltagmorgens, der dennoch unter diffusen, schlechten Vorzeichen zu stehen scheint und schließlich einen apokalyptischen Verlauf nimmt. Beinahe nach Art eines Hörspiels nimmt der Zuschauer teil, vor dessen geistigen Auge sich die erschreckenden Szenen abspielen.

Die Dramaturgie der sich immer weiter zuspitzenden und schließlich im Studio ankommenden Ereignisse bekommt auch deshalb keine größeren Durchhänger, weil man eine nicht uninteressante Dreiecksbeziehung zwischen dem Trio schuf. Mazzy und Sidney kappeln sich, empfinden aber Respekt und Zuneigung füreinander. Der Umstand, dass in der Realität beide miteinander verheiratet sind, hat das Schauspiel sicherlich erleichtert. Laurel Ann ist noch relativ neu im Radio-Geschäft und erntete ihre Lorbeeren als junge Kriegsveteranin. Sie bringt Jugendlichkeit in die von Lebenserfahrung und Abgeklärtheit dominierte Szenerie Mazzys und Sidneys und nimmt später eine wichtige tragische Rolle ein, hätte aber gern stärker charakterisiert werden und mehr zu tun bekommen dürfen. Die Handlung indes muss schließlich durch die eine oder andere Unwahrscheinlichkeit vorangetrieben werden, beispielsweise Dr. Mendez‘ Ankunft zum exakt passenden Zeitpunkt oder aber… (Achtung, ab jetzt Spoiler!)
► Text zeigen
(Ende der Spoiler)

Zu Gute halten möchte ich „Pontypool“ in dieser Hinsicht aber, wie er die grauen Zellen in Gang bringt und eine Reflektion des Gesehenen provoziert sowie sicherlich manch Diskussion unter Filmfreunden. Nichtsdestotrotz ist McDonald ein origineller Genrefilm gelungen, der mit den Möglichkeiten des Mediums Film einmal etwas anders umgeht, einen überragenden Hauptdarsteller präsentiert und spannende Unterhaltung bietet, die beweist, wie man mit erzählerischem Geschick und Einfallsreichtum auch mit geringem Budget einen gelungenen Film produzieren kann.
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Night Train To Terror
Gott und Teufel halten in einem Zug Gericht über die menschlichen Sünder. Dabei erzählen sie sich drei grausame Geschichten. Episode 1: Nach einem schweren Autounfall erwacht Harry in einem seltsamen Krankenhaus. Dort wird er von einem skrupellosen Arzt für dessen teuflischen Experimente mißbraucht..... Episode 2: Ein Student verliebt sich in die Pornodarstellerin Greta. Doch ihr betrogender Freund sinnt auf schreckliche Rache. Seine Spezialität: ein satanisches Roulette... Episode 3: Dr. Henson, Erfolgsautor des Buches "Gott ist tot" muß mitsamt seiner Frau am eigenen Leib erfahren, daß zumindest das Böse noch quicklebendig ist... Quelle: Covertext
„Sie sind meine Schöpfung!“ – „Du musst betrunken gewesen sein!“ (Wenn Gott und der Teufel sich über diesen Film unterhalten…)

Der 1985 veröffentlichte US-Episodenhorrorfilm „Night Train To Terror“, der unter der Regie verschiedener Regisseure (John Carr, Phillip Marshak, Tom McGowan und Jay Schlossberg-Cohen) entstand, erinnert aufgrund der Kulissen seiner Rahmenhandlung zunächst an den Genreklassiker „Die Todeskarten des Dr. Schreck“ aus dem britischen „Amicus“-Hause, entpuppt sich jedoch als mehr schlecht als recht zusammengekleistertes Trash-Knallbonbon.

Der christliche Gott (Ferdy Mayne, „Tanz der Vampire“) und sein Gegenspieler, der Beelzebub (Tony Giorgio, „Der Pate“), höchstpersönlich fahren Zug (?) und befinden sich im Zwiegespräch: Wer kommt in die Hölle und wer darf sich weiterhin zu Gottes Schäfchen zählen? Sie erzählen drei verschiedene Fälle menschlicher Sünden…

Die Rahmenhandlung beginnt direkt mit totaler ‘80er-Power, als eine Elektropop-Hardrock-Crossover-Gruppe ein Konzert in einem Bahnabteil gibt, singt und tanzt – warum auch immer… Doch kurz darauf beginnt die erste Episode: Nach einem Autounfall findet sich Harry (John Phillip Law, „Barbarella“) im Sanatorium Dr. Fargos (Sharon Ratcliff) wieder, wo er zu dessen willenlosen Werkzeug gemacht wird. Er entführt und zerstückelt arglose Frauen im Auftrag seines Gebieters…

„Reich mir bitte die große Säge. Ich glaube, Dr. Brewer hat etwas zu viel Gehirnwasser!“

Der „Mad Scientist“-Subgenre-Beitrag erzählt seine recht profane Geschichte, indem er verwirrend viele Parallelhandlungen beginnt und viele Charaktere nur halbherzig einführt. Dafür versucht er den Zuschauer mit nackter Haut in Gummizellen und auch darüber hinaus vielen entblößten weiblichen Oberweiten bei Laune zu halten. Mit Spezialeffekten hält man sich zurück; wird eine Frau bei lebendigem Leib zersägt, bekommt man lediglich ein paar Blutspritzer zu sehen und das Ergebnis präsentiert. Das Ende setzt mit einer Kopfabschlagszene den Schlusspunkt unter diese sleazige, bemüht brutale, wirre und konfuse Episode, die nicht mehr als 3 von 10 Punkten verdient hat.

Nach einem Intermezzo mit Gott, Satan und der grellen Tanztruppe geht es weiter mit Episode 2: Die naive Studentin Greta (Merideth Haze) gerät in die Fänge des ebenso reichen wie dubiosen Mr. Youngmeyer (J. Martin Sellers), der sie in Erotikfilmen einsetzt und mit ihrer Ausbeutung Geld verdient. Als sie sich in den jungen Glenn (Rick Barnes) verliebt, entführt Youngmeyer beide in seinen „Club des Todes“, wo er sie sadistischen Russisch-Roulette-Spielen aussetzt…

„Ich bin dran!“ – „Entschuldigen Sie, wenn’s angebrannt riecht.“

Auch hier bekommt man nackte Haut zu sehen, doch wesentlich bemerkenswerter ist, wie Greta mit Glenn einen Fan ihrer Filme kennenlernt und blitzschnell mit ihm zusammenkommt, nur um anschließend in Youngmeyers „Club des Todes“ zu landen. Die schluderig konstruierte Geschichte läuft auf eine Abfolge diverser sadistischer Spielchen hinaus, deren Sinn man besser nicht hinterfragt – schon gar nicht, wenn ständig alles schiefgeht, aber Youngmeyer stets einen weiteren morbiden Nervenkitzel präsentiert, statt Glenn oder Greta oder beide einfach umzubringen. Die diversen Russisch-Roulette-Varianten haben es aber in sich: Star der Episode ist die belustigend-schlecht animierte, exotische „Mörderfliege“, deren Stich für einen netten Ekel-Splatter-Effekt sorgt. Ein Spiel mit Elektroschocks mündet in einem bis zum Wahnsinn durchexerzierten tödlichen Stromstoß, der eine ansehnliche verkohlte Leiche produziert, während sich um sie herum bizarrerweise alle halbtot lachen. Auch Edgar Allan Poes berühmtes „Pendel des Todes“ findet seine skurrile Entsprechung. Krude, heillos übertrieben, exploitativ und reich an Effekten: Sehr unterhaltsam und mir 6 von 10 Punkten wert, eigentlich aber ein Zusammenschnitt des Horrorfilms „Death Wish Club“ von John Carr, der in seiner Langfassung vermutlich weit weniger taugt.

Ein weiteres Intermezzo schindet Spielzeit mit der mittlerweile sattsam bekannten Band, die nun sogar Breakdance-Einlagen aufs Zugparkett legt. Davon wenig beeindruckt geht’s bei Gott und dem Deibel weiter im Text: Der desillusionierte Chirurg James Hanson (Richard Moll, „House“) ist des Religionsspuks überdrüssig und veröffentlicht ein Buch mit dem vielsagenden Titel „Gott ist tot“. Ein alternder Nazijäger (Cameron Mitchell, „Blutige Seide“) stößt indes auf die Spur eines Kriegsverbrechers (Robert Bristol), der eigenartigerweise keinen Tag zu altern scheint. Er entpuppt sich als uraltes Monstrum, dem sich kaum jemand entgegenstellen kann…

„Ich komme geradewegs vom Führer und habe Befehl, diese sinnlosen Besäufnisse ein für alle Mal zu beenden!“

Auch hier wird John-Carr-Material recycelt, der Okkult-Horrorstreifen „Cataclysm - Der unendliche Alptraum“ aus dem Jahre 1980 musste für diesen Zusammenschnitt herhalten. Sie beginnt mit Nazis innerhalb eines Alptraums, siedelt sich dann in der Gegenwart an und unterhält mit unfreiwillig witzigen Dialogen („Wir brauchen eine Religion, aber unter der Prämisse: Gott ist tot!“ / „Diesen Mann kauf ich mir jetzt, auch wenn’s der Teufel höchstpersönlich ist – ich bring ihn hinter Gitter!“ usw.), vor allem aber mit keinesfalls perfekten, aber charmanten, handgemachten Spezialeffekten en masse: Reinrassige Latex-Monster tauchen ebenso auf wie irgendwelche Gnome aus einem Bodenloch, ein Stop-Motion-animiertes Riesenmonstrum leuchtet bedrohlich mit den Augen, Kreaturen-Action kommt nicht zu kurz. Am Kruzifix wird mit einer brennenden 666 hantiert und das Ende ist herrlich fies ausgefallen. Eine Autoexplosion ist zwar eindeutig Archivmaterial und ernstzunehmen ist auch hier selbstverständlich gar nichts, aber die Kombination aus satanischer Blasphemie und das Kind im Manne erfreuenden Modellierungen und Effekten weiß mich zu verzücken und hat sich ebenfalls seine 6 von 10 Punkten verdient.

Das Ende der Rahmenhandlung befreit einen dann auch endlich von der unermüdlich musizierenden, singenden und tanzenden Aerobic-Poprock-Kapelle und besiegelt ein Trash-Feuerwerk, an dem manch erprobter Horror- und ‘80er-Freund seine Freude haben dürfte. Wie groß die Freude bei den mit „No Names“ ebenso wie mit bekannten und verdienten Namen bestückten Darsteller-Ensembles war, ist fraglich; dafür ist’s jedoch mitunter kurios anzusehen, wie vertraute Gesichter mal mehr, mal weniger motiviert durch die Episoden stapfen. Mir jedenfalls hat’s verdammt viel Spaß gemacht, manch ambitionierterer und objektiv betrachtet besserer Film war da schon wesentlich überflüssiger.
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Horror in the Attic
Trevor Blackburn erwacht in einem Hospital aus einem Koma. Er hat keinerlei Erinnerung an die Vergangenheit. Mysteriöse Todesfälle und Trevors Drang nach Antworten, bringen ihn und einen anderen Patienten dazu, die Lösung im Dachgeschoss zu suchen. Ein unheimlicher Doktor setzt ihn darüber in Kenntnis, dass er wegen des grausamen Mordes an seiner Verlobten in ein Sanatorium für geisteskranke Kriminelle verlegt wird. So findet er sich schließlich in einem Haus voller Psychopathen wieder und verliert nach und nach den Bezug zur Realität. Es ist eine magische Welt der Gewalt, der Alpträume, durchdrungen von wilden sexuellen Eskapaden und abartigen medizinischen Experimenten. Ein schmaler Grat zwischen Illusion und Wahrheit... [Quelle: Klappentext der M.I.B DVD]
„Mein Kopf ist rasiert! Ist irgendwas mit meinem Gehirn?“ (Eine Frage, die sich nicht nur Skinheads stellen)

Der Horrorfilm „Horror in the Attic“ aus dem Jahre 2001 ist das Regiedebüt des US-Amerikaners Jeremy Kasten, der bis dato mit vier weiteren Produktionen in Spielfilmlänge auf sich aufmerksam machte, darunter die Filme „The Twilight Thirst“ und „The Theatre Bizarre“.

Trevor Blackburn (Andras Jones, „Nightmare on Elm Street 4“) ist verwirrt: Ohne Erinnerung erwacht er in einem Krankenhaus aus dem Koma und erfährt vom Doktor, dass er seine Verlobte grausam ermordet hätte und deshalb in eine psychiatrische Anstalt zu anderen derangierten Mitpatienten verlegt wird. Doch was ist damals wirklich geschehen? Seltsame Todesfälle, bruchstückhafte Visionen und finstere Alpträume werfen eine Vielzahl an Fragen auf und lassen die Realität immer unwirklicher erscheinen. Trevor macht sich auf die Suche nach Antworten…

„Dieses Haus hat viele Dimensionen!“

Na sieh mal einer an, da scheint jemand vor Ambition nur so gebrodelt zu haben – wie sonst ist es zu erklären, dass Kasten und sein Drehbuchautor Rogan Russell Marshall verschiedenste Motive, aus denen man mehrere Horrorfilme hätte machen können (bzw. in der Vergangenheit auch gemacht worden sind), für ihr Debüt miteinander vermengen? „Mad Scientist“-Elemente treffen auf Psycho-Thrill, surreale Visionen, Träume und Erinnerungsfetzen gehen Hand in Hand mit Wahnvorstellungen und Paranoia, während die Morde nach dem „Whodunit?“-Prinzip aufgeklärt werden wollen. „Haunted House“-Grusel lässt ebenso grüßen wie Okkultes um Flüche, Besessenheit und rituelle Zeremonien sowie Mystik um ein geheimnisvolles Buch, einen Geist in der Truhe etc. Das ist verdammt viel auf einmal und eine Kunst für sich, sich dabei nicht zu verzetteln. Doch das gelingt Kasten beim letztlich stark Lovecraft-lastigen Film (besagtes Buch erinnert nicht von ungefähr ans Necronomicon, die Realität bzw. das, was dafür gehalten wird, steht auf ähnlich wackligen Beinen wie bei Lovecraft etc.) erstaunlich gut, wenn auch eine gewisse Genre-Affinität und Freude an wilden Konglomeraten wie diesem für den Filmgenuss förderlich sind.

Wahnwitzige Dialoge, zwar in unserer Sprache gesprochen, doch stets ein gutes Stück weit abseits der Spur liegend, stiften lange Zeit mehr Verwirrung, als dass sie aufklären würden, die entfesselte Kamera unterstützt die entsprechenden Szenen nach Kräften visuell. Nach ungefähr einer Stunde wird „Horror in the Attic“ geradliniger und versorgt sein nach Information dürstendes Publikum adäquat, entwickelt gar eine (bizarr-)romantische Seite. Die Puzzlestücke setzen sich zu einem fratzenhaften Zerrbild zusammen, das der Welt, wie wir sie kennen, frech ins Gesicht spuckt. Ein paar gruselige Schockszenen von Hirn-Operation bescheren dem Film auch eine optische Härte, die jedoch nebensächlich ist. Nicht von ganz ungefähr ist der Erotik-Faktor, nackte Haut wird geboten, sexuelle Obsessionen sind Bestandteil der Handlung. Was das Erzeugen einer stimmungsvollen, gruseligen Atmosphäre betrifft, haben andere Filme sicherlich die Nase vorn, dafür aber langweilt „Horror in the Attic“ praktisch zu keiner Sekunde und hat immer neue Überraschungen parat. Erahnt man Lovecraft in Horrorfilmen, ist oftmals Jeffrey Combs („Re-Animator“) nicht weit; auch hier ist er in einer entscheidenden Nebenrolle in seiner Paraderolle als durchgeknallter Wissenschaftler zu sehen. Ted Raimi („Tanz der Teufel“) steht ihm zur Seite, Seth Green („Es“) ist mit von der Partie und Ex-Schock-Rocker Alice Cooper hat einen Kurzauftritt. Ein illustres Darsteller-Ensemble also, gegen das Andras Jones anzuspielen hat und sich wacker schlägt. Deftige, abgefahrene E-Gitarrenmusik im Abspann setzt den Schlusspunkt unter eine sich kräftig durch das Genre zitierende Filmerfahrung, die manch unbedarften Gelegenheitsgucker überfordern dürfte, für Genre-Fans und -Kenner aber einiges zu entdecken bietet. Ein beeindruckendes Debüt, der bis jetzt einzige mir bekannte weitere Film Kastens, „The Twilight Thirst“, fällt dagegen leider ab. Ich gebe 7,5 von 10 Punkten, die möglicherweise einen kleinen Startbonus beinhalten.
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Furz – Der Film

„Ihr Sohn ist ein Flatulenzer.“

„Furz – Der Film“! Was zur Hölle…? Hinter dem Aufmerksamkeit erregenden, wahlweise neugierig machenden oder abschreckenden Titel verbirgt sich eine romantische Komödie, die im Jahre 2000 das Debüt des US-Regisseurs Matt Berman darstellte, der bis dato offensichtlich lediglich zwei weitere Produktionen vorzuweisen hat.

Collegestudent Artie (Seth Walther) ist in seine Kommilitonin Andrea (Christine Steel) verliebt, leidet aber seit seiner Geburt unter Flatulenz – einer der Gründe, weshalb sie nichts von ihm wissen will. Dafür entwickelt aber die sympathische Emily (Heather McComb, „Der Musterschüler“) Interesse an Artie und sein chaotischer Kumpel „Bear“ (Kevin P. Farley, „Waterboy – Der Typ mit dem Wasserschaden“) hilft ihm durch manch Krise – wenn er nicht gerade alles noch schlimmer macht…

Bermans Film beginnt mit einer witzigen Rückblende zu Arties Geburt, für die die Schauspieler mit diversen Langhaarperücken ausgestattet wurden. In der filmischen Gegenwart entwickelt sich „Furz – Der Film“ jedoch ruckzuck zu einer fast handelsüblichen RomCom, mit dem Unterschied, dass hier immer wieder Fäkalhumoristisches eingestreut wird, indem unser tragischer Held in den unpassendsten Momenten zu Darmwinden neigt, die mit starker Geruchsbelästigung einhergehen und ihm Fragen wie „Was ist denn mit deinem Arsch los, Mann?!“ einhandeln. Ein bisschen gekötzerlt wird auch, außerdem viel gesoffen. All das ist aber strenggenommen völlig unnötig für die Handlung, die die altbekannte Geschichte eines unglücklich verliebten Außenseiters bzw. Benachteiligten erzählt, für den am Ende doch noch alles gut wird. Und je mehr die RomCom gerade zum Finale hin in Fahrt kommt, desto mehr hält Arties Schließmuskel den Belastungen stand, desto weniger spielt der Film seine Fäkalkarte aus.

Was „Furz – Der Film“ so kurios und damit amüsant macht, ist seine Besudelung des Kitsch-Genres. Eine eigentlich durchaus gekonnt vorgetragene und dem Genre mit seinen Regeln gerecht werdende Geschichte wird immer wieder torpediert durch derben männlich-pubertär-primitiven Grottenhumor, wird durch zahlreiche Augenzwinkereien der eigene Anspruch immer wieder unterwandert und so sehr zwischen beiden Extremen – ein nackter Arsch, der zwecks Gasabgabe aus dem Fenster gehalten wird, auf der einen, herzerwärmende Liebesgeschichte auf der anderen Seite – gependelt, dass man sich fragt, was damit eigentlich bezweckt wurde: Wollte man beide Zielgruppen bedienen und erwartete sich dadurch doppelten Reibach? Wollte man romantische Komödien durch den Fäkalschlamm ziehen? Oder wollte man dem Publikum eins auswischen und den Film möglichst ungenießbar für die Liebhaber auf die Tränendrüsen wirkender Schmonzett-Komödien machen? Zumindest letzteres wäre gelungen, für eine RomCom-Parodie indes reicht es nicht und die erstgenannte Theorie dürfte kaum gefruchtet haben, denn sonderlich populär scheint mir der Film nicht zu sein. Wie dem auch sei, so richtig langweilig wird „Furz – Der Film“ nie, den (zum Teil für Studenten etwas sehr alten) Schauspielern zuzusehen macht Spaß, er hat seine wirklich guten und lustigen Momente, er ist aber auch bisweilen absurd-stumpf und „geil-schlecht“ und, nun ja, er fordert eben den kleinen ins uns schlummernden Primitivhumoristen und/oder Fäkalterroristen heraus, der einmal alle Contenance vergisst und sich lauthals über feuchte Fürze freut – solange es noch kein Geruchsfernsehen gibt...
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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