Re: Tatort / Polizeiruf 110 - Kritiken und Diskussionen
Verfasst: Mi 6. Nov 2024, 18:08
Tatort: Unter Feuer
„Du hast sie einfach abgeknallt…“
Karin Gorniak (Karin Hanczewski) und Peter Michael Schnabel (Martin Brambach) zum 17., Leonie Winkler (Cornelia Gröschel) zum Elften – das Dresdner „Tatort“-Ermittlungsteam bleibt auch im Jahre 2024 konstant. Regisseur Jano Ben Chaabane („Blind ermittelt“) debütiert innerhalb der öffentlich-rechtlichen Krimireihe, das Drehbuch verfasste Christoph Busche.
„Was bitte soll an diesem Morgen gut sein?“
Bei einer Verkehrskontrolle an einer eigentlichen ruhigen Stelle einer Landstraße wird Marek Krug (Maximilian Mauff, „Patong Girl“) angehalten, der sofort das Feuer eröffnet und dabei einen Polizisten tötet, während der andere schwerverletzt zunächst überlebt. Deren Kolleginnen Leila Demiray (Aybi Era, „Jenseits der Spree“) und Anna Stade (Paula Kroh, „Tierärztin Dr. Mertens“) konnten sich schnell genug in Sicherheit bringen und sind nun wichtige Zeuginnen für die Dresdner Mordkommission um Peter Schnabel, Karin Gorniak und Leonie Winkler. Pikant: Letztere war eigentlich mit Krug verabredet, weil er angeblich brisante Informationen für sie hatte, die den Tod ihres Bruders betreffen. Dieser kam vor einigen Jahren während eines Einsatzes ums Leben, als er im zweiten Ausbildungsjahr ohne Schutzweste bei einer Stürmung erschossen wurde. Seither lässt sein Tod unter diesen rätselhaften Umständen Winkler nicht los – und dass die Polizisten, auf die der flüchtige Krug schoss, unter demselben Revierleiter (Andreas Lust, „Der Räuber“) wie einst ihr Bruder arbeiteten, spricht für eine mögliche Verbindung zwischen beiden Ereignissen. Wegen persönlicher Betroffenheit darf sie nicht offiziell ermitteln, tut dies aber auf eigene Faust und vertraut sich Gorniak an. Parallelen zu einer ungeklärten Einbruchserie führen auf eine Spur, die wiederum zur Polizei zurückführt…
„Keine dramatischen Pausen!“
Der Prolog mit der Schießerei ist stark inszeniert und gefilmt. Im Anschluss wundert sich nicht nur Gorniak, sondern auch der Zuschauer respektive die Zuschauerin über eine allgemeine Verkehrskontrolle irgendwo im Nirgendwo – ein erster Hinweis darauf, dass auch dieser Aspekt später noch eine Rolle spielen wird. Das „Tatort“-Publikum weiß also, wer der Täter ist; ein Wissensvorsprung gegenüber der Polizei, der schnell aufgebraucht ist. Beiden jedoch unbekannt: dessen Motiv. Dafür lässt man Winkler in dieser Episode reichlich Hintergrundgeschichte angedeihen, Schwarzweiß-Rückblenden zeigen sie mit ihrem Bruder. Kurios ist das improvisierte Polizeirevier in einer Kirche, mit dem vermutlich auf klamme öffentliche Kassen hingewiesen werden soll, womit aber auch eine bizarre Szene in einem Glockenturm in Verbindung steht.
„Polizisten? Wie kommen Sie darauf?“
Scheint es zunächst noch viel um mögliches Fehlverhalten der beiden Polizistinnen zu gehen, die den Selbstschutz dem vermeintlichen Heldinnentod vorzogen, kommt nach etwas über der Hälfte langsam Licht ins Dunkel. Ein weitere Todesopfer fordernder Scharfschützenangriff ist sehr beunruhigend inszeniert und beschert einen neuen Täter inklusive Whodunit?. Dass Winkler ihr Trauma vom toten Bruder gewissermaßen noch einmal durchlebt, ist ein emotionaler Höhepunkt dieser Episode. Toll gemacht ist’s auch, wie die Sympathie sich umkehrt. Warum genau das alles, sei hier nicht verraten, nur so viel: Die polizeikritische Spur erweist sich als korrekt und wird weiter ausgebaut. Damit nicht genug: Eine Art Familiendrama in Form eines Vater-Tochter-Konflikts zwischen Winkler und ihrem charakterlich verkommenen Vater (Uwe Preuss, Rostocker „Polizeiruf 110“) etabliert eine weitere Ebene dieses Falls – und gegen Ende folgt sogar eine überraschende Wendung, die dann vielleicht etwas übertrieben in Szene gesetzt wird.
Dennoch wirkt „Unter Feuer“ nie überhastet, sondern dramaturgisch stimmig. Schauspielerisch erweist sich nicht nur das bekannte Dresdner Trio als souverän, Revierleiter Jens Riebold hat man zudem mit dem kantigen Charakterkopf Andreas Lust besetzt, der seine Rolle glaubwürdig schroff und latent gefährlich auszulegen versteht. Inhaltlich gab es schon wesentlich schwächere Krimiepisoden, in denen eine Ermittlerin oder ein Ermittler persönlich involviert sind, zumal dies hier zum Aufhänger für eine Debatte über Kriminelle in Uniform und den unsäglichen Korpsgeist der Polizei wird.
Während die Postproduktion die herbstlichen, ohnehin schon farblich entsättigt wirkenden Bilder bei einsetzendem Regen in Zeitlupen taucht und mit geschmackvoller, meist molliger, aber auch mitunter an den „Stranger Things“-Score erinnernder Musik unterlegt und so eine ungemütliche Atmosphäre herauskitzelt, sieht die Realität leider noch trüber aus: Der Mord an Oury Jalloh ist noch immer ungesühnt, denn da ermittelt weder inkognito eine LKA-Beamtin noch auf eigene Faust eine Winkler – und schon gar kein Schnabel…
„Du hast sie einfach abgeknallt…“
Karin Gorniak (Karin Hanczewski) und Peter Michael Schnabel (Martin Brambach) zum 17., Leonie Winkler (Cornelia Gröschel) zum Elften – das Dresdner „Tatort“-Ermittlungsteam bleibt auch im Jahre 2024 konstant. Regisseur Jano Ben Chaabane („Blind ermittelt“) debütiert innerhalb der öffentlich-rechtlichen Krimireihe, das Drehbuch verfasste Christoph Busche.
„Was bitte soll an diesem Morgen gut sein?“
Bei einer Verkehrskontrolle an einer eigentlichen ruhigen Stelle einer Landstraße wird Marek Krug (Maximilian Mauff, „Patong Girl“) angehalten, der sofort das Feuer eröffnet und dabei einen Polizisten tötet, während der andere schwerverletzt zunächst überlebt. Deren Kolleginnen Leila Demiray (Aybi Era, „Jenseits der Spree“) und Anna Stade (Paula Kroh, „Tierärztin Dr. Mertens“) konnten sich schnell genug in Sicherheit bringen und sind nun wichtige Zeuginnen für die Dresdner Mordkommission um Peter Schnabel, Karin Gorniak und Leonie Winkler. Pikant: Letztere war eigentlich mit Krug verabredet, weil er angeblich brisante Informationen für sie hatte, die den Tod ihres Bruders betreffen. Dieser kam vor einigen Jahren während eines Einsatzes ums Leben, als er im zweiten Ausbildungsjahr ohne Schutzweste bei einer Stürmung erschossen wurde. Seither lässt sein Tod unter diesen rätselhaften Umständen Winkler nicht los – und dass die Polizisten, auf die der flüchtige Krug schoss, unter demselben Revierleiter (Andreas Lust, „Der Räuber“) wie einst ihr Bruder arbeiteten, spricht für eine mögliche Verbindung zwischen beiden Ereignissen. Wegen persönlicher Betroffenheit darf sie nicht offiziell ermitteln, tut dies aber auf eigene Faust und vertraut sich Gorniak an. Parallelen zu einer ungeklärten Einbruchserie führen auf eine Spur, die wiederum zur Polizei zurückführt…
„Keine dramatischen Pausen!“
Der Prolog mit der Schießerei ist stark inszeniert und gefilmt. Im Anschluss wundert sich nicht nur Gorniak, sondern auch der Zuschauer respektive die Zuschauerin über eine allgemeine Verkehrskontrolle irgendwo im Nirgendwo – ein erster Hinweis darauf, dass auch dieser Aspekt später noch eine Rolle spielen wird. Das „Tatort“-Publikum weiß also, wer der Täter ist; ein Wissensvorsprung gegenüber der Polizei, der schnell aufgebraucht ist. Beiden jedoch unbekannt: dessen Motiv. Dafür lässt man Winkler in dieser Episode reichlich Hintergrundgeschichte angedeihen, Schwarzweiß-Rückblenden zeigen sie mit ihrem Bruder. Kurios ist das improvisierte Polizeirevier in einer Kirche, mit dem vermutlich auf klamme öffentliche Kassen hingewiesen werden soll, womit aber auch eine bizarre Szene in einem Glockenturm in Verbindung steht.
„Polizisten? Wie kommen Sie darauf?“
Scheint es zunächst noch viel um mögliches Fehlverhalten der beiden Polizistinnen zu gehen, die den Selbstschutz dem vermeintlichen Heldinnentod vorzogen, kommt nach etwas über der Hälfte langsam Licht ins Dunkel. Ein weitere Todesopfer fordernder Scharfschützenangriff ist sehr beunruhigend inszeniert und beschert einen neuen Täter inklusive Whodunit?. Dass Winkler ihr Trauma vom toten Bruder gewissermaßen noch einmal durchlebt, ist ein emotionaler Höhepunkt dieser Episode. Toll gemacht ist’s auch, wie die Sympathie sich umkehrt. Warum genau das alles, sei hier nicht verraten, nur so viel: Die polizeikritische Spur erweist sich als korrekt und wird weiter ausgebaut. Damit nicht genug: Eine Art Familiendrama in Form eines Vater-Tochter-Konflikts zwischen Winkler und ihrem charakterlich verkommenen Vater (Uwe Preuss, Rostocker „Polizeiruf 110“) etabliert eine weitere Ebene dieses Falls – und gegen Ende folgt sogar eine überraschende Wendung, die dann vielleicht etwas übertrieben in Szene gesetzt wird.
Dennoch wirkt „Unter Feuer“ nie überhastet, sondern dramaturgisch stimmig. Schauspielerisch erweist sich nicht nur das bekannte Dresdner Trio als souverän, Revierleiter Jens Riebold hat man zudem mit dem kantigen Charakterkopf Andreas Lust besetzt, der seine Rolle glaubwürdig schroff und latent gefährlich auszulegen versteht. Inhaltlich gab es schon wesentlich schwächere Krimiepisoden, in denen eine Ermittlerin oder ein Ermittler persönlich involviert sind, zumal dies hier zum Aufhänger für eine Debatte über Kriminelle in Uniform und den unsäglichen Korpsgeist der Polizei wird.
Während die Postproduktion die herbstlichen, ohnehin schon farblich entsättigt wirkenden Bilder bei einsetzendem Regen in Zeitlupen taucht und mit geschmackvoller, meist molliger, aber auch mitunter an den „Stranger Things“-Score erinnernder Musik unterlegt und so eine ungemütliche Atmosphäre herauskitzelt, sieht die Realität leider noch trüber aus: Der Mord an Oury Jalloh ist noch immer ungesühnt, denn da ermittelt weder inkognito eine LKA-Beamtin noch auf eigene Faust eine Winkler – und schon gar kein Schnabel…