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Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Verfasst: Fr 5. Jul 2013, 14:27
von buxtebrawler
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Das Geheimnis des Dr. Z
Dr. Zimmer betreibt in seinem Laboratorium Experimente zur Gedankenkontrolle. Als er seine Ergebnisse auf einem Kongress anderen Wissenschaftlern seines Forschungsgebietes vorträgt, erntet er jedoch nur Spott. Dr. Zimmer erleidet daraufhin einen tödlichen Herzanfall. Nur seine Tochter Irma, ebenfalls Wissenschaftlerin, hält zu ihrem Vater und verpricht dessen Forschungen fortzuführen. In einem Nachtclub macht Irma die Bekanntschaft mit der exotischen Tänzerin Miss Muerte. Mittels der Aparatur ihres Vaters, verwandelt Irma die Tänzerin in eine willenlose Maschine, mit der sie die Spötter ihres Vaters zu töten beabsichtigt...
„Es ist nicht auszuschließen, dass der Mann auf die übliche Weise aus dem Zug gefallen ist!“

Der umtriebige spanische Vielfilmer Jess Franco veröffentlichte im Jahre 1966 mit „Das Geheimnis des Dr. Z“ einen in französisch-spanischer Koproduktion entstandenen Horror-/Science-Fiction-Thriller, der wie das Bindeglied zwischen Francos „Der schreckliche Dr. Orloff“ (1962) und „Sie tötete in Ekstase“ (1971) wirkt.

Dr. Zimmer (Antonio Jiménez Escribano, „Die Vampire des Dr. Dracula“) forscht an elektrischer Strahlung zwecks Kontrolle über das menschliche Gehirn und damit über die Handlungen der entsprechenden Personen. Bei einem Wissenschaftskongress stoßen seine Forschungen auf wenig Anerkennung, stattdessen erntet er harsche Kritik. Diese negative Erfahrung lässt ihn schließlich an einem Herzanfall sterben. Seine Tochter Irma (Mabel Karr, „Im Netz der goldenen Spinne“), die ihn bei seiner Arbeit unterstützte, kommt nicht über den Tod ihres geliebten Vaters hinweg und schwört Rache an den ihrer Ansicht nach verantwortlichen Kongressmitgliedern. Zu diesem Zwecke verschafft sie sich Kontrolle über die attraktive Striptease-Tänzerin Miss Muerte (Estella Blain, „Das wilde Schaf“) und schickt sie mit vergifteten Fingernägeln auf mörderische Vergeltungstour…

Jess Francos komplett in Schwarzweiß gedrehter Film scheint zunächst die ethische Frage nach Menschenversuchen an verurteilten Schwerverbrechern zu thematisieren, um sich jedoch bald durch die Geschichte des phantastischen Films von „Frankenstein“ über „Dr. Mabuse“ bis „Augen ohne Gesicht“ zu zitieren und fortan zwischen Klischee und ästhetischem Anspruch zu pendeln. Eine lustig blinkende und piepsende Roboter-Apparatur fixiert die ohnmächtigen Opfer in Dr. Zimmers Abziehbild eines Labors mit seinem obligatorischen blubbernden und dampfenden Chemieaufbau, was aus heutiger Sicht eher unfreiwillig komisch wirkt. Auf der anderen Seite aber punktet „Das Geheimnis des Dr. Z“ ordentlich mit einer stylischen Erotikperformance auf einem stilisierten Spinnennetz (wenn auch ohne nackte Tatsachen), etwas Gothic-Horror-Schick, artifiziell ästhetisierten Kulissen, einigen originellen Kameraperspektiven und Bildaufbauten sowie viel Spiel mit Licht und Dunkelheit, Schatten und Kontrasten in Film-noir-angehauchter Atmosphäre.

So gut Franco all das gelungen ist, so wenig täuscht es über die sprunghafte Handlung hinweg, die entscheidende Wendungen und Ereignisse beinahe beiläufig einstreut, anstatt sie ausreichend zu fokussieren und amüsante, sehr durchschaubar selbstzweckhafte Unwahrscheinlichkeiten wie eine spontane Schwimmeinlage Irmas mit Miss Muerte integriert. Grafisch explizite Sex- und blutige Gewalteinlagen sollte von einem Film aus dem Jahr 1966 natürlich nicht erwarten, etwas sorgfältigere Make-up-Arbeit beispielsweise bei der Maske Irmas, die verbrannte Haut darstellen soll, hätte dem Film im wahrsten Sinne des Wortes aber bestimmt nicht schlecht gestanden. Komödiantische Dialoge untergraben dann gar vollends den tragisch-dramatischen Anspruch und tragen nicht gerade dazu bei, dass sich ein gewisser Spannungsbogen hält, der im Laufe der Zeit dann doch ziemlich durchhängt. Das Ende verdeutlicht die Kraft der Liebe und ist eine nicht unbedingt vorhergesehene, positive Pointe unter Francos Film und wenn man so will seine Aussage. Was gibt es sonst noch? Einen jazzigen Soundtrack, unablässig Trompete spielende Frauen in der Nachtbar, Jess Franco persönlich in einer Nebenrolle als Inspektor, Jäger, Angler und VW Käfer. Verglichen mit dem diese Bezeichnung auch verdienenden Erotik-Thriller „Sie tötete in Ekstase“ und Francos meisterlicher „Venus im Pelz“ vermag ich das große Juwel und Quasi-Meisterwerk im „Geheimnis des Dr. Z“ nicht ganz zu erkennen, möchte aber richtig gute 5 von 10 Blubberlabors mit etwas Luft nach oben geben und mit einem passenden Zitat des Films schließen: „Ganz nett. (…) Sie haben mir tatsächlich etwas gegeben.“

P.S.: Die deutsche Kinofassung verfügt, wie damals noch üblich, über schöne deutsche Inserts. Und das Tischkärtchen der österreichischen Delegation des Kongresses unterschlägt mit „Östereich“ glatt ein „r“…

Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Verfasst: Mo 8. Jul 2013, 17:38
von buxtebrawler
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Frauengefängnis
Auf einer einsamen Gefängnisinsel werden Frauen von der sadisitschen Lagerkommandantin brutal unterdrückt. Eines Tages wird Maria da Guerra auf die Insel gebracht, weil sie ihren Vater, der sie vergewaltigen wollte, in Notwehr getötet hat. Aufgrund der unmenschlichen Zustände im Lager schreibt eine Gefangene dem Gouverneur einen Brief, worauf dieser auch zu einer Besichtigung auf die Insel fährt. Als sich herausstellt, daß auch der Gouverneur seinen Sexualtrieb über die Gerechtigkeit stellt, versuchen Maria und ihre Zellengenossinen Bertha und Rosaria einen Ausbruch...
„Du hast den Gouverneur verleugnet!“

Im Jahre 1975 arbeitete der spanische Vielfilmer Jess Franco („Sie tötete in Ekstase“) erstmals mit dem berüchtigten Schweizer Sleaze-Produzenten Erwin C. Dietrich zusammen. Das Ergebnis dieser Kollaboration ist der „Women in Prison“-Film „Frauengefängnis“.

Im Gefängnis auf einer Insel eines nicht näher definierten totalitären Staats herrscht die Gefängnisdirektorin (Monica Swinn, „Mädchen für intime Stunden”) mit eiserner Hand und foltert, unterdrückt und vergewaltigt die Inhaftierten. Endgültig zu eskalieren scheint die Gewalt, als die frisch verurteilte Maria da Guerra (Lina Romay, „Die Sex-Abenteuer des Robinson Crusoe“) heimlich einen Brief an den Gouverneur schreibt, in dem sie sich über die Zustände beschwert. Die Direktorin und ihr sich als Frauenarzt ausgebender Pantoffelheld Carlos Costa (Paul Muller, „Paroxismus“) nehmen daraufhin Maria ganz besonders in die Mangel, die vor allem aus einem Grund hinter Gittern sitzt: Die Direktorin war früher einmal mit Marias Vater liiert, der bei einem Unfall starb, als er sich an Maria vergehen wollte. Unter der Rache der Direktorin muss nun auch Maria leiden. Werden ihr und den anderen Frauen die Flucht gelingen?

Darf man in diesem Bereich stärker versierten Filmfreunden Glauben schenken, war „Frauengefängnis“ seinerzeit beileibe nicht der erste, aber wohl einer offensivsten „Women in Prison“-Filme. Das glaube ich angesichts der in ihrer Explizität die Grenzen zum sog. Hardcore-Bereich streifenden bzw. überschreitenden Sexszenen gern (Masturbation und lesbische Spiele in Großaufnahme), macht aus „Frauengefängnis“ aber keinen guten Film. Dieser wirkt vielmehr wie ein irrer Fetischtraum aus dem sadomasochistischen Bereich, für den man zunächst einmal als gegeben hinnehmen muss, dass Frauen – egal ob die Gefängnisdirektorin oder die Insassinnen – grundsätzlich keine Unterwäsche tragen. Generell wird keinerlei Wert auf Realismus gelegt, wodurch sich nie Empathie für die Charaktere entwickelt. Diese sind bis auf wenige Ausnahmen hochgradig nervtötend, sei es die schwachsinnige Rothaarige (Beni Cardoso, „Vampyros Lesbos“), die nymphomane Prostituierte (Peggy Markoff, „Frauen ohne Unschuld“) oder der es mit seinem Schauspiel vollends übertreibende Folterknecht (Eric Falk, „Ein Käfer auf Extratour“) der Knast-Oberdomina, die wenigstens ein abgefahrenes Outfit nach dem anderen an den Tag (und ihren Körper) legt. Diese frönt nun ausgiebig ihrem Sadismus und bestraft willkürlich die Gefangenen, wobei man sich beispielsweise bei einer angeblichen Stromfolter auf einem Matratzenfederkern den Strom einfach mal dazudenken muss. Generell muss man sich hier viel dazudenken, z.B. Sinn ergebende Dialoge, eine ebensolche Handlung, so etwas wie Spannung (diesmal meine ich nicht den Strom), weshalb Maria plötzlich zur Erzählerin aus dem Off wird sowie die Technik in der unfassbarsten Sequenz des Films: einer gespielten (!) Zeitlupe von Franco höchstpersönlich und Lina Romay! Spätestens da ist’s eigentlich ganz vorbei und hat sich der Film komplett der Lächerlichkeit preisgegeben.

Die Direktorin ist, wie man im Laufe der Zeit erfährt, aber nicht nur sadistisch veranlagt, sondern auch noch belesen (Albert Speer), verfügt über eine masochistische Ader und lässt es sich von einer Inhaftierten in dieser Hinsicht erniedrigend besorgen, um sie anschließend wieder dafür zu bestrafen – wie man’s macht, macht man’s falsch… immerhin sind es solche bizarren Momente, die den Zuschauer aus der Langeweile des absurden Schmierentheaters reißen. Sonderlich erotisch ist dieses verfilmte Swinger-Club-Rollenspiel nämlich nicht, ungebändigte Intimafros treffen auf unappetitliche Zooms einer obszönen Kamera und man wünscht sich eine schnelle Überwindung der zur Schlüpferlosigkeit geführt habenden Baumwollkrise. Lina Romay allerdings ist behaart von den Beinen bis zum Bauch, Material für warme Kleidung wäre also genug vorhanden… Um es abzukürzen: Aus der „Women in Prison“-Thematik macht Franco einen pornösen Film auf handwerklich schluderigem Niveau, der in seiner Härte unexplizit und symbolhaft bleibt, sich dafür umso stärker auf die weiblichen Geschlechtsorgane konzentriert und mit einer lachhaften, aufgesetzten Alibi-Handlung selbst diejenigen, die die zur Schau gestellten Fetische teilen, langweilen dürfte – womit „Frauengefängnis“ nicht nur ganz besonders plump, sondern auch noch inkonsequent ist. Unfreiwillige Komik, im Falle von Lina Romay und Martine Stedil („Down Town“) tatsächlich recht hübsche Darstellerinnen und einige wenige ansprechende Momente nicht bar einer gewissen Ästhetik retten „Frauengefängnis“ gerade noch so vorm Totalreinfall.

Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Verfasst: Di 9. Jul 2013, 17:41
von buxtebrawler
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Paroxismus
Der Jazztrompeter Jimmy Logan (James Darren), liiert mit der attraktiven Rita (Barbara McNair), findet eine nackte Frauenleiche am Strand - die Leiche von Wanda Reed (Maria Rohm). Einige Zeit später trifft er auf eine Frau, die Wanda völlig gleicht, und beginnt eine Affäre mit ihr. Die Unbekannte interessiert sich sehr für drei Bekannte von Jimmy - die lesbische Fotografin Olga (Margaret Lee), den reichen Ahmed (Klaus Kinski) und den Lebemann Percival (Dennis Price). Bald findet Jimmy heraus, dass das Ziel der Unbekannten Rache für Wandas Tod ist.
„Venus in furs will be smiling…“

Im Jahre 1969 wurden gleich neun (!) Filme des spanischen Filmbesessenen Jess Franco („Bloody Moon – Die Säge des Todes“) veröffentlicht. Einer davon ist die deutsch-britisch-italienische Koproduktion „Paroxismus“ alias „Venus in Furs“, die jedoch so gut wie nichts mit dem gleichnamigen Roman Sacher-Masochs gemein hat. Ein weiteres Massenprodukt aus dem fragwürdigen Schaffen Francos? Mitnichten!

Jazztrompeter Jimmy Logan (James Darren, „Die Kanonen von Navarone“) lustwandelt gedankenverloren den Strand hinunter, als er auf die entkleidete Leiche Wanda Reeds (Maria Rohm, „Marquis de Sade: Justine“) trifft, die herangespült wurde. Er erinnert sich, dass er beobachtete, wie sie im Rahmen einer dekadenten Party von mehreren Gästen umgebracht wurde. Zerstreuung sucht er in Rio, wo er mit einer Unbekannten, die der Toten bis aufs Haar gleicht, eine Affäre beginnt und damit seine Beziehung zu Rita (Barbara McNair, „Stiletto“) gefährdet. Ist die geheimnisvolle Schönheit ein Racheengel, der einen mörderischen Rachefeldzug gegen diejenigen, die Wandas Tod zu verantworten haben, beginnt?

„Venus in Furs“ entpuppt sich als weitestgehend überraschend sorgfältig umgesetzter Mystery-Thriller, der sein Publikum mitnimmt auf einen psychedelischen Fiebertraum. Die künstlerisch-verspielte, verträumte Kamera fängt malerische Landschaften ebenso ein wie bizarre Partyszenen und Fernweh weckende Exotik, folgt dabei einer angenehmen, jedoch nicht schablonenartigen Ästhetik. „Venus in Furs“ ist ein betont langsamer Film, der den Zuschauer entschleunigt und mit seiner Dialogarmut in seinem visuellen Stil schwelgt, mit unaufdringlicher, freizügig-natürlicher Erotik zu einem besonders sinnlichen Erlebnis avanciert und mit seinem dominanten Klangkulissen und dem Soundtrack mit viel, viel Jazzmusik auch zu einem audiophilen Genuss wird. Erzählerisch bleibt man mystisch, Jimmy Logan erzählt und kommentiert aus dem Off, eine eigenwillige Mischung aus Lebensfreude und Melancholie durchzieht den Film. Eine vollständige Aufklärung der rätselhaften Ereignisse verschafft auch die wahrlich überraschende Pointe nicht, auf positive Weise bleibt „Venus in Furs“ diffus, überzieht den Zuschauer mit Gänsehaut und lädt ihn ein zum Interpretieren und Nachgrübeln, ohne ihn zu verärgern. Im Gegenteil, das Unerklärliche erhält die Mystik des Films aufrecht, entlässt auch mit Einsetzen des Abspanns den Zuschauer nicht aus ihrer Atmosphäre.

Auch schauspielerisch bietet „Venus in Furs“ kaum Grund zur Kritik. James Darren spielt glaubwürdig, Maria Rohm geheimnisvoll und verführerisch, Barbara McNair die aufrichtig Liebende und Verletzungen in Kauf nehmende exotische Schönheit. Klaus Kinskis („Nosferatu – Phantom der Nacht“) Rolle erscheint ihm in ihrer Skurrilität einmal mehr auf den Leib geschnitten. Margaret Lee („Killer sind unsere Gäste“) spielt eine lesbische Fotografin und Dennis Price („Frankensteins Schrecken“) den dritten Unhold im Bunde; diese beiden Rollen wären meines Erachtens noch am ehesten durch andere Darsteller zu ersetzen gewesen, was ihre Leistungen jedoch nicht schmälern soll. Zur im Film mehrmals auftauchenden Jazzband zählt übrigens niemand Geringerer als Manfred Mann, der auch am Soundtrack mitkomponierte. Zuvor sitzt gar Franco höchstpersönlich am Piano.

Ich muss zugeben, dass mich Franco mit „Venus in Furs“ wirklich überrascht hat. Ich bin baff angesichts dieses ganz meinen Geschmack treffenden Films, der von den elf mir bekannten seiner Filme der bisher beste ist – sogar mit Abstand. Ja, der häufiger in Verbindung mit „Venus in Furs“ auftretende Begriff „Meisterwerk“ trifft es möglicherweise wirklich, zumindest im Vergleich mit Francos sonstigen mir geläufigen Arbeiten. Für die Venus im Pelz verzichtet selbst ein Franco auf jeglichen Trash-Anteil und gibt sich ganz als stilsicherer Gentleman. Ich bin begeistert!

Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Verfasst: Do 11. Jul 2013, 00:17
von buxtebrawler
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Der Geist des Bienenstocks
In einem kleinen kastilischen Dorf sieht sich die sechsjährige Ana, zusammen mit ihrer Schwester und den Dorfbewohnern einen Horrorfilm an. Von diesem, sowie den Ereignissen in ihrer naheliegenden Umwelt angeregt/inspiriert, flüchtet sich die kleine Ana in eine Traumwelt, bestehend aus Todessehnsucht und Hoffnung.
Das Drama „Der Geist des Bienenstocks“ des spanischen Regisseur Víctor Erice aus dem Jahre 1973 blieb sein einziger Film der 1970er-Dekade. Entstanden unter der faschistischen Diktatur Francos in ihren letzten Jahren, beschreibt der Film symbolhaft und metapherreich den Alltag innerhalb eines kleinen kastilischen Dorfs nach Ende des Bürgerkriegs 1940 und wie die Aufführung des Horrorklassikers „Frankenstein“ von James Whale die Phantasie der sechsjährigen Ana („Tesis“) beflügelt.

Gerade regimekritische Filme unterliegen in einem totalitären Staat natürlich der Zensur und zwingen ihre Macher dazu, subtile Wege zu finden, um ihre Kritik zu formulieren. Ein gutes Beispiel ist Erices Film, der die apathische, depressive Grundstimmung beschreibt, innerhalb derer sich Anas Eltern in eine Art neurotische Monotonie flüchten und so in ihrem wenig einladenden Haus den Alltag herumbringen. Während die Mutter nicht müde wird, Liebesbriefe an einen nichtexistenten Schwarm zu verfassen, geht der Vater in Arbeit an seinem Bienenstock auf – der vermutlich zugleich stellvertretend für die Behausung der Familie steht. Die Familie wirkt in ihrem kleinen Dorf weitestgehend isoliert von der Außenwelt, ja, geradezu verloren. Die Kamera mit ihren weitläufigen Totalen verstärkt den Eindruck der Einsamkeit, des Gefangensein im Nichts. Matte, gedeckte Farben und starker Sepia-Filter-Gebrauch tauchen „Der Geist des Bienenstocks“ in eine melancholische Tristesse. Das Erzähltempo ist extrem langsam; so sieht man z.B. eine Frau minutenlang schlafen; allgemein werden ständig tatsächliche oder vermeintliche Bedeutungslosigkeiten minutenlang ausgewalzt, dies zudem sehr dialogarm. Das ist nicht sonderlich spannend, erzeugt aber nachhaltig die wahrscheinlich intendierte Stimmung.

Der monotone Alltag wird unterbrochen von besagter „Frankenstein“-Aufführung, die Ana über Leben und Tod sinnieren und Fragen stellen lässt. Die Magie des Kinos ist es, die von Ana Besitz ergreift, ihre Phantasie anregt und sie ihre Erfahrungen abstrahieren, in einem phantastischen Kontext erscheinen lässt. Ein Mann, der sich offensichtlich in einer abgelegenen Scheune versteckt hat und wenig später tot aufgefunden wird, wird von Ana mit den Geschehnissen um Frankensteins Monster in Verbindung gebracht – was ihr hilft, eine wenig freundliche Welt zu verstehen, in der die Realität unerträglich geworden ist und sich die Menschen in Eskapismus flüchten; das Kind auf eine liebenswürdig-naive, unschuldige Weise, die Eltern geprägt von Abgestumpftheit und Resignation. Zugleich ist „Der Geist des Bienenstocks“ eine Liebeserklärung an das eigene Medium, den Spielfilm – an die Faszination, Kraft der Imagination und Inspiration, die im Idealfall mit ihm einhergeht.

Nun fällt es mir schwer, nein, verbietet es sich mir regelrecht, einen unter wie beschrieben schwierigen Umständen entstandenen Film nach den üblichen Maßstäben zu messen, eine einfache Anspruch/Unterhaltungswert/Technik-Skala anzulegen. Er ist zweifelsohne visuell beeindruckend umgesetzt und insbesondere von Jüngstdarstellerin Ana Torrent in ihrem Spielfilmdebüt fantastisch geschauspielert worden. Wer den mutmaßlichen Hintergrund dieses Werks nicht kennt und möglicherweise einen wesentlich offensichtlicher dramatischen Film erwartet, wird ihn jedoch zwangsläufig enttäuschend unspektakulär, vielleicht sogar regelrecht langweilig finden, eventuell gar nicht darauf vorbereitet sein, zwischen den Zeilen bzw. Bildern lesen zu müssen. „Der Geist des Bienenstocks“ ist ein Film, der quasi ausschließlich aus leisen Zwischentönen besteht und unbedingt interpretiert werden möchte. Wer sich darauf einlässt, kann ein hypnotisch-wachkomatöses, düster-atmosphärisches und gewiss nicht uninteressantes Stück subversives Kino erleben, das sich aber aus genannten Gründen gängigen Bewertungsschemata entzieht.

Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Verfasst: So 14. Jul 2013, 21:41
von buxtebrawler
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subUrbia - Sixpacks, Sex + Supermarkets
Eine Gruppe von jungen Leuten hat nichts anderes zu tun, als jeden Abend vor der selben Tankstelle rumzuhängen, Pizza zu essen und Alkohol zu trinken. Einer ist z.B. ein hoffnungloser Säufer, aus der Armee entlassen. Ein anderer ist ein Dopehead, der nichts als Blödsinn im Kopf hat. Jeff (Giovanni Ribisi) hat den Stumpfsinn der Vorstadt satt, ist hingegen aber auch nicht bereit etwas dafür zu tun, um dies zu ändern. Als seine Freundin Sooze nach New York gehen möchte, kommt er ins Grübeln. Aber wirklich ins Rutschen gerät die Lawine der Gefühle als ein gemeinsamer Schulfreund, Pony, mittlerweile erfolgreicher Folk-Rocksänger vorbeischaut. In dieser Nacht bekommen wir Einsicht in das Gefühlsleben eines jeden Protagonisten.
„Wenn alles so sinnlos ist, wieso regst du dich dann verflucht noch mal darüber auf, du Vollidiot?!“ – „Weil ich mir fremd werde!“

„subUrbia“ ist ein hierzulande seltsamerweise anscheinend weitestgehend untergegangenes US-Jugend-/„Coming of age“-Drama aus dem Jahre 1996, entstanden unter der Regie Richard Linklaters („School of Rock“).

Alltag in der US-Kleinstadt Burnfield: Eine Gruppe junger Erwachsener hängt an der Tankstelle herum, betrinkt sich, macht Blödsinn und wälzt Probleme – zum Leidwesen des genervten pakistanischen Tankstellenpächters (Ajay Naidum „The Wrestler“). Unter ihnen befinden sich ein reichlich versoffener Ex-Soldat (Nicky Katt, „Death Proof“), ein in einem Fast-Food-Imbiss arbeitender Kindskopf (Steve Zahn, „E-m@il für Dich“), der nachdenkliche Jeff (Giovanni Ribisi, „The Fan – Schatten des Ruhms“) und seine Freundin Sooze (Amie Carey, „True Vinyl – Voll aufgelegt!“), die Pläne hegt, nach New York zu ziehen. Von dieser Idee ist Jeff nicht sonderlich angetan. Als dann auch noch der ehemalige Schulfreund Pony (Jayce Bartok, „Swing Kids“) zur Gruppe stößt, der mittlerweile erfolgreicher Rocksänger geworden ist, überstürzen sich die Ereignisse…

Linklaters Film porträtiert eine Generation weißer junger Erwachsener aus der Unter- bis Mittelschicht stellvertretend anhand dieser Gruppe Kleinstadt-Tankstellentrinker, die orientierungslos und unzufrieden mit ihren Perspektiven mit ihrem Leben hadert, das geprägt ist vom Alltag einer als immer enger werdend empfundenen Kleinstadt. Eine Generation, deren unzufriedene Protagonisten sich nicht Hals über Kopf dem Rock’n’Roll verschreibt, der seit 40 Jahren untrennbar mit den USA verbunden ist, die nicht auf Motorrädern Freiheit und Unabhängigkeit suchen, die bis zur nächsten Zapfsäule reicht, die nicht weltfremd und verlogen die Gewalt als Teil jedes Menschen leugnen, sich in lächerlichen Klamotten das Hirn wegdrogen und unablässig von Liebe faseln, die zu individuell und bodenständig sind, um eine verschworene Gang zu sein, die nicht oberflächlich genug sind, um Popper zu werden und sich Balzritualen in Discos hinzugeben und sich auch nicht vorbehaltlos in Punk oder eine ähnliche Subkultur stürzen, die ihre Kleinstadt ohnehin nicht zu bieten hat. Nein, diese Jugendlichen gehören der Generation der ‘90er an, einer Zeit, in der die beschriebenen Formen des Aufbegehrens allesamt irgendwie schon alte Hüte waren, aber irgendwie auch nicht, in der einem Teile davon als etwas Neues verkauft wurden, in der das Establishment schon sehr genau Bescheid wusste, wie Rebellion zu kanalisieren und auszuschlachten war, in der es also nicht unbedingt einfach war, eigene, unverbrauchte Wege zum Ausdruck des Gefühlschaos aus Frust, Orientierungs- und Perspektivlosigkeit, Verlustängsten und Drang zur Selbstverwirklichung zu finden. Eine diffuse Unzufriedenheit, wie sie sich nicht mit politischen Parolen ausdrücken lässt und wie sie gerade auch suburbanen Charakters ist, wenn die nächste Großstadt unendlich weit weg scheint und auch sie möglicherweise nur mit trügerischem Neonglanz lockt, sich letztlich aber als lebensfeindliches Haifischbecken entpuppt.

Es ist oftmals schwierig, älteren Generationen, die bereits vermeintlich oder tatsächlich als härter/entbehrungsreicher empfundene Zeiten hinter sich haben, auf ernstzunehmende Weise begreiflich zu machen, womit die Angehörigen der jüngeren Generation hadern. Schnell werden da Vorwürfe von verweichlichten Wohlstandskindern laut, wird in Kurzsichtigkeit und Arroganz eine gewisse materielle Grundsicherung als Garant für Sorglosigkeit missverstanden bzw. überinterpretiert. Auf der anderen Seite flüchten sich von ihren Eltern verhätschelte und unzureichend aufs Leben vorbereitete Jugendliche und Adoleszente nur allzu gern in trotziges Selbstmitleid, den eigenen Stellenwert maßlos überbewertend und nicht selten gar die Legende einer ach so schweren Kindheit strickend, um die sie strenggenommen Millionen beneiden. „subUrbia“ gelingt es nun, einen zu Verständnis- und Unterhaltungszwecken innerhalb eines Spielfilms naturgemäß abstrahierten, dabei jedoch nicht realitätsfernen Tonfall zu treffen – der es erlaubt, die gezeigten Charaktere sowohl wissend zu belächeln, als auch sie in den entscheidenden Dingen ernstzunehmen, zumindest aber zu verstehen. Diese replizieren eine recht breite Palette menschlicher Verhaltensweisen und Eigenschaften, angefangen beim mit rassistischen Ressentiments um sich werfenden und sich in den Alkohol flüchtenden ehemaligen Soldaten, der dadurch seinen Frust zu kompensieren versucht und sich aufgrund mangelnden Selbstwertgefühls mit einer großen, vermeintlich homogenen Masse derjenigen identifiziert, die seine Nationalität teilen, über denjenigen, der sich mit zahlreichen Kaspereien, Provokationen und erfundenen Geschichten den Alltag bunter gestaltet und Bestätigung erlangt, wenn seine Freunde über ihn lachen und sich andere auf den Schlips getreten fühlen, bis hin zum über ein gewisses Maß an politischem Bewusstsein verfügenden, mehr kopf- als bauchfixierten Typen, der über die Ungerechtigkeiten in der Welt Bescheid weiß, aber auch darüber, dass er selbst Teil der westlichen Industriegesellschaft und auf sich allein gestellt kaum in der Lage ist, etwas zu ändern und der auch gar nicht wüsste, wie, in seinem tiefsten Inneren jedoch ein von Verlustängsten geplagter, tendenziell konservativer (im positiven, nicht im politischen Sinne) Mensch ist, der sich schnell einsam fühlt und eigentlich ein ruhiges Leben mit seiner Freundin führen möchte – welche wiederum in unsensibler, egoistischer Weise ohne ihren Freund ihre Zukunft, eine kreative Karriere, plant und wenig Probleme damit hat, Umfeld und Beziehung zurück zu lassen, um sich einem kreativen Chaos ohne viel Absicherung hinzugeben. Das Auftauchen des im Musikgeschäft bereits beachtliche Anfangserfolge erzielt habenden Ponys wirkt dann wie eine Art Katalysator auf das Gruppengefüge. Er wird zur Reflektionsfläche für so unterschiedliche Emotionen wie Bewunderung, Argwohn, Neid und Verachtung, die die Unterschiede der Charaktere sich deutlich herauskristallisieren und schon lange brodelnde Konflikte zum Ausbruch kommen lassen. Das macht die eine Nacht, in der „subUrbia“ vornehmlich spielt, zu einer ganz besonders schicksalhaften, die die Freundschaft der Clique auf eine harte Probe stellt.

Dass die Clique sich regelmäßig trifft und sich betrinkt, ist dabei mit Ausnahme des Ex-Soldaten noch kein Hinweis auf eine Suchtkrankheit, sondern Mittel zum Zweck, um sich der Zwänge und Hemmungen der sozialisierenden Gesellschaft zu entledigen und Zugang zu finden zu ehrlicher Emotionalität und Spontanität. Es ist eine Art Ritual, um miteinander ins Gespräch zu kommen, das durchaus kreatives Potential besitzt – sei es für Unfug und nicht ungefährliche Streiche/Provokationen, sei es für angeregte Diskussionen und das Herausarbeiten von Sichtweisen und Standpunkten auf der Suche nach einer eigenen Identität. Treffen wie diese finden zuhauf an irgendwelchen Ecken, nie zu weit entfernt vom nächsten Bierverkäufer, in unzähligen Kleinstädten statt, oftmals in Ermangelung von Alternativen: Mit dem örtlichen Jugendzentrum hat man es sich verscherzt oder es gibt erst gar keines, die Kneipe ist zu teuer und auch dort ist man nicht gern gesehen, die Freizeitmöglichkeiten sind eingeschränkt. Diese Stimmung ist es, die „subUrbia“ aufgreift und plastisch macht. Dabei fehlt der Handlung ein bestimmter Punkt, auf den alles zuläuft, der Spannung nach klassischen Vorstellungen erzeugen würde – was jedoch gut zur Orientierungslosigkeit seiner Protagonisten passt, deren Wege sich in jener Nacht vorübergehend trennen, sie unterschiedliche Abenteuer erleben und Erfahrungen machen lässt – und Jeff an die Grenzen seiner Kräfte bringt, der nicht nur auf freundschaftlicher Ebene schwer enttäuscht wird und seine Loyalität und sein Mitgefühl ausgenutzt und bestraft sieht. Die Situation eskaliert am nächsten Morgen in vielerlei Hinsicht; das „Finale“ wurde wendungsreich gestaltet, jedoch zeitweilig dann doch etwas unglaubwürdig bis sogar ein bisschen albern, bis es ganz am Ende noch einmal so richtig dramatisch wird.

Nichtsdestotrotz ist Linklater ein angenehm feinfühliges, dabei niemals allzu sentimentales und schon gar nicht jammeriges Porträt einer Generation bzw. eines bestimmten Teils selbiger gelungen, das dank seines zwar mitunter plakativen, jedoch nicht unrealistischen Stils und seines wachen Blicks viele Facetten der Jugend und Adoleszenz abdeckt, von tragisch bis komisch und zurück. Irgendwo zwischen „Breakfast Club“ und „Clerks“ angesiedelt, machen alle Jungmimen einen prima Job und wurden charakteristisch genug ausgewählt, um die Gesichter lange im Gedächtnis zu behalten. Der Soundtrack setzt sich zu einem großen Teil zusammen aus „Alternative“- und Punk-Acts der ‘90er wie Sonic Youth, Meat Puppets und Pennywise, die auch tatsächlich den Soundtrack zum damaligen Lebensgefühl spielten. Ein unbedingt sehenswerter Film, der hilft, die '90er abseits des Mainstreams wiederzuentdecken, sich an sie zu erinnern, sie zu verstehen.

Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Verfasst: So 14. Jul 2013, 23:44
von buxtebrawler
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Raumschiff Alpha
Das Jahr: 2015. Auf der Erde verschwinden immer wieder Personen aus dem öffentlichen Leben. Commander Mike Halstead kommt dahinter, daß der wahnsinnige Biologe Nurmi mit den Entführten grausame Genexperimente betreibt. So will Nurmi eine neue, perfekte Menschenrasse schaffen.
Miniaturmenschen im Miniaturwunderland

„Das ist keine Missgeburt!“ – „Na was denn dann?!“ – „Das weiß ich nicht!“ (Es ist ein Science-Fiction-Film von Anthony Dawson!)

„Raumschiff Alpha“ ist der erste aus einer vier Science-Fiction-Filme umfassenden Produktionsreihe um die Raumstation „Gamma I“. Alle vier Filme wurden vom italienischen Regisseur Antonio Margheriti („Asphaltkannibalen“) unter seinem Pseudonym Anthony (M.) Dawson im Jahre 1965 innerhalb von drei Monaten gedreht. In einem seiner ersten Spielfilmauftritte kann man Franco Nero in einer Nebenrolle sehen, bevor er ein Jahr später mit „Django“ den Durchbruch schaffte.

Auf der guten alten Erde verschwinden immer mehr Menschen spurlos. Commander Mike Halstead (Tony Russel, „Zorros grausamer Schwur“) kommt Professor Nurmi (Massimo Serato, „Blutiger Schatten“) auf die Spur, der bereits Halsteads Lieutenant Connie Gomez (Lisa Gastoni, „Verführung einer Venezianerin“) unter seine Kontrolle bringen konnte. Nurmi will in Form eines männlich-weiblichen Hybridwesens eine neue Menschenrasse erschaffen und benötigt dafür menschliches Material...

„Ein ausgesprochenes Musterexemplar!“ – „Musterexemplar? Sie ist eine 100%ige Frau, Mr. Nurmi! Und sie ist auch eine 100%ige Anhängerin unseres verehrten Commanders!“

Es ist schon lustig anzusehen, wie Schauspieler in Raumanzügen zu Beginn in Studiokulissen Schwerelosigkeit simulieren. Oder wie ein Science-Fiction-Film uns Gewebeproben und Transplantationen als etwas Neues zu verkaufen versucht. Oder wie, wie so häufig in diesen alten Schinken, alberne „futuristische“ Tänze getanzt werden. Ganz zu schweigen von der Theateraufführung in völlig abgefahrenen Kostümen und dem Koffer voller Plastikpuppen, die verkleinerte Menschen darstellen sollen. Genau genommen ist an diesem comichaften Sci-Fi-Trash-Heuler in seinen die Möglichkeiten des Farbfilms voll ausschöpfenden, quietschbunten Kulissen und seinen ganzen sehr durchschaubaren Miniatureffekten ziemlich viel ziemlich witzig. Worum es genau geht, wird da beinahe nebensächlich; man erfährt (und sieht) etwas von Versuchen mit Organen, lernt starke, resolute, der Kampfkunst nachgehende Frauen kennen (die sofort angegraben werden...) und findet sich schließlich in windschnittigen Zukunftskarossen auf der Erde wieder. Also eine dieser Sci-Fi-Mogelpackungen, die mit spacigen Abenteuern locken, aus Kostengründen aber hauptsächlich auf Mutter Erde spielen (wie „Perry Rhodan“, „Alien – Die Saat des Grauens kehrt zurück“, „Masters of the Universe“...)?

Glücklicherweise nicht, denn irgendwie schaffen es Margheriti und sein Team, munter immer wieder die Orte und damit die Kulissen zu wechseln – leider jedoch nicht ohne dennoch einige Längen zu produzieren, die weder zur Übersicht noch zur Erheiterung beitragen und die Geduld des Zuschauers auf die Probe stellen. Diese jedoch wird belohnt mit vierarmigen Leichen und Mutanten, rasanten Kampfchoreographien zwischen Männern und Frauen, der einen oder anderen leichtbekleideten Dame, einer kleinen Freakshow bei missglückten Experimenten und einer Art Karussell, aus dem nur die Köpfe herausgucken...Und ähnlich wie beim Nachfolger „Tödliche Nebel“ (den ich zuerst sah) werden auch hier plötzlich Menschen (oder Klone) bei lebendigem Leib verbrannt und damit eine ungeahnte Härte in den Film gebracht, die im Kontrast zum bunten Treiben und den gerne mal debilen Dialogen steht. Jedenfalls wird lange Zeit gar nicht so richtig klar, wer was genau und warum nun eigentlich will, und doch wird letztlich die humanistische Botschaft deutlich: Die „vollkommene harmonische Synthese der menschlichen Rasse“ ist das faschistoide Ziel Nurmis, dem das Handwerk in einem infernalischen Finale, in dem die Elemente aufeinanderprallen, gelegt werden muss, bevor man ein typisches Chauvi-„Happy End“ feiern kann.

Fazit: Der solide geschauspielerte und technisch oftmals sympathisch-unbedarfte Auftakt zu Margheritis „Gamma I“-Tetralogie macht Spaß, fordert dem Zuschauer aber auch etwas Sitzfleisch ab. Unterhaltsamer Sci-Fi-Mumpitz für Nostalgiker.

Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Verfasst: Mo 15. Jul 2013, 15:56
von buxtebrawler
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Orion-3000 – Raumfahrt des Grauens
Die Erde wird von Naturkatastrophen gigantischen Ausmaßes erschüttert. Schnell stellt sich heraus, dass die Ursache für diese Katastrophen ein unbekannter Planet ist, der sich im Kollisionskurs mit der Erde befindet. Kurzerhand wird eine Rettunsgmission zusammengestellt, die den Planeten im All sprengen soll, bevor er die Erde erreicht. Doch zum großen Erstaunen aller Beteiligten erweist sich der vermeintliche Planet als übergroße Lebensform...
„Hast du Ärger gehabt auf der Erde?“ – „Du kriegst gleich Ärger, wenn du nicht auf deinem Posten bleibst!“ (Wer traut sich da noch, umzuschalten?)

„Orion-3000 – Raumfahrt des Grauens“ ist der dritte Beitrag zur vier Science-Fiction-Filme umfassenden Produktionsreihe um die Raumstation „Gamma I“ von Italo-Regisseur Antonio Margheriti („Einer gegen das Imperium“), veröffentlicht im Jahre 1966 terrestrischer Zeitrechnung.

Ein unbekannter Himmelskörper steuert gen Mutter Erde und verursacht dank seiner Gravitationskraft Naturkatastrophen ungeahnten Ausmaßes. Die letzte Hoffnung ruht auf der Rettungsmission um Gamma-I-Commander Rod Jackson (Giacomo Rossi-Stuart, „The Last Man on Earth“), die die Entdeckung macht, dass es sich um einen lebendigen Organismus handelt… Werden die tollkühnen Männer der Gamma I die Erde retten können?

„Superspacegeschwindigkeit!“

Für „Orion-3000 – Raumfahrt des Grauens“ wurde die Besetzung einmal ausgewechselt, im Vergleich zu den beiden vorausgegangenen „Gamma I“-Filmen muss man sich also an neue Gesichter gewöhnen – die ihre Sache aber ebenfalls passabel machen. Commander Jackson entpuppt sich als echter Stinkstiefel und autoritärer Chauvi, so dass es gar zu wüsten Beleidigungen und Prügeleien an Bord kommt. Da fällt es schwer, Margheriti abzunehmen, dass das Schicksal der Welt in den Händen ausgerechnet dieses Sauhaufens liegt. Nicht minder verwunderlich erscheint es, dass ein futuristischer Film mit Archivaufnahmen von Naturkatastrophen in schwarzweiß beginnt. Gewohnt unglaubwürdig sind die obligatorische gespielte Schwerelosigkeit und die lustigen Studiokulissen, die jedoch das Zeitkolorit derartiger Produktionen der 1960er-Dekade atmen und selbstverständlich ihren naiven Charme haben. Als weitaus störender erweisen sich das doch sehr behäbige Erzähltempo und die Zeitschinderei, um den Film auf Länge zu bringen; …

„Superspacekonstantgeschwindigkeit!“

… ist das leider nicht. Doch der Ton des Films ändert sich komplett, als man dann tatsächlich endlich auf den fremdartigen, rotleuchtenden Himmelskörper trifft. Auf dessen Oberfläche geht’s nämlich rund: Pulsierende Lava, eklige Tentakeln, tiefe schwarze Krater, Rauch und Qualm, dazu eine apokalyptische Klangkulisse. Spätestens, als ein Mitglied der Raumfahrtmission in roter Lava zerschmilzt, ist „Orion-3000 – Raumfahrt des Grauens“ im Sci-Fi-Horror-Bereich angekommen. Durchschaubare Effekte hin oder her, das hat Atmosphäre und wer sie zulässt, darf sich sogar ein bisschen gruseln. Der Film wird sehr ernst, traurig, tragisch und so gar nicht mehr unfreiwillig komisch. Verzweifelt kämpfen die Männer darum, das lebende, pulsierende Etwas aufzuhalten, es geht unmittelbar um Leben und Tod, Zeit für „Star Trek“-Diplomatie bleibt keine. Der pathetische Epilog erklärt den Märtyrertod zum Heldenhaften und versucht damit, einen versöhnlichen Schluss zu finden; von den „Happy Ends“ der vorausgegangenen Filme keine Spur mehr. Ich weiß nicht, ob es der plötzliche Stimmungswechsel des Films ist, der ihn im Auge einiger Betrachter zu einem schwächeren Beitrag der Produktionsreihe macht. Mir gefällt das letzte Drittel in dieser Form ausgezeichnet, zudem kaschiert es etwas die Geradlinigkeit der Geschichte – die im Vergleich zum wirr erzählten Auftakt der Reihe aber geradezu erholsam erscheint. Möglicherweise vermisst man auch die antirassistischen und -konformistischen Aussagen aus den Subtexten der Vorgänger. Meines Erachtens handelt es sich jedoch dennoch (knapp) um den stärksten Teil der „Gamma I“-Reihe, die vorrangig trashig-charmante Sci-Fi-Unterhaltung von anno dazumal bietet und nostalgisch veranlagten Genre-Affiniciados die eine oder andere vergnügte Stunde bescheren dürfte.

Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Verfasst: Di 16. Jul 2013, 17:23
von buxtebrawler
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Nightmare Before Christmas
Jack Skellington ist der König von Halloweentown, wo alljährlich von Monstren, Hexen und Dämonen die Vorbereitungen für das Halloweenfest getroffen werden, um die nötigen Güter und Geschenke dann auf die Menschheit loszulassen. Von der immer gleichen Aufgabe gelangweilt, entdeckt Jack eines Tages eine Tür in einem Baum, die ihn nach Christmas Town bringt. Angetan von der Optik des Weihnachtsfestes, doch ohne tiefere Verständnis für das Fest an sich, bringt er die Idee nach Halloweentown, wo sie begeistert aufgegriffen wird. Es sieht also alles nach einem gar fürchterlichen Weihnachten aus...
„Nightmare Before Christmas“ - Henry Selick steht drauf, Tim Burton ist drin. Der US-amerikanische Regisseur Henry Selick („James und der Riesenpfirsich“) führte die Regie bei diesem vom Landsmann Tim Burton („Big Fish“) erdachten, geschriebenen und mitproduzierten Animationsfilm aus dem Jahre 1993, der dank seines lustig-morbiden Charakters und den vielen Gesangseinlagen die Bezeichnung „Grusical“ verliehen bekam.

Jack Skellington herrscht über Halloween Town, von wo aus das alljährliche Halloween-Fest geplant wird. Doch Jack wird langsam amtsmüde und entdeckt eines Tages die Tür zu Christmas Town, wo er das Weihnachtsfest kennenlernt. Fasziniert von Weihnachten und allem Drumherum, plant er, das nächste Weihnachtsfest kurzerhand selbst auszurichten. Er lässt den Weihnachtsmann entführen und bereitet sich zusammen mit den anderen grausigen Gestalten aus Halloween Town auf Weihnachten vor, indem er garstige Geschenke erstellen lässt, die er schließlich selbst als „Nikki-Graus“ im Weihnachtsmannkostüm verteilt. Das Chaos ist perfekt, der Weihnachtsmann, gefangen in den Klauen des Schreckgespensts Oogie Boogie, hilflos – und Jack merkt nicht einmal, was er da eigentlich anrichtet. Nur die von Dr. Finklestein aus Leichenteilen zusammengenähte Sally erkennt den Wahnsinn… doch kann sie noch etwas ausrichten? Ist Weihnachten, wie man es kennt, noch zu retten?

Mit „Nightmare Before Christmas“ haben Burton und Selick einen faszinierenden, aufwändigen Stop-Motion-Animationsfilm geschaffen, der vor Liebe zum Detail nur so strotzt. Das immer wiederkehrende Motiv Burtons, Außenseiter, Geschöpfe der Nacht, die nach ihren eigenen Regeln leben und auf viele erschreckend wirken, von einem liebevollen Blickwinkel aus zu betrachten und dem Zuschauer auf eine (oft leicht tragische) Weise zu präsentieren, dass diese Verständnis und Sympathie für sie entwickeln, ist auch hier das Grundmotiv. So furchterregend die Bewohner Halloween Towns zunächst auch erscheinen mögen, so sind sie doch individuelle Wesen mit Gefühlen wie du und ich, nur eben andersartig und mit einem anderen Empfinden für Ästhetik ausgestattet. Und wie ernst Burton seine Charaktere bei aller Komik nimmt, ist der große Pluspunkt des Films. Quasi jeder Charakter wurde ganz individuell gestaltet, durchkomponiert, mit einer Seele versehen und damit eine bizarre Parallelwelt gestaltet, die zu erkunden in ihrer Detailfülle viel Freude bereitet. Ein makabres Vergnügen sondergleichen!

Dass ein nicht unbeträchtlicher Teil der Handlung gesungen wird, ist für Musical-Muffel zu Beginn sicherlich noch gewöhnungsbedürftig, doch das legt sich recht schnell. Hauptgrund dafür sind neben den aufwändigen Animationen natürlich die Musik Danny Elfmans und vor allem die Texte, die auch in der deutschen Synchronisation wunderbar gedichtet und gereimt wurden und voller Ironie und Witz stecken. Die dunkle Seite ist ein Teil des Lebens, der unabdingbar dazugehört und nicht wegzudenken ist, in dem im Gegenteil viel Charme und kreatives Potential stecken – jedoch hat alles seine Zeit und eine friedliche Koexistenz von Ostern (köstlich: der verängstigte Osterhose, der versehentlich anstelle des Weihnachtsmann entführt wurde), Weihnachten und Halloween ist anzustreben und machbar. Das in etwa ist wohl die Aussage des Films, der dankenswerterweise ohne jeglichen christlichen Mumpitz auskommt und die Okkupierungsversuche der Kirchen dieser jahrhundertealten Traditionen mit völliger Ignoranz straft, allerdings auch nicht befriedigend die Frage klärt, wie der Weihnachtsmann es schafft, innerhalb kürzester Zeit sämtliche braven Kinder mit Geschenken zu beglücken. Ein großer Spaß für Groß und Klein und das auch noch vollkommen kitschfrei und mit viel Augenzwinkern. In dieser Form lasse ich mir „Familienunterhaltung“ sehr gerne schmecken! Zwölf Jahre später führte Burton beim ähnlich gelagerten „Corpse Bride“ selbst Regie, der nicht minder unterhaltsam ausgefallen ist.

Es erwärmt mein morbides Herz, wie Burton als ein Märchenonkel auftritt, der das alte Gut/böse-Schwarzweiß-Schema meilenweit hinter sich gelassen hat.

Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Verfasst: Mi 17. Jul 2013, 17:09
von buxtebrawler
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Die Tür ins Jenseits
Der Besitzer (Peter Cushing) des Antiquitäten- und Kuriositätenladens "Tempations Unlimited" hat viele interessante Waren in seinem Geschäft anzubieten, wer allerdings unrechtmäßig runterhandelt oder betrügt, für den hat sein Kauf ungeahnte und unheimliche Folgen. In "The Gatecrasher" veranstaltet Edward Charlton nach dem Kauf eines alten Spiegels vor diesem eine Seance. Das wiederum ruft einen auf der anderen Seiten wartenden Geist auf den Plan, der sich von Edward ein paar Morde wünscht. Ein Orden erregt die Aufmerksamkeit des einfachen Angestellten Christopher Lowe (Ian Bannen), der von seiner Frau (Diana Dors) ständig niedergemacht wird. Als er einen Veteranen des Militärs, Jim Underwood (Donald Pleasence) auf der Straße kennenlernt, lügt er diesem über seine eigene Armeekarriere mittels des Ordens etwas vor - und ist überrascht, als ihm dieser seine sehr seltsame Tochter Emily (Angela Pleasence) vorstellt... "The Elemental" wiederum ist ein bösartiger Geist, der sich beim Kauf einer Schnupftabaksdose auf die Schulter von Reginald Warren (Ian Carmichael) verirrt und ihn und seine Frau bedroht. Abhilfe soll die schräge Madame Orloff (Margaret Leighton) leisten, die den Geist austreiben will. Und in "The Door" müssen William (Ian Ogilvy) und Rosemary Seaton (Lesley Anne-Down) einsehen, daß die alte Tür, die sich in ihr Haus installiert haben, zeitweise in einen jahrhundertealten Raum führt, wo ebenfalls ein unheimlicher Gast auf sie wartet...
„Bei allem, was Sie hier kaufen, wartet eine große Überraschung auf Sie!“

„Die Tür ins Jenseits“ ist der vorletzte Beitrag zur achtteiligen Episodenhorrorfilm-Reihe der britischen Produktionsfirma „Amicus“. Er entstand unter der Regie Kevin Connors („Tauchfahrt des Schreckens“), der damit sein beachtliches Debüt ablieferte. Veröffentlicht wurde der Film 1974 und es sollte ganze sechs Jahre dauern, bis „Monster Club“ die Reihe endgültig besiegelte. Die einzelnen Episoden basieren auf Kurzgeschichten des Schriftstellers Ronald Chetwynd-Hayes.

Die Rahmenhandlung präsentiert der ehrwürdige Peter Cushing („Frankensteins Fluch“) als Besitzer eines Antiquitätengeschäfts, der wie jeder ehrliche Kaufmann seine Kunden schätzt. Wer jedoch den alten Mann übers Ohr zu hauen versucht oder ihn gar bestiehlt, wird Opfer mysteriöser Ereignisse, die in vier Episoden erzählt werden:

„Halten wir doch ‘ne Seance ab!“ – „Was?“ – „Wär‘ doch sicher amüsant!“ – „Fabelhafte Idee!“

Edward Charlton (David Warner, „Das Omen“) erschleicht sich im Antiquariat einen uralten Spiegel zu einem Spottpreis. Doch die Seance, die Edward mit seinen Freunden abhält, ruft einen alten Geist auf den Plan, der im Spiegel gefangen ist und Edward zu morden anweist… Diese kleine, aber feine Geschichte verläuft zwar nicht ganz unvorhersehbar und hätte sicherlich auch ein klein wenig straffer erzählt werden können, weiß mit der Mystik, die für viele mit antiquarischen Einrichtungsgegenständen, insbesondere mit Spiegeln, einhergeht, aber gut zu spielen und bietet neben wohligem Gruselschauer der alten Schule einige herbe Morde und die erwartete böse Schlusspointe. Ein guter Einstieg!

Die zweite Episode bildet den Höhepunkt des Films. Christopher Lowe (Ian Bannen, „Die Fratze“) ist ein einfacher Angestellter, der ständig von seiner Frau erniedrigt wird. Er stiehlt einen alten Militärorden aus dem Antiquariat und lernt den verarmten, sympathischen Kriegsveteranen Jim Underwood (Donald Pleasence, „Halloween – Die Nacht des Grauens“) kennen. Die beiden freunden sich miteinander an, immer häufiger geht Christopher Jim und dessen Tochter Emily (Angela Pleasence, „Gangs of New York“) besuchen, die die magische Kunst des Voodoos beherrscht… Diese Episode bietet brillantes Schauspiel wirklich aller Beteiligten und wird beherrscht von einer britischen Höflichkeit, unter der es jedoch kräftig brodelt, wie allerspätestens die überaus überraschende Pointe beweist. Ian Bannen gibt einen Durchschnittsbriten, der nach außen Hin stets die Form wahrt, und ist absolut prädestiniert für diese Rolle, welche er leicht karikierend interpretiert. Exakt so stellt man sich jemanden wie den von ihm verkörperten Charakter vor. Mit Donald Pleasence gewann man neben Peter Cushing einen nicht minder ehrwürdigen Schauspieler, der zusammen mit seiner tatsächlichen Tochter Angela das kauzige und doch liebenswürdige Vater-Tochter-Gespann mimt, dass es einem Freund des britischen Genrekinos beinahe die Tränen der Rührung und Freude in die Augen treibt. Very well done!

Episode drei handelt von Reginald Warren (Ian Carmichael, „Die tödliche Botschaft“), der kurzerhand die Preise zweier Schnupftabakdosen im Antiquariat vertauscht und das vermeintliche Schnäppchen mit nach Hause nehmen will. Doch bereits auf der Zugfahrt weist ihn die ihm gegenüber sitzende Madame Orloff (Margaret Leighton, „Der Kandidat“) darauf hin, dass er sich einen Elementargeist eingefangen habe, der auf seiner Schulter säße. Reginald schenkt den Ausführungen der resoluten Dame keinerlei Beachtung, doch als sich die furchterregenden Ereignisse zu Hause häufen, kommt er auf sie zurück… Diese Episode bedient sich eines anderen Stils als der Rest, nämlich dem einer Komödie. Überzeichnet und humoristisch nimmt Reginalds Unglück seinen Lauf, als Madame Orloff sein Haus komplett auf den Kopf stellt. Das ist kurzweilig und lustig anzusehen, bis zum bizarren Ende mit einmal mehr böser Pointe jedoch verläuft die Geschichte nicht nur wendungsarm, sondern aufgrund der Unsichtbarkeit des Geists auch ohne wirkliche Schauwerte. Eine spaßige Auflockerung des Films, dennoch für mein Dafürhalten sein schwächster Beitrag.

In der letzten Episode machen William (Ian Ogilvy, „Im Banne des Dr. Monserrat“) und Rosemary Seaton (Lesley Anne-Down, „Comtesse des Grauens“) die leidvolle Erfahrung, dass es nicht immer eine gute Idee ist, eine antiquarische Tür an einem Büroschrank anzubringen – wenn man sich nach Öffnen der Tür plötzlich in einer anderen Zeit und dort wiederfindet, wohin die Tür ursprünglich führte, wird die Büroarbeit jäh durchkreuzt... Die dieser Geschichte zugrunde liegende Idee erscheint mir die originellste dieses Films. Sie führt ins Surreale, das jedoch ganz reale Gefahren birgt. Mit toller Maskenarbeit und sehr schöner Ausleuchtung ist sie vor allem visuell ein Leckerbissen; zudem unterstreicht sie die, wie im Subgenre übliche, comichaft-moritatisch-moralische Ausrichtung des Films, wenn sie als einzige ein „Happy End“ zu bieten hat – weil William den von einem auf erbarmungswürdig und gebrechlich getrimmten Cushing zurückhaltend und leise, doch voller Tiefe wunderbar gespielten Händler als einziger nicht übervorteilt hat.

Fazit: Ein Episodengrusler mit toller Besetzung, der sich nahtlos in die kultverdächtige „Amicus“-Reihe einfügt. Very british, indeed. Und die Moral von der Geschicht‘: Antiquitätenhändler ärgert man nicht.

Re: bux t. brawler - Sein Filmtagebuch war der Colt

Verfasst: Do 18. Jul 2013, 17:49
von buxtebrawler
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Dämonen aus dem All
Die im Himalaya gelegene Ortungsstation Indus, unter der Leitung von Lieutenant Harris wird angegriffen, zerstört, das Personal getötet und Harris verschleppt. Auf der Raumstation "Gamma 1" setzt General Norton daraufhin seinen besten Mann, Commander Jackson und seinen ersten Offizier Pulasky auf den Fall an: offenbar wurde "Indus" von gewaltigen Geschöpfen attackiert, die fatal an den unheimlichen Schneemenschen erinnern. Zusätzlich wird auf der gesamten Erde ein verstärktes Abschmelzen der Gletscher registriert. Jackson rüstet sofort eine Expedition in die Gegend aus, der sich auch Lisa Nielsen, Harris' Verlobte, anschließt. Doch am Zielort erwartet die Männer nach vielen Strapazen eine Überraschung: Außerirdische des Planeten Aytin sind vor vielen Jahren hier gestrandet und benötigen eine sehr kalte Umgebung, um zu überleben...
Rätsel um Yeti endlich gelöst

„Plötzlich war große schwarze Magie da!“

Mit „Dämonen aus dem All“ schloss der italienische Regisseur Antonio Margheriti („Satan der Rache“) die vier Science-Fiction-Filme umfassende Produktionsreihe um die Raumstation „Gamma I“ ab. Veröffentlicht wurde der Film im Jahre 1967.

Katastrophenalarm auf Mutter Erde: Nicht genug damit, dass die Polkappen schmelzen und verheerende Überschwemmungen auslösen, nein, es wurden auch noch die im Himalaya angesiedelte Wetterstation unter der Leitung Lieutenant Harris‘ (Renato Baldini, „Mord Exclusiv“) komplett zerstört und die Angestellten getötet. Harris‘ Leiche war nicht darunter, er gilt seitdem als vermisst. „Gamma I“-Commander Jackson (Giacomo Rossi-Stuart, „The Last Man on Earth“) und der erste Offizier Pulasky (Goffredo Unger, „Orion-3000 – Raumfahrt des Grauens“, da noch als Perkinson) werden auf den Fall angesetzt. Was sie herausfinden, ist furchtbar: Außerirdische Lebewesen suchen neuen Lebensraum und wollen eine neue Eiszeit auf der Erde einläuten! Kann die wagemutige „Gamma I“-Crew den Plan durchkreuzen?

Mit dem Abschuss der Tetralogie lüftet Margheriti das Geheimnis um den „Yeti“ genannten Schneemenschen, der immer wieder im Himalaya gesichtet wurde: Er erklärt ihn kurzerhand zum Außerirdischen (Furio Meniconi, „Profondo Rosso“) vom Planeten Aytin, der der Anführer einer Bande von Schnee-/Höhlenwesen ist, die im Inneren des Gebirges ein Labor errichtet hat und von dort ihr Unwesen treibt. Klingt nach einer originellen, Spaß versprechenden Idee, die tatsächlich auch noch das Beste am Film ist. Denn die ganze Handlung ist so schluderig zusammengeschustert worden, dass sie noch weniger Sinn ergibt als die übrigen Filme der Reihe. Zwecks einer zunächst einmal dem Anschein nach nicht das Geringste mit Weltraumabenteuern zu tun habenden Himalaya-Expedition werden also die besten Männer von der Raumstation „Gamma I“ abgerufen, klar… die nach Ausfall des Jets ihren Weg per pedes (!) fortsetzen und auch prompt auf Yeti & Co. treffen. Die bösen Aytinianer wollen die Erdoberfläche vereisen, indem sie mittels Hitzestrahlen zunächst einmal das Eis schmelzen – aha, so macht man das also. Natürlich können sich Jackson und Pulasky aus den Fängen der Extraterrestriker befreien, doch bloß wie? Durch eine Verkettung von Unwahrscheinlichkeiten und Zufällen, mit denen der ganze Film gespickt ist. Zufälligerweise führt die Spur dann auch noch zum Jupitermond Kallisto, so dass man Glück sagen kann, von vornherein Astronauten mit der Mission betraut zu haben… Klingt komisch, ist es auch. Oh je.

Schlimm ist leider auch der hochgradig alberne, komödiantisch angelegte schwarze Reiseführer, der einen bizarren Ausdruckstanz aufführt. Allein über Tanzszenen in billigen Science-Fiction-Heulern der ‘60er könnte man wahrscheinlich ganze Bücher schreiben. Nicht minder obligatorisch für Margheritis „Gamma I“-Reihe sind die Schwarzweiß-Archivaufnahmen, auf die er für die Bilder der Naturkatastrophen zurückgreift und damit seinen Film jeglichen futuristischen Anstrichs beraubt. Ansonsten bekommt man die übliche Mischung aus Masken-/Make-up-Arbeit, in diesem Falle für die fremden Wesen (zugegeben, Meniconi in seiner Maskerade ist putzig), bei denen sicherlich nicht nur ich an „Planet der Affen“ denken musste (der interessanterweise erst zwei Jahre später erschien), trashigen, bunt blinkenden Raumschiffkulissen (die sich nach drei vorausgegangenen Filmen spätestens jetzt aber auch wirklich abnutzen – vielleicht spielt man deshalb diesmal größtenteils auf der Erde?), aus dem Vorgänger bekannten Schauspielern, gespielter Schwerelosigkeit und ein bisschen männlichem Machismo, aber eben auch einiger Zeitschinderei geboten.

Diese ist es dann, die die unfreiwillige Komik immer wieder unterbricht und damit den Unterhaltungsfaktor nach unten zieht – welchen ich in diesem Falle ohnehin nicht als sonderlich hoch erachte, denn mit „Dämonen aus dem All“ wollte Margheriti die Zuschauer anscheinend für dumm verkaufen, was zu Lasten von Charme und Sympathie dieser Produktion geht. Dass er viel mehr kann, bewies er später mit Klassikern wie z.B. „Satan der Rache“, einem düsteren Western, oder „Asphaltkannibalen“, jenem berüchtigten urbanen Horrorschocker, die mit seinen naiven Weltraumabenteuern nichts mehr zu tun haben.