Die Leiche der wunderschönen, weltberühmten Schauspielerin Anna Fritz (Alba Ribas) wird ins Leichenhaus eingeliefert. Der dort arbeitende Pau (Albert Carbó) gibt vor seinen beiden Kumpels Javi (Bernat Saumell) und Iván (Cristian Valencia), die sich koksend und saufend auf dem Weg zu einer Party befinden, damit an und schon stehen alle Drei vor der toten Anna, um sie zu begaffen und begrabschen. Und weil man schon mal so nett beisammen ist, wird dann auch gleich mal die kalte Anna bestiegen. Doch da passiert ist: Die Totgeglaubte erwacht. Was nun? Für zwei der drei ist es klar: Um nicht wegen Vergewaltigung angeklagt zu werden, und vor aller Welt nekrophile Handlungen zugeben zu müssen, muss die Zeugin wieder ins Reich der Toten verschwinden. Schließlich ist sie ja auch offiziell tot.
Spanischer Thriller „Die Leiche der Anna Fritz“ ist das Spielfilm-Debüt des Regisseurs Hèctor Hernández Vicens, der bisher als Drehbuchautor seine Brötchen verdiente. Sein Film wartet mit einer sehr interessanten Ausgangssituation auf, aus der man nun sehr viel machen könnte. So besitzt die Geschichte das Potential, ein intellektuell anspruchsvolles und philosophisches Kammerspiel über Moral, Tabus und Gewissen zu sein, welches unangenehme Fragen für den Zuschauer aufwirft. Oder aber nur ein spannender Thriller. Doch Regisseur Hèctor Hernández Vicens kann sich aber weder für das eine, noch das andere richtig entscheiden, wodurch der Film lauwarm wirkt. Zwar kommt in der angenehm knackigen Spielzeit von gerade mal 70 Minuten keine Langeweile auf, doch man hat auch ständig das Gefühl, bei dieser Geschichte wäre weitaus mehr drin gewesen.
Dass Vicens eher Drehbuchautor als Regisseur ist, merkt man auch daran, dass ihm visuell nicht viel einfällt, um seine Geschichte in aufregende Bilder umzusetzen. Zwar tränkt er seine Bilder in ein farbentsättigtes, krank aussehendes Grün-Blau, doch dies ist ebenso vorhersehbar, wie die zwar routinierte, aber angesichts des delikaten Sujets überraschend harmlose Inszenierung. Auch die Suspense-Szenen wollen ihm nicht so recht gelingen. So flüchtet das Opfer in einer Szene minutenlang durch leere Gänge ohne, dass man weiß, wo sich der Verfolger aufhält. Wenn dieser dann natürlich) in allerletzter Sekunde auftaucht, erschreckt man sich zwar, aber dieser Effekt geht dann auf Kosten einer minutenlanger Anspannung. Dafür liegt Vicens Stärke in den Figuren. Insbesondere die titelgebende Anna Fritz ist vielschichtig gezeichnet und nicht nur das arme Opfer. So versucht sie durch Lügen und Bluffs ihre Peiniger gegeneinander auszuspielen. Mit Alba Ribas wurde auch eine Schauspielerin gecastet, die sowohl ein süßes Aussehen, wie auch eine gewisse Härte mitbringt.
Auch die Darsteller der drei Freunde sind gut gewählt und hier sticht der unsympathische Egozentriker Ivan hervor, den Cristian Valencia so spielt, dass man zwar keinerlei Sympathien für dieses Riesenarschloch hegt, aber merkwürdigerweise seine Handlungen jederzeit auf eine perverse Weise nachvollziehbar bleiben. Trotzdem muss man auch hier kritisch anmerken, dass alle drei männlichen Darsteller typischen Rollenklischees entsprechen. Neben dem unausstehlichen Ivan, gibt es da noch den netten Typen, der irgendwie da hinein geraten ist und die labile Heulsuse, die sich nur zu gerne manipulieren lässt und sich ständig selbst wegen des Mist bemitleidet, die sie sich selbst eingebrockt hat. Von Anfang an sind die drei hochgradig abstoßend, auch wenn sich Javi recht schnell vom Saulus zum Paulus wandelt. Hier wäre ein wenig mehr Vielschichtigkeit von Vorteil gewesen, falls Vicens wirklich ein philosophisches Spiel um Schuld und Moral angepeilt und sich weniger auf das reine Thriller-Terrain begeben hätte. Trotzdem muss man Hèctor Hernández Vicens bescheiden, dass er einen soliden Spannungsfilm mit einer interessanten Geschichte gedreht hat, welcher dankenswerterweise auch mit einem konsequenten Ende aufwartet.
Drehbuchautor Hèctor Hernández Vicens hat bei seinem Regie-Debüt einen sehr interessanten Film in Szene gesetzt, der sein kontroverses Thema sehr nüchtern angeht und den Zuschauer mit einigen spannende Gedankenspiele konfrontiert. Obwohl Vicens aus dem geringen Budget und begrenzten Raum ein Maximum herausholt, hat man doch das Gefühl, hier wäre noch mehr drin gewesen.
Screenshots & DVD-Infos:
http://www.filmforum-bremen.de/2016/03/ ... nna-fritz/