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Blue Movie - Andy Warhol (1969)

Verfasst: Fr 17. Jun 2016, 16:55
von buxtebrawler
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Originaltitel: Blue Movie

Herstellungsland: USA / 1969

Regie: Andy Warhol

Darsteller: Viva, Louis Waldon

Die Schauspielerin Susan Hoffman alias Viva und ihr Kollege Louis Waldon befinden sich in einer Wohnung in New York City, labern belangloses Zeug miteinander und haben Sex, denn sie ist eine Prostituierte und er ihr Freier.

Quelle: www.ofdb.de

Re: Blue Movie - Andy Warhol (1969)

Verfasst: Fr 17. Jun 2016, 17:02
von buxtebrawler
„Man muss ihn eigentlich nur reinstecken!“

Als Andy Warhol sich 1968 zum vorletzten Mal selbst als Regisseur betätigte, wollte er schlicht einen Film drehen, in dem es zwei Menschen miteinander treiben. Das zunächst „Fuck“ getaufte Kammerspiel wurde reichlich gestrafft und in „Blue Movie“ umbenannt – und wirkte dennoch derart provokant, dass er die Zensur auf den Plan rief und ihr schließlich zum Opfer fiel.

„Wieso bist du so erschöpft? Hast du letzte Nacht so rumgefickt?“

Die Schauspielerin Susan Hoffman alias Viva („Flash Gordon“) und ihr Kollege Louis Waldon („Der Graf von Monte Christo“) befinden sich in einer Wohnung in New York City, labern belangloses Zeug miteinander und haben Sex, denn sie ist eine Prostituierte und er ihr Freier. Warhol stellt Voyeure jedoch auf eine Geduldsprobe, denn im Prinzip zeigt er, wie unspektakulär und profan der Sex fremder Menschen eigentlich ist, wenn er nicht gerade einen besonderen Fetisch bedient oder pornografisch eingefangen wurde. Viva und Waldon albern ein bisschen herum, führen enterotisierende Dialoge wie „Weißt du, dass ich Fußpilz habe? Schon seit ’58!“, „Siehst du den Ausschlag an meinen Beinen?“, „Deine Brustwarze sieht aus wie ‘ne getrocknete Aprikose!“ und nach über einer halben Stunde scheint es endlich zur Sache gehen. Plötzliches Bildflimmern, verstummender Ton und schließlich die Gewissheit, dass man sich noch immer im Vorspiel befindet ist die ernüchternde Konsequenz. Erst nach langer Zeit macht sich Viva obenherum frei und irgendwann sind tatsächlich beide nackt. Primäre Geschlechtsorgane bekommt man jedoch keine zu sehen.

„Das letzte Mal war's furchtbar!“

Beide sind sich (natürlich) der Kamera bewusst und erwähnen sie (das ist außergewöhnlich) auch dem Zuschauer gegenüber, Viva fährt Waldon im Scherz sogar an: „Wir wollen deinen hässlichen Schwanz und deine Eier nicht sehen!“ Nach einer Dreiviertelstunde kommt es endlich zum Geschlechtsakt, der zunächst seltsam unauthentisch aussieht, wie er so halb auf ihr draufliegt. Nach einem Stellungswechsel wird es expliziter und im Anschluss an den Akt die Gespräche ernster: Nun geht es um Politik, Atomkraft etc. Sie machen sich den Fernseher an und essen, die Postproduktion gibt sich nun schnittfreudiger und die Kamera arbeitet verstärkt mit Zooms. Viva und Waldon ziehen sich wieder an und er wiederholt mantraartig: „Du bist schön!“ und „Ich liebe dich!“ Da sie noch immer Hunger haben, bereiten sie sich eine richtige Mahlzeit zu und gefühlt ist das sogar noch langweiliger, als würde man Menschen im realen Leben dabei beobachten.

„Jetzt passen da wenigstens alle Möhren rein!“

Als Zuschauer erfährt man immerhin noch, dass Waldon verheiratet ist und in Viva anscheinend etwas Abwechslung sucht. Sie gehen gemeinsam duschen, singen dort aber mehr als dass sie’s miteinander treiben, albern auch in der Badewanne herum und haben dort noch einmal Sex – und ohne Pointe o.ä. endet „Blue Movie“ schließlich. Das Ergebnis ist ein seinerzeit selbstverständlich skandalträchtiger Film, der wahnsinnig schlecht gealtert ist, und das sogar im wahrsten Sinne des Wortes: Die Farbstichigkeit kam angeblich durch falsch verwendetes Material zustande, inwieweit der eine oder andere unwillkürliche Schnitt, auch mitten in Dialogen, auf Materialverschleiß zurückzuführen oder beabsichtigt ist, entzieht sich meiner Kenntnis. Mein Fazit: Sex ist eine der natürlichsten Tätigkeiten der Welt, Abermillionen Menschen haben ihn täglich. Sex ist normal und damit eigentlich für andere wenig aufregend, ebenso das ganze Drumherum, kann sogar richtiggehend langweilig und bedeutungslos sein. Andy Warhol beweist dies mit seinem improvisierten, experimentellen und völlig unerotisch plump abgefilmten „Blue Movie“ eindrucksvoll. Wenn man ihn denn durchsteht.