Doc. 33 - Giacomo Gabrielli (2012)
Verfasst: Mo 25. Jul 2016, 22:29
Originaltitel: Doc. 33
Produktionsland: Italien 2012
Regie: Giacomo Gabrielli
Darsteller: Veronica Delmarco, Carla Vargiu, Diego Cavada, Jacopo Bellante
Ich bin immer wieder erstaunt, wie viele Filme es doch gibt, die gnadenlos auf den Zug aufspringen, der damals von Sánchezs und Myricks BLAIR WITCH PROJECT ins Rollen gebracht worden ist, und diesen ebenso gnadenlos bis zur Endhaltestelle reiten. Warum junge Filmemacher das tun, ist mir schon klar: Das Rezept von BLAIR WITCH PROJECT ist eines, das wohl wirklich jeder verwirklichen kann, der a) über eine Handvoll Laienschauspieler verfügt, die gerne aus dem eigenen Freundeskreis rekrutiert werden dürfen, und sowieso umso authentischer wirken je unbeholfener sie sich anstellen, der sich b) eine Kamera leisten kann, die gerne auch eine aus dem kostengünstigeren Sektor sein darf, denn je verwackelter und niedrigaufgelöster das Bild desto authentischer wird es wirken, und der c) es irgendwie schafft, irgendwen dazu zu bringen, das Ganze dann auch noch kommerziell zu veröffentlichen. Bei BLAIR WITCH PROJECT hat diese Formel einwandfrei funktioniert. Gemessen an seinen Produktionsbedingungen müsste das nach wie vor einer der finanziell erfolgreichsten Horrorfilme aller Zeiten sein. Wer möchte sich da nicht auch sagen: was zwei US-amerikanische Filmstudenten in den späten 90ern vermochten, wieso soll ich das nicht auch können, wenn ich mich nur sklavisch an die Formel halte, die die beiden damals etabliert haben?
Natürlich sollte man bedenken: Das Konzept von BLAIR WITCH PROJECT war schon seinerzeit keine wirkliche Innovation, und höchstwahrscheinlich, meine bescheidene Theorie, hat Sánchez und Myrick vor allem in die Hände gespielt, dass sie das Internet wohlweislich zu nutzen verstanden, um einen Hype um ihren Film zu kreieren, der hauptsächlich auf der spannenden Frage aufbaute: ist das, was wir da sehen, nun tatsächlich echtes found-footage-Material oder am Ende doch nur inszeniert? Dass man eine solche Initialzündung schwer nochmal mit dem gleichen Erfolgs- und Überraschungseffekt wiederholen kann, dürfte klar sein – und schon gar nicht, wenn man nichts weiter tut als die Grundparameter, die BLAIR WITCH PROJECT auszeichnen, noch einmal neu aufzukochen, ohne der Chose irgendeine kreative Eigenleistung hinzuzufügen. Interessant sind Filme wie zum Beispiel CLOVERFIELD, der found footage mit klassischem Monsterhorror kombiniert, oder [REC], der das Gleiche in Richtung klassischen Zombiehorrors macht, weil sie die simple – und, noch einmal, von Sánchez und Myrick beileibe nicht erfundene – Formel mit Genre-Zutaten eines anderen Kontextes füttern, und ihr dadurch unerwartete Seiten abgewinnen. Völlig uninteressant sind Werke wie zum Beispiel Marcel Walzs unsägliche Trilogie um das Hexlein Grete Müller in RAW 1 bis 3, die ich ohne zu zögern zu den schlechtesten Filme zählen würde, die ich jemals gesehen habe, oder das immerhin trashig-unterhaltsame – sofern man denn seine Geschmackknospen mit reichlich Alkohol betäubt hat – Schülerfilmchen THE DARK AREA von Oliver Hummell, weil sie im Prinzip das BLAIR-WITCH-Schema einfach noch mal wie Papageien nachplappern, die einen mit den drei, vier auswendiggelernten Worten so lange nerven bis man ihnen den Schnabel zubinden möchte. Leider gehört DOC.33 zu letzterer Kategorie von Filmen, die die Welt so wenig braucht wie ein PSYCHO-Remake in Farbe oder ein FUNNY-GAMES-Remake auf Englisch.
Zweieinhalb Jahre soll, heißt es zumindest auf der IMDB, die Produktion dieses Machwerks in Anspruch genommen haben – und ich frage mich ernsthaft, weshalb. Die möglicherweise anspruchsvollste und aufwändigste Aufgabe in Zusammenhang mit DOC.33 wird wohl gewesen sein, das auf Mini-DVD gedrehte Material zu 35mm aufzublasen. DOC.33 macht nämlich auf old school. Obwohl erst 2012 veröffentlicht, sollen die Szenen, die er zeigt, bereits 1998 gedreht worden sein. Also kurz nach oder sogar parallel zu den Aufnahmen, die einem in BLAIR WITCH PROJECT als authentisch verkauft werden. Damit es jeder kapiert, weist der Film gleich in seinem Vorspann darauf hin, dass er – nun, was eigentlich? Zumindest eben angeblich zeitgleich mit BLAIR WITCH PROJECT entstanden ist. Auch die Handlung – ein Drehbuch wird nicht existiert haben: in die zweieinhalb Jahre Produktionszeit kann deshalb auch keine Schreibarbeit einberechnet werden – gleicht der im US-amerikanischen Vorbild so sehr, dass mich die Ideenarmut von Jungregisseur und Jungproduzent Giacomo Gabrielli überrascht: Ein paar Studenten, austauschbare Pappnasen, die, einziges Novum, diesmal Italienisch sprechen und sich in einem Tiroler Grenzdorf herumtreiben, sind mörderischen Mysterien auf der Spur, die sie zu einer verlassenen, verwunschenen ehemaligen Kinderklinik führen, wo schreckliche Morde an den Schützlingen von blutdürstigen Nonnen begangen worden sein sollen. Zugleich befindet sich die Klinik natürlich auf einem Platz, an dem vor vielen hunderten Jahren eine Gruppe Hexen dem reinigenden Feuer überantwortet worden sind. Als Hintergrund muss das schon reichen, auf dem uns Gabrielli in seinem gerade mal knapp einstündigen Machwerk vor allem verwackelte Kamerabilder, Räume, so finster, dass man nichts in ihnen erkennen kann, herumschreiende Nervensägen, und den einen oder anderen Blick auf Ordensschwester aus der Hölle präsentiert, die mich wünschen lassen, ich hätte mir lieber zum fünften- oder sechstenmal Fulcis DEMONIA gegeben.
Was soll ich mehr über einen Film berichten, dem so wenig daran gelegen ist, mir etwas zu liefern, über das ich berichten kann? DOC.33 ist der Prototyp eines Kinos, das um einer angeblichen Authentizität willen derart weit zurückbleibt hinter jedweden Standards des Filmemachens, selbst den schlechten, dass ich mich, wie schon vor allem bei Marcel Walzs eklatant miesen Ergüssen, nur einmal mehr fragen kann, ob denn Signore Gabrielli und sein Team wirklich der Ansicht gewesen sind, mit vorliegendem Film ein Produkt zu fertigen, das es wert ist, dass irgendwer dafür sein teuer verdientes Geld ausgibt. 1.500 Euro soll, heißt es zumindest auf der IMDB, die Produktion dieses Machwerks gekostet haben – und trotzdem sieht es nach höchstens einem Fünftel dieses Betrags aus, wenn nicht noch weniger. Sollte es tatsächlich Menschen geben, die zusehen möchten wie junge Leute durch ein leeres Krankenhaus irgendwo im Wald stapfen, ab und zu schreien, wegrennen, und mit der Kamera herumwedeln, ohne dass sich daraus irgendeine Form von Geschichte, Atmosphäre, Spannung oder sonstigem Mehrwert ergibt, der wird mit DOC.33 bestens beraten sein. Für mich ist dieses reine Nichts, um mit Robert Musil zu sprechen, ein Film ohne Eigenschaften, derart bar jeglichen Werts, dass ich ihn gleich, wenn ich den letzten Punkt hinter diesen schon viel zu langen Text gesetzt habe, mit Sicherheit schon wieder vergessen haben werde.
Natürlich sollte man bedenken: Das Konzept von BLAIR WITCH PROJECT war schon seinerzeit keine wirkliche Innovation, und höchstwahrscheinlich, meine bescheidene Theorie, hat Sánchez und Myrick vor allem in die Hände gespielt, dass sie das Internet wohlweislich zu nutzen verstanden, um einen Hype um ihren Film zu kreieren, der hauptsächlich auf der spannenden Frage aufbaute: ist das, was wir da sehen, nun tatsächlich echtes found-footage-Material oder am Ende doch nur inszeniert? Dass man eine solche Initialzündung schwer nochmal mit dem gleichen Erfolgs- und Überraschungseffekt wiederholen kann, dürfte klar sein – und schon gar nicht, wenn man nichts weiter tut als die Grundparameter, die BLAIR WITCH PROJECT auszeichnen, noch einmal neu aufzukochen, ohne der Chose irgendeine kreative Eigenleistung hinzuzufügen. Interessant sind Filme wie zum Beispiel CLOVERFIELD, der found footage mit klassischem Monsterhorror kombiniert, oder [REC], der das Gleiche in Richtung klassischen Zombiehorrors macht, weil sie die simple – und, noch einmal, von Sánchez und Myrick beileibe nicht erfundene – Formel mit Genre-Zutaten eines anderen Kontextes füttern, und ihr dadurch unerwartete Seiten abgewinnen. Völlig uninteressant sind Werke wie zum Beispiel Marcel Walzs unsägliche Trilogie um das Hexlein Grete Müller in RAW 1 bis 3, die ich ohne zu zögern zu den schlechtesten Filme zählen würde, die ich jemals gesehen habe, oder das immerhin trashig-unterhaltsame – sofern man denn seine Geschmackknospen mit reichlich Alkohol betäubt hat – Schülerfilmchen THE DARK AREA von Oliver Hummell, weil sie im Prinzip das BLAIR-WITCH-Schema einfach noch mal wie Papageien nachplappern, die einen mit den drei, vier auswendiggelernten Worten so lange nerven bis man ihnen den Schnabel zubinden möchte. Leider gehört DOC.33 zu letzterer Kategorie von Filmen, die die Welt so wenig braucht wie ein PSYCHO-Remake in Farbe oder ein FUNNY-GAMES-Remake auf Englisch.
Zweieinhalb Jahre soll, heißt es zumindest auf der IMDB, die Produktion dieses Machwerks in Anspruch genommen haben – und ich frage mich ernsthaft, weshalb. Die möglicherweise anspruchsvollste und aufwändigste Aufgabe in Zusammenhang mit DOC.33 wird wohl gewesen sein, das auf Mini-DVD gedrehte Material zu 35mm aufzublasen. DOC.33 macht nämlich auf old school. Obwohl erst 2012 veröffentlicht, sollen die Szenen, die er zeigt, bereits 1998 gedreht worden sein. Also kurz nach oder sogar parallel zu den Aufnahmen, die einem in BLAIR WITCH PROJECT als authentisch verkauft werden. Damit es jeder kapiert, weist der Film gleich in seinem Vorspann darauf hin, dass er – nun, was eigentlich? Zumindest eben angeblich zeitgleich mit BLAIR WITCH PROJECT entstanden ist. Auch die Handlung – ein Drehbuch wird nicht existiert haben: in die zweieinhalb Jahre Produktionszeit kann deshalb auch keine Schreibarbeit einberechnet werden – gleicht der im US-amerikanischen Vorbild so sehr, dass mich die Ideenarmut von Jungregisseur und Jungproduzent Giacomo Gabrielli überrascht: Ein paar Studenten, austauschbare Pappnasen, die, einziges Novum, diesmal Italienisch sprechen und sich in einem Tiroler Grenzdorf herumtreiben, sind mörderischen Mysterien auf der Spur, die sie zu einer verlassenen, verwunschenen ehemaligen Kinderklinik führen, wo schreckliche Morde an den Schützlingen von blutdürstigen Nonnen begangen worden sein sollen. Zugleich befindet sich die Klinik natürlich auf einem Platz, an dem vor vielen hunderten Jahren eine Gruppe Hexen dem reinigenden Feuer überantwortet worden sind. Als Hintergrund muss das schon reichen, auf dem uns Gabrielli in seinem gerade mal knapp einstündigen Machwerk vor allem verwackelte Kamerabilder, Räume, so finster, dass man nichts in ihnen erkennen kann, herumschreiende Nervensägen, und den einen oder anderen Blick auf Ordensschwester aus der Hölle präsentiert, die mich wünschen lassen, ich hätte mir lieber zum fünften- oder sechstenmal Fulcis DEMONIA gegeben.
Was soll ich mehr über einen Film berichten, dem so wenig daran gelegen ist, mir etwas zu liefern, über das ich berichten kann? DOC.33 ist der Prototyp eines Kinos, das um einer angeblichen Authentizität willen derart weit zurückbleibt hinter jedweden Standards des Filmemachens, selbst den schlechten, dass ich mich, wie schon vor allem bei Marcel Walzs eklatant miesen Ergüssen, nur einmal mehr fragen kann, ob denn Signore Gabrielli und sein Team wirklich der Ansicht gewesen sind, mit vorliegendem Film ein Produkt zu fertigen, das es wert ist, dass irgendwer dafür sein teuer verdientes Geld ausgibt. 1.500 Euro soll, heißt es zumindest auf der IMDB, die Produktion dieses Machwerks gekostet haben – und trotzdem sieht es nach höchstens einem Fünftel dieses Betrags aus, wenn nicht noch weniger. Sollte es tatsächlich Menschen geben, die zusehen möchten wie junge Leute durch ein leeres Krankenhaus irgendwo im Wald stapfen, ab und zu schreien, wegrennen, und mit der Kamera herumwedeln, ohne dass sich daraus irgendeine Form von Geschichte, Atmosphäre, Spannung oder sonstigem Mehrwert ergibt, der wird mit DOC.33 bestens beraten sein. Für mich ist dieses reine Nichts, um mit Robert Musil zu sprechen, ein Film ohne Eigenschaften, derart bar jeglichen Werts, dass ich ihn gleich, wenn ich den letzten Punkt hinter diesen schon viel zu langen Text gesetzt habe, mit Sicherheit schon wieder vergessen haben werde.