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Originaltitel: Das Mädcheninternat - Deine Schreie wird niemand hören!
Alternativtitel: Insel der Angst / School's Out 2
Produktionsland: Deutschland 2001
Regie: Robert Sigl
Cast: Katharina Wackernagel, Barnaby Metschurat, Anne Kanis, Luise Bähr, Alexandra Finder, Friederike Kempter, Lilia Lehner, Annette Kreft
Mit seinem Debüt-Langfilm LAURIN hat Robert Sigl 1989 einen der, meiner Meinung nach, schönsten und schaurigsten Gruselfilme in deutscher Sprache nach dem Zweiten Weltkrieg inszeniert. Nach diesem Achtungserfolg indes wird es still um den aufstrebenden Jungregisseur: Auf die große Leinwand jedenfalls scheint Sigl seitdem nicht mehr zurückgekehrt zu sein. Stattdessen arbeitet er in den 90ern und 2000ern hauptsächlich fürs BRD-Fernsehen, wo er beispielweise einzelne Folgen von Serien wie ALARM FÜR COBRA 11 oder GEISTERJÄGER JOHN SINCLAIR inszeniert. Ebenfalls für Privatsender RTL entstehen 1999 bzw. 2001 zwei inhaltlich lose aufeinander aufbauende Streifen, die unverkennbar in den Gefilden des seit Wes Cravens SCREAM einen zweiten Frühling erlebenden Slasher-Genres grasen – und meine Sichtung des ersten Streich DAS MÄDCHENINTERNAT - DEINE SCHREIE WIRD NIEMAND HÖREN, der auf DVD später wahlweise als SCHOOL’S OUT oder unter dem noch viel einfallsloseren ZEIG KEINE ANGST veröffentlicht worden ist, nährt nicht unbedingt meine Hoffnung, Sigl könne irgendwelche seiner künstlerischen Sensibilitäten ins Fernsehfach hinübergerettet haben.
Tatsächlich erweist sich SCHREI – DENN ICH WERDE DICH TÖTEN! als höchstens unter Trash-Gesichtspunkten halbwegs schmerzfrei konsumierbare Veranstaltung: Größtenteils besetzt mit hölzern agierenden (Laien-)Darstellern seinerseits virulenter Soaps wie GZSZ, erzählt im Tempo eines in den Schlafrock schlüpfenden Faultiers und vollgestopft mit Referenzen an SCREAM oder PSYCHO – (gerade die komplette Prologsequenz ist ein ziemlich dreistes Rip-Off des Auftakts von Cravens Film) –, bedient der Streifen so ziemlich jedes Klischee, das ich jemals gegenüber TV-Horrorfilmen entwickelt habe. Mehr oder minder effektiv gestaltete Einzelszenen wie eine Montage von Detailaufnahmen ausgestopfter Tiere, die von einem Bär über eine Eule hin zu einem Schwertwal führt, können kein bisschen darüber hinwegtrösten, dass die Story, in der wir einer Riege austauschbarer Teenager dabei begleiten dürfen, wie sie bei einer illegal im nächtlichen Schulgebäude abgehaltenen Abiturfeier von einem maskierten Schlächter gemeuchelt werden, zum einen völlig anti-klimatisch und abgeschmackt in Szene gesetzt ist, zum andern angesichts ihres Schlusstwists, wer sich hinter der Mördermaske verbirgt, völlig überkonstruiert daherkommt, und außerdem darunter leidet, dass sie sich – bis zu einem dramaturgisch äußerst zweifelhaften Bruch nach etwa einer Stunde – in den unterbelichteten Räumlichkeiten eines ordinären Gymnasium abspielt, in denen es der Kamera ein verbissenes Anliegen zu sein scheint, ja keine noch so hauchzarten Schauwerte aufkommen zu lassen. Immerhin schmunzeln lässt es mich, dass einmal im Bildhintergrund über eine Mattscheibe Szenen aus LAURIN flimmern, und dass es anscheinend Sigl selbst gewesen ist, der sich, wie einst Argento, die Mörderhandschuhe überstreifte, um als Killer-Double zu fungieren.
Im Grunde hatte ich Sigl nach dem „Genuss“ dieser faden und aufgrund seiner Existenz als TV-Film natürlich nicht mal über etwaige deftige Bluttaten verfügenden Konfektionsware schon abgeschrieben, - und mir den Nachfolge DAS MÄDCHENINTERNAT – DEINE SCHREIE WIRD NIEMAND HÖREN bzw. SCHOOL’S OUT 2 bzw. INSEL DER ANGST mit der Gewissheit angesehen, dass ich es bereuen werde, noch mehr kostbare Lebenszeit für RTLs Vision von Teenie-Horror verschwendet zu haben. Dann aber die Überraschung: DAS MÄDCHENINTERNAT stellt eine kleine Offenbarung für mich dar, und der Teufel soll mich holen, wenn Sigl vor den Dreharbeiten nicht ein Großpaket an klassischem Italo-Horror- und Giallo-Kino verschlungen hat! Natürlich handelt es sich auch bei DAS MÄDCHENINTERNAT um ein recht konventionell heruntergekurbeltes Schauerstück, mit dem RTL den Einschaltquotenerfolg des Vorgängers zu wiederholen versuchte – und dennoch scheint Sigl genügend künstlerische Freiheit besessen zu haben, um den Rahmen eines TV-Films von der Stange, wie er SCHREI – DENN ICH WERDE DICH TÖTEN! gewesen ist, gleich mehrfach zu sprengen. Unterm Strich nämlich ist DAS MÄDCHENINTERNAT nichts weniger als eine liebevolle, stellenweise durchaus stimmungsvolle, nicht zuletzt augenzwinkernde an das Goldene Zeitalter des italienischen Genrefilms, sprich, an Filmgattungen, die dem "normalen" RTL-Publikum sicher selten einmal über den Weg gelaufen sind.
Lediglich über Hauptdarstellerin Katharina Wackernagel alias Nina ist dieser zweite Teil mit dem Vorläufer verbunden: Diese hat das Massaker in SCHREI – DENN ICH WERDE DICH TÖTEN! als einige der wenigen heil überstanden, und befindet sich nun auf einem abgelegenen Eiland vor der Bretagne-Künste, um im Sanatorium einer gewissen Professor Meiring von den Traumata geheilt zu werden, die ihr seit den Ereignissen in Teil Eins das Leben zur Hölle machen. Außer Nina halten sich lediglich noch sechs weitere Mädchen auf der Insel auf, die lediglich mittels einer nur auf Bestellung vom Festland kommenden Fähre mit dem nächstgelegenen Hafen in Verbindung steht. Die Alltage der Mädchen setzen sich zusammen aus Haushaltsverrichtungen, langen Therapiesitzungen mit der Professorin, Streifzügen über die unberührte Natur der Insel, die in früheren Zeiten ein Nonnenkloster beherbergt hat, und von der man sich seit dem mysteriösen Verschwinden sämtlicher Ordensschwestern die unheimlichsten Lagerfeuergeschichten erzählt: Dass einst fremde Männer zur Insel gefahren und niemals von dort zurückgekommen seien; dass der Geist der alten Äbtissin in der Walpurgisnacht sein Unwesen treibe; dass mitternachts manchmal ein furchtbarer Gestank über den Ozean zum Festland herüberwehe. All diese Ammenmärchen vernimmt auch Ninas Freund Niklas, der seine Liebste zum Geburtstag überraschen möchte: Obwohl die Professorin Besuch, (und gar männlichen!), strengstens untersagt hat, verschafft sich Niklas mit Hilfe eines Bootsmannes Zutritt zum Eiland, und hält alsbald eine überglückliche Nina in seinen Armen. Ebenfalls frisch eingetroffen ist Dr. Laura, eine Ärztin, die man von staatlicher Seite aussandte, um Meirings alternative Behandlungsmethoden in Augenschein zu nehmen. Mit diesen beiden Neuankömmlingen halten aber auch bestialische Morde Einzug im Sanatorium – und der Killer, der Nina und den übrigen Mädchen nach dem Leben trachtet, trägt ausgerechnet diejenige Maske, die schon der Psychopath in Teil Eins getragen hat.
Der sich aus dieser Konstellation ergebende Höllenritt mag zwar inhaltlich nicht sonderlich originell sein und selbst für einen Genre-Film dieser Güteklasse neue Maßstäbe im Bereich unlogischer Entwicklungen setzen, doch, puh, schaut das alles hübsch aus, wenn Sigl ganz offenkundig Meistern wie Dario Argento, Joe D’Amato, Antonio Margheriti, Sergio Martino oder Mariano Baino seine Reverenz erweist, in außerordentlich unterhaltsamer Weise Nunsploitation-Elemente mit Slasher-Szenarien und gotischem Grusel vermengt, und mit sichtlicher Freude solche schaurigen Orte wie gischtumspülte Höhlen, die Katakomben einer verwitterten Festung, ein nebelverhangenes Moor zu schauerromantischen Topoi par excellence stilisiert. Ich konnte mich jedenfalls nicht sattsehen an der SUSPIRIA-haften Lichtsetzung innerhalb des mehr wie ein labyrinthisches Gothic Castel anmutenden Sanatorium, an (mit Augenmerk auf die TV-Provenzienz des Films natürlich vergleichsweise zahmen) Morden, wie sie (blutiger) auch in Martinos TORSO hätten verübt werden können, an den Grotten, die Erinnerungen an diverse Grenzüberschreitungen in ANTHROPOPHAGUS wachrufen, an der lazy-summerday-Atmosphäre wie sie beispielweise auch Margheritis sunny Giallo NUDE...SI MUORE kennzeichnet, oder an der vorzüglichen Kombination aus arglistigen Nonnen und salzigem Meereswasser wie man sie nicht zuletzt in Baianso DARK WATER findet, an den mich DAS MÄDCHENINTERNAT nicht zuletzt visuell besonders stark hat denken lassen. Ein kleiner Geheimtipp - und nun auf zu Sigls ALARM-FÜR-COBRA-11-Folgen, um nach versteckten Poliziotteschi-Referenzen zu fahnden...!