Morbo - Gonzalo Suárez (1972)

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Salvatore Baccaro
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Morbo - Gonzalo Suárez (1972)

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Originaltitel: Morbo

Produktionsland: Spanien 1972

Regie: Gonzalo Suárez

Darsteller: Ana Belén, Víctor Manuel, Michael J. Pollard, María Vico
Da ist diese beklemmende Streichermusik. Da ist diese Kamerafahrt über Gebüsch hin zu einem Herrenhaus, scheinbar mitten im Wald. Da sind die Zweige und Blätter der Bäume, wie Stacheln eines Panzers, der uns von ihm fernhalten soll. Da sind die Zimmer, verlassen, öde, voll mit vergessenen Möbelstücken und Erinnerungen, einem zerbrochenen Spiegel, einem Rollstuhl, einem Gewehr. Hier wohnt doch niemand mehr, oder? Die Fassade bröckelt. Die rotäugigen Ratten tummeln sich vor einer halbzerrissenen Kopie der Mona Lisa, die von ihrem Nagel an der Wand gestürzt scheint. Die Glühbirne, an einem dünnen Kabel von der Decke baumelnd, schwankt leise im Wind hin und her. Außerdem brennt sie. Wohnt doch jemand hier? Da sind zwei Stimmen, körperlos. Vielleicht die der Menschen, die hier einmal gelebt haben. Vielleicht sind es Geister. Ein Mann und eine Frau. Er gibt ihr Anweisungen. Wie ein Photograph seinem Model. Hebe den Arm, ja, so ist es gut. Sie verlangt einen Schleier, mit dem sie sich schmücken will. Dann beginnt der Zirkel an Selbstzweifeln. Magst Du meine Hände? Ja, ich mag Deine Hände. Und meine Haare? Magst Du meine Haare? Ich mag Deine Haare. Natürlich mag ich Deine Haare. Sagst Du auch die Wahrheit? Gefalle ich Dir wirklich? Ja. Dieses weiße Kleid steht Dir wirklich ausgezeichnet. Dann soll er sie alleinlassen, sie nicht anfassen. Ich werde nie wieder so aussehen wie vor dem Feuer, als meine Beine noch nicht verbrannt waren und mein Körper die Männer wie Fliegen angezogen hat. Jetzt bin ich bloß noch Müll und Du schließt mich in diesem Haus ein, allein für Deine Lust. Am besten würdest Du das Gewehr nehmen und mich erschießen. Nein, es interessiert sie nicht, ob es da draußen irgendwo junge Leute gibt, so jung und schön wie sie einst war, und sie will auch nicht wissen, was diese jungen Leute da draußen treiben, so jung und unbeschwert wie sie bevor der Wald in Flammen aufging, und sie mit ihm, und sie will seine schmutzigen Geschichten nicht mehr hören über all die Geheimnisse dieser jungen Leute, sie will alles vergessen, und endlich sterben. Warum hat das Gewitter, das den Wald entzündete sie nicht gleich mitgetötet? Und wieso hat er sie aus dem Feuer gerettet? Die Kamera tollt draußen herum. Da hängt ein blendendweißes Hochzeitskleid zwischen abgestorbenen, kahlen Bäumen, die wie verkohlte Streichhölzer aussehen. Die Glühbirne schaukelt noch immer hin und her. War das einmal ein Altar, was da zerbrochen in einer Ecke steht? Auf jeden Fall ist das ein Altar, vor dem der eigentliche Vorspann von MORBO, dem insgesamt sechsten Film des mir bislang völlig unbekannten spanischen Schriftstellers und Filmemachers Gonzalo Suárez, beginnt, und das Pärchen, das sich dort die Hände reicht, das sind Alicia und Diego, die Helden vorliegenden Films, und sie brechen in die kostengünstigsten Flitterwochen auf, die man sich denken kann – einfach raus ins Grüne mit dem Wohnwagen -, und was sie dort erleben, draußen im Wald, davon erzählt uns dieses wundersame Werk in einer Weise, bei der mein Unterkiefer kaum noch Kontakt zu meinem Oberkiefer zu halten imstande war.

Falls jemand bei meiner kurzen Zusammenfassung des Dialogs zwischen Mann und Frau im Vorspann sofort an den Vorspann von Jean-Luc Godards Demontage des Hollywood-Kinos LE MÉPRIS denken musste, in dem sich 1963 Michel Piccoli von Brigitte Bardot ähnliche Fragen bezüglich der Attraktivität ihrer Körperteile anhören muss, dann kann ich ihm nur beipflichten: Teilweise scheinen mir die insistierenden Fragen der Frau und die immerzu bejahenden Antworten des Mannes tatsächlich teilweise vom Französischen ins Spanischen übersetzte Versatzstücke jener Bettszene zu sein, die Godard seinerzeit nur in seinen Film aufnahm, weil Produzent Carlo Ponti darauf drängte, doch unbedingt wenigstens einmal den nackten Hintern und Rücken der Bardot zu zeigen. Falls jemand bei meiner kurzen Zusammenfassung der morbiden, melancholischen Kameratour durch das von der Zeit vergessene Anwesen im Vorspann von MORBO sofort an Vorspänne italienischer Gothic-Horrorfilme der 60er denken musste, kann ich ihm ebenfalls nur beipflichten: Diese Frau, die da spricht – versehrt von einem Brand, verunstaltet, unsichtbar für die Welt -, könnte sie nicht Teil irgendeines Schauerfilms sein, zum Beispiel die Tochter eines verrückten Wissenschaftlers, der sie in den Gemäuern ihres Stammschlosses versteckt, und gleichzeitig daran arbeitet, ihre Schönheit wiederherzustellen, indem er junge Mädchen entführt und sie unfreiwilliger Hauttransplantationen unterzieht? Beide Eindrücke sind übrigens richtig in dem Sinne, dass sie, zusammengenommen, zwei Aspekte dieses eigenwilligen Films abdecken. MORBO, das ist so, als hätte Godard in den frühen 70ern das Angebot angenommen, einen nervenzerfetzenden Schocker zu drehen, und das konventionelle Drehbuch dann, an einem Dry-Martini-Abend mit Luis Bunuel, vollkommen auseinandermontiert und neu zusammengeschraubt.

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MORBO beginnt nicht harmlos, gewöhnlich, und wird dann mit zunehmender Laufzeit immer verrückter, wilder. Stattdessen lässt Gonzalo Suárez seinen avantgardistischen, bilderstürmerischen Neigungen sofort sämtliche Zügel los. Diego und Alicia fahren direkt von der Kirche aus, die sie mit ihren Freudeglocken noch eine Weile begleitet, in die großen Liebesferien. An der nächsten Tankstelle tanzt Alicia ausgelassen um das Fahrzeug herum, trennt sich von ihrem Hochzeitskleid, zieht sich bis auf die Unterwäsche aus. Da kann selbst der Tankwart nur mit gierigen Augen starren. Später schert Diego mit der knallroten Sportkarre von der Hauptstraße aus, wobei er wissentlich ein Do-Not-Entry-Schild übersieht, das am Rande des Waldwegs steht, dem sie nun solange folgen bis sie der Hunger zu einem Picknick verlockt. Lange und ausführlich zählt Alicia auf, was sie alles essen will – es wirkt, als würde sie Werbereklametexte runterbeten, ähnlich wie jene Partygäste zu Beginn von Godards PIERROT LE FOU -, und Diego findet, beim Sondieren des Geländes, einen halbverwesten Eselskadaver – er wirkt, als sei er direkt aus Bunuels und Dalís Klavier in UN CHIEN ANDALOU herausgekippt und vor Diegos Füße gepurzelt -, doch selbst das hält ihn nicht davon ab, dem Waldweg noch weiter zu folgen. Schließlich, irgendwo in der Wildnis, schlagen sie ihr Lager auf – und die Absurditäten kommen erst richtig zur Blüte. Wenn Alicia nicht die beiden süßen Hamsterchen in ihrem Plastikkäfig quält, indem sie ihnen mit einer Zange Salatblätter so dicht vor die Mäulchen hält, dass sie sie nur mit äußerster Anstrengung und Kletterkunst erreichen können, und wenn Diego nicht in einem aufblasbaren knallroten Gummisessel herumsitzt und gelangweilt in irgendwelchen Büchern blättert, verstricken sich die auf einmal gar nicht mehr so liebend wirkenden Liebenden in die unterschiedlichsten, von Streit bis zu Sex reichenden Situation. Dabei wechselt Suarez, was eine für MORBO symptomatische Heterogenität ist, die Stimmungen teilweise mehrmals innerhalb einer Szene. Eben noch hat Diego seiner Frischangetrauten einen Vortrag darüber gehalten, dass der Mensch alles, was er tue, erklären müsse, und sie ziemlich kratzbürstig darauf reagiert, da steht sie schon wieder vor ihm und fragt ihn, weshalb er sie denn nicht küsse, und erzählt ihm von einem Landhaus, das sie oft in ihren Träumen sehe, und wo sie gerne einmal leben würde, mit der Mona Lisa an der Wand. Eine kurze Liebesszene später stürzen sich die Beiden dann, so, als sei jede Zankerei vergessen, wie verrückt auf die mitgebrachten Hochzeitsgeschenken von Tanten und Onkeln, und zerhauen das alles in einer ausgelassenen Orgie der Destruktion wie man sie seit Vera Chytilovas SEDMIKRÁSKY nicht mehr gesehen hat. In dieser Phase macht MORBO den Eindruck eines absurden Kammerspiels voller Symbole, Hinweise, Anspielungen, die letztlich nirgendwo hinführen und völlig vereinzelt im überschaubaren Raum der Waldlichtung und in den Mündern unserer Protagonisten herumliegen oder herumstehen.

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Es kommt aber noch bunter. Nachdem wir begriffen haben, dass Diego und Alicia keine Figuren sind, für die man irgendeine Sympathie oder Empathie empfinden oder deren Handlungen man in irgendeiner Weise nachvollziehen kann, scheint eine unkörperliche Bedrohung mehr und mehr zu wachsen, die unsere Helden – und wir mit ihnen – eher erahnen als konkret ir-gendwo festmachen können. Diego hat die kitschige Hochzeitstorte aus dem Wohnwagen geholt und im Freien aufgestellt. Alicia erschrickt sich vor einer haarigen Raupe, die an ihr hinaufklettert. Sie befiehlt ihm, die Torte sofort zu zerstören, jetzt, wo sie von den Käfern übernommen worden ist. Auch anderweitig deuten sich Dinge an, die man, wenn man es nicht besser wüsste, als eine Revolte der Natur gegen die Zivilisation interpretieren könnte, eine Art umgekehrter Rousseau, indem der Slogan von der retour à la nature nicht als Wiederaufkunft eines irdischen Paradieses verstanden wird, sondern als den Ausbruch sämtlicher von der Gesellschaft domestizierter und unterdrückter menschlicher Triebe. Diego erzählt selbst davon, wenn er Alicia ein Erlebnis aus seiner Schulzeit auftischt. Damals hätte er mit seiner Klasse einen Ausflug in die Berge gemacht. Dort oben, auf den hohen Felszinnen, hätten sie sich plötzlich wie Tiere aufgeführt, und Sachen gemacht, von denen es ihnen zuvor nie hätte träumen lassen. Mehr ins Detail geht er zwar nicht, bevor er mit der Erkenntnis schließt, alles in der Natur sei exzessiv, doch das braucht er auch nicht, denn da hat MORBO längst Nägel mit Köpfen gemacht, und eine der unglaublichsten Szenen geliefert, die ich seit langem sehen durfte. Nachdem Alicia zunehmend von unheimlichen nächtlichen Geräuschen erschreckt worden ist, die Diego damit abtut, dass so eben die Natur klinge, und nachdem wir uns mehr als einmal gefragt haben, wieso die Beiden nicht einfach einen heimischeren Platz für ihre Flitterwochen suchen, stellt Alicia eines Tages fest, als sie ihre Hamster füttern will, dass der eine dem andern offenbar den Kopf abgebissen hat und ihn gerade genüsslich verzehrt. Hysterisch bittet sie Diego, den Überlebenden sofort zu töten, vielleicht sei er krank und vielleicht sei das, was er hat, ansteckend. Diego steht verwirrt herum. Was sollen wir bloß tun? Es wirkt, als seien sie mindestens mit dem Untergang der Welt konfrontiert. Schließlich deutet Alicia in die Spüle, in deren Wasser eine Grillzwange schwimmt: Töte ihn damit! Diego hat einige Mühe, den Hamster überhaupt mit der Zange zu fassen zu kriegen. Er zerdrückt ihn nicht – wie ich schon befürchtet hatte -, sondern wirft ihn ins Spülwasser und versucht ihn dort zu ertränken, indem er ihm jedes Mal mit der Zange auf die Schnauze und die Pfoten schlägt, wenn er herausklettern will. Das bringt nichts, stellt Alicia fest. Was aber sollen wir tun? Denn es steht fest: Getötet muss der Hamster werden, wie auch immer. Zunächst einmal wirft Diego ihn gemeinsam mit seinem toten Kameraden in eine Plastiktüte und hängt diese, warum auch immer, an die Wohnwagenwand. Doch nicht lange dauert es und Alicia schreit erneut nach ihm: Der kannibalistische Hamster hat begonnen, sich durch das Plastik zu knabbern! Endlich hat Diego ein Einsehen und verschwindet mit der Tüte in den Wald. Was aus den Hamstern wird, erfahren wir nicht, aber was zumindest ich erfahren habe, ist, dass Suarez ein Meister darin ist, scheinbar alltägliche Dinge so sehr ins Groteske und Absurde zu verzerren, dass sie einem Schlaf und Verstand rauben können.

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Genau das zieht er auch weiterhin konsequent fort, während unheilschwanger die nach wie vor den Film mit einem klaustro-phobischen Klangteppich bedeckenden Streicher die tiefsten Register bedienen. Alicia tritt auf eine Haarnadel. Ihr gehört sie nicht. Diego hat auch keine Ahnung. Alicia findet einen Fluss. Ausgelassen planschen beide in ihm. Dann weigert sie sich aber plötzlich, das Wasser aus ihm zu trinken. Und das, obwohl ihre Vorräte – Kanister, deren Inhalt sie zum Kochen und Waschen nutzen – allmählich zur Neige gehen. Diego bricht auf zu einem nahen Haus. Dort gebe es einen Brunnen. Alicia hält die Stellung. Dann aber findet sie heraus, dass Diego die Kanister nirgendwo anders füllt als in dem Fluss gleich um die Ecke. Es kommt zum Streit. Diego, der zuvor behauptet hat, das Haus sei unbewohnt, behauptet nun, er habe das Haus bloß erfunden, damit Alicia sich nicht so allein in der Wildnis fühle. Aus Nichtigkeiten werden Dramen, aus zusammenhanglosen Worten entwickeln sich zusammenhanglose Diskussionen, und vor allem liebt MORBO es, seine Figuren – mit wirklich wunderschöner musikalischer Untermalung durch Jacques Denjean – lange und ausgiebig beim Umherstreifen durch die Wälder zu beobachten – deutlichstes Zitat vielleicht aus den spanischen oder italienischen Genrefilmen, die bei MORBO als Folie im Hintergrund zu erahnen sind – solange jedenfalls bis der Film in seinem Finale endgültig in etwas kippt, das man möglicherweise als das Skelett eines Gothic-Horror-Thrillers bezeichnen könnte. So wie MORBO in seiner Gesamtheit eine reine Versuchsanordnung von Objekten, Genre-Versatzstücken, Irritationen und Subversionen ist, die zusammen keinen kohärenten Film ergeben, sondern vielmehr die geisterhafte Idee eines Films, der möglich gewesen wäre, wenn statt Suarez jemand Regie geführt hätte, der daran glaubt, unsere Welt lasse sich mittels rationaler, logischer Geschichten mit rationalen, logischen Charakteren und rationalen, logischen Handlungsabläufen wenn nicht erklären, so zumindest anschaulich machen, so ergibt auch das Finale nicht so sehr Sinn in dem Sinne, dass es den vorherigen Irrungen und Wirrungen im Nachhinein einen Sinn stiftet, sondern indem es stur das Experiment fortführt, das mit der ersten Filmminute begonnen hat. Wir lernen zwar das Pärchen kennen, das sich während des Vorspanns unterhalten hat – als männlichen Part konnte Suarez Michael J. Pollard verpflichten, der wohl, ebenso wie die weibliche Hauptrolle Ana Bélen, der bekannteste der vier Namen des Casts sein dürfte -, und wirklich, es ist eine im Rollstuhl sitzende Frau ohne Augenlicht, dafür mit verbrannten Beinen, und ihr Geliebter, der sich eine Obsession daraus macht, Diego und Alicia zu bespitzeln und dann brühwarm seiner besseren Hälfte weiterzuerzählen, was sie so alles miteinander getrieben haben. Es klingt vielleicht vertraut, wenn ich schreibe, dass Diego und Alicia im Schlussakt das Schauergemäuer erkunden und Alicia von dem Irren, der ihr Hochzeitskleid entwendet hat, im Wohnwagen attackiert wird, und sie ihn aus Notwehr tötet, und beide es mit der Blinden und ihrer Schrotflinte zu tun bekommen, doch zu dem Zeitpunkt sollte jedem, der solange durchgehalten hat, klar sein: Auch all die Twists und Pointen, die Suarez scheinbar im Finale verstreut, sind Heringe, so rot wie Diegos Sportkarre. Ohne zu viel verraten zu wollen: In MORBO bleibt alles – und damit meine ich: wirklich alles – in der Luft hängen. Es ist ein Film der Schwerelosigkeit. Fragmente fliegen elegisch herum, und wenn sie sich treffen, entsteht daraus keine Spannung, kein Überraschungsmoment, kein Aha-Effekt, sondern einzig eine unterbrochene, unaufgeregte Atmosphäre des pausenlosen Stirnrunzelns, die Suarez durch den einen oder anderen Meta-Moment noch zusätzlich verrätselt: So fragt sich Alicia einmal, wieso es denn Menschen gebe, die andere beobachten, sogar in ihren intimsten Momenten, und wirkt fast, als wolle sie damit uns als Publikum selbst ansprechen. Ebenfalls bezeichnend eine weitere dieser irgendwie witzigen, aber auch sehr befremdlichen Szenen zwischen Diego und Alicia: Sie lässt ein Tonbandgerät laufen. Darauf zu hören: Sex-Gestöhne. Es soll wohl eine Aufnahme sein, die die Frischverheirateten von ihrer Hochzeitsnacht angefertigt haben. Alicia fühlt eine Entfremdung zu ihrer eigenen animalischen Stimme auf dem Band. Es ist, sagt sie, als seien das gar nicht wir, sondern irgendwer anders.

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Genau das ist es aber, was mich an MORBO so sehr begeistert, dass ich nunmehr alles daran setzen werde, mehr Filme von diesem verschrobenen Kauz sehen zu können, der gut in ein Gruppenbild mit Ingmar Bergman, Luis Bunuel, Alberto Cavallone und, natürlich, Godard passen würde, nur ziemlich weit am Rande, und halb verdeckt vom Finger des Photographen. MORBO schafft es, trotz seiner Verweigerungshaltung, die ihn von Anfang an mit dem Rücken zu einem Publikum stellt, das von einem Film erwartet, er folge unkritisch den etablierten Unterhaltungsmechanismen, seinen Betrachter, sollte er nur aufgeschlossen genug sein, wirklich heftig zu affizieren. Obwohl die Bilder nichts wirklich Schlimmes beinhalten – ein bisschen Kunstblut hier und dort, na gut -, hat sich bei mir eine ziemlich ungute Stimmung in der Magengegend eingenistet je länger das Anti-Spektakel dauerte. Wie gesagt: Jede vermeintliche Kleinigkeit wird Suarez zum Nährboden für ausgesprochen angsteinflößende Einbrüche von Dingen, für die wir keine Begriffe, sondern nur Gefühle haben, in die vermeintliche Sicherheit unserer Alltagswelt. Anders als Godard belastet Suarez seine Genre-Demontage aber nicht mit einem zentnerschweren Überbau, für den man mindestens ein Philosophiestudium vorweisen zu haben muss, um ihn komplett zu erfassen. MORBO funktioniert nämlich trotz aller subversiver Strategien als Horrorfilm, irgendwie, nur eben anders, surrealistisch, und nicht vernünftig, und verworren, nicht klar aufgefädelt. Wie gut einfach nur, dass es solche Filme wie diesen gibt.
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