Darsteller: Nicolas Cage, Tilda Swinton, Meryl Streep, Chris Cooper, Jay Tavare, Litefoot, Roger Willie, Jim Beaver, Cara Seymour, Doug Jones, Stephen Tobolowsky, Gary Farmer u. A.
Trotz seines Erfolgs mit der Verfilmung seines Drehbuchs zu "Being John Malkovich", für das er sogar eine Oscarnominierung erhielt, ist Charlie Kaufman (Nicolas Cage) nicht wirklich von sich überzeugt. Als er den Auftrag annimmt, den Bestseller "The Orchid Thief" zu adaptieren, ist er vollkommen überfordert: Vordergründig schildert das Buch die Abenteuer des Orchideenwilderes John Laroche, doch es erzählt auch die Geschichte von einer Sehnsucht nach tief empfundener Leidenschaft in jedem von uns. Dieses Verlangen plagt Charlie selbst, der nun auch noch in seiner Arbeit gestört wird, weil sich sein Zwillingsbruder Donald (Nicolas Cage) bei ihm Zuhause eingenistet hat.
Der US-Drehbuchautor Charles Kaufman debütierte 1999 mit der gefeierten schrägen Komödie „Being John Malkovich“, die Spike Jonze als Regisseur verfilmte. Nach „Human Nature – Die Krone der Schöpfung“ sollte er erneut mit Jonze zusammenarbeiten: Es galt, Susan Orleons Buch „The Orchid Thief“ für ein Drehbuch zu adaptieren. Kaufman litt jedoch unter einer Schreibblockade, weshalb er eben diese kurzerhand zum Mittelpunkt seines Buchs machte. Das Ergebnis war die Dramödie „Adaption.“, die 2002 uraufgeführt und ein semi-autobiographischer Film übers Drehbuchschreiben wurde:
Charlie Kaufman (Nicolas Cage, „Arizona Junior“) verdient sein Geld als Drehbuchautor und verfolgt den Anspruch, hollywoodtypische Klischees zu vermeiden, stattdessen der Vorlage gerecht zu werden, aber ohne sie schlicht nachzuerzählen. Mit diesem Vorsatz versucht er auch, sich seinem jüngsten Auftrag zu nähern, der Leinwand-Adaption von Susan Orleans (Meryl Streep, „Jenseits von Afrika“) „Der Orchideendieb“. Doch die Biographie über den Orchideen-Fanatiker John Laroche (Chris Cooper, „American Beauty“) stellt ihn vor eine nahezu unlösbare Aufgabe, weiß er doch nicht, wie er ihr gerecht werden könne. Charlie entwickelt eine ausgeprägte Schreibblockade, bei der ihm sein arbeitsloser Bruder Donald (Nicolas Cage, „8MM – Acht Millimeter“), mit dem ein Appartement teilt, keine große Hilfe ist. Dieser versucht sich mithilfe des Tutors Robert McKee (Brian Cox, „Ring“) ebenfalls an einem Drehbuch, das sich zum exakten Gegenteil von Charlies Ansprüchen entwickelt und zu allem Überfluss auch noch ein voller Erfolg wird. Entnervt und verzweifelt avanciert Charlies Skript zu einem Buch weniger über Laroche als vielmehr über sich selbst und die Herausforderung, eben jenes Drehbuch zu verfassen. Schließlich nimmt Charlie doch Donalds Hilfe an und dramatisiert den Stoff. Als er zu diesem Zwecke Susan Orlean zu beobachten beginnt, kommt er ihrem Verhältnis zu Laroche und einem schmutzigen Geschäft auf die Spur...
Ein weiterer Meta-Film also, ein Film über Filmemachen? Im Prinzip ist „Adaption.“ das und doch auch wieder nicht, vielmehr eine satirisch anmutende Reflektion über Kaufmans Arbeit im Speziellen und die Herausforderungen von derartigen Adaptionen im Allgemeinen. So wie John Malkovich ein Zerrbild seiner selbst in Kaufmans Debüt spielte, so schreibt Kaufman über eine Interpretation seines eigenen Charakters, den er von Nicolas Cage in einer Doppelrolle verkörpern lässt – denn Charlies fiktiven Zwillingsbruder übernimmt dieser gleich mit. Er hält dem Publikum einen Spiegel vor, wenn er sein Alter Ego mit den Erwartungshaltungen des Zuschauers hadern lässt und entwirft in Person Donalds einen ungleichen Zwilling, der seinem eigenen (filmischen) Charakter in sämtlichen Belangen entgegensteht: Bei Donald gibt es von Selbstzweifeln keine Spur, er lebt in den Tag hinein und mit seiner anspruchslosen, unbedarften Herangehensweise an sein Projekt hat er aus dem Stegreif den finanziellen Erfolg, der Charlie hinter seiner künstlerischen Integrität nur sekundär interessiert.
Da ja das Gegenteil exakt dieses Films Gegenstand der Handlung ist, mutiert diese schließlich in sich augenzwinkernd den Hollywood-Regeln entlang hangelnde Absurditäten, inmitten derer sich Charlie und Donald wiederfinden. Mit dieser Doppelbödigkeit erschafft sich der Film-Charlie nicht nur seine eigene Welt, sondern wird zudem die Macht des Drehbuchs bei gleichzeitiger Abhängigkeit vom immerwährenden Spagat zwischen Vorlagentreue, Eigeninterpretation und Vermarktungspotential demonstriert. Auf diese neuartige Weise erfährt der aufgeschlossene, „Adaption.“ entsprechend einordnende Zuschauer eine Menge über den kreativen Prozess des Drehbuchschreibens, kommerzielle Zwänge und nebenbei auch noch etwas über Orchideen, die Gegenstand fanatischer Sammelwut und eine Wissenschaft für sich sind. Zudem wird auf selbstironische Weise eine Lanze für Erzählstimmen gebrochen, die viel zu undifferenziert gemeinhin als billiges Stilelement verpönt werden, richtig eingesetzt jedoch pointiert Einblicke in die Gedankenwelt von Protagonisten erlauben, ohne dass dieser sie durch entsprechende Handlungen auszudrücken versuchen müsste, zudem auch unter Verzicht auf klassische Dialoge für „laute“ Momente wie Drama und Pathos sorgen können. Auch „Being John Malkovich“ zu zitieren ließ man sich nicht nehmen, indem die Handlung vermeintliche Szenen vom Set integriert und auf Kaufmans vorausgegangenen Independent-Erfolg verweist.
Dass Nicolas Cages Schauspielqualitäten stark abhängig von Rolle und Regisseur sind, darf er drei Jahre nach Scorseses fulminantem „Bringing Out the Dead – Nächte der Erinnerung“ insbesondere in seiner Doppelrolle unter Beweis stellen und seine Kritiker Lügen strafen, die in ihm einen mimisch eingeschränkten Overacter sehen. Im Prinzip sind beide Rollen gegen Cages Strich gebürstet und was er Charlie an Tiefe verleiht, bekommt Donald als Oberflächlichkeit ab, mal tragisch, mal komisch, oft beides. Dass das Gespann Kaufman/Jonze ein glückliches ist, beweist auch die übrige Besetzung mit einer koketten Meryl Streep sowie weiteren namhaften Schauspielern. „Adaption.“ ist originelles, intelligentes Kino übers Kino und dessen Mechanismen sowie über Kaufman selbst, das ironischerweise genau in dem Moment in Schauwerte, Action und große Gefühle verfällt, als es sich zu sehr um sich selbst zu drehen und die Aufmerksamkeit des Zuschauers zu verlieren droht – der sich im Idealfall dadurch ein Stück weit selbst erkennt, ohne dass Kaufman ihn beleidigen würde. Vielleicht nicht so inspirierend, wie es aufgrund der Thematik denkbar gewesen wäre, vor allem aber bei weitem nicht so schöngeistig und arrogant, wie es evtl. zu befürchten galt. Im Gegenteil: „Adaption.“ macht auch – oder gerade dann? – Spaß, wenn man seine Entstehungsgeschichte nicht kennt, ihn sich ohne jedes Vorwissen ansieht und erst im Nachhinein die Umstände und Zusammenhänge recherchiert.
Re: Adaption. - Spike Jonze (2002)
Verfasst: Fr 7. Okt 2016, 18:11
von Arkadin
buxtebrawler hat geschrieben:
Dass Nicolas Cages Schauspielqualitäten stark abhängig von Rolle und Regisseur sind, darf er drei Jahre nach Scorseses fulminantem „Bringing Out the Dead – Nächte der Erinnerung“ insbesondere in seiner Doppelrolle unter Beweis stellen und seine Kritiker Lügen strafen, die in ihm einen mimisch eingeschränkten Overacter sehen. Im Prinzip sind beide Rollen gegen Cages Strich gebürstet und was er Charlie an Tiefe verleiht, bekommt Donald als Oberflächlichkeit ab, mal tragisch, mal komisch, oft beides.
Wie lustig. Gerade gestern abend habe ch mich mit einem Freund über Cage unterhalten, der Cage tatsächich als Mann mit zwei nur Gesichtsausdrücken abtat, und meine Argumentationsline war mit der Deinigen ziemlich identisch. Und ich habe ebenfalls "Adaption" (großartiger Film übrigens, freut mich, dass er Dir auch so gefallen hat) als Beleg dafür genommen.