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Desert Heat - John G. Avildsen

Verfasst: Di 6. Jul 2010, 23:56
von Blap
Nicht jeder Film hat einen eigenen Thread verdient, doch diese staubige Perle mit Sicherheit!



Desert Heat (USA 1999, Originaltitel: Desert Heat)

Eddie Lomax (Jean-Claude Van Damme) fährt mit dem Moped durch die Wüste. Er möchte seinem alten Freund Johnny Six Toes (Danny Trejo) eine Frage stellen und ein Geschenk überbringen. Als Eddie besoffen seinen Kumpel zutextet, tauchen unvermittelt die drei Hogan Brüder auf, deren Erzeuger der grosse Boss in der Gegend ist. Die fiesen Brüder verpassen dem Unbekannten eine Abreibung, schiessen ihn nieder und entwenden sein Moped. Matt (David Fralick) und Jesse (Silas Weir Mitchell) sind skrupellose Killer, der jüngere Bruder Petey (Jonathan Avildsen) eher ein Weichkeks. Während seine Brüder das Zweirad verladen, soll Petey das wehrlose Opfer endgültig ausschalten. Doch der Angsthase bringt es nicht fertig und ballert lediglich Löcher in den Sand. Die Truppe zieht ab, im festen Glauben ein Fressen für die Geier zu hinterlassen. Six Toes schleppt den alten Kumpel in seine Behausung und pflegt ihn gesund. Da Eddie das für seinen Freund bestimmte Geschenk zurückholen will, macht er sich auf den Weg in das staubige Nest, welches unter der Fuchtel der Hogans leidet. Schnell kommt der Veteran in Wallung, es regnet Blei und erste Särge füllen sich. Nebenbei findet Eddie an Rhonda (Gabrielle Fitzpatrick) und deren Apfelkuchen gefallen, rettet einen alten Kauz namens Eli (Bill Erwin) aus den Fängen abstossender Kerle, findet in Jubal Early (Pat Morita) einen emsigen Handlanger. Die Lage spitzt sich zu, Eddie schafft es mit geschickten Schachzügen, den sonstigen kriminellen Pöbel und die Hogans gegeneinander auszuspielen...

In Deutschland wurde dieser Streifen unter dem Titel "Inferno" veröffentlicht. Irgendwie ist das Teil mir bisher immer durch die Lappen gegangen, schliesslich beschaffte ich mir die britische DVD. "Desert Heat" stellt eine tiefe Verbeugung vor "Yojimbo - Der Leibwächter" dar, den Akira Kurosawa 1961 inszenierte. Von einem Remake möchte ich nicht sprechen, Begriffe wie Verbeugung und Huldigung erscheinen mir zutreffender. Damit besteht auch eine Verwandtschaft mit "Für eine Handvoll Dollar" (1964) von Sergio Leone. Nicht zu vergessen "Last Man Standing" mit Bruce Willis, mit dem Walter Hill 1996 den grossen Vorbildern Tribut zollte. Wer nun einen Van Damme Streifen mit viel Kampfsport und bierernster Laune erwartet, wird sich wie von einer Dampfwalze überrollt fühlen. Hier wird zwar auch ein wenig geprügelt, doch in erster Linie wird geballert und dem Irrsinn gefrönt. Eine ironische Schlagseite zieht sich durch den gesamten Film, der Spassfaktor ist nahezu unglaublich hoch! Ich bin mir allerdings ziemlich sicher, dass dieser Stoff die Gemüter extrem spalten wird, zu ungewöhnlich, ja teils grotesk, dürfte das irre Treiben für manchen Actionfan sein. Wo bekommt man schon zu sehen:

- Wie Van Damme besoffen durch die Wüste taumelt und verkloppt wird?
- Wie Van Damme von Danny Trejo die Füsse massiert werden?
- Wie Van Damme, nur mit Cowboystiefeln bekleidet, zwei Blondinen durchreitet, die danach völlig ausgepowert im Bett liegen, während die Pommesgabel noch flugs ein paar Schurken killen geht?
- Wie Van Damme einem Opi die Sauerstoffflasche durch die Bude trägt?
- Wie Van Damme beim Verlassen eines Diners gegen die Tür läuft?

Ich könnte etliche solcher sinnlichen Höhepunkte aufzählen, doch der mutige Selbstversuch sei hiermit wärmstens empfohlen. Es handelt sich bei "Desert Heat" trotzdem nicht um eine platte Action-Komödie, dazu ist der Film viel zu selbstironisch. Überhaupt spielt unser geschätzter Belgier hier herrlich locker auf. Entweder hatte er wirklich Spass an der Sache, oder er war während des Drehs völlig zugekokst. Vielleicht trifft beides zu, wer weiss das schon... ...andererseits wirkt JCVD hier weitaus besser auf der Höhe, als z.B. im 1998er Streifen "Knock Off" von Tsui Hark, wo er ganz offensichtlich Tonnen Koks durch die Nase -und sonstige Körperöffnungen- gezogen hat ("Knock Off" ist übrigens auch ein klarer Tipp, dies am Rande). So gut wie der Chef im Ring, sind auch die zahlreichen Helferlein und Gegner drauf. Selbstverständlich gibt es hier keine grossen Stars zu sehen, doch jeder Filmfreund wird zahlreiche Gesichter sofort erkennen. Kleine Auswahl gefällig? Zu Danny Trejo muss ich wohl nichts schreiben, wer freut sich nicht auf "Machete"? Pat Morita ist aus "Karate Kid" und etlichen anderen Filmen bekannt, hier spielt er den "Entsorger" für Van Damme. Sauber und adrett wickelt er die Leichen in Folie ein, um sie anschliessend in einem alten Steinbruch zu verklappen. Larry Drake gibt den Anführer der Hogan Bande, wer erinnert sich noch an den Schurken Robert G. Durant aus "Darkman"? Auch die Fratzen von Silas Weir Mitchell und Jeff Kober werden für ein "Den Typen kenne ich doch...!" gut sein. So sorgen die Gehilfen des Helden zusätzlich für gute Laune, während auch die Feinde zu ein wenig mehr als der üblichen Metzelmasse ohne Gesicht taugen.

Meine Erwartungshaltung ist grundsätzlich positiv, wenn ich mir einen kleinen B-Actioner zu Gemüte führe. Dieser Knaller erfüllte meine Erwartungen nicht nur, er übertraf sie sogar deutlich! "Desert Heat" aka "Inferno" macht so richtig gute Laune, wenn man bereit ist sich auf den Film einzulassen. Bitte nagelt Van Damme nicht immer auf die Material Arts Ecke fest, der Kerl kann auch anders, was diese staubige Sause eindrucksvoll untermauert! Für die Regie zeichnet John G. Avildsen verantwortlich. Der Mann ist ein alter Hase, er inszenierte z.B. "Rocky" und Karate Kid".

Wie konnte mir diese Perle bisher entgehen? Ich habe keine Erklärung und keine Entschuldigung dafür auf Lager. Nun liegt mir der Film endlich vor. Die DVD stammt aus England, sie überzeugt mit ordentlicher Bildqualität, leider gibt es als Bonus lediglich einen Trailer. In Deutschland ist der Streifen unter dem Titel "Inferno" erschienen. Es gibt eine Fassung ab 16, diese enthält 50 (!!!) Schnitte und ist um mehr als 12 Minuten (!!!) gekürzt. Eine ungekürzte Version mit FSK 18 Freigabe gibt es ebenfalls, unverständlicherweise wurde diese indiziert. Da ich die deutsche Synchronisation nicht kenne, kann ich natürlich nichts zu deren Qualität sagen. Im englischen Originalton macht der Film auf jeden Fall Freude!

Es gibt immer wieder prächtige Überraschungen, die einem alten Dauerglotzer ein feistes Grinsen auf die entstellte Fratze zaubern! "Desert Heat" ist eine dieser herrlichen Überraschungen! Dicke 8/10 (sehr gut)!

Lieblingszitat:

Eli (Bill Erwin): "My advice is, go ahead and kill 'em! Wipe out the whole poisonous nest!
Eddie (Van Damme): "All of them?"
Eli: "Absolutely!"

Re: Desert Heat - John G. Avildsen

Verfasst: Mi 7. Jul 2010, 09:19
von Onkel Joe
Durfte Bill Conti wieder die Musik zu beisteuern :D ?

Re: Desert Heat - John G. Avildsen

Verfasst: Mi 7. Jul 2010, 11:31
von Blap
Ja.

Re: Desert Heat - John G. Avildsen

Verfasst: Mi 7. Jul 2010, 11:46
von Onkel Joe
Blap hat geschrieben:Ja.
Das war ja nicht anders zu erwarten, es heißt ja immer so schön:Never change a winning team.
Bei meiner ersten sichtung vor Jahren fand ich den nicht so toll, muss mir den nochmal raussuchen und anschauen.

Re: Desert Heat - John G. Avildsen

Verfasst: Mi 7. Jul 2010, 14:55
von Blap
Onkel Joe hat geschrieben: Bei meiner ersten sichtung vor Jahren fand ich den nicht so toll, muss mir den nochmal raussuchen und anschauen.
Das mag vielleicht an einer "falschen" Erwartungshaltung gelegen haben. Wenn man einen typischen Van Damme Klopper erwartet, wird sich vermutlich schnell Ernüchterung einstellen. Das Teil ist herrlich selbstironisch, augenzwinkernd und liebenswert. Eventuell mag es auch an der deutschen Synchro gelegen haben?