Mädchen Mädchen - Roger Fritz (1967)

Moderator: jogiwan

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Blap
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Mädchen Mädchen - Roger Fritz (1967)

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BD/DVD-Combo: Subkultur Entertainment, Edition Deutsche Vita #6



Mädchen Mädchen (Deutschland 1967)

Stilsichere Fingerübung?

Andrea (Helga Anders) wird aus dem Entziehungsheim entlassen, die Affäre mit ihrem Chef Ernst (Hellmut Lange) hatte sie dorthin gebracht. Während Ernst noch einige Tage im Gefängnis verbringen muß, trifft Andrea auf den Sohn (Jürgen Jung) ihres Liebhabers, der die Firma des Vaters während dessen Abwesenheit leitet. Rasch bahnt sich eine Liebesbeziehung an ...

Drei Jahre kein Eintrag ins Filmtagebuch und dann gleich ein solches Kaliber? Warum nicht der Griff in die Kiste mit dem üblichen Schund- und Schmuddelkram? Keine Sorge, ich werde mich -um Fassung ringend- in aller Kürze zu Wort melden, tiefergehende Einblicke bietet die sehr gelungene Auswertung von Subkultur.

Roger Fritz zeigt uns die späten sechziger Jahre aus ungewohnter Sicht. Kein drogengeschwängerter Trip auf Wolken, obschon die von der Kamera eingefangenen Bilder teils von geradezu berauschender Schönheit sind. Zentrales Thema -zumindest kommt es mir so vor- scheint die Einsamkeit der Charaktere zu sein, vor allem die Einsamkeit der von Helga Anders betörend dargestellten Andrea. Nähe wird gesucht und zugelassen, entpuppt sich jedoch als wenig substantiell. So erweist sich das Band zwischen Vater und Junior als stärker, dazu muss der alte Herr nichtmal mit Nachdruck an der Leine ziehen. Näher möchte ich nicht auf die Handlung eingehen, lasst das Werk auf euch wirken, eine Entdeckungsreise lohnenswerter Art! Nur noch ein Satz zur großartigen Kameraarbeit. Oft werden die Protagonisten regelrecht umschmeichelt, muten Landschaft und Gebäude lieblich an, selbst der Steinbruch erstrahlt hier und da in staubiger Schönheit, interessanter Kontrast baut sich auf, wenn das junge Paar sich durch die Industrieanlagen bewegt, ein Augenschmaus!

Großartige Arbeit wurde von Subkultur Entertainment abgeliefert, die Technikzauberer von LSP Medien haben den Film in phantastischer Qualität aufbereitet! Dank hoher Datenrate und Erhalt des Filmkorns, erstrahlt "Mädchen Mädchen" in voller Pracht, so sieht verantwortungsbewußter Umgang mit Filmmaterial -und damit auch mit Filmgeschichte- aus! Jede Menge Boni sorgen für Freude, darunter Interviews, Audiokommentar, Trailer, Schnittreste und vieles mehr, abgerundet wird das Paket durch ein äußerst interessantes Booklet von Christoph Huber, nach dem Filmgenuß unbedingt lesen!

Um den Faden meiner Überschrift aufzunehmen, ist "Mädchen Mädchen" eine stilsichere Fingerübung, gelungenes Spielfilmdebüt eines talentierten Regisseurs? Ja! ... und so viel mehr! Genug der Worte, ganz klare Empfehlung meinerseits!!!
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buxtebrawler
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Re: Mädchen Mädchen - Roger Fritz (1967)

Beitrag von buxtebrawler »

Anlässlich des 50. Jubiläums des Films gibt es jetzt einen Artikel in der Anniversary-Ecke der OFDb: http://www.ofdb.de/view.php?page=annive ... sgabe=4380
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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Re: Mädchen Mädchen - Roger Fritz (1967)

Beitrag von buxtebrawler »

Kurz vor Ausbruch der sexuellen Revolution debütierte der in Mannheim geborene Regisseur Roger Fritz, der dem Neuen Deutschen Film zugerechnet werden kann, mit dem Liebesdrama „Mädchen Mädchen“ nach einem Drehbuch Eckhart Schmidts, das im Januar 1967 in die westdeutschen Kinos kam.

Der minderjährige Backfisch Andrea (Helga Anders, „Das Rasthaus der grausamen Puppen“) hatte eine Affäre mit ihrem Chef (Hellmut Lange, „Im Nest der gelben Viper“), einem Fabrikbesitzer, woraufhin sie ins Erziehungsheim und er ins Gefängnis gesteckt wurde. Einige Tage vor dessen Entlassung befindet sich Andrea bereits wieder auf freiem Fuß und lernt alsbald den Sohn (Jürgen Jung, „Bübchen“) ihres Liebhabers kennen. Beide verlieben sich ineinander…

Nach einer den Film eröffnenden Texteinblendung des sexuellen Missbrauchsparagraphen wird man Zeuge der Annäherungen zwischen den jungen Menschen und ihren daraus resultierenden Versuchen, so etwas wie eine Beziehung miteinander aufzubauen. Fritz und Schmidt wählten dafür solch kontrastreiche Handlungsorte wie graue Fabrikanlagen, Naturidylle und eine Münchener Discothek. Andrea erweckt dabei den Eindruck eines orientierungslosen, jedoch charakterlich weitestgehend unverdorbenen Findelkinds aus prekären familiären Verhältnissen, während ihr Freund aufgrund ihrer Affäre mit seinem Vater von innerer Wut und Zweifeln geplagt ist.

Die Liebesszenen sind mitnichten aufreizend oder gar sexploitativ umgesetzt worden, sondern mit einem ausgeprägten Sinn für geschmackvolle Bildästhetik. Mehrmals lässt sich der Film Zeit für schwelgerische Szenen jugendlicher Unbekümmertheit in malerischem Ambiente. Ein gutes Ende nimmt die Geschichte jedoch nicht, denn nach der Haftentlassung des Fabrikchefs fügt sich sein Sohn seiner Autorität und ordnet sich ihm wieder unter. Unter diesen Umständen hat die Beziehung zwischen Andrea und dem Junior keine Zukunft. Die Haushälterin (Renate Grosser, „Eine hübscher als die andere“), die das „Eindringen“ Andreas in die Familie von vornherein argwöhnisch betrachtet hatte und ihre Rolle als Frau des Hauses in allen erdenklichen Rollen für beide Männer gefährdet sah, freut sich über die Wiederherstellung des Status quo, über dessen Hüterin sie zu werden scheint, wenn sie grinsend am Ende die Türe schließt.

Der vollkommen unaufgeregt erzählte „Mädchen Mädchen“ ist aus heutiger Sicht langatmig und unspektakulär inszeniert, zudem noch in Schwarzweiß, seine Spannungsversprechen bzw. vielmehr dramaturgischen Suggestionen hinsichtlich einer expressiven Eskalation bleiben uneingelöst. Er entwirft aber ein Sittenbild der damaligen konservativen Gesellschaft, deutet einen Generationskonflikt an bzw. kritisiert dessen Ausbleiben und thematisiert familiäre, patriarchale Zwänge. Ferner wirkt sein Inhalt wie eine Parabel auf die Klassengesellschaft, wenn die vermögende obere Mittel- oder Oberschicht in Person des Vaters die unterprivilegierte Unterschicht in Person Andreas ausnutzt und deren sich in der Entwicklung begriffenes Aufstreben und die damit einhergehende Einflussnahme auf den eigenen Herrschaftsbereich unterbindet. Die angestellte Haushälterin wird dabei zur Klassenverräterin, da sie mit dafür sorgt, dass alles so bleibt und sich in ihre Rolle einfügt, sich mit ihr zufrieden gibt, statt sich mit Andrea und dem, was sie verkörpert oder symbolisiert, zu solidarisieren. Fritz und Schmidt zeichnen damit ein Gesellschaftsbild, das zurecht kurz darauf erschüttert und kräftig durchgerüttelt wurde.
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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