Eigentlich hätte mich Daniele Griecos PRÄSENZ, die für mich fast schon auf eine Stufe mit den unsäglichen Found-Footage-Machwerken eines Marcel Walz schnarcht, zu dem Schwur verleiten müssen, meine Zeit nie wieder mit einer Produktion zu verschwenden, unter die der gute Mann seine Unterschrift gesetzt hat – doch, wie so oft, ist man nicht so charakterfest wie man gerne sein würde, und im Falle von Griecos zweitem Genre-Streich UFO – ES IST HIER dann sogar mehr oder weniger positiv überrascht darüber, dass der Film letztlich doch nicht ganz so blöd ist wie sein Titel es vermuten ließe. Freilich erfindet Grieco auch hier das Rad nicht neu, und mixt stattdessen unverblümt Motive von THE BLAIR WITCH PROJECT mit welchen aus ALIEN, das Resultat aber muss sich, gerade verglichen mit dem kreativen Leerlauf seines Horror-Debuts, nicht den Vorwurf gefallen lassen, aus seinem reduzierten Szenario nicht doch noch das Möglichste an Spannung und Kurzweil herauszuholen, was irgendwo tief in ihm drin versteckt gewesen ist. Für die Prämisse, die, mal wieder, eine fünfköpfige gemischtgeschlechtliche Filmstudentengruppe in einen verwunschenen Wald lockt, wo, wie gesagt, diesmal keine Hexe ihr Unwesen treibt, sondern außerirdische Lebensformen, die scheinbar eine Bruchlandung im Deutschen Forst hingelegt haben, und sich nun an den Verzehr von Menschenfleisch gewöhnen, und, nebenbei, auch noch eine Menge Eier legen, aus denen weitere eklige Invasoren schlüpfen, sollte man seinen Verstand gar nicht erst großartig anknipsen: Dass Melissa, Paula, Erik, Leo und André es für eine gute Idee halten, für ihr universitäres Abschlussprojekt ausgerechnet in einem Zoo zu drehen, und die weitgehend gelangweilten Tiere hinter Gitterstäben einzufangen, finde ich genauso deppert wie dass sie, als ihnen ein Unbekanntes Flugobjekt am Firmament auffällt – dessen, eh, Präsenz übrigens eine Affenbande zum Ausrastern bringt, bzw. zumindest möchte Grieco das mit seinen Bildern suggerieren, während man, trotz exzessiver Wackelkamera, allerdings deutlich erkennt, dass mindestens die Hälfte der putzigen Pavianhorde weiter desinteressiert auf ihren Baumstämmen sitzenbleibt -, sofort dessen Verfolgung aufnehmen, und scheinbar als einzige Menschen den Weg zur Absturzstelle finden, obwohl die durch dicke Rauchschwaden und einen halben Waldbrand marktschreierisch auf sich aufmerksam macht – es ist ja nicht so, dass die Bevölkerungsdichte in Deutschland derart gering ist, dass man, ist man selbst in ländlichen Regionen unterwegs, tagelang keine Menschenseele trifft. Was danach passiert, kann man unseren austauschbaren, persönlichkeitslosen Helden schon weniger ankreiden: Ihre Smartphones spielen verrückt, ihr Kompass tut so, als ob überall Norden sei, es kommt die Nacht, man verläuft sich im Unterholz, und wird alsbald von einem Wesen gejagt, das in ihnen vorrangig eine ideale Bruststätte für seinen Nachwuchs zu sehen scheint…
Noch einmal: Alles, was Grieco an technischen, ästhetischen oder motivischen Komponenten in die Waagschale wirft, hat er nicht etwa mühsam in Eigenregie ersonnen, sondern recht beliebig aus, einerseits, den einschlägigen Found-Footage-Horrorfilmen, und, andererseits, aus den ebenso altbekannten Science-Fiction-Klassikern seit WAR OF THE WORLDS zusammengesucht. Dass sein Film indes nicht zum (befürchteten) Desaster wird, hat wohl vor allem damit zu tun, dass er es nunmehr, im Gegensatz zu der Schlaftablette DIE PRÄSENZ, einigermaßen zielsicher versteht, das Tempo permanent hoch zu halten, uns am laufenden Band mit Verschärfungen der für unsere Protagonisten sowieso schon katastrophalen Situation zu konfrontieren, und oft und gerne die Schauplätze wechselt, sodass diese von einem normalen Bundesdeutschen Forst über finstere Höhlenkomplexe bis hin zu einem verlassenen Bauernhaus reichen. Ein weiteres Plus für mich als Kino-Konservativen ist Griecos Ablehnung plakativer CGI-Effekte. Nur eine Szene, erklärt er in einem Interview, sei im Rechner entstanden, nämlich die erwähnte Rauchwolke über dem Waldgebiet, die er allein aus Brandschutzgründen niemals in der Realität hätte umsetzen können. Der Rest aber, seien es nun die pulsierende Alien-Eier, bei denen ich die ganze Zeit an Luigi Cozzis Melodrama CONTAMINAZIONE denken musste, oder griffgierige Tentakeln, die auch an einem Monstrum aus dem Universum Lovecrafts hübsch aussehen würden, ist das Ergebnis echter Handarbeit - und das schreibt dem Film auf der Ebene der Materialität schon einen haptischen Aspekt ein, den er zugekleistert mit visuellen Konservendosen-Gimmicks selbstverständlich nie erreicht hätte. Auch kommt man nicht umhin, Grieco dafür zu loben, dass er, obwohl er sklavisch an dem üblichen Genre-Konzept klebt - d.h. völlig unmotiviert irgendeiner unserer Helden in jeder noch so brenzligen Lage eine Kamera mitlaufen lässt bzw. gerade die zweite Hälfte ausschließlich aus Flucht-Szenen besteht, deren einziger nennenswerte Fortschritt es ist, dass unsere Figuren mehr und mehr dezimiert werden - in Sachen Beleuchtung, Kameraführung, Bildkompositinoen doch einigermaßen den Versuch unternommen hat, UFO nicht wie eins der visuellen Armutszeugnisse aus der Schmiede von Marcel Walz aussehen zu lassen, gegen die sich selbst die Vorabend-Doku-Soap eines Privatfernsehsenders wie ein inhaltlich und optisch befriedigendes Arthouse-Drama ausnimmt. Meine wohl liebste Szene in UFO unterstreicht recht morbide, worauf mein Lob abzielt: Während ihres Stapfens durch den Wald, stoßen unsere Jungfilmer auf eine Lichtung voller toter Vögel. Amseln, Spatzen, Eulen, was weiß ich noch alles, liegt dort hübsch und tot versammelt. Die Zeit, die unsere Helden nutzen, um darüber zu spekulieren, was all das Federvieh denn vom Himmel geholt haben könnte, nutzt Grieco wiederum dafür, ausgiebig im surrealen Anblick der zahllosen akurat im Dickicht drapierten Tierkörper zu schwelgen. Mit einfachsten Mitteln gelingt es UFO gerade in dieser Szene eine ungemein bedrückend-morbide Stimmung zu beschwören – vor allem auch weil offensichtlich ist, dass wir es mit Lebewesen zu tun haben, die wirklich kurz vorher noch zwischen Wolken gekreist haben dürften.
Damit nicht der Eindruck entsteht, ich hätte meinen Frieden mit einem Kino geschlossen, das, statt vorwärts zu steuern, stehenbleibt, und auf der Stelle tritt bis noch der originellste Einfall so oft mit den Schuhsohlen in Kontakt gekommen ist, dass er wirkt wie eine saftlose Zitrone, muss ich UFO natürlich trotzdem bescheinigt, dass das kein Film sein dürfte, an den ich in, sagen wir, vier, fünf Tagen noch irgendeinen Gedanken verschwenden werde. Dass Grieco seit DIE PRÄSENZ inzwischen immerhin in der Lage ist, meinen kritischen Geist für achtzig Minuten einigermaßen bei der Stange zu halten, heißt noch lange nicht, dass sein Film irgendeine Relevanz besitzt, die darüber hinausgehen würden, eben einfach das Konzept von THE BLAIR WITCH PROJECT mit Motiven aus Ridley Scotts ALIEN zu verschränken. Wie Jogi aber schon sagt: Gerade im Found-Footage-Sektor gibt es derart viele ungenießbare Gurken, dass ich bereits über jede noch so saftlose Zitrone froh bin - vor allem wenn sie Tentakeln und pulsierende Alien-Eier tragen...