Originaltitel: Be My Cat: A Film for Anne
Produktionsland: Rumänien 2015
Regie: Adrian Tofei
Darsteller: Adrian Tofei, Alexandra Stroe, Sonia Teodoriu, Florentina Hariton
Seit Adrian Anne Hathaway als Catwoman in Christopher Nolans THE DARK KNIGHT RISES gesehen hat, ist er unsterblich verliebt in die US-amerikanische Schauspielerin. Was liegt, da er sich außerdem zum Arthouse-Regisseur berufen fühlt, näher als gemeinsam einen Film mit ihr zu drehen? Problem ist nur: Adrian wohnt mit Ende Zwanzig noch immer bei seiner Mutter auf dem rumänischen Land, und möchte dieses auch nicht verlassen, sondern seinen Film BE MY CAT in der vertrauten Umgebung seiner Kindheit und Jugend inszenieren. Wieso Anne nicht erstmal ein Video zuschicken, in dem er ihr seine Beweggründe erklärt, sein Projekt vorstellt und zugleich schon einmal einige Szenen in Rohfassung präsentiert, in denen sie später als Hauptdarstellerin glänzen soll, die aber erstmal mit anderen Actrissen quasi als visuelles Exposé realisiert worden sind? Tatsächlich findet Adrian im Netz eine Dame, die nicht nur aussieht wie Anne, sondern zudem bereit ist, in seinem vermeintlich nur auf den Weltruhm wartenden Film mitzuspielen. Schnell jedoch bringt er sie mit seiner penetranten Art, den obskuren Stalking-Szenarien, die er ihr und sich auf den Leib geschrieben hat, und schier absurder Schauspielvorgaben dazu, die Polizei zu rufen. Damit endet der Realismus, den Adrian anstrebt, noch nicht: Das Chloroform, mit dem er seine Schauspielerin schließlich betäubt, ist genauso echt wie die Fesseln, mit der er sie auf einem Hotelzimmerbett gefesselt hat, und wie die eigenen Hände, mit denen er sie vor laufender Kamera erstickt. Mehr und mehr kristallisiert sich bei Adrians pausenlosen Monologen in seine Handkamera, die sich parallel dazu für ihn ebenso mehr und mehr in Frau Hathaway selbst verwandelt, heraus: Wir haben es mit einem waschechten Psychopathen zu tun, der nicht nur glaubt, bald mit seiner Anne und einem Haufen Kinder irgendwo in den Hügeln Hollywoods zu leben, sondern mit seinem Katzenfilm auch so etwas die seelische Läuterung der gesamten Menschheit als Agenda im Blick hat. Außerdem hat er noch weitere naive junge Frauen gefunden, die, solange sie glauben, dass ihnen das Ruhm und Geld einbringt, sogar bereit sind, einem Wildfremden in schalldichte Kellerräume zu folgen…
Die Prämissen lassen BE MY CAT zugegebenermaßen klingen wie eine etwas elaborierte Variante solcher Fake-Snuff-Werke wie GUINEA PIG: AKUMA NO JIKKEN oder AUGUST UNDERGROUND: BE MY CAT besteht allein aus einem Zusammenschnitt von Adrians Kamera-Aufzeichnungen, unser Held leidet unter einer reichlich desolaten Psychen, und entwickelt sich vor unseren Augen vom sozial isolierten Sonderling zum Frauenschlächter, inszeniert letztlich seine Gräueltaten für den Blick der Kamera als Film-im-Film, und statt eines Vorspanns erklärt uns eine Texttafel, wie authentisch doch wäre, was wir gleich zu sehen bekommen („This film has been edited from the 25 hours of footage found by police at the 'Be My Cat' crime scene in Radauti, Romania on May 20, 2014“). Trotz dieser Kongruenzen könnte BE MY CAT indes eigentlich nicht weiter entfernt sein von Filmen des oben erwähnten Schlages, deren Hauptziel es ist, grausige Folter- und Todesszenen so realistisch, d.h. so schmucklos wie möglich in verwackelt-verwaschenen Amateur-Bildern einzufangen.
Das Konzept von BE MY CAT ist, auch wenn es zunächst noch so simpel klingt, wesentlich komplexer: Der aus dem Improvisationstheater stammende Adrian Tofei entwickelt bereits in einer preisgekrönten One-Man-Show namens THE MONSTER 2012 eine Kunstfigur, die dem Publikum in Sträflingsuniform von seiner manischen Liebe zu einer Schauspielerin berichtet, und von den Straftaten, die seine Obsession ihn zu begehen gezwungen hat. Für BE MY CAT hat er diesen Charakter nicht nur weiterentwickelt, sondern gleich mit seinem tatsächlichen Leben verschmelzen lassen: Tofei zieht zurück zu seiner Mutter in seinen Heimatort Radauti nahe der Ukrainischen Grenze, finanziert sein Projekt hauptsächlich über die Crowdfunding-Plattform Indiegogo, lernt seine Darstellerinnen über Internet-Chats kennen, und filmt bereits ihre erste Treffen unablässig mit der Kamera – alles exakt so wie der Adrian im Film. Regisseur Tofei und seine Figur Adrian kleben symbiotisch aneinander, so wie die Handlung des Films, den Adrian in BE MY CAT drehen will – und der ebenfalls BE MY CAT heißt -, und die außerhalb ihrer Rollen bestehende Beziehung zwischen Adrian und seinen Schauspielerinnen kaum voneinander zu trennen sind. Als eine der Schauspielerinnen (in ihrer Rolle) die Polizei ruft, tut sie das wirklich, und wenn seine Darstellerinnen ihn in dem gemieteten Hotelzimmer besuchen, dann sind sie tatsächlich zum ersten Mal dort. Das vielschichtige Gewebe aus Diegese (die Handlung von Adrians Film, in dem Anne Hathaway später die Hauptrolle übernehmen soll), Extradiegese (die Interaktion von Adrian mit seinen Schauspielerinnen außerhalb dieses Films, zum Beispiel wenn er ihnen Regieanweisungen gibt oder erklärt, weshalb eine Szene wieder und wieder gedreht werden muss) und Metadiegese (die Tatsache, dass Adrian Tofei außerhalb seiner gleichnamigen Kunstfigur ebenfalls offensichtlich gerade ein Regisseur ist, der einen Film dreht, nämlich den Pseudo-Snuff-Film BE MY CAT) müsste Tofeis Debut an sich schon zum gefundenen Fressen für Medien- und Filmwissenschaftsstudenten machen – selbst wenn BE MY CAT nicht auch nebenbei ein einfach nur innovativer, unterhaltsamer, zugleich verstörender wie humorvoller Film wäre.
In Wirklichkeit sind die Mordszenen – von denen es eh nur zwei gibt – so wenig plakativ wie möglich inszeniert, und liegt der Fokus von Tofeis Film auf dem schrägen, mit zunehmender Laufzeit immer verrückter werdenden Verhalten der von ihm verkörperten Figur. Eins vorweg: Adrian Tofei merkt man an, mit was für einem Enthusiasmus er sich in der Rolle des sozial isolierten Sonderling versenkt hat. Es ist ähnlich wie bei Joe Spinells Verkörperung von Frank Zito in MANIAC: Man mag kaum glauben, dass BE MY CAT nicht tatsächlich Aufnahmen eines echten Psychopathen beinhaltet, der irgendwo in Rumänien tatsächlich sinnlos Frauen abgeschlachtet hat. Dabei gelingt Tofei, ebenso wie Spinell, das Kunststück, seinen Adrian nicht einfach nur als verabscheuungswürdiges Ungeheuer zu zeichnen, sondern immer wieder auch Mitleid und Sympathien für ihn zu erwecken, den Wunsch, ihn in den Arm zu nehmen oder ihm das Messer aus der Hand zu schlagen, manchmal sogar, seine verquere Perspektive einzunehmen, oder herzhaft über/mit ihm zu lachen. BE MY CAT ist, wie Tofeis Bühnenprogramme, eine reine One-Man-Show, neben der alles Übrige zum schmucken Beiwerk wird. Wenn Adrian der Kamera bzw. Anne utopisch verkitschte Liebeserklärungen entgegenstammelt, möchte man vor Fremdscham im Fernsehsessel versinken. Wenn er sich gegenüber seiner Schauspielerinnen zum Prototyp des tyrannischen Directors entwickelt, und von ihnen schier Unmögliches verlangt, möchte man ihn gerne am Kragen packen und zur Ordnung rufen. Wenn er zu seinem liebsten rumänischen Schlager – Nu plecăm acasă von Stelian Maria – peinlich unbeholfen vor der Kamera herumtanzt, möchte man gerne darauf scheißen, wie man auf andere wirkt, und ihm in seinem Außenseitertum Gesellschaft leisten.
Bei alldem schwankt der Film – (welcher von den vielen nun eigentlich?) – konsequent zwischen grotesker Komik, Schau-der/Schock und freien Improvisationen, denen man ansieht und anhört, dass sie, was BE MY CAT seine dichte Authentizität verleiht, ohne ein Drehbuch entstanden sind. Eine Szene, in der diese drei Aspekte ziemlich großartig zusammentreffen, ist folgende: Adrian hat eine seiner Darstellerinnen an eine Matratze im Hotelkeller gefesselt, und erklärt der anwesenden zweiten, sie müsse sich nun entfernen, denn für die Szene könne er keine Zuschauer gebrauchen. Nachdem sie sich entfernt hat, packt er seine Werkzeuge aus, und eröffnet der Gefesselten, dass er sie nun vor laufender Kamera zerstückeln müsse – das sei das ultimative Opfer, für den Film, für die Kunst, für Anne Hathaway. Während die Dekomposition im Gange ist – zurückhaltend hinter einem Vorhang gefilmt, der den Körper der Märtyrerin bis zum Brustbereich verhüllt -, stolpern zwei ältere Herren aus der Pension, angelockt von den schrillen Schmerzensschreien, in den Keller. Adrian schafft es, sie abzuwimmeln: Wir drehen doch einen Film hier, das wissen Sie doch. Sie geht völlig in ihrer Rolle auf!, sagt er und deutet auf sein bereits halb ohnmächtiges Opfer. Was für ein irrer Kunst-Spinner!, denken die Männer und entfernen sich lachend. Diese Szene fasst schön zusammen, an was für einer hochinteressanten Schnittstelle zwischen sogenannter Realität, Fiktion und Fiktion innerhalb einer Fiktion BE MY CAT platziert ist: Das Blut ist Kunstblut, die beiden Pensionsgäste aber sind, Tofei zufolge, echt, d.h. herbeigerufen von dem Gekreisch seiner Darstellerin, die jedoch in ihrer Rolle verbleibt, und die Männer, so wie es ein wirkliches Opfer in diesem Moment getan hätte, um Hilfe anfleht. Diegese, Extradiegese, Metdiegese fallen ineinander wie drei Wellen, die am Ende eine einzige Pfütze ergeben.
Extra erwähnt werden muss wohl nicht, dass BE MY CAT, dessen Budget sich auf gerade mal 10.000 Euro beläuft, einer Ästhetik verpflichtet ist, die sich von der anderer Found-Footage-Filme höchstens dadurch unterscheidet, dass sie noch ein bisschen kahler daherkommt. BE MY CAT sieht und wirkt von der ersten bis zur letzten Minute wie das (aus), was die Texttafel vorgibt, das er ist – was im Umkehrschluss auch bedeutet, dass es keine einzige Szene gibt, bei der der Umstand, dass die Kamera läuft, nicht irgendwie logisch begründet wäre, und dramaturgische Schauwerte sich dementsprechend in Grenzen halten, deren enge Strickmaschen die Erwartungshaltung vieler Leute, nehme ich an, einigermaßen unbefriedigend einschnüren dürfte. BE MY CAT ist vielmehr ein intelligenter, schauspielerisch beängstigend realistisch dargebotener Film, der sein selbstreflexives Potential nicht, wie viele andere Vertreter seines Genres, an inflationäre Flucht- und Todesszenen in unruhigen Kamerabildern verschenkt, sondern es nutzt, mich regelrecht wie in einem Spinnennetz in ein Geflecht aus Dokumentation, Inszenierung, Hollywood-Seitenhieben, Offenlegen der eigenen Produktionsbedingungen, meta-poetologischen Monologen, Grand-Guignol-esken Gewalteinsprengseln und wahnhaften Katzenphantasien zu verstricken.
Die Prämissen lassen BE MY CAT zugegebenermaßen klingen wie eine etwas elaborierte Variante solcher Fake-Snuff-Werke wie GUINEA PIG: AKUMA NO JIKKEN oder AUGUST UNDERGROUND: BE MY CAT besteht allein aus einem Zusammenschnitt von Adrians Kamera-Aufzeichnungen, unser Held leidet unter einer reichlich desolaten Psychen, und entwickelt sich vor unseren Augen vom sozial isolierten Sonderling zum Frauenschlächter, inszeniert letztlich seine Gräueltaten für den Blick der Kamera als Film-im-Film, und statt eines Vorspanns erklärt uns eine Texttafel, wie authentisch doch wäre, was wir gleich zu sehen bekommen („This film has been edited from the 25 hours of footage found by police at the 'Be My Cat' crime scene in Radauti, Romania on May 20, 2014“). Trotz dieser Kongruenzen könnte BE MY CAT indes eigentlich nicht weiter entfernt sein von Filmen des oben erwähnten Schlages, deren Hauptziel es ist, grausige Folter- und Todesszenen so realistisch, d.h. so schmucklos wie möglich in verwackelt-verwaschenen Amateur-Bildern einzufangen.
Das Konzept von BE MY CAT ist, auch wenn es zunächst noch so simpel klingt, wesentlich komplexer: Der aus dem Improvisationstheater stammende Adrian Tofei entwickelt bereits in einer preisgekrönten One-Man-Show namens THE MONSTER 2012 eine Kunstfigur, die dem Publikum in Sträflingsuniform von seiner manischen Liebe zu einer Schauspielerin berichtet, und von den Straftaten, die seine Obsession ihn zu begehen gezwungen hat. Für BE MY CAT hat er diesen Charakter nicht nur weiterentwickelt, sondern gleich mit seinem tatsächlichen Leben verschmelzen lassen: Tofei zieht zurück zu seiner Mutter in seinen Heimatort Radauti nahe der Ukrainischen Grenze, finanziert sein Projekt hauptsächlich über die Crowdfunding-Plattform Indiegogo, lernt seine Darstellerinnen über Internet-Chats kennen, und filmt bereits ihre erste Treffen unablässig mit der Kamera – alles exakt so wie der Adrian im Film. Regisseur Tofei und seine Figur Adrian kleben symbiotisch aneinander, so wie die Handlung des Films, den Adrian in BE MY CAT drehen will – und der ebenfalls BE MY CAT heißt -, und die außerhalb ihrer Rollen bestehende Beziehung zwischen Adrian und seinen Schauspielerinnen kaum voneinander zu trennen sind. Als eine der Schauspielerinnen (in ihrer Rolle) die Polizei ruft, tut sie das wirklich, und wenn seine Darstellerinnen ihn in dem gemieteten Hotelzimmer besuchen, dann sind sie tatsächlich zum ersten Mal dort. Das vielschichtige Gewebe aus Diegese (die Handlung von Adrians Film, in dem Anne Hathaway später die Hauptrolle übernehmen soll), Extradiegese (die Interaktion von Adrian mit seinen Schauspielerinnen außerhalb dieses Films, zum Beispiel wenn er ihnen Regieanweisungen gibt oder erklärt, weshalb eine Szene wieder und wieder gedreht werden muss) und Metadiegese (die Tatsache, dass Adrian Tofei außerhalb seiner gleichnamigen Kunstfigur ebenfalls offensichtlich gerade ein Regisseur ist, der einen Film dreht, nämlich den Pseudo-Snuff-Film BE MY CAT) müsste Tofeis Debut an sich schon zum gefundenen Fressen für Medien- und Filmwissenschaftsstudenten machen – selbst wenn BE MY CAT nicht auch nebenbei ein einfach nur innovativer, unterhaltsamer, zugleich verstörender wie humorvoller Film wäre.
In Wirklichkeit sind die Mordszenen – von denen es eh nur zwei gibt – so wenig plakativ wie möglich inszeniert, und liegt der Fokus von Tofeis Film auf dem schrägen, mit zunehmender Laufzeit immer verrückter werdenden Verhalten der von ihm verkörperten Figur. Eins vorweg: Adrian Tofei merkt man an, mit was für einem Enthusiasmus er sich in der Rolle des sozial isolierten Sonderling versenkt hat. Es ist ähnlich wie bei Joe Spinells Verkörperung von Frank Zito in MANIAC: Man mag kaum glauben, dass BE MY CAT nicht tatsächlich Aufnahmen eines echten Psychopathen beinhaltet, der irgendwo in Rumänien tatsächlich sinnlos Frauen abgeschlachtet hat. Dabei gelingt Tofei, ebenso wie Spinell, das Kunststück, seinen Adrian nicht einfach nur als verabscheuungswürdiges Ungeheuer zu zeichnen, sondern immer wieder auch Mitleid und Sympathien für ihn zu erwecken, den Wunsch, ihn in den Arm zu nehmen oder ihm das Messer aus der Hand zu schlagen, manchmal sogar, seine verquere Perspektive einzunehmen, oder herzhaft über/mit ihm zu lachen. BE MY CAT ist, wie Tofeis Bühnenprogramme, eine reine One-Man-Show, neben der alles Übrige zum schmucken Beiwerk wird. Wenn Adrian der Kamera bzw. Anne utopisch verkitschte Liebeserklärungen entgegenstammelt, möchte man vor Fremdscham im Fernsehsessel versinken. Wenn er sich gegenüber seiner Schauspielerinnen zum Prototyp des tyrannischen Directors entwickelt, und von ihnen schier Unmögliches verlangt, möchte man ihn gerne am Kragen packen und zur Ordnung rufen. Wenn er zu seinem liebsten rumänischen Schlager – Nu plecăm acasă von Stelian Maria – peinlich unbeholfen vor der Kamera herumtanzt, möchte man gerne darauf scheißen, wie man auf andere wirkt, und ihm in seinem Außenseitertum Gesellschaft leisten.
Bei alldem schwankt der Film – (welcher von den vielen nun eigentlich?) – konsequent zwischen grotesker Komik, Schau-der/Schock und freien Improvisationen, denen man ansieht und anhört, dass sie, was BE MY CAT seine dichte Authentizität verleiht, ohne ein Drehbuch entstanden sind. Eine Szene, in der diese drei Aspekte ziemlich großartig zusammentreffen, ist folgende: Adrian hat eine seiner Darstellerinnen an eine Matratze im Hotelkeller gefesselt, und erklärt der anwesenden zweiten, sie müsse sich nun entfernen, denn für die Szene könne er keine Zuschauer gebrauchen. Nachdem sie sich entfernt hat, packt er seine Werkzeuge aus, und eröffnet der Gefesselten, dass er sie nun vor laufender Kamera zerstückeln müsse – das sei das ultimative Opfer, für den Film, für die Kunst, für Anne Hathaway. Während die Dekomposition im Gange ist – zurückhaltend hinter einem Vorhang gefilmt, der den Körper der Märtyrerin bis zum Brustbereich verhüllt -, stolpern zwei ältere Herren aus der Pension, angelockt von den schrillen Schmerzensschreien, in den Keller. Adrian schafft es, sie abzuwimmeln: Wir drehen doch einen Film hier, das wissen Sie doch. Sie geht völlig in ihrer Rolle auf!, sagt er und deutet auf sein bereits halb ohnmächtiges Opfer. Was für ein irrer Kunst-Spinner!, denken die Männer und entfernen sich lachend. Diese Szene fasst schön zusammen, an was für einer hochinteressanten Schnittstelle zwischen sogenannter Realität, Fiktion und Fiktion innerhalb einer Fiktion BE MY CAT platziert ist: Das Blut ist Kunstblut, die beiden Pensionsgäste aber sind, Tofei zufolge, echt, d.h. herbeigerufen von dem Gekreisch seiner Darstellerin, die jedoch in ihrer Rolle verbleibt, und die Männer, so wie es ein wirkliches Opfer in diesem Moment getan hätte, um Hilfe anfleht. Diegese, Extradiegese, Metdiegese fallen ineinander wie drei Wellen, die am Ende eine einzige Pfütze ergeben.
Extra erwähnt werden muss wohl nicht, dass BE MY CAT, dessen Budget sich auf gerade mal 10.000 Euro beläuft, einer Ästhetik verpflichtet ist, die sich von der anderer Found-Footage-Filme höchstens dadurch unterscheidet, dass sie noch ein bisschen kahler daherkommt. BE MY CAT sieht und wirkt von der ersten bis zur letzten Minute wie das (aus), was die Texttafel vorgibt, das er ist – was im Umkehrschluss auch bedeutet, dass es keine einzige Szene gibt, bei der der Umstand, dass die Kamera läuft, nicht irgendwie logisch begründet wäre, und dramaturgische Schauwerte sich dementsprechend in Grenzen halten, deren enge Strickmaschen die Erwartungshaltung vieler Leute, nehme ich an, einigermaßen unbefriedigend einschnüren dürfte. BE MY CAT ist vielmehr ein intelligenter, schauspielerisch beängstigend realistisch dargebotener Film, der sein selbstreflexives Potential nicht, wie viele andere Vertreter seines Genres, an inflationäre Flucht- und Todesszenen in unruhigen Kamerabildern verschenkt, sondern es nutzt, mich regelrecht wie in einem Spinnennetz in ein Geflecht aus Dokumentation, Inszenierung, Hollywood-Seitenhieben, Offenlegen der eigenen Produktionsbedingungen, meta-poetologischen Monologen, Grand-Guignol-esken Gewalteinsprengseln und wahnhaften Katzenphantasien zu verstricken.