Originaltitel: Wendy - Der Film
Produktionsland: Deutschland 2017
Regie: Dagmar Seume
Darsteller: Jule Hermann, Benjamin Sadler, Jasmin Gerat, Maren Kroymann, Julius Hotz
Es ist Sommer, und der Opa gestorben, weswegen Blondschopf Wendy zusammen mit dem mitten in der Pubertät steckenden Bruder Tom, der seltsam abwesenden, weil ständig mit ihrem Smartphone kommunizierenden Mutter Heike und dem smarten Papa Gunnar die hippe Oma Herta auf ihrem Bauernhof irgendwo im bundesdeutschen Hinterland besucht. Obwohl Wendy sich freilich freut, die geliebte Großmutter wiederzusehen, ist ihre Laune aber nicht nur wegen der anstehenden Beerdigung getrübt: Einstmals aufstrebende Dressurreiterin hat unsere Heldin vor genau einem Jahr einen schweren Unfall gehabt, aus dem sie schwer traumatisiert hervorgegangen ist. Noch immer trägt sie an ihrem rechten Bein eine Orthese, die sie, wenn ich das richtig verstanden habe, eigentlich gar nicht mehr bräuchte, und unerbittlich ist sie ihren Eltern gegenüber, deren Versuche, sie doch wieder auf einen Pferderücken zu locken, sie mit dem unverrückbaren Standpunkt begegnet, nie wieder in ihrem Leben mit dem Hintern einen Sattel berühren zu wollen. Natürlich stehen die Entschlüsse eines zwölfjährigen Kindes nicht auf allzu festen Sockeln, denn kaum ist Wendy Zeugin geworden, wie der örtliche Metzger einer Stute zu Leibe rücken will, die es nur in letzter Not schafft, vor seinem Schlachtbeil in die Wälder zu türmen, entwickelt sich zwischen Mädchen und Tier bald schon eine Freundschaft, die das Universum bedeutet. Wendy versteckt Dixie, wie sie ihre neue Freundin nennt, zunächst in einer abgelegenen Forsthütte, dann, als ihre Erzfeindin Vanessa hinter ihr wieherndes Geheimnis zu kommen droht, bei Oma im Stall, wo es sich sowieso bereits allerlei Getier von Hühnern bis Hängebauchschweinen gutgehenlässt. Einen wirklichen Konflikt gibt es bis jetzt in WENDY – DER FILM nicht, und wird es auch nicht mehr geben: Zwar thematisiert das Drehbuch an der äußersten Peripherie mit irritierender Beiläufigkeit das ökonomische Damoklesschwert, das an einem Rosshaar über Großmutters Hof baumelt, der, wie Papa Gunnar seufzt, wohl nicht lange in Familienbesitz bleiben wird – ein Subplot, der übrigens genauso lapidar aufgegriffen wie in der Finalszene abgetan wird, ohne die geringsten Auswirkungen auf die Kernhandlung zu haben -, und zwar wird mit der Zicke Vanessa auch so etwas wie eine Antagonistin etabliert, deren Neid Wendys Reitkünsten gegenüber sie dazu verleitet, deren innige Beziehung zu Dixie mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mittel zu torpedieren – Mittel, die, da es sich bei Vanessa um ein kleines Mädchen handelt, freilich an einem Finger abgezählt werden können -, so richtig in dramatische Fahrt kommen will die Geschichte allerdings nicht, und plätschert stattdessen über weite Strecken bedächtig dahin statt, wie es der Trailer suggeriert, im wildesten Galopp an mir vorbei zu brausen – zumal nun wirklich keine der Stationen, die Wendy auf ihrem Weg zur selbstbewussten Pferdeflüsterin meistern muss, nicht dem Mädchenabenteuer-Klischeebaukasten entstammen würde.
Zugutehalten muss ich dem Film allerdings, dass er mit seiner unaufgeregten Inszenierung weiträumig die Gefahrenzonen von plakativem Pathos und peinlichem Klamauk umfährt. Tatsächlich ist WENDY – DER FILM weitgehend einem Realismus ver-pflichtet, der seine Charaktere und selbst die abstruseren Verwicklungen seines Drehbuchs kaum einmal überzeichnet oder mit dem Holzhammer bearbeitet. So bunt und glattgeschleckt die Ästhetik des Films sein mag – das Grün der Natur knallt einem derart grell in die Fresse, dass man es nur für unnatürlich halten kann! -, und so zum Bersten voll von Zeitlupenaufnahmen bebender Nüstern und Erde aufwirbelnder Hufen – wie die Kamera Dixies Pferdekörper regelrecht fetischisiert, das sollte man aber eigentlich schon gesehen haben! - oder sterilen Kamerafahrten über Wiesen, Wälder, Felder hinweg – ihr wisst schon, die Kamera gleitet über die Landschaften hinweg wie die Hand eines Werbefachmanns, der jeden Knorpel sofort unter den Tisch kehrt, und das, was schön ist, über Gebühr ausleuchten lässt -, so wenig belastet er meine Nerven mit comic-relief-Figuren, salzverkrustetem Kitsch oder allzu unglaubwürdigen Plot-Kapriolen. Selbst in seinen aufwühlenderen Szenen – Wendy reißt sich die symbolische Manschette vom Bein, um sich auf Dixies Rücken zu schwingen, oder: Wendy und Vanessa stecken nachts im Moor fest, und müssen damit rechnen, von ihm verschluckt zu werden – verbleibt der Film in seinem gleichmütigen Tonfall ohne Höhen und Tiefen, den man wahlweise langweilig oder ehrlich finden kann. WENDY ist nicht besonders spannend, nicht besonders dramatisch, nicht mal besonders witzig und kein bisschen dazu geeignet, jemanden, der noch nie auf einem Pferd saß, die Magie der Reitkunst zu entschlüsseln. Da ich jedoch all das gar nicht von diesem Film erwartet habe – um ehrlich zu sein, rechnete ich in Anbetracht des Titels und meiner nur rudimentären Kenntnisse der zugrundeliegenden Zeitschrift mit einem ungleich plüschigeren Heile-Welt-Schmarrn -, bin ich letztlich doch positiv überrascht von der unspektakulären, kurzweiligen Art und Weise, mit der WENDY mir eineinhalb Stunden Lebenszeit gestohlen hat, nachdem ich sie dem Film angeboten hatte. Hitchcocks MARNIE ist freilich aber immer noch der bessere Film über Frauen und ihr Verhältnis zu Pferden…