Twin Peaks Staffel 3 - Folgen 9 bis 12
Puuhhh... das wird jetzt schwierig. Dass ich die Folgen geguckt habe ist etwas her. Dass dies (bis auf Folge 9) an einem Stück geschah, macht die Sache nicht einfacher. Die dritte Staffel ist mehr als alles andere ein 18-stündiger Spielfilm, den Lynch in kleine Teile zerschnitten und dann neu zusammengesetzt hat. Seiner eigenen Aussage nach, würde es auch keinen Unterschied machen, in welcher Reihenfolge man die Epsioden anschaut. Was sehr nach einem meiner Lieblingsschriftsteller, Julio Cortázar, klingt, der 1963 mit seinem Roman "Rayuela. Himmel und Hölle" ein ähnliches Experiment wagte. Nun kann ich 8noch) nicht beurteilen, ob Lynchs Aussage so stimmt. Es gibt aber Hinweise darauf, dass die lineare Struktur der Geschichte gar nicht linear ist, sondern auf verschiedenen Zeitebenen spielen könnte und die zeitliche Abfolge der Stränge nicht stimmt. Ich habe das aber jetzt erstmal wie eine "normale" Serie geschaut und das funktioniert einerseits gut, andererseits kann ich aufgrund der fragmentierten Struktur nicht mehr auseinanderhalten, was in welcher Episode geschah. Ich versuche das jetzt mal anhand eines recht guten "Recap" auf der MUBI zu rekonstruieren.
Folge 09
Die Ruhe nach dem Bildersturm der großartigen achten Folge, die einem das Hirn ordentlich durchgerüttelt hat. Der Gang wird erstmal wieder runtergeschaltet - wobei diese eigentümlich beunruhigende Atmosphäre vorherrscht, bei der jede eigentlich banale Szene irgendwie wortwörtlich "verrückt" erscheint. Irgendwas stimmt nicht, aber man kann nicht immer den Finger drauf legen. Im Great Western hören Benjamin Horne (Richard Beymer) und seine Sekretärin Beverly Paige (eine tolle Ashley Judd) ein seltsames Summen, können aber nicht herausfinden woher es kommt. Diese Szene ist ebenso unspektakulär, wie halbtraum-artig. Es weckt in einem ein schwer zu beschreibendes, ungutes und doch irgendwie auch fasziniertes Gefühl. Eben, als ob man sich kurz vor Einschlafen schon in einem Halbtraumphase befindet, wo einem merkwürdige Bilder und Gedanken durch den Kopf rauschen. So würde ich generell diese dritte Staffel beschreiben. Eine ähnliche Szene gibt es, wenn Dougie mit seiner Frau auf einer Bank im Versuicherungsgebäude sitzt und seine ganze Aufmerksamkeit viel zu lange einer amerikanischen Flagge in der Ecke, den roten High Heels einer vorbeigehenden Dame und den Steckdosen in der Wand gilt. Und wir lernen ein Redneck-Killerpärchen kennen (Jennifer Jason Leigh und Tim Roth!). Ansonsten ermitteln das FBI weiter und wird mit einer bizarren Leiche konfrontiert. Und Albert wird eine kleine Lovestory gegönnt! Highlight der Folge: Sheriff Truman und seine Deputies Hawk und Bobby Briggs besuchen Bobbys Mutter, die schon seit Jahren auf sie gewartet hat (da der Major es ihr genau so prophezeit hat), um ihnen eine geheimnisvolle Nachricht vom verstorbenen Major Briggs zu überreichen.
Folge 10
Nach der eher ruhigen Folge 9 hat die Nummer 10 wieder einen Vorschlaghammer bereit. Richard Horne (Eamon Farren) kehrt zurück. Ich glaube, ich habe noch nie einen solchen hassenswerten Charakter in irgendeiner TV-Serie gesehen. Dieser Typ macht mich wirklich krank. Hier schaut er zunächst bei der einzigen Zeugin vorbei, die ihn als Mörder des kleinen Jungen (siehe Episode 6) identifizieren kann und prügelt sie tot. Dann besucht er seine Großmutter, um sie zusammenzuschlagen, zu beleidigen, sie zu bedrohen und ihr ihr ganzes Geld und Schmuck zu rauben. Zwischenzeitlich macht er sich noch über den behinderten Johnny (der an einen Rollstuhl gefesselt ist und stundenlang auf einen seltsamen Teddy mit Glaskugel-Kopf schaut, der ständig ""Hello, Johnny. How are you today?"" fragt). Das alles ist so brutal inszeniert, dass man einfach nur sprachlos zurückbleibt. Ebenfalls zurück kehrt die Log Lady, die Hawk wieder mysteriöse Hinweise gibt und ihm klar macht, dass sie nicht mehr lange da sein wird. Was einem das Herz bricht, wenn man weiß, dass Catherine E. Coulson todkrank war und bald darauf gestorben ist. Dann gibt es noch eine kurze, aber effektive Schocksequenz, wenn Gordon Cole eine Vision von Laura Palmer hat. Um das Ganze etwas aufzulockern: Dougie hat Sex und es gefällt ihm offensichtlich!
Folge 11
Hammerfolge. Hier passiert so viel, dass ich es gar nicht zusammenfassen kan, ohne Seiten um Seiten runter zu schreiben. Und die Folge ist auch ziemlich gory. Endlich wird der Faden, der in den ersten beiden Folgen die Hauptrolle spielte, wieder aufgenommen. Aber nicht lange. Die unheimlichen "Woodsmen" sind wieder da und verrichten ihr extrem blutiges Handwerk. Lügen und Betrug prägen die Folge. Shelly und Bobbys Tochter Becky Burnett (Amanda Seyfried) erfährt, dass ihr drogenabhängiger Mann (auch so ein echter Scheißkerl zum Kotzen) sie betrügt und rastet aus. Dabei bringt sie fast ihre Mutter mit dem Auto um und schiesst dann völlig ausser sich um sich. Später sitzt sie mit ihren Eltern im Double R (großartige Szene mit einem überragenden Dana Ashbrook). Die Szene endet mit Schüssen, die das Double R treffen und dann in eine der bizzarsten, seltsamsten und albtraumhaftesten Sequenz überleiten, die nur eins ausssagt: "Your world is fucked". Danach ist man erstmal durch. Insgesamt eine echte Horror-Folge, die einem noch lange durch den Kopf spukt. In Las Vegas trifft Dougie in der Wüste auf die Mitchum Brothers, die ihn dort töten wollen. Aber ein Kirschkuchen (!) rettet ihm das Leben und am Ende feiern alle fröhlich zu den Klängen von Angelo Badalamenti, der auch zufällig höchstpersönlich am Klavier sitzt.
Folge 12
The Return of Audrey Horne (Sherilyn Fenn)! Plötzlich it sie da. Steht in einem Raum (Wo? Wann?) und ist sauer. Irgendwie ist "Billy" verschwunden. Der Mann, "den sie fickt". Sie fordert ihren Ehemann (?), einen Kleinwüchsigen, auf, ihr zu helfen, Billy zu finden. Der weigert sich, willigt aber schließlich ein Tina anzurufen. Am Telefon scheint er dramatische, schreckliche Dinge zu erfahren. Er legt auf, sagt nichts. Audrey schreit ihn an, ihr zu sagen, was er gehört hat. Stille. Ich glaube ja fast, dies ist eine Vorschau darauf, was den Zuschauer am Ende von Episode 18 erwarten wird. "David! Erzähl es mir!" Stille. Ansonsten gib es viel Gerede um das "Project Blue Book" (was ich aber ehrlicherweise nicht alles verstanden habe). Hawk besucht Sarah Palmer und man hat das Gefühl, dass in dem Palmer-Haus etwas sehr, sehr ungutes vor sich geht. Es gibt eine fast schon Tarantino-mäßige Szene mit J.J. Leigh und Tim Roth (die ja auch gerade in QTs "Hateful Eight" zusammen gespielt haben), sowie eine wundervolle, komödiantische und unendlich lang gezogene Szene mit Albert, Gordon und einer französischen Frau im engen roten Kleid. Und so langsam beginnen Fäden aufeinander zu zu kriechen.