Was nicht passt, wird passend gemacht - P. Thorwarth (2002)

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Was nicht passt, wird passend gemacht - P. Thorwarth (2002)

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Originaltitel: Was nicht passt, wird passend gemacht

Herstellungsland: Deutschland / 2002

Regie: Peter Thorwarth

Darsteller: Willi Thomczyk, Ralf Richter, Hilmi Sözer, Peter Thorwarth, Dietmar Bär, Alexandra Maria Lara, Armin Dillenberger, Crescentia Dünßer, Nicholas Bodeux, Michael Brandner, Patrizia Moresco, Tana Schanzara u. A.
Nach seinem Diplom in Architektur will Philip (Peter Thorwarth) noch eine Bescheinigung für ein Praktikum haben. Hierzu will er auf der Baustelle von Bauunternehmer Werner Wiesenkamp (Dietmar Bär) eine ruhige Kugel schieben. Doch der Polier Horst (Willi Thomczyk) und die Bauarbeiter Kalle (Ralf Richter) und Kümmel (Hilmi Sözer), Wiesenkamps sogenannte Chaotentruppe, lassen den Jungakademiker gewaltig schuften und zeigen ihm das wirkliche Leben. Einziger Lichtblick ist Horsts hübsche Tochter Astrid (Alexandra Maria Lara). Als dann noch ein illegaler polnischer Gastarbeiter auf dem Bau tödlich verunglückt, ist das Chaos perfekt...
Quelle: www.ofdb.de

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Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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Re: Was nicht passt, wird passend gemacht - P. Thorwarth (2002)

Beitrag von buxtebrawler »

Nach einer Reihe von Kurzfilmen debütierte Regisseur Peter Thorwarth in Sachen Langfilm 1999 mit seiner fulminanten Ruhrpott-Komödie „Bang Boom Bang – Ein todsicheres Ding“ und landete damit nicht weniger als einen Kulthit, eine der bis heute besten deutschen Komödien. Als zweiter Beitrag zur lose zusammenhängenden „Unna-Trilogie“ folgte 2002 „Was nicht passt, wird passend gemacht“, basierend auf einem von Thorwarths Kurzfilmen, der im Ruhrpott-Bauarbeiter-Milieu angesiedelt und beinahe ein ebensolcher Volltreffer wie das Debüt geworden wäre:

Die Bauunternehmerbrüder Wiesenkamp haben die Firma ihres Vaters unter sich aufgeteilt und da sie sich spinnefeind sind, konkurrieren sie miteinander. Die Nase vorn hat dabei stets Ernst Wiesenkamp (Michael Brandner, „Club Las Piranjas“), der lukrative Aufträge an Land zieht, während sein Bruder Werner (Dietmar Bär, „Der Formel Eins Film“) mit einer mehr am Biertrinken und Herumalbern denn am Malochen interessierten Gurkentruppe ein Eigenheim für eine verspießtes Lehrerpaar hochziehen muss und kurz vor der Pleite steht. Von seinen Angestellten, dem Polier Horst (Willi Thomczyk, „Die Camper“), Proll Kalle (Ralf Richter, „Verlierer“) und Türke Kümmel (Hilmi Sözer, „Voll Normaaal“), lässt er sich überreden, sich einen Schwarzarbeiter vom „Polenstrich“ zu holen. Gesagt, getan: Marek (Armin Dillenberger, „Wir können auch anders…“) tritt seinen Dienst an. Was Werner nicht ahnt: Seine Arbeiter wollen ihrem ewig klammen Chef einen bösen Streich spielen, um sich eine Art Schweigegeld zu erschleichen… Ebenfalls uneingeweiht ist Praktikant Philip (Peter Thorwarth), der gerade sein Architekturstudium beendet hat, jedoch noch ein mehrwöchiges Praktikum auf dem Bau absolvieren muss – und von Kalle & Co. argwöhnisch beäugt und abschätzig als intellektueller Klugschwätzer behandelt wird. Zu allem Überfluss verguckt sich Philip auch noch ausgerechnet in Astrid (Alexandra Maria Lara, „Crazy“), die Tochter des Poliers, was diesem alles andere als recht ist. Ach, und dann ist da ja noch die Fliegerbombe, die mitten auf der Baustelle entdeckt wird. Nun ist Improvisationstalent gefragt: Was nicht passt, wird passend gemacht, also wird das Haus einfach ein bisschen kleiner gebaut als vom Architekten (Stefan Jürgens, „RTL Samstag Nacht“) geplant. Dumm nur, dass dieser eine Stippvisite zwecks Kontrolle angekündigt hat… Da schlägt Philips große Stunde: In einer nächtlichen Hauruckaktion manipuliert er die Architekturpläne. Dass sich Wiesenkamp, Horst und die Arbeiter damit längst in einer Spirale aus Widersprüchen, Lügen und immer weiteren Problemen verfangen haben, dürfte klar sein…

„Was nicht passt, wird passend gemacht“ nimmt seine Figuren als proletarische Aushangschilder einer bestimmten Region ernst, um sie gleichzeitig karikierend zu überzeichnend und damit den speziellen, derben, aber auch herzlichen lokaltypischen Humor herauszukitzeln und einer breiten Öffentlichkeit zu präsentieren. Auf sog. politische Korrektheit kann dabei keinerlei Rücksicht genommen werden, insbesondere der Umgang mit dem türkischstämmigen Kümmel, der bereits bei der Wahl (bzw. vielmehr Zuweisung) seines Spitznamens beginnt, ist in dieser Hinsicht der reinste Quell der Freude: Der perfekt Deutsch sprechende Kümmel macht sich nicht das Geringste aus seinem Spitznamen und diversen Frotzeleien, weiß, dass das alles nicht ernstgemeint ist und macht sich stattdessen selbst einen Spaß daraus, den Gutmenschen von überkorrekten Lehrern, an deren Haus er mitbaut, den nur gebrochen die deutsche Sprache beherrschenden Klischeetürken vorzuspielen – köstlich!

Im breiten grammatisch fragwürdigen Pott-Slang wird eine Geschichte erzählt, die nah an ihren Figuren ist, sich sämtlicher verfügbarer Klischees bedient und in der Konstellation Ruhrpott/Baustelle das Ultimum an Proletenschauplatz auffährt, seine tiefe Sympathie für diesen Menschenschlag jedoch nie verbirgt und auch unbedarften Zuschauern dadurch ein Milieu auf eine Weise näherbringt, die sowohl zum herzhaften Lachen als auch zum Überdenken eben jener Klischees einlädt. Dies macht den besondere Charme der Thorwarth’schen Filme aus, die natürlich gerade auch von ihren Schauspielern leben. „Bang Boom Bang“ war traumbesetzt; „Was nicht passt…“ muss leider ohne Diether Krebs (R.I.P.!) auskommen, kann jedoch wieder mit einem Ralf Richter in einer ikonenhaften Rolle als Maurer mit bekritzeltem Helm, dreckigem weißem Unterhemd und tiefergelegter Karre punkten, der die 100% perfekte Wahl für diesen Film gewesen ist. Besser geht’s nun wirklich nicht. Auch seine Kollegen liefern erstklassig ab und finden sich perfekt in ihre Rollen und damit verbundenen Marotten ein. Eine Ausnahme bildet Peter Thorwarth, der den Praktikanten Philip selbst spielt und dem man seine Unerfahrenheit anmerkt. Da er aber nun einmal einen baustellenunerfahrenen, unsicheren, schüchternen Jüngling spielen muss, passt das dann doch recht adäquat.

Gegenüber „Bang Boom Bang“ schwächelt das Drehbuch etwas, das eine ähnlich stark konstruierte Geschichte entspinnt, die hier aber weniger flutscht, eher etwas bemüht wirkt und sich schließlich in allzu absurden Albernheiten wie der „Y.M.C.A.“-Choreographie auf der Baustelle oder – besonders schlimm – Werner Wiesenkampf mies getrickstem Cessna-Flug verliert. Da verliert er jeden Realismus, der den Film vorher ausgemacht hat; Klamauk statt Situationskomik steht ihm nicht gut zu Gesicht. Glücklicherweise beschränkt sich dies auf wenige Szenen. Was überwiegt sind Pott-Folklore, warmherziger, rauer Humor, viel Sprachwitz und persiflierte Klischees, die mal bestätigt und mal ad absurdum geführt werden – untermalt von einem klasse Soundtrack Stefan Stoppocks. Statt in die Ferne zu schweifen oder erfolgreiche Konzepte zu kopieren, widmet sich Thorwarth zusammen mit seinen Co-Autoren Matthias Dinter und Martin Ritzenhoff dem, was ihm am nächsten liegt: seiner Heimat – und fährt mit der daraus resultierenden Individualität verdammt gut.

Aus diesem Spielfilm entstand im Anschluss eine Fernsehserie, die 2003 in zwei Staffeln auf Pro7 lief. Dazu später an anderer Stelle mehr.
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