Originaltitel: La ocasión
Produktionsland: Spanien 1978
Regie: José Ramón Larraz
Darsteller: Ángel Alcázar, Roberto Camardiel, Félix Dafauce, Javier Escrivá Teresa Gimpera
Abt. Vorglühen für Köln…
Als die Eheleute Anna und Pablo nach längerer Abwesenheit in ihr Ferienhaus am Mittelmeerstrand zurückkehren, finden sie dessen Innenleben völlig zerschlagen vor. Ohne sich für die darin befindlichen Luxusartikel zu interessieren, haben die Eindringlinge scheinbar allein einer sinnlosen Zerstörungswut gehorcht. Die Badezimmertür wiederum wurde von ihnen mit einem stilisierten Teufelchen verzieht, das Anna zunächst zutiefst verstört, und dann immer häufiger ihre Augen auf seinen feurroten Leib lenkt, bis Pablo es endlich übermalt hat. Wer hinter dem Attentat auf ihr ostentativ ausgelebtes Bürgertum steckt, steht für diesen bald fest: Eine Gruppe Hippies nämlich, die keinen Hehl aus ihrem hedonistischen Lebensstil, natürlich bestehend aus Sex, Drogen und Rock n Roll, machen, halten sich zurzeit in der Gegend auf, campieren am Strand, schwimmen im Meer, versorgen sich mit Lebensmitteln bei einem örtlichen Milchbauer, Pablos und Annas einzigem und nächstem Nachbar, und genieren sich kein bisschen, auch mal in Sichtweite unserer Helden alle Hüllen fallenzulassen. Während Pablo die jungen Leute aus nachvollziehbaren Gründen ein Dorn im Auge sind, fasziniert Anna ihr ungezwungenes, unkonventionelles Rebellentum – und das nicht zuletzt, weil ihre Ehe längst in genau jenen Konventionen und Zwängen erstarrt ist, die die Kommunarden demonstrativ ablehnen: Gibt sie sich Pablo hin, dann nur widerwillig, während der, wenn er merkt, dass seine Frau alles andere als willig ihre Schenkel spreizt, sowohl ihr als auch sich selbst einen ganzen Katalog ausgesprochener, vor allem aber unausgesprochener Vorwürfe macht. Ein paar Tage existieren die Hippies und Pablo/Anna dennoch relativ friedlich nebeneinander. Der Waffenstillstand endet jäh, als der erwähnte Milchbauer, der zu Hause eine schwerkranke Frau hat und dem das Berühren von Kuhzitzen schon lange kein vollwertiger Ersatz für fehlende körperliche Nähe mehr ist, gegenüber einem der Mädchen, das bei ihm die wöchentliche Lebensmittelration abholen möchte, seine Triebe nicht mehr im Zaum zu halten weiß: Ihre mangelnd bedeckten Brüste setzen ihn derart in Erregung, dass er sie zu vergewaltigen versucht. Das lassen ihre Freunde freilich nicht auf sich sitzen, und verweisen ihn effektiv in seine Schranken. Dass sie kurz darauf – bis auf ihren Anführer – von der Polizei abtransportiert werden, hat aber nichts damit zu tun, dass der von ihnen verdroschene Bauer sie verpfiffen hat, sondern an Pablo, der seinen politischen Einfluss geltend gemacht hat, um diese ernsthafte Gefahr für sein konformes Eheleben endlich aus der Welt zu schaffen. Nun aber, als der zurückbleibende Hippie-Chef seinem Feindbild offen den Krieg erklärt, eskaliert die Situation erst richtig...
Mit Larrazs ein Jahr zuvor entstandenem EL MIRÓN verbindet EL OCASIÓN mehr als nur eine Gemeinsamkeit: Zunächst, dass sich im Fokus beider Filme ein Ehepaar am Scheideweg befindet, das aufgrund unterschiedlicher sexueller Vorlieben im Prozess des Auseinanderlebens schon ziemlich weit fortgeschritten ist. Zudem, dass dieser Prozess durchaus ernsthaft, ohne grelle Obertöne, ohne exzessive Sex- oder Gewaltszenen, sondern realistisch, psychologisch fundiert erzählt wird, komplett der Versuchung wiederstehend, den jeweiligen Stoff, der dazu durchaus Anlass gegeben hätte, in irgendeiner Weise, und wenn auch nur partiell, exploitativ auszuschlachten. Außerdem gehört EL OCASIÓN – für mich völlig unverständlich – zu den eher unbekannteren Filmen Larrazs, und, zugleich, zu jenen, die mir bei meinem tour-de-force-Ritt durch das Oeuvre des Kataloniers bislang am besten gemundet haben.
Was beide Filme letztlich voneinander scheidet, ist, dass es sich bei dem, was die Eheleute Ramon und Elena letztlich auf Distanz zueinander bringt, mit Ramons krankhafter Eifersucht bzw. seinen voyeuristischen Neigungen in EL MIRÓN primär um eine innere, mentale Angelegenheit handelt. In EL OCASIÓN erhält dieses Trennende demgegenüber eine konkrete externe Gestalt: Was Anna erst veranschaulicht, wie viel sie in der biederen Ehe mit Pablo vermisst, sind die nackten oder halbnackten Hippies, die scheinbar nur von Luft, Liebe und Sonnenschein leben, und unverblümt leidenschaftlichen Sex an jedem beliebigen Ort haben, wo sie die Lust daran gerade überfällt. Interessant ist, dass Larraz auch hier keinerlei Wertung vornimmt, keine Stellung bezieht. Weder glorifiziert EL OCASÍON das sexuelle Erwachen einer Hausfrau, die sich einer Kommune anschließt, und im Gegenzug die Orgasmen ihres Lebens erhält, noch stellt er die Hippie-Bande als subversive, die Fundamente der Gesellschaft bedrohende Elemente dar, die es am besten auszumerzen gilt. Weder wird Pablo mit seinen konservativen Idealen der Lächerlichkeit preisgegeben noch Annas immer lauter werdende Begierden als zu unterdrückende Normabweichungen konnotiert. Noch interessanter wird Larrazs Drehbuch mit seinen Ambivalenzen und Leerstellen, wenn man es als Parabel auf die politischen Umbrüche im Spanien der 70er Jahre liest: Die Hippies als progressive Kräfte, die leicht ins Destruktive umschlagen können. Pablo als Repräsentant des Franco-Regimes, das jahrzehntelang derart progressiv-destruktive Kräfte auf Abstand gehalten hat, und sie nun nicht mal mehr vom eigenen Privatstrand fernzuhalten vermag. Anna als Spanien selbst, ein zerrissenes Land zwischen Reform und Reaktion, das selbst nicht recht weiß, wohin es mit ihm geht. SYMPTOMS, VAMPYRES, DEVIATION sind großartige Filme, sicherlich, doch irgendwie entdecke ich gerade genauso, wenn nicht sogar noch glorreichere Qualitäten des Larraz'schen Gesamtrepertoires in denjenigen Filmen, die noch immer komplett unterhalb des Radars dümpeln, und dort auf eine angemessene Heimmedien-Veröffentlichung warten.
Als die Eheleute Anna und Pablo nach längerer Abwesenheit in ihr Ferienhaus am Mittelmeerstrand zurückkehren, finden sie dessen Innenleben völlig zerschlagen vor. Ohne sich für die darin befindlichen Luxusartikel zu interessieren, haben die Eindringlinge scheinbar allein einer sinnlosen Zerstörungswut gehorcht. Die Badezimmertür wiederum wurde von ihnen mit einem stilisierten Teufelchen verzieht, das Anna zunächst zutiefst verstört, und dann immer häufiger ihre Augen auf seinen feurroten Leib lenkt, bis Pablo es endlich übermalt hat. Wer hinter dem Attentat auf ihr ostentativ ausgelebtes Bürgertum steckt, steht für diesen bald fest: Eine Gruppe Hippies nämlich, die keinen Hehl aus ihrem hedonistischen Lebensstil, natürlich bestehend aus Sex, Drogen und Rock n Roll, machen, halten sich zurzeit in der Gegend auf, campieren am Strand, schwimmen im Meer, versorgen sich mit Lebensmitteln bei einem örtlichen Milchbauer, Pablos und Annas einzigem und nächstem Nachbar, und genieren sich kein bisschen, auch mal in Sichtweite unserer Helden alle Hüllen fallenzulassen. Während Pablo die jungen Leute aus nachvollziehbaren Gründen ein Dorn im Auge sind, fasziniert Anna ihr ungezwungenes, unkonventionelles Rebellentum – und das nicht zuletzt, weil ihre Ehe längst in genau jenen Konventionen und Zwängen erstarrt ist, die die Kommunarden demonstrativ ablehnen: Gibt sie sich Pablo hin, dann nur widerwillig, während der, wenn er merkt, dass seine Frau alles andere als willig ihre Schenkel spreizt, sowohl ihr als auch sich selbst einen ganzen Katalog ausgesprochener, vor allem aber unausgesprochener Vorwürfe macht. Ein paar Tage existieren die Hippies und Pablo/Anna dennoch relativ friedlich nebeneinander. Der Waffenstillstand endet jäh, als der erwähnte Milchbauer, der zu Hause eine schwerkranke Frau hat und dem das Berühren von Kuhzitzen schon lange kein vollwertiger Ersatz für fehlende körperliche Nähe mehr ist, gegenüber einem der Mädchen, das bei ihm die wöchentliche Lebensmittelration abholen möchte, seine Triebe nicht mehr im Zaum zu halten weiß: Ihre mangelnd bedeckten Brüste setzen ihn derart in Erregung, dass er sie zu vergewaltigen versucht. Das lassen ihre Freunde freilich nicht auf sich sitzen, und verweisen ihn effektiv in seine Schranken. Dass sie kurz darauf – bis auf ihren Anführer – von der Polizei abtransportiert werden, hat aber nichts damit zu tun, dass der von ihnen verdroschene Bauer sie verpfiffen hat, sondern an Pablo, der seinen politischen Einfluss geltend gemacht hat, um diese ernsthafte Gefahr für sein konformes Eheleben endlich aus der Welt zu schaffen. Nun aber, als der zurückbleibende Hippie-Chef seinem Feindbild offen den Krieg erklärt, eskaliert die Situation erst richtig...
Mit Larrazs ein Jahr zuvor entstandenem EL MIRÓN verbindet EL OCASIÓN mehr als nur eine Gemeinsamkeit: Zunächst, dass sich im Fokus beider Filme ein Ehepaar am Scheideweg befindet, das aufgrund unterschiedlicher sexueller Vorlieben im Prozess des Auseinanderlebens schon ziemlich weit fortgeschritten ist. Zudem, dass dieser Prozess durchaus ernsthaft, ohne grelle Obertöne, ohne exzessive Sex- oder Gewaltszenen, sondern realistisch, psychologisch fundiert erzählt wird, komplett der Versuchung wiederstehend, den jeweiligen Stoff, der dazu durchaus Anlass gegeben hätte, in irgendeiner Weise, und wenn auch nur partiell, exploitativ auszuschlachten. Außerdem gehört EL OCASIÓN – für mich völlig unverständlich – zu den eher unbekannteren Filmen Larrazs, und, zugleich, zu jenen, die mir bei meinem tour-de-force-Ritt durch das Oeuvre des Kataloniers bislang am besten gemundet haben.
Was beide Filme letztlich voneinander scheidet, ist, dass es sich bei dem, was die Eheleute Ramon und Elena letztlich auf Distanz zueinander bringt, mit Ramons krankhafter Eifersucht bzw. seinen voyeuristischen Neigungen in EL MIRÓN primär um eine innere, mentale Angelegenheit handelt. In EL OCASIÓN erhält dieses Trennende demgegenüber eine konkrete externe Gestalt: Was Anna erst veranschaulicht, wie viel sie in der biederen Ehe mit Pablo vermisst, sind die nackten oder halbnackten Hippies, die scheinbar nur von Luft, Liebe und Sonnenschein leben, und unverblümt leidenschaftlichen Sex an jedem beliebigen Ort haben, wo sie die Lust daran gerade überfällt. Interessant ist, dass Larraz auch hier keinerlei Wertung vornimmt, keine Stellung bezieht. Weder glorifiziert EL OCASÍON das sexuelle Erwachen einer Hausfrau, die sich einer Kommune anschließt, und im Gegenzug die Orgasmen ihres Lebens erhält, noch stellt er die Hippie-Bande als subversive, die Fundamente der Gesellschaft bedrohende Elemente dar, die es am besten auszumerzen gilt. Weder wird Pablo mit seinen konservativen Idealen der Lächerlichkeit preisgegeben noch Annas immer lauter werdende Begierden als zu unterdrückende Normabweichungen konnotiert. Noch interessanter wird Larrazs Drehbuch mit seinen Ambivalenzen und Leerstellen, wenn man es als Parabel auf die politischen Umbrüche im Spanien der 70er Jahre liest: Die Hippies als progressive Kräfte, die leicht ins Destruktive umschlagen können. Pablo als Repräsentant des Franco-Regimes, das jahrzehntelang derart progressiv-destruktive Kräfte auf Abstand gehalten hat, und sie nun nicht mal mehr vom eigenen Privatstrand fernzuhalten vermag. Anna als Spanien selbst, ein zerrissenes Land zwischen Reform und Reaktion, das selbst nicht recht weiß, wohin es mit ihm geht. SYMPTOMS, VAMPYRES, DEVIATION sind großartige Filme, sicherlich, doch irgendwie entdecke ich gerade genauso, wenn nicht sogar noch glorreichere Qualitäten des Larraz'schen Gesamtrepertoires in denjenigen Filmen, die noch immer komplett unterhalb des Radars dümpeln, und dort auf eine angemessene Heimmedien-Veröffentlichung warten.