Originaltitel: Luto riguroso
Produktionsland: Spanien 1977
Regie: José Ramón Larraz
Darsteller: Charo López, Cristina Ramón, Inés Morales, Cipe Lincovsky, Carlos Ballesteros
Abt. Vorglühen für Köln...
In einem Dorf im tiefsten Spanien ist nach langer Krankheit der Patriarch einer wohlhabenden Familie, bestehend aus seiner nunmehrigen Witwe sowie drei Töchtern, verstorben: Während Tina, die älteste der Schwestern, bereits verheiratet ist und mit ihrem Gatten Mario, einem reifen Galan, in der Stadt wohnt, haben Loli, ein halbes Kind noch, und vor allem Piedad sich bis zuletzt aufopferungsvoll um ihren Vater gekümmert, obwohl das Verhältnis zwischen diesem und dem reinen Frauenhaushalt nicht unkompliziert gewesen ist. Beispielweise soll der mutmaßliche Despot seine Ehefrau zeitlebens behandelt haben, als würde sie an einer Geisteskrankheit leiden, und seine Beziehung zu Piedad scheint ebenfalls über eine harmlose innige Vater-Tochter-Konstellation hinausgegangen zu sein. Deshalb leidet gerade Piedad unter dem Tod des geliebten Vaters – nicht zuletzt, weil sie in ihrer selbstgewählten Rolle als Krankenpflegerin vollständig jedwede sozialen Kontakte vernachlässigt hat, die über den engen Kreis der Familie hinausgereicht hätten. Um den Verlust des Vaters zu kompensieren, flüchtet sie sich in die titelgebende strenge Trauer, weigert sich, etwas anderes als Schwarz zu tragen, verbringt täglich mehrere Stunden auf dem Friedhof, und lässt nur nachts, wenn das ganze Haus schläft, zu, dass ihre unterdrückten sexuellen Sehnsüchte sich in verzweifelt-wütender Masturbation Bahn brechen. Für die ebenfalls gerade ihre Sexualität entdeckende Loli führt der Tod des Papas indes zu ungeahnten Freiheiten: Immer häufiger macht sie sich in die karge Hügellandschaft außerhalb des Familiensitzes auf, um Zeit mit einem bärtigen Einsiedler zu verbringen, der mindestens dreißig Jahre älter ist als sie, und verständlicherweise nicht primär von den intellektuellen Qualitäten des naiven, weltfremden Mädchens angezogen wird. Auch Mario stellt bald fest, dass die betonte Sinnesfeindlichkeit der introvertierte Piedad erst recht seine eigene Libido anstachelt, und er beginnt, die Schwägerin zu umwerben. Dass diese das zunächst überhaupt nicht bemerkt, liegt vor allem daran, dass sie vollauf damit beschäftigt ist, den Willen ihres Vaters gegenüber der restlichen Familie durchzuboxen: Nein, Loli soll nicht, wie Tina es wünscht, auf ein Internat nach Madrid verbracht werden, um ihr eine Ausflucht aus der menschenleeren Einsamkeit des spanischen Hinterlands zu ermöglichen, und nein, sie ist auch strikt dagegen, dass ihre Mutter den horrende Unterhaltungskosten verschlingenden Familiensitz verkauft. Eines Tages wird Loli, als sie auf dem Weg zu ihrem vagabundierenden Freund in den Bergen ist, von einigen Hirten, denen ihre Besuche bei dem Eremiten schon lange ein Dorn im Auge gewesen sind, überwältigt und vergewaltigt…
Es bleibt dabei: Die für mich interessantesten Filme innerhalb José Ramón Larrazs Oeuvre finden sich in den mittleren und späten 70er, nachdem er, sicherlich nicht zuletzt begünstigt durch den Tod eines anderen Patriarchen, nämlich den General Francos, und den dadurch einsetzenden Wandel des politischen Klimas in seinem Heimatland, nach Spanien zurückgekehrt ist, und auf der Basis schlichter Drehbücher und schnörkelloser Inszenierungen kleine, persönliche Filme dreht, die zwar allesamt, mal mehr, mal weniger, sexuelle Konflikte behandeln, dabei aber noch reduzierter zu Werke gehen als seine vorherigen, in Großbritannien entstandenen Horrorfilme und Thriller mit ihren formalen Genre-Zugeständnissen, ihrem Repertoire an schauerromantischen Topoi, und ihren zeitweise dann doch einigermaßen graphischen Sex- und Gewaltszenen. Deren melancholischen, teilweise tieftraurigen Stimmungen rettet Larraz aber nichtdestotrotz auch in seine realistischeren Dramen wie EL OCASIÒN, EL MIRÓN oder eben LUTO RIGOROS hinüber, einem Film, der offenkundig noch mehr dem Vergessen anheimgefallen ist als die beiden zuvor genannten, und der – (auch das hätte ich nicht gedacht) – sich noch mehr den Konventionen eines „seriösen“, gesellschaftskritischen, psychologisch fundierten Kinos angleicht, das von exploitativen Tendenzen nicht mal vom Hörensagen etwas vernommen zu haben scheint, und problemlos auf jedem Arthouse-Festival hätte gezeigt werden können.
Das soll jedoch nicht heißen, dass LUTO RIGUROSO Larraz‘ Kniefall vor dem Mainstream darstellt – ganz im Gegenteil. Völlig freigewaschen von Vampirlesben, mordenden Lederhandschuhen, bizarren Sex-Orgien in befremdlichem Ambiente, oder mythologisch überhöhten Phantasien von Frauen, die in den Rümpfen goldmetallener Pferdchen knien, erhält man in LUTO RIGUROSO einen unverstellten Blick auf die Qualitäten, die Larraz per se auszeichnen: Wie dicht er bei seinen Charakteren ist, und, ohne große Knalleffekte, mit Piedad das Psychogramm einer einsamen, psychisch labilen, sexuell frustrierten Frau zeichnet. Wie ökonomisch sein Drehbuch verfährt, und, ohne großes Aufheben darum zu machen, die Verhältnisse dieser dysfunktionalen Familie pointiert seziert, wobei, wie so oft bei Larraz, ein altes Gemäuer als externes Sinnbild genau dieser interner Verhältnisse fungiert. Wie im Grunde die gesamte Handlung um unausgelebte und unbefriedigende Sexualität kreist, und Larraz kaum einmal überhaupt einen Streifen nackter Haut zu präsentieren braucht, um uns das zu verdetlichen. Es reicht, dass Loli von Piedad nach ihrer Vergewaltigung, als sei sie ein von den Geständnissen seiner Schäflein erregter Beichtvater, regelrecht verhört wird: „Wie war es?“, „Wie hast Du Dich gefühlt?“ Es reicht, dass Piedad und der Einsiedler sich lange Zeit einfach nur gegenseitig mit ihren Blicken durchdringen, als diese ihn in seiner Hütte aufsucht, um ihn zur Rede zu stellen. Es reichen all die wunderschön eingefangenen, durchaus an Larraz‘ frühere (und spätere) Horrorfilm-Ausflüge erinnernde Szenen auf dem kleinen spanischen Friedhof, wo Piedads Trauer um ihren Vater und ihr bisheriges verantwortungsloses Leben nicht nur sichtbar, sondern förmlich fühlbar wird. Es reicht das wiederum an EL MIRÓN gemahnende, bitter-ironische, zyklische Ende, in dem, ohne zu viel verraten zu wollen, die Ausgangskonstellation von vor Beginn des Films gewissermaßen wiederhergestellt wird, und das man, meine ich, durchaus als politische Allegorie auf die Umbrüche interpretieren kann, die in Larraz' Heimat zum Zeitpunkt der Dreharbeiten im Gange waren. LUTO RIGUROSO ist für mich wegen all dieser Faktoren einer der schönsten Filme, die Larraz jemals gedreht hat, und vielleicht der einzige Film dieses Regisseurs, den ich meiner Mutter vorführen könnte, ohne Anstoß zu erregen.
In einem Dorf im tiefsten Spanien ist nach langer Krankheit der Patriarch einer wohlhabenden Familie, bestehend aus seiner nunmehrigen Witwe sowie drei Töchtern, verstorben: Während Tina, die älteste der Schwestern, bereits verheiratet ist und mit ihrem Gatten Mario, einem reifen Galan, in der Stadt wohnt, haben Loli, ein halbes Kind noch, und vor allem Piedad sich bis zuletzt aufopferungsvoll um ihren Vater gekümmert, obwohl das Verhältnis zwischen diesem und dem reinen Frauenhaushalt nicht unkompliziert gewesen ist. Beispielweise soll der mutmaßliche Despot seine Ehefrau zeitlebens behandelt haben, als würde sie an einer Geisteskrankheit leiden, und seine Beziehung zu Piedad scheint ebenfalls über eine harmlose innige Vater-Tochter-Konstellation hinausgegangen zu sein. Deshalb leidet gerade Piedad unter dem Tod des geliebten Vaters – nicht zuletzt, weil sie in ihrer selbstgewählten Rolle als Krankenpflegerin vollständig jedwede sozialen Kontakte vernachlässigt hat, die über den engen Kreis der Familie hinausgereicht hätten. Um den Verlust des Vaters zu kompensieren, flüchtet sie sich in die titelgebende strenge Trauer, weigert sich, etwas anderes als Schwarz zu tragen, verbringt täglich mehrere Stunden auf dem Friedhof, und lässt nur nachts, wenn das ganze Haus schläft, zu, dass ihre unterdrückten sexuellen Sehnsüchte sich in verzweifelt-wütender Masturbation Bahn brechen. Für die ebenfalls gerade ihre Sexualität entdeckende Loli führt der Tod des Papas indes zu ungeahnten Freiheiten: Immer häufiger macht sie sich in die karge Hügellandschaft außerhalb des Familiensitzes auf, um Zeit mit einem bärtigen Einsiedler zu verbringen, der mindestens dreißig Jahre älter ist als sie, und verständlicherweise nicht primär von den intellektuellen Qualitäten des naiven, weltfremden Mädchens angezogen wird. Auch Mario stellt bald fest, dass die betonte Sinnesfeindlichkeit der introvertierte Piedad erst recht seine eigene Libido anstachelt, und er beginnt, die Schwägerin zu umwerben. Dass diese das zunächst überhaupt nicht bemerkt, liegt vor allem daran, dass sie vollauf damit beschäftigt ist, den Willen ihres Vaters gegenüber der restlichen Familie durchzuboxen: Nein, Loli soll nicht, wie Tina es wünscht, auf ein Internat nach Madrid verbracht werden, um ihr eine Ausflucht aus der menschenleeren Einsamkeit des spanischen Hinterlands zu ermöglichen, und nein, sie ist auch strikt dagegen, dass ihre Mutter den horrende Unterhaltungskosten verschlingenden Familiensitz verkauft. Eines Tages wird Loli, als sie auf dem Weg zu ihrem vagabundierenden Freund in den Bergen ist, von einigen Hirten, denen ihre Besuche bei dem Eremiten schon lange ein Dorn im Auge gewesen sind, überwältigt und vergewaltigt…
Es bleibt dabei: Die für mich interessantesten Filme innerhalb José Ramón Larrazs Oeuvre finden sich in den mittleren und späten 70er, nachdem er, sicherlich nicht zuletzt begünstigt durch den Tod eines anderen Patriarchen, nämlich den General Francos, und den dadurch einsetzenden Wandel des politischen Klimas in seinem Heimatland, nach Spanien zurückgekehrt ist, und auf der Basis schlichter Drehbücher und schnörkelloser Inszenierungen kleine, persönliche Filme dreht, die zwar allesamt, mal mehr, mal weniger, sexuelle Konflikte behandeln, dabei aber noch reduzierter zu Werke gehen als seine vorherigen, in Großbritannien entstandenen Horrorfilme und Thriller mit ihren formalen Genre-Zugeständnissen, ihrem Repertoire an schauerromantischen Topoi, und ihren zeitweise dann doch einigermaßen graphischen Sex- und Gewaltszenen. Deren melancholischen, teilweise tieftraurigen Stimmungen rettet Larraz aber nichtdestotrotz auch in seine realistischeren Dramen wie EL OCASIÒN, EL MIRÓN oder eben LUTO RIGOROS hinüber, einem Film, der offenkundig noch mehr dem Vergessen anheimgefallen ist als die beiden zuvor genannten, und der – (auch das hätte ich nicht gedacht) – sich noch mehr den Konventionen eines „seriösen“, gesellschaftskritischen, psychologisch fundierten Kinos angleicht, das von exploitativen Tendenzen nicht mal vom Hörensagen etwas vernommen zu haben scheint, und problemlos auf jedem Arthouse-Festival hätte gezeigt werden können.
Das soll jedoch nicht heißen, dass LUTO RIGUROSO Larraz‘ Kniefall vor dem Mainstream darstellt – ganz im Gegenteil. Völlig freigewaschen von Vampirlesben, mordenden Lederhandschuhen, bizarren Sex-Orgien in befremdlichem Ambiente, oder mythologisch überhöhten Phantasien von Frauen, die in den Rümpfen goldmetallener Pferdchen knien, erhält man in LUTO RIGUROSO einen unverstellten Blick auf die Qualitäten, die Larraz per se auszeichnen: Wie dicht er bei seinen Charakteren ist, und, ohne große Knalleffekte, mit Piedad das Psychogramm einer einsamen, psychisch labilen, sexuell frustrierten Frau zeichnet. Wie ökonomisch sein Drehbuch verfährt, und, ohne großes Aufheben darum zu machen, die Verhältnisse dieser dysfunktionalen Familie pointiert seziert, wobei, wie so oft bei Larraz, ein altes Gemäuer als externes Sinnbild genau dieser interner Verhältnisse fungiert. Wie im Grunde die gesamte Handlung um unausgelebte und unbefriedigende Sexualität kreist, und Larraz kaum einmal überhaupt einen Streifen nackter Haut zu präsentieren braucht, um uns das zu verdetlichen. Es reicht, dass Loli von Piedad nach ihrer Vergewaltigung, als sei sie ein von den Geständnissen seiner Schäflein erregter Beichtvater, regelrecht verhört wird: „Wie war es?“, „Wie hast Du Dich gefühlt?“ Es reicht, dass Piedad und der Einsiedler sich lange Zeit einfach nur gegenseitig mit ihren Blicken durchdringen, als diese ihn in seiner Hütte aufsucht, um ihn zur Rede zu stellen. Es reichen all die wunderschön eingefangenen, durchaus an Larraz‘ frühere (und spätere) Horrorfilm-Ausflüge erinnernde Szenen auf dem kleinen spanischen Friedhof, wo Piedads Trauer um ihren Vater und ihr bisheriges verantwortungsloses Leben nicht nur sichtbar, sondern förmlich fühlbar wird. Es reicht das wiederum an EL MIRÓN gemahnende, bitter-ironische, zyklische Ende, in dem, ohne zu viel verraten zu wollen, die Ausgangskonstellation von vor Beginn des Films gewissermaßen wiederhergestellt wird, und das man, meine ich, durchaus als politische Allegorie auf die Umbrüche interpretieren kann, die in Larraz' Heimat zum Zeitpunkt der Dreharbeiten im Gange waren. LUTO RIGUROSO ist für mich wegen all dieser Faktoren einer der schönsten Filme, die Larraz jemals gedreht hat, und vielleicht der einzige Film dieses Regisseurs, den ich meiner Mutter vorführen könnte, ohne Anstoß zu erregen.