Der französische Salon der Lady O.- José Ramón Larraz (1981)
Verfasst: Di 16. Okt 2018, 18:36
Originaltitel: Las alumnas de Madame Olga
Produktionsland: Spanien 1981
Regie: José Ramón Larraz
Darsteller: Helga Liné, George Gonce, Maria Harper, Lynn Endersson, Eva Lyberten, Jazmine Venturini
Abt. Nachglühen von Köln...
Mitten in London befindet sich die Musikschule der Madame Olga, in die betuchte Familien ihre Töchterchen schicken, damit sie den virtuosen Umgang mit Streich- und Tastinstrumenten erlernen. Was weder diese noch Olgas Nachbarn oder die örtliche Sittenpolizei ahnen: Hinter der konservativen Fassade des Konservatoriums tun sich sündhafte Abgründe auf. Madame Olga nämlich ist nichts anderes als eine gehobenere Puffmutter, die ihre Zöglinge, ausnahmslos adrette, gerade erst der Pubertät entstiegene Gören, an reiche, ergraute, fettwanstige Männer vermittelt, mit denen gemeinsam sie gesellschaftliche Veranstaltungen aufsuchen, und, unvermeidlicherweise, anschließend in Hotelzimmerbetten enden. Als eins von Olgas Küken bei einem Freier einen Ohnmachtsanfall erleidet, schafft die Bordellleiterin es zwar, das Mädchen ohne großes Aufsehen in die Obhut eines eingeweihten Arztes zu übergeben, problematisch ist jedoch der Jüngling Rafa, der die junge Frau in Begleitung des berühmten Politikers gesehen hat, und damit das Potential besitzt, sowohl dessen Karriere als auch Olgas Etablissement ans Messer zu liefern. Statt sich Rafa vom Hals zu schaffen, macht Olga ihn von sich abhängig, indem sie dem arbeitslosen Vagabunden einen sicheren Job bei sich im Bordell zur Akquise weiterer vermeintlicher Musikschülerinnen anbietet. Bald lernt Rafa die blutjunge Lavina kennen und lieben – was ihn allerdings nicht davon abhält, mit ihrer alkoholkranken Mutter ebenfalls eine Affäre zu beginnen, und zeitgleich seiner Chefin in den Rücken zu fallen, indem er mit Lavina deren Ausstieg aus dem Rotlichtmilieu und die Flucht in ein besseres Leben plant…
LAS ALUMNAS DE MADAME OLGA ist einer der eindrucksvollsten Beweise dafür, wie wenig José Ramón Larraz im Exploitation-Genre aufgehoben gewesen ist. Während seine ebenfalls in Großbritannien entstandenen frühen Schauerfilme wie SYMPTOMS oder VAMPYRES und seine späteren, in Spanien gedrehten persönlichen Dramen wie LUTO RIGUROSO oder EL MIRÓN deutlich erkennen lassen, dass es dem Regisseur und Drehbuchautor kaum darum ging, brutale Gewalt und expliziten Sex plump zur Schau zu stellen, sondern beides stattdessen gegen überdominante melancholische Stimmungsbilder, ausgefeilte psychologische Konflikte oder traumwandlerische, proto-surrealistische Plot-Kapriolen fortwährend den Kürzeren ziehen ließ, so kippt sein Oeuvre Ende der 70er merklich in die Richtung eines Kinos, das sich genau eine solche Agenda der Schauwerte auf die Fahne geschrieben hat: THE GOLDEN LADY ist eine inspirationslose Agentengeschichte um einen weiblichen James Bond, EL PERISCOPIO bedeutet Larraz‘ nur teilweise erfolgreiche Übernahme der Parameter der Sexualkomödie all’italiana, und LAS ALUMNAS DE MADAME OLGA ist eine eher unbefriedigende Melange aus ein bisschen CHRISTIANE F., ein bisschen SALON KITTY, ein bisschen Milieustudie, sowie einer unglaubwürdigen Liebesgeschichte, die vor allem darunter leidet, dass Larraz einfach keinen plakativen Film zu drehen vermag. In einem Kontext wie dem von LAS ALUMNAS DE MADAME OLGA gerät eine solche Tugend leicht zum Defizit: Zeigefreudigkeit, Kopulationen am laufenden Band, überzeichnete Figuren, spannende, wenn auch unrealistische Verwicklungen hätten dem Film, wenn nicht inhaltliche Qualität, so doch zumindest einen gewissen Unterhaltungswert verschafft. Dieser geht ihm in der vorliegenden Fassung jedoch nahezu vollends ab. Zu sehr ist Larraz an der Psychologie seiner uninteressanten Figuren interessiert, zu sehr daran, seine Geschichte plausibel und logisch zu erzählen, zu sehr daran, trotz einiger ausufernder Bettszenen, niemals ins allzu Voyeuristische abzugleiten, und stets die Balance zu wahren zwischen Arthouse und Exploitation, beziehungsweise das Pendel eindeutig in Richtung des ersteren ausschwingen zu lassen.
Das Ergebnis ist unausgegoren wie eine froschgrüne Banane: Für ein ernstzunehmendes Prostitutionsdrama sind die Charaktere, die Dialoge, die Prämisse, auf der der Film beruht, zu eindimensional, und wirken wie aus einem billigen Groschenroman. Für einen ernstzunehmenden Exploitation-Kracher sind die Charaktere, die Dialoge, die Prämisse demgegenüber zu brav, zu langweilig, zu sehr gegründet in einem sich selbst durchaus ernstnehmenden Verismus. Nicht dass der Film nicht hübsch anzuschauen wäre – die Interieurs, die Garderoben, die weiblichen Darsteller, die Kameraarbeit, der elegante Schnitt, für all das trifft wohl nur die Bezeichnung „geschmackvoll“ zu –, aber hinter seiner schönen Fassade verbirgt sich, analog zu Olgas Musikschule, eine klaffende Leere, deren Substanzlosigkeit nun wirklich nicht über eine Laufzeit von fast eineinhalb Stunden trägt – zumal Larraz es völlig versäumt, einen narrativen Fokus zu setzen, und sich mehr als einmal in seinem nun wirklich wenig komplexen Drehbuch verzettelt: Dass Helga Liné als Bordellchefin spätestens ab Mitte des Films zur bloßen Nebenfigur gerät, dass die Liebesgeschichte zwischen Lavina und Rafa mehrere Haken schlägt, die zumindest ich nicht nachvollziehen konnte, und von denen die Affäre Rafas zur permanent betrunkenen Mutter Lavinas noch derjenige ist, der am holprigsten ausschlägt, sowie dass die ganze Chose äußerst schludrig, beinahe lieblos zu Ende gebracht wird, indem auf einmal eine Freundin Lavinas ebenfalls um die Gunst Rafas wirbt, und diesem, als er sie nicht erhört, eine Bande Punks auf den Hals schickt, die Davidssterne auf ihre Wangen geschmiert und Sicherheitsnadeln durch ihre Wangen gebohrt tragen, kann ich mir nur damit erklären, dass LAS ALUMNAS DE MADAME OLGA kein Film gewesen ist, auf den Larraz wirklich viel Lust gehabt hat. Im Gegensatz zu manchem seiner in Vergessenheit geratenen Meisterwerke der mittleren bis späten 70er wundert es mich kein bisschen, wie stiefmütterlich der Streifen bislang rezipiert worden ist, und sollte der Spanier endlich die noch ausstehende Würdigung seines Schaffens anhand einer großangelegten Retrospektive erfahren, wäre vorliegendes Werk sicherlich eins, das ich niemals in die engere Auswahl nehmen würde.
Mitten in London befindet sich die Musikschule der Madame Olga, in die betuchte Familien ihre Töchterchen schicken, damit sie den virtuosen Umgang mit Streich- und Tastinstrumenten erlernen. Was weder diese noch Olgas Nachbarn oder die örtliche Sittenpolizei ahnen: Hinter der konservativen Fassade des Konservatoriums tun sich sündhafte Abgründe auf. Madame Olga nämlich ist nichts anderes als eine gehobenere Puffmutter, die ihre Zöglinge, ausnahmslos adrette, gerade erst der Pubertät entstiegene Gören, an reiche, ergraute, fettwanstige Männer vermittelt, mit denen gemeinsam sie gesellschaftliche Veranstaltungen aufsuchen, und, unvermeidlicherweise, anschließend in Hotelzimmerbetten enden. Als eins von Olgas Küken bei einem Freier einen Ohnmachtsanfall erleidet, schafft die Bordellleiterin es zwar, das Mädchen ohne großes Aufsehen in die Obhut eines eingeweihten Arztes zu übergeben, problematisch ist jedoch der Jüngling Rafa, der die junge Frau in Begleitung des berühmten Politikers gesehen hat, und damit das Potential besitzt, sowohl dessen Karriere als auch Olgas Etablissement ans Messer zu liefern. Statt sich Rafa vom Hals zu schaffen, macht Olga ihn von sich abhängig, indem sie dem arbeitslosen Vagabunden einen sicheren Job bei sich im Bordell zur Akquise weiterer vermeintlicher Musikschülerinnen anbietet. Bald lernt Rafa die blutjunge Lavina kennen und lieben – was ihn allerdings nicht davon abhält, mit ihrer alkoholkranken Mutter ebenfalls eine Affäre zu beginnen, und zeitgleich seiner Chefin in den Rücken zu fallen, indem er mit Lavina deren Ausstieg aus dem Rotlichtmilieu und die Flucht in ein besseres Leben plant…
LAS ALUMNAS DE MADAME OLGA ist einer der eindrucksvollsten Beweise dafür, wie wenig José Ramón Larraz im Exploitation-Genre aufgehoben gewesen ist. Während seine ebenfalls in Großbritannien entstandenen frühen Schauerfilme wie SYMPTOMS oder VAMPYRES und seine späteren, in Spanien gedrehten persönlichen Dramen wie LUTO RIGUROSO oder EL MIRÓN deutlich erkennen lassen, dass es dem Regisseur und Drehbuchautor kaum darum ging, brutale Gewalt und expliziten Sex plump zur Schau zu stellen, sondern beides stattdessen gegen überdominante melancholische Stimmungsbilder, ausgefeilte psychologische Konflikte oder traumwandlerische, proto-surrealistische Plot-Kapriolen fortwährend den Kürzeren ziehen ließ, so kippt sein Oeuvre Ende der 70er merklich in die Richtung eines Kinos, das sich genau eine solche Agenda der Schauwerte auf die Fahne geschrieben hat: THE GOLDEN LADY ist eine inspirationslose Agentengeschichte um einen weiblichen James Bond, EL PERISCOPIO bedeutet Larraz‘ nur teilweise erfolgreiche Übernahme der Parameter der Sexualkomödie all’italiana, und LAS ALUMNAS DE MADAME OLGA ist eine eher unbefriedigende Melange aus ein bisschen CHRISTIANE F., ein bisschen SALON KITTY, ein bisschen Milieustudie, sowie einer unglaubwürdigen Liebesgeschichte, die vor allem darunter leidet, dass Larraz einfach keinen plakativen Film zu drehen vermag. In einem Kontext wie dem von LAS ALUMNAS DE MADAME OLGA gerät eine solche Tugend leicht zum Defizit: Zeigefreudigkeit, Kopulationen am laufenden Band, überzeichnete Figuren, spannende, wenn auch unrealistische Verwicklungen hätten dem Film, wenn nicht inhaltliche Qualität, so doch zumindest einen gewissen Unterhaltungswert verschafft. Dieser geht ihm in der vorliegenden Fassung jedoch nahezu vollends ab. Zu sehr ist Larraz an der Psychologie seiner uninteressanten Figuren interessiert, zu sehr daran, seine Geschichte plausibel und logisch zu erzählen, zu sehr daran, trotz einiger ausufernder Bettszenen, niemals ins allzu Voyeuristische abzugleiten, und stets die Balance zu wahren zwischen Arthouse und Exploitation, beziehungsweise das Pendel eindeutig in Richtung des ersteren ausschwingen zu lassen.
Das Ergebnis ist unausgegoren wie eine froschgrüne Banane: Für ein ernstzunehmendes Prostitutionsdrama sind die Charaktere, die Dialoge, die Prämisse, auf der der Film beruht, zu eindimensional, und wirken wie aus einem billigen Groschenroman. Für einen ernstzunehmenden Exploitation-Kracher sind die Charaktere, die Dialoge, die Prämisse demgegenüber zu brav, zu langweilig, zu sehr gegründet in einem sich selbst durchaus ernstnehmenden Verismus. Nicht dass der Film nicht hübsch anzuschauen wäre – die Interieurs, die Garderoben, die weiblichen Darsteller, die Kameraarbeit, der elegante Schnitt, für all das trifft wohl nur die Bezeichnung „geschmackvoll“ zu –, aber hinter seiner schönen Fassade verbirgt sich, analog zu Olgas Musikschule, eine klaffende Leere, deren Substanzlosigkeit nun wirklich nicht über eine Laufzeit von fast eineinhalb Stunden trägt – zumal Larraz es völlig versäumt, einen narrativen Fokus zu setzen, und sich mehr als einmal in seinem nun wirklich wenig komplexen Drehbuch verzettelt: Dass Helga Liné als Bordellchefin spätestens ab Mitte des Films zur bloßen Nebenfigur gerät, dass die Liebesgeschichte zwischen Lavina und Rafa mehrere Haken schlägt, die zumindest ich nicht nachvollziehen konnte, und von denen die Affäre Rafas zur permanent betrunkenen Mutter Lavinas noch derjenige ist, der am holprigsten ausschlägt, sowie dass die ganze Chose äußerst schludrig, beinahe lieblos zu Ende gebracht wird, indem auf einmal eine Freundin Lavinas ebenfalls um die Gunst Rafas wirbt, und diesem, als er sie nicht erhört, eine Bande Punks auf den Hals schickt, die Davidssterne auf ihre Wangen geschmiert und Sicherheitsnadeln durch ihre Wangen gebohrt tragen, kann ich mir nur damit erklären, dass LAS ALUMNAS DE MADAME OLGA kein Film gewesen ist, auf den Larraz wirklich viel Lust gehabt hat. Im Gegensatz zu manchem seiner in Vergessenheit geratenen Meisterwerke der mittleren bis späten 70er wundert es mich kein bisschen, wie stiefmütterlich der Streifen bislang rezipiert worden ist, und sollte der Spanier endlich die noch ausstehende Würdigung seines Schaffens anhand einer großangelegten Retrospektive erfahren, wäre vorliegendes Werk sicherlich eins, das ich niemals in die engere Auswahl nehmen würde.