Onkel Remus' Wunderland - H. Foster & W. Jackson (1946)
Verfasst: Fr 19. Okt 2018, 07:05
von jogiwan
Onkel Remus' Wunderland
Originaltitel: Song of the South
Herstellungsland: USA / 1946
Regie: Harve Foster & Wilfred Jackson
Darsteller: Ruth Warrick, Bobby Driscoll, James Baskett, Luana Patten
Story:
Aufgrund nicht näher genannten Umständen muss der junge Johny mit seiner Mutter eine Zeit lang auf der Baumwoll-Plantage seiner Großmutter verbringen, während sein Vater zurück nach Atlanta fährt. Obwohl der Junge darüber sehr traurig ist, findet er rasch bei dem jungen Toby Anschluss und freundet sich auch mit Onkel Remus an, der in der Gegend für seine Geschichten über schlaue Hasen und böse Füchse und Bären berühmt ist, die wie Metaphern auch immer die Probleme der Zuhörer wiederspiegeln und Lösungen bereithalten. Als Johny von dem Nachbarsmädchen Ginny einen Hund geschenkt bekommt und diesen gegen den Willen seiner Mutter bei Onkel Remus unterbringt, führt dieses mit einer Verkettung unglücklicher Umstände auch dafür, dass die Stimmung auf der Farm schon wenig später kippt...
Re: Onkel Remus' Wunderland - H. Foster & W. Jackson (1946)
Verfasst: Fr 19. Okt 2018, 07:09
von jogiwan
„Onkel Remus´ Wunderland“ ist ja offenbar nicht nur der erste Streifen der Filmgeschichte, der Real- mit Trickfilmsequenzen vermischt, sondern auch der Familienfilm, der von Disney wegen Rassismus-Vorwürfen quasi in den Giftschrank gepackt wurde und seitdem seiner Veröffentlichung harrt. Ohne zu weit ausholen zu wollen ist der Film zwar nicht unbedingt mit seiner Thematik, aber dafür mit seinem Setting etwas problematisch, auch wenn hier meiner Meinung nach die politische Korrektheit hier wieder einmal weit über die Stränge schlägt. So wird das Verhältnis zwischen Schwarz und Weiß nicht näher definiert und auch der Zeitraum der Handlung bleibt vage, während der Ort der Handlung unschwer als Baumwollplantage im Süden der USA zu erkennen ist. Dennoch ist der Streifen in seiner Tendenz optimistisch und der junge Johny kennt auch keine Berührungsängste, während die Erwachsenen doch etwas distanzierter agieren. Kinder werden in dem Streifen mit seinen bunten Animationssequenzen wohl auch keine fragwürdigen Tendenzen erkennen, während man als Erwachsener vielleicht etwas sensibler darauf reagiert und aus Gründen der politischen (Über-)Korrektheit leicht auch etwas zu viel hinein interpretiert. Zur Zeitpunkt seiner Entstehung hat man den Film nun einmal so gemacht wie er ist und wie alle Deliria-User wissen sollten, ist es im Grunde dasselbe, wie wenn man einem politisch völlig unkorrekten und italienischen Genrefilm oder Streifen mit Tiersnuff ein aktuelles Moralkostüm überstülpen würde. Das kann auch nicht funktionieren und hier werden meines Erachtens auch nicht auf subtile Weise und unter dem Deckmantel eines Familienfilms irgendwelche fragwürdigen Inhalte vermittelt, die Rassismus propagieren sollen. Statt einer Verdrängung und Verleugnung würde ich z.B. auch eine kritische Auseinandersetzung mit der musikalischen Mischung aus Real- und Trickfilm und seinen Inhalten jedenfalls viel eher begrüßen, auch wenn das aufgrund der tief gespaltenen Gesellschaft derzeit wohl leider nicht so einfach möglich ist.
Re: Onkel Remus' Wunderland - H. Foster & W. Jackson (1946)
Verfasst: Fr 19. Okt 2018, 09:20
von Blap
Re: Onkel Remus' Wunderland - H. Foster & W. Jackson (1946)
Verfasst: So 4. Apr 2021, 10:44
von Salvatore Baccaro
Nachdem ich mir, wie ein Freund ihn beschreibt, "Disneys übelsten Film" nunmehr auch endlich einmal besehen habe, kann ich Jogis Urteil in weiten Teilen zustimmen: Ganz sicher impft SONG OF THE SOUTH seinem minderjährigen Publikum keinen hasserfüllten Rassismus ein; stattdessen wird es sogar als völlig selbstverständlich präsentiert, dass unser Held Johnny Freundschaft mit einem gleichaltrigen dunkelhäutigen Jungen schließt, dass er in der Obhut von Onkel Remus offenkundig eine viel empathievollere Erziehung erfährt als bei den eigenen, seltsam abwesenden und unterkühlten Eltern, dass auch zwischen Remus und Johnnys Großmutter ein unausgesprochenes, von gegenseitigem Respekt geprägtes Vertrautheitverhältnis herrscht. Dennoch ist der Film natürlich nicht unproblematisch, auch wenn oder gerade weil er auf das Schüren von plakativen, reißerischen Vorurteilen verzichtet: Obwohl die Handlung nach Ende des Amerikanischen Bürgerkriegs und damit zu einer Zeit angesiedelt ist, als die Sklaverei offiziell der Vergangenheit angehört, (wobei der Film aber eigenartigerweise seine konkrete zeitliche Verortung selbst niemals explizit zur Sprache bringt), sind die Machtpositionen auf der Plantage von Johnnys Familie nach wie vor klar verteilt - sowohl die Herrschaftsansprüche der weißen Grundbesitzer wie auch die berufliche Existenz der Schwarzen als Köchinnen, Arbeiter, Hausangestellte zeigen sich unberührt von den veränderten Zeiten. Das mag sicherlich den historischen Tatsachen entsprechen, denn natürlich wird keine über Jahrhunderte hinweg gewachsene Gesellschaftshierarchie plötzlich durcheinandergewirbelt, nur weil ein paar Gesetze aufgehoben werden, weshalb viele ehemalige Sklaven, aufgrund mangelnder Alternativen, bei ihren vormaligen Besitzern blieben, zwar nun nicht mehr als Eigentum derselben, stattdessen zumindest auf dem Papier als "freie" und "freiwillige" Dienerschaft. Vorwerfen kann man SONG OF THE SOUTH in dem Zusammenhang deshalb, dass er die "gute alte Zeit" über Gebühr romantisiert: In einer Szene schwärmt Remus ja regelrecht von den "Good Ol' Days", in denen er, (das muss das Publikum sich freilich eigenständig hinzudenken), das Leben eines Sklaven geführt hat. Auch die Art und Weise, wie die schwarze Plantagen-Community inszeniert wird, strotz vor Klischees, die selbst im Jahre 1946 überholt gewesen sein dürften: Permanent fröhliche Lieder singend wirken die weiblichen und männlichen Angestellten von Johnnys Großmutter wie emsige Bienchen, denen nichts und niemand ihr Dauergrinsen von den Gesichtern zu wischen vermag, und die bereitwillig persönliche Bedürfnisse hintenanstellen, um das Wohl des kleinen Jungen zu ihrem Hauptanliegen zu machen. Andererseits könnte der Kontrast zu Johnnys Familie dadurch kaum größer sein: Meine Sympathien gelten ausnahmslos Onkel Remus, demgegenüber Johnnys Eltern wie prüde Spießer wirken, eingeschlossen in überholten Ritualen und sehr distanziert, nahezu emotionslos im Umgang mit ihrem Sohn, und ich kann mir beileibe nicht vorstellen, dass irgendein kleiner Junge oder irgendein kleines Mädchen, das den Film damals oder heute zu Gesicht bekommt, freiwillig die Gesellschaft von Onkel Remus gegen eine Kindheit unter den Augen solcher steifer Puritaner hätte eintauschen wollen...