Ermuntert durch die Erwähnung hier im Forum musste ich meine positive Erinnerung an dieses indonesische Actionspektakel auffrischen. Meine Güte. Ich habe Dinge (wieder)gesehen, die niedergeschrieben werden müssen.
Gleich zu Beginn, als die roten Credits über schnödes Schwarzbild flimmern, fällt der geile 80er Synthiescore auf. Witzig sind auch die in die Musik integrierten MP-Salven, und um es noch einmal extra zu betonen, wofür der Regisseur „Arizal“ steht, wird dessen Namenseinblendung mit krachenden Explosionsgeräuschen unterlegt. Herrlich!
Chris Mitchum sehe ich immer gerne. Nicht, weil ich ihn für einen begnadeten Schauspieler halte. Sondern weil er auf mich wie ein Typ wirkt, der genau weiß, dass er kein herausragender Mime, wie es sein Vater zweifellos war, ist. Vielleicht nimmt er sich deshalb selbst nicht allzu ernst und genießt es einfach, „dabei zu sein“.
Sein schelmisches Schmunzeln könnte bedeuten:„In was für einem durchgeknallten Film bin ich hier wieder (
Ricco,
Angel of Death,
Faceless oder
American Hunter sind gute Referenzen!) gelandet? Und ich habe sogar die Hauptrolle und werde dafür auch noch bezahlt. Ist das nicht fantastisch?“
Seine Aufmachung, Hose und Hemd aus hellem Segeltuch, könnte bedeuten, dass er gerade aus einem 2-monatigen Strandurlaub mit Hängematte, Kokosnüssen und (zu) viel Rum zurückgekehrt ist. Auf jeden Fall wirkt er tiefenentspannt, so wie er als Richard Brown barfuß durch sein Haus schlendert. Richard Brown schlendert, wie ein Vietnamveteran, der mittlerweile ein „outstanding citizen“ ist, eben so schlendert. Er arbeitet bei einer Firma in Jakarta, die gerade den „Delta-Deal“ abgeschlossen hat und lebt mit Ehefrau Florinda (Siska Widowati), Sohn Bobby (Andre Mathias) und Hauspersonal in einem schönen Haus. Man könnte sagen, Richard Brown ist gut situiert. Dazu ist ein besonderer Tag: Bobbys achter Geburtstag. Also stromert der offensichtlich militäraffine Bobby im Mini-Tarnanzug, mit Mini-Barett (!) auf dem Kopf und Spielzeugpistole in der Hand durch das Wohnzimmer, während das Personal fleißig dekoriert und für das leibliche Wohl sorgt. Spielerisch bedroht der Junior seinen kriegserfahrenen Vater mit der Plastikwumme und bittet ihn, ihm doch eine neue Spielzeugwaffe zu kaufen. Familienidylle einer schrecklich netten Familie.
Die natürlich zerstört werden muss, damit unser über jeden Verdacht erhabener Bürger wieder zu dem Kampfgiganten wird, der er einst war, und der immer noch in ihm schlummert. Wach gekitzelt wird die Ein-Mann-Armee von Mr. Hawk (Mike Abbott = ein Walross von einem Mann!), ein zwielichtiger Waffen- und Rauschgifthändler, der seine Geschäfte geschickt über Scheinfirmen abwickelt. Dem schmeckt es so gar nicht, dass Browns Firma diesen verdammten „Delta-Deal!!!!!!!!!11!!!“ eingetütet hat. Auf Drohanrufe reagiert unser Veteran mit einem Duellangebot :“You wanna take me on one on one, okay! Mit der Konsequenz, dass der schnauzbärtige Schurke Brown ein paar abgefuckte Halsabschneider ins gutbürgerliche Haus schickt. Leider treffen die Kernassis nur Hauspersonal, Ehefrau Florinda und den waffenbegeisterten Filius an, der die Henker zunächst für ihre „echten“ Knarren bewundert.
„Hey, is that a real gun?“
Was folgt, ist unappetitlich, und musste schon die Filmfamilie Kersey erleiden. Und nein, ich spreche ausdrücklich nicht von Laurence Fishburnes pinkfarbener Sonnenbrille!
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Das Hauspersonal wird gleich liquidiert. Florinda wird von fast der gesamten Alptraumtruppe (einer will nicht, er ist „tired“) vergewaltigt. Auf dem Boden. Auf dem Sofa. Explizites gibt es nicht zu sehen, aber das Gezeigte ist widerwärtig genug. Man wünscht den Fieslingen die Pest an den Hals. Bobby Brown wird erstmal „nur“ verprügelt. Schließlich werden er und Florinda so schwer verletzt, dass ihr Ableben nur noch eine Frage von Sekunden ist. Kurz bevor beide verbluten, kriechen sie noch ein letztes Mal aufeinander zu und greifen mit ihren Händen nacheinander. Sie strecken sich und fast berühren sich ihre Finger. In dieser Stellung sterben beide.
Das ist dramaturgisch sehr dick aufgetragen, irgendwie kitschig, tragisch und fies gleichzeitig. Passiert selten, dass eine Szene so viele widersprüchliche Empfindungen bei mir auslöst. Spontan fallen mir nur J. Woos HK-Filme ein, in denen vergleichbare Momente dieser auf die Spitze getriebenen Mischung aus Gefühlen und Gewalt vorkommen. Und dann sage noch mal jemand Exploitationkino sei eindimensional und stumpf.
Halt, das muss jetzt reichen mit ambivalenten Eindrücken, schließlich befinden wir uns in einem eindimensionalen und stumpfen Actionfilm. Mitchum, der Dritte, kurz zuvor in einem potthässlichen gelben Kombi herangebraust, findet Frau und Sohn in der beschriebenen Lage auf dem Boden liegend. Symbolträchtig kniet er zwischen ihnen nieder und schwört Rache:
„I'll make them pay!“
Das besorgte Plastikgewehr hilft ihm nicht weiter. Schweres Gerät ist nötig, um dem Himmel Jakartas einen blutroten Anstrich zu verpassen.
Und los geht die wilde indonesische Menschenjagd. Zunächst sind die Schergen an der Reihe, die Florinda und Bobby Brown auf dem Gewissen haben. Diese haben Namen und eben jene hat Einzelkämpfer Richard Brown fein säuberlich auf einer Strichliste notiert, die der Reihe nach abgearbeitet wird.
Da wird beherzt in den Schritt geschossen oder eine Bombe in den Schoß gelegt. Freundliche Grüße der Marke:“Best regards from my wife.“, Bobby says hello too.“ oder „The bomb is from my wife.“ werden mitgeliefert. Manch einer hat mehr Glück und wird mit einer Handgranate in die Luft gesprengt. Im Vergleich zu den maßgeschneiderten Kills der „Home Invasion-Gang“ hat das Abmurksen der anonymen Helfershelfer Hawks eher Fließbandcharakter. Die namenlosen Spießgesellen sterben wie die Fliegen. Genicke brechen im Vorbeigehen, Beile fliegen durch Hotelzimmer, es wird deftig geprügelt (wenn ich auch aus der Erinnerung das Gefühl habe, dass der Kloppe-Anteil in
American Hunter höher ausfällt) und fuchsteufelswild um sich geschossen.
Ein Folterknecht, der gerne mit glühendem Werkstoff hantiert, bekommt sein feuriges Arbeitsmaterial kurzerhand selbst rektal eingeführt.
Autsch!
Ein weiterer Mord mit einem Seil ist leider bei meiner Fassung aufgrund von Bildstörungen nicht in Gänze zu sehen. Schade!
Wer diese Szene grafisch nacherzählen kann, bitte melden!
Unbedingt hervorzuheben sind die drollig anzusehenden Autoverfolgungsjagden. Einzelkämpfer Mitchum vorne weg und hinter ihm mehrere Schrottkarren überfüllt mit kleinen Südostasiaten, die zähnefletschend, mit den Armen /Schusswaffen wedelnd, aus dem Fenster lehnend, ihm ans Leder wollen. Kurz gesagt, die Jungs wirken derart konfus und übereifrig, dass ich nur darauf gewartet habe, dass die während der Fahrt aus dem Wagen plumpsen.
Später dürfen einige bad guys Jeeps steuern und sich gegenseitig mit „Deine Mudda“ Witzen beschimpfen:
“Your momma! Don't start with me, fuckface!
Für den Showdown bastelt sich unser „Action Hero“ sein ganz eigenes „Wild Wacky Action Bike“ in einer konspirativen „A-Team Werkstatt“ zurecht. Die Enduro, liebevoll „good girl“ genannt, wird mit Lenker-MG und Raketenwerfern versehen. Dabei wird selbstverfreilich mit freiem Oberkörper und Sonnenbrille geschweißt. Sicherheit geht vor!
Als das Gewehr positioniert ist, imitiert Brown Schussgeräusche, und in dieser kurzen Sequenz kommt die anfangs erwähnte kindlich-spielerische Selbstironie Mitchums wieder ein bisschen durch. Finde ich gut.
Auf den Ablauf des letzten Gefechts und die 2-Rad Akschn gehe ich bewusst nicht ein. Das sollte man sehen. Wie den gesamten Film!
Ein paar Worte noch zu Mike Abbott (mir u.a. bekannt aus
Hitman the Cobra,
Forceful Impact und
American Hunter), der den Klischeeoberbösewicht „Hawk“ spielt. Sagte ich eben „spielt“? Nun ja, genau genommen verfügt der Bandenführer über exakt einen stoischen Gesichtsausdruck (den Endkampf ausgeklammert), der in seiner Konsequenz allerdings bemerkenswert ist.
Henry Silva, dem man in Filmkritiken regelmäßig das Attribut „stone-faced“ zuschreibt, Joe Dallesandro oder auch Anthony Steffen würde ich als Referenzen anführen, wenn es darum geht, Schauspieler zu nennen, deren Gesichtsmuskulatur weniger austrainiert ist. Bestaunt man jetzt den Briten Abbott bei
seinem als Arbeit getarnten Indonesien Urlaub der Arbeit, so fällt mir auf, dass er sich im direkten Vergleich gefühlt nochmal deutlich absetzen kann. Er ist der Beweis, dass sogar innerhalb dieser erlauchten Gruppe der Maximalphlegmatiker eine regressive Steigerung möglich ist. In Ermangelung eines geeigneten Superlativs schlage ich die Begriffe „Minimal-Method-Acting“, „Underacting“ oder „Kontramimik“ vor. Wenn er davon spricht, was er mit Brown anzustellen gedenkt:
„I wanna squeeze the living shit outta his rotten life!“
fragt man sich, wie viele Vitalitätsvampire ihn ausgesaugt haben. Vielleicht bin ich auch zu streng in meinem Urteil, und ihm mangelt es schlicht an dem Mindestmaß an Charisma, das jeder Schauspieler mitbringen sollte.
Unbestreitbar ist, dass wenn Abbotts indifferentester Visage monoton gebrummte One-liner entfleuchen, ein Höhepunkt darstellender Kunst erreicht ist.
„The boss is always right!“
Und wenn er gegen Ende des Films bei einer sehenswert-unerotischen Sexszene von Motorrad-Mitchum gestört wird und in Unterhose die Überbringerin der unerfreulichen Nachricht exekutiert, wird der Gipfel der „Schönen Künste“ sogar mühelos übersprungen. Ohne Anlauf. Aus dem Schneidersitz.
„Yes, of course!“
Beim Kampf der Titanen „Brown gegen Hawk“ zum Schluss wird klar, dass letztgenannter tatsächlich in der Lage ist, so etwas wie „Wut“ darzustellen.
Na also, geht doch!
Filmfreunden, die Wert auf romantische Inhalte legen, und die erst zu 95 % überzeugt sind, sei gesagt: ja, es gibt auch eine kleine Liebesgeschichte zwischen Brown und Hawks Sekretärin.
Puh, spätestens jetzt habe ich auch den letzten kritischen Leser überzeugt und kann beruhigt zum Ende kommen.
Welche Fassung kann ich empfehlen? Gesehen habe ich einen Rip meiner alten japanischen VHS, auf der der Film ungekürzt vorliegt. Die deutsche VHS ist abzulehnen da extrem geschnitten.
NICHT KAUFEN!
In den Niederlanden existiert eine (von Fans initiierte?) VÖ auf DVD, von der ich nicht weiß, ob die taugt.
Schön wäre eine Auswertung auf Blu-Ray als „Doppelactionpack“ mit
American Hunter. Und ein paar Interviews als Bonusmaterial mit Mitchum und Abbott, die beide noch leben, wären ebenfalls nicht schlecht. Vermutlich spricht eine unklare Rechtelage und mehr dagegen.
Fazit: Wer auf handgemachte und überzogene (C-)Actionfilme der alten Schule steht, wird dieses Werk lieben.
Ich bewerte es positiv, dass es offenkundig ist, welche amerikanischen Vorlagen Arizal hier munter exploitiert. Denn dieser Gewaltkoloss ist auch als eine Hommage, ja als eine Verbeugung vor Regisseuren wie Michael Winner und Mark L. Lester zu verstehen.
Paul Kersey hat in
Death Wish 2 keine Gnade gekannt.
John Matrix hat das
Commando gegeben.
Doch es obliegt Richard Brown, das hinterletzte Javahühnchen zu rupfen.
Er settlet den
Final Score.