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Kommissarin Heller - Der Samstagskrimi im ZDF

Verfasst: Sa 1. Dez 2018, 20:41
von FarfallaInsanguinata
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Die Figur der Kriminalkommissarin Heller ist eine Erfindung der Schriftstellerin Silvia Roth. Seit 2014 ermittelt Heller in der Reihe „Der Samstagskrimi“ in jeweils neunzig-minütigen Episoden im Abendprogramm des ZDF.
Trotz des hervorragenden Abschneidens in ihrer Ausbildung tut sich die Anfang-Dreißigerin Winnie Heller nicht nur mit ihrem älteren beruflichen Partner Hendrik Verhoeven schwer, sondern auch mit allen Kollegen und sonstigen Personen, die ihren Weg kreuzen. Zwar ist sie sehr engagiert, zielorientiert und ausdauernd, aber eben auch ausgesprochen eigensinnig, widerspenstig und unbequem, wobei sich sogar diverse Formen von sozialer Inkompatibilität und Inkompetenz bemerkbar machen, die sie allerdings immer wieder durch ihre Ermittlungserfolge zu kaschieren weiß.
Das Verhältnis zu ihrer eigenen Familie ist ausgesprochen zwiespältig; einer der Punkte, die sie mit ihrer Therapeutin Dr. Jacobi bearbeitet, eine ihrer wenigen Vertrauten. Zwar lässt sich Winnie durchaus auch auf einen One-Night-Stand ein, viel lieber stößt sie Menschen aber von sich weg, als sie mit offenen Armen aufzunehmen. Ansonsten trinkt sie auch ganz gern mehr Alkohol, als ihr objektiv gut tut und macht andere nicht eben vernünftige Dinge. Zu Ehefrau und vor allem halbwüchsiger Tochter ihres Partners entwickelt sie allerdings bald einen Draht, der letztlich auch Hendrik Verhoeven selbst zu einer Art Ersatzfamilie wachsen lässt; umso schlimmer dann der Verlust in Teil 7, der Heller völlig desillusioniert und in eine tiefe persönliche Krise, oder treffender gesagt noch tiefere Krise, stürzt, die in der bisher letzten achten Episode gipfelt.

Die frühen Folgen sind offensichtlich Adaptionen der entsprechenden Romane, mittlerweile liegen die Rechte an der Figur „Winnie Heller“ jedoch bei der Produktionsgesellschaft „Regina Ziegler“, die so eigenständig entwickeln und verändern darf. Eine Besonderheit ist dabei der Einfluss der Hauptdarstellerin Lisa Wagner, die auch zu einem großen Teil selbst für die Dialoge ihres Charakters verantwortlich zeichnet.

Sperrige Ermittler nahmen ja bereits mit Kommissar Schimanski Anfang der Achtziger ihren Anfang, dessen damalige „skandalöse“ Eskapaden heute kaum noch für ein Schmunzeln sorgen. Bis aber der weibliche Faktor auch hier Einzug hielt, dauerte es doch noch eine ganze Weile.
Der Charakter „Winnie Heller“ ist bestimmt der interessanteste in der aktuellen Fernseh-Krimi-Landschaft. Wäre ich persönlich Kommissarin, sähe das mit Sicherheit sehr ähnlich aus, allerdings würde ich nach spätestens zwei Wochen meine Dienstwaffe zweckentfremden und das Ergebnis wäre entsprechend desaströs. Umso besser, dass das hier nicht zwangsläufig der Realität entspricht, sondern einfach nur (gut) unterhalten will.

Die erste Episode wurde übrigens bereits beim „Filmfest München“ im Juli 2013 uraufgeführt, bevor sie im April 2014 im ZDF lief.

Die Konstanten bei Besetzung und Stab:

Lisa Wagner: Kriminalkommissarin Winnie Heller
Hans-Jochen Wagner: Kriminalhauptkommissar Hendrik Verhoeven
Peter Benedict: Burkhard Hinnrichs
Nina Kronjäger: Silvie Verhoeven
Franziska Neiding: Nina Verhoeven
Lena Stolze: Dr. Jacobi

Regie: Christiane Balthasar (außer Folge 7: Andreas Senn)
Drehbuch: Mathias Klaschka (außer Folge 5: Martina Mouchot und Folge 6: Thorsten Näter)
Produktion: Regina Ziegler für das ZDF

Re: Kommissarin Heller - Der Samstagskrimi im ZDF

Verfasst: Di 4. Dez 2018, 20:35
von FarfallaInsanguinata
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Folge 1: Tod am Weiher (2013)
Premiere beim Filmfest München am 01. Juli 2013, Erstausstrahlung im ZDF am 12. April 2014
Gastdarsteller der Folge: Ute Willing, Thomas Loibl, Markus Hering, Johanna Gastdorf, Anne Ratte-Polle

Die Kommissarin Winnie Heller wird auf eigenen Wunsch von Köln nach Wiesbaden versetzt, weil sie sich intensiver um ihre jüngere Schwester kümmern möchte, die nach einem vom gemeinsamen Vater verschuldeten Unfall im Koma liegt.
Ihrem neuen Kollegen Hendrik Verhoeven wird sie ungefragt vor die Nase gesetzt, was von vornherein zu einem schlechten Start führt. Noch dazu macht sich Heller sofort durch pedantische Besserwisserei unbeliebt.
Zwei Fälle gilt es zu bearbeiten, die sich parallel entwickeln, zeitweilig zusammen zu hängen scheinen, schließlich aber doch zu zwei unterschiedlichen Sachverhalten führen; das Verschwinden eines Kindes vom Spielplatz direkt unter den Augen der Mutter und das Ableben einer von ihrer Umwelt völlig isoliert lebenden Frau, für deren Tod ihr Ehemann, die einzige Bezugsperson, durch ein Mordgeständnis die Verantwortung übernimmt.
Heller gibt sich nicht mit den naheliegenden Lösungen zufrieden, sondern bohrt unbeirrt nach, bis sie die tatsächlichen Abläufe und Motive ergründet hat. Dabei treten bereits hier einige ihrer typischen Eigenheiten zutage. Sie kommuniziert viel lieber mit ihren Zierfischen, die selbstverständlich alle Namen haben, als mit Menschen, liest ihrer komatösen Schwester aus den Tagebüchern des Mordopfers vor, straft ihre Eltern bei den unvermeidlichen Begegnungen in der Klinik mit vernichtender Missachtung und überschreitet bei der finalen Enttarnung des Kindesentführers deutlich die Grenzen von vertretbarem Diensteifer zu Selbstgefährdung.

Die grundlegenden Charaktere sind also bereits positioniert, doch merkt man als Zuschauer, dass hier noch viel Raum für Entwicklungen bleibt. So ist dies eine angenehm unterhaltende Episode, die aber noch unfertig wirkt, was die Beziehung der Hauptpersonen zueinander angeht und somit kein Highlight der gesamten Serie darstellt.

Re: Kommissarin Heller - Der Samstagskrimi im ZDF

Verfasst: Sa 15. Dez 2018, 22:55
von FarfallaInsanguinata
Folge 2: Der Beutegänger (2014)
Erstausstrahlung im ZDF am 12. November 2014
Gastdarsteller der Folge: Annika Blendl, Godehard Giese, Leonie Brandis, Marco Hofschneider, Hermann Beyer

Dieses Mal geht es um einen Serienkiller, einen lebensbedrohlichen Stalker und einen Identitätsdiebstahl. Selbstverständlich hängen die zuerst parallel geschilderten Fälle zusammen und laufen bald auf einen gemeinsamen Höhepunkt hinaus.
Die beiden Ermittler sind anfangs seltsam blass, ebenso das Tempo etwas träge, dies ändert sich jedoch schlagartig, als unerwartet Hellers Schwester verstirbt, die im Krankenhaus bereits deutliche Fortschritte gemacht hatte. War die Kommissarin bisher für ihre Verhältnisse ungewöhnlich brav gewesen, hatte sogar die zwangsweise verordneten Therapiestunden widerwillig über sich ergehen lassen, kippt sie nun in alte Muster, legt sich mit Vorgesetzten, Kollegen und Verdächtigen an und macht wie üblich den Fehler, sich gefühlsmäßig persönlich zu verstricken. Der positive Effekt ist allerdings, dass es bis zum unkonventionellen Finale rasant an Tempo gewinnt und ordentlich spannend wird.
Nach einem etwas zu zahmen Beginn entwickelt sich dieser zweite Fall des Ermittlerduos zu einer Angelegenheit, die das Niveau des ersten Films problemlos hält, wenn auch noch nicht deutlich übertrifft.

Re: Kommissarin Heller - Der Samstagskrimi im ZDF

Verfasst: So 6. Jan 2019, 01:27
von FarfallaInsanguinata
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Folge 3: Querschläger (2014)
Erstausstrahlung im ZDF am 10. Januar 2015
Gastdarsteller der Folge: Trystan Pütter, Christian Schmidt, Annika Schrumpf, Max Schimmelpfennig, Nicole Mercedes Müller

Entgegen der sonstigen Gepflogenheiten startet diese Episode nicht mit der Ausgangssituation „bereits verübter Mord“, sondern mit einem akuten Notfall, dem Amoklauf in einer Schule, bei der es sich unerfreulicher weise um jenes Gymnasium handelt, das Verhoevens Tochter Nina besucht. Diese übersteht den Vorfall, der immerhin drei Todesopfer fordert, glücklicherweise unbeschadet, und das Ermittler-Duo muss sich in der Folge mit der Ergründung der näheren Umstände der Tat beschäftigen. Da tritt einiges an Überraschungen zutage, alles ist selbstverständlich ganz anders, als es anfangs scheint und das Finale wird eine kleine Sensation. Da der Zuschauer, dem natürlich sofort klar war, dass mit diesem Amoklauf etwas nicht stimmt, nämlich schwer vorhersehen kann, in welche Richtung die Haken der Handlung laufen, entwickelt sich echte Spannung.
Kommissarin Heller besucht in dieser Folge zum ersten Mal Verhoevens Familie, was jener mit einiger Eifersucht quittiert, da er selbst gar nicht anwesend ist, behandelt ihren One-Night-Stand ausgesprochen respektlos, agiert ansonsten aber für ihre Verhältnisse sehr ruhig und vernünftig.
Auffällig ist jedoch, dass es nahezu keine Sympathieträger gibt, alle Beteiligten werden bestenfalls als bemitleidenswerte Opfer, ansonsten als gleichgültige Egoisten oder total intrigante Arschlöcher geschildert, die weder vor Lüge, Betrug, Mobbing, sexuellem Missbrauch noch Mord haltmachen. Dieses negative Menschenbild setzt sich fort bis in die Nebenhandlungsstränge. Das hebt nicht unbedingt die Laune beim Zuschauer, ist der Spannung aber sehr zuträglich.
Eine Folge, die etwas anders als die vorherigen aufgebaut ist, aber auf ihre Art sehr gut funktioniert und somit eine schöne Steigerung innerhalb der Reihe darstellt.

Re: Kommissarin Heller - Der Samstagskrimi im ZDF

Verfasst: Di 26. Feb 2019, 18:50
von buxtebrawler
Die Episoden "Vorsehung" und "Herzversagen" sind mutmaßlich am 22.02.2019 bei Studio Hamburg zusammen auf DVD erschienen:

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Re: Kommissarin Heller - Der Samstagskrimi im ZDF

Verfasst: Mi 27. Feb 2019, 01:36
von FarfallaInsanguinata
Erfreulich, auch wenn ich diese Veröffentlichungspolitik der Zerstückelung etwas anstrengend finde.

Re: Kommissarin Heller - Der Samstagskrimi im ZDF

Verfasst: Sa 20. Apr 2019, 23:39
von FarfallaInsanguinata
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Folge 4: Schattenriss (2015)
Erstausstrahlung im ZDF am 21. November 2015
Gastdarsteller der Folge: David C. Bunners, Ludwig Blochberger, Andreas Döhler, Rick Okon, Kerem Can

Diese Folge liegt mir aktuell leider nicht vor, deshalb werde ich eine Besprechung nachholen, wenn sich die Gelegenheit dazu ergibt.

Re: Kommissarin Heller - Der Samstagskrimi im ZDF

Verfasst: Di 28. Apr 2020, 02:17
von FarfallaInsanguinata
Höchste Zeit, dass es hier mal weitergeht. :oops:

Winnie Heller kann ihren Apothekenbesuch nicht in bar begleichen und muss deshalb kurz zum Automaten gegenüber, so schlittert sie unplanmäßig in einen Banküberfall mit anschließender Geiselnahme.
Die Rezensentin mag das Standardthema „Geiselnahme“ in Krimis eigentlich überhaupt nicht, aber hier ist erneut vieles anders.
Nicht nur, dass die Täter sich nicht, wie sonst üblich, am Schauplatz verschanzen, sondern sofort mit ihren Opfern das Weite suchen, um sich auf einem brachliegenden Fabrikgelände zu verstecken. Es wird auch sehr schnell offensichtlich, dass es um weit mehr als einen gewöhnlichen Bankraub geht. Schließlich verschwand man ohne Beute und scheint den finanziellen Gewinn nicht zu favorisieren, sondern etwas anderes. Daraus entspinnt sich der hauptsächliche Spannungsfaktor des Films, neben der psychischen Interaktion der verschiedenen Charaktere. Auffällig ist hier mal wieder, dass es keine „Guten“ und „Bösen“ im herkömmlichen Sinne gibt, sondern stattdessen ausschließlich Schwache, Verlierer, Opportunisten und Arschlöcher, was die Linie der Reihe konsequent fortschreibt. Großes Kino sind etwa der mitermittelnde BKA-Beamte, ein bösartiger Menschenfeind vor dem Herrn, oder einer der Geiselnehmer, der konsequent Amok läuft, ohne Rücksicht auf Verluste, was auch die eigenen Ziele torpediert. Den unberechenbaren Psychopathen gibt es aber nicht nur unter den Verbrechern, sondern ebenso bei den Opfern.
Somit sind alle Vorgaben für hochgradige Spannung gelegt, und auch wenn die Handlung nicht zu 100% klischeefrei abläuft, wird einem als Zuschauer keine Sekunde langweilig.
Wer Krimis ohne Happy End ertragen kann, sollte sich das unbedingt anschauen.

Re: Kommissarin Heller - Der Samstagskrimi im ZDF

Verfasst: Fr 5. Mär 2021, 15:25
von buxtebrawler
Die Episode "Panik" soll heute bei Studio Hamburg auf DVD erschienen:

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