Leave Us Alone! - Lasse Nielsen / Ernst Johansen (1975)
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Leave Us Alone! - Lasse Nielsen / Ernst Johansen (1975)
Originaltitel: La' os være
Herstellungsland: Dänemark / 1975
Regie: Lasse Nielsen, Ernst Johansen
Darsteller: Ivan Baumann, Anja Bærentzen, Søren Christiansen, Helle Droob, Martin Højmark, Ole Meyer u. A.
Unter den jungen Bewohnern eines Kinderheims macht sich Unmut breit: Die Lehrer streiken, die Ferienfahrt soll daher ausfallen. Fünfzehn Kinder und Jugendliche in der Altersspanne zehn bis 16 nehmen die Organisation kurzerhand selbst in die Hand, verschaffen sich u.a. mittels Handtaschenraubs bescheidene Mittel, kapern ein Boot und setzen auf ein unbewohntes Eiland über. Dort kampiert man, genießt Sonne und Meer, errichtet Holzhütten und versammelt sich zu Gitarrenklängen am Lagerfeuer. Die Pubertierenden unter ihnen fummeln und kommen sich näher, während im Radio vom Verschwinden der Gruppe berichtet wird. Doch es dauert nicht lange, bis die Nahrung knapp wird, zudem wurde das Boot nicht richtig vertäut und treibt aufs Meer davon. Martin (Martin Höjmark) übernimmt Verantwortung, stellt Regeln auf und verteilt Aufgaben, um eine Ordnung zu etablieren und das Zusammenleben zu erleichtern – wogegen Jens (Jens Wagn Rasmussen) rebelliert und sich zusammen mit drei Freunden von der Gruppe absetzt…
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
Diese Filme sind züchisch krank!
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Re: Leave Us Alone! - Lasse Nielsen / Ernst Johansen (1975)
Dänen lügen nicht?
„Alles hier ist Schrott.“
Der dänische Pädagoge und Regie-Autodidakt Lasse Nielsen inszenierte in den 1970ern drei Spielfilme, die allesamt dem Coming-of-Age-Bereich zuzuordnen sind. Bei zwei von ihnen, dem Debüt „Leave Us Alone“ und dem relativ populären „You Are Not Alone“, teilte er sich die Regie mit Ernst Johansen, der es ebenfalls auf drei Regiearbeiten in jener Dekade brachte. Ihr Erstling „Leave Us Alone“ aus dem Jahre 1975 ist eine interessante „Herr der Fliegen“-Variation und hat noch nicht, wie später „You Are Not Alone“, vornehmlich Homosexualität zum Inhalt.
„Es ist immer gut, ein Loch zu haben!“
Unter den jungen Bewohnern eines Kinderheims macht sich Unmut breit: Die Lehrer streiken, die Ferienfahrt soll daher ausfallen. Fünfzehn Kinder und Jugendliche in der Altersspanne zehn bis 16 nehmen die Organisation kurzerhand selbst in die Hand, verschaffen sich u.a. mittels Handtaschenraubs bescheidene Mittel, kapern ein Boot und setzen auf ein unbewohntes Eiland über. Dort kampiert man, genießt Sonne und Meer, errichtet Holzhütten und versammelt sich zu Gitarrenklängen am Lagerfeuer. Die Pubertierenden unter ihnen fummeln und kommen sich näher, während im Radio vom Verschwinden der Gruppe berichtet wird. Doch es dauert nicht lange, bis die Nahrung knapp wird, zudem wurde das Boot nicht richtig vertäut und treibt aufs Meer davon. Martin (Martin Højmark) übernimmt Verantwortung, stellt Regeln auf und verteilt Aufgaben, um eine Ordnung zu etablieren und das Zusammenleben zu erleichtern – wogegen Jens (Jens Wagn Rasmussen) rebelliert und sich zusammen mit drei Freunden von der Gruppe absetzt…
Der in seiner deutschen Heimkino-Veröffentlichung lediglich untertitelt vorliegende Film eröffnet mit einem in Schwarzweiß gedrehten Prolog, der die Enttäuschung der Heimbewohner und ihre daraus resultierenden Pläne zeigt. Der Vorspann wurde mit einem Lied der dänischen Schlagersängerin Mette unterlegt, einzelne Kinder werden währenddessen per Namenseinblendungen vorgestellt. Sobald die Gruppe reisefertig ist, schaltet man auf Farbe um, als verließe man die triste, graue Erwachsenenwelt und begebe sich in die kunterbunte Welt der Eigenverantwortlichkeit und Freiheit. Ausdruck dieser Freiheit war offenbar auch Nacktheit; die pubertierenden Laiendarstellerinnen und -darsteller zeigen sich oben ohne, es wird geknutscht und nacktgebadet, Svend (Svend Christensen) und sein Zeltgenosse sammeln vorsichtig erste homosexuelle Erfahrungen, für andere findet die erste Liebe romantisch im Gras liegend statt. Die Jüngeren spielen vergnügt, Kleidung wird im Fluss gewaschen, schöne Natur- und Landschaftsbilder in Kombination mit anheimelnder Musik machen Lust auf Camping-Urlaub.
Die Kehrseite der Medaille beginnt jedoch mit dem Verlust des Boots ins Bewusstsein vorzudringen. Die Idylle bekommt erste Risse, als man den möglicherweise Verantwortlichen schneidet, ein Junge gar einen Stein auf ihn wirft. Man ist gezwungen, Fischen zu lernen, nicht alle kommen gut mit der nächtlichen Dunkelheit zurecht, mit dem knappen Essen wird gehadert. Ein gefundener Bonbon kann für satte 50 Kronen verkauft werden (witzigerweise durfte der Käufer vorher sogar von ihm kosten). Nachdem sich Martin als eine Art Führungspersönlichkeit hervortat, verliert jemand komplett die Nerven und geht mit einem Messer auf den Bootsverantwortlichen los. Sven ertrinkt im Meer, seine Leiche findet man am Strand, plötzlich erklingt rockige Musik auf der Tonspur. Am Lagerfeuer unterhält man sich über den Tod und verbuddelt Svend am nächsten Morgen. Interessanterweise stellen die Filmemacher nach diesem Todesfall die Musikuntermalung vollständig ein. Als sich jemand am Bein verletzt, wird ein Floß gebastelt, um den Patienten ans andere Ufer bringen zu können – was jedoch misslingt.
Gesellschafts- und Systemkritik sowie idealisierte politische Utopie finden in einer Sequenz Ausdruck, in der man zwei Jungen im Gespräch Dialogzeilen in den Mund legte, die ich hier gern komplett zitieren möchte: „Die lebten oben in einer Gemeinschaft, wo sie alles geteilt haben. Sie leben zusammen und teilen Sachen.“ – „Aber was, wenn du alleine sein willst?“ – „Das ist kein Problem in dieser Gemeinschaft. Du hast das Recht, allein zu sein, wenn du es willst. Ich war auch bei einem Treffen der Stadtverordneten. Da trafen sich Repräsentanten, die dem Bürgermeister halfen, die Stadt zu leiten. Aber die Idee hinter der neuen Gesellschaft, die sehr gut sein könnte, könnte auch bei uns klappen. Es wäre toll, wenn wir Freunde werden könnten und das hier zusammen regeln könnten. So, wie es jetzt läuft, wird es zu einem Krieg kommen, weil wir gegeneinander arbeiten. Ich mag es lieber, wenn wir zusammen sind, alles teilen, uns gegenseitig respektieren und dies als Gemeinschaft betrachten, in der jeder Verantwortung trägt. Eigentlich wäre ich gerne in einem Kommunistencamp. Kommunismus ist wie die Gesellschaft, in der Leute aufeinander achten und Sachen teilen, wo man gemeinsame Verantwortung spürt. Er bedeutet Liebe und Zusammenhalt, und jeder bekommt dasselbe. Niemand bekommt viel Geld und niemand bekommt wenig Geld.“
Die abtrünnige Gruppe um Jens spielt Indianer, schlitzt sich die Handflächen auf und jagt einen Fasan, dem sie den Kopf abschneidet, um sich mit dessen Blut zu beschmieren. Regieduo und Darsteller schrecken für diese Szene offenbar nicht vor Tiersnuff zurück. Die „Indianer“ erklären zudem einen vorbeischlendernden Jungen zum Eindringling in ihr Gebiet und fesseln ihn an einen Baum. Unbeaufsichtigt stranguliert sich der Gefesselte mit tödlichem Ausgang, zum allgemeinen Entsetzen. Die Indianer-Metapher und -Konnotation, die hier heraufbeschwören wird, ist ziemlich unglücklich und erinnert an rassistische alte US-Western. Bevor der Film endet, findet ein weiterer Junge den Tod, als er während einer Prügelei mit einem Stein erschlagen wird. Auf einen Abspann wird verzichtet, der Schlager vom Beginn wird nun zum schwarzen Bild geträllert und klingt verdammt zynisch.
Natürlich ist die Handlung als Allegorie auf die Gesellschaft und Erwachsenenwelt zu verstehen: Während die einen über eine neue, bessere Gesellschaftsordnung nachdenken, verrohen die anderen. Das ist gleichzeitig ein gutes Stichwort, denn wer nun glaubt, es bei „Leave Us Alone!“ von seinen Schwächen abgesehen mit einem Film zu tun zu haben, der große gesellschafspolitische Themen auf eine Gruppe Heranwachsender herunterbricht, damit zwecks besserem Verständnis abstrahiert verhandelt und diesen Aspekt zudem mit halbwegs authentischen Coming-of-Age-Motiven vermengt, die vor der Skandalisierung natürlicher, ungezwungener Nacktheit auch Minderjähriger die Zeit des Entdeckens von Sexualität und erster Liebe vor dem Hintergrund eines großen Abenteuers geschmackvoll illustriert, liegt einerseits nicht unbedingt verkehrt, denn eine voyeuristische Fleischbeschau ist der konsequent düster werdende, mit einem offenen Ende versehene „Leave Us Alone“ sicherlich nicht. Andererseits könnten, wie meine Recherchen für diese Zeilen ergaben, die realen Drehumstände nicht widersprüchlicher gewesen sein, denn in der jüngeren Vergangenheit häuften sich massive Vorwürfe von unter diesen Regisseuren gearbeitet habenden Darstellerinnen und Darstellern: Diese bezichtigen die sich ausgerechnet nach Thailand abgesetzt habenden und dort unter Decknamen lebenden Regisseure des systematischen sexuellen Missbrauchs. Zumindest Johansen räumte die Taten ein und ist mehrfach aufgrund Kindesmissbrauchs verurteilt worden.
Damit erfüllt sich leider einmal mehr das Klischee der, unter dem Deckmantel damals zeitgenössischen Freiheitsbegehrens und offenen Umgangs mit Sexualität nach Jahrzehnten der Prüderie, ausgemachten Perversion älterer Männer, die die Errungenschaften der sexuellen Revolution auf verachtenswerte Weise ausbeuten, dabei noch von einer besseren und gerechteren Gesellschaft zu träumen vorgeben, jedoch alle vorgegebenen Ideale mit Füßen treten und in den Dreck ziehen. Insbesondere die irrige Annahme, sexueller Missbrauch von Schutzbefohlenen könnte in irgendeiner Weise vertretbar sein, scheint sich wie ein roter Faden durch jene häufig idealisierten Zeiten ziehen. Dass ausgerechnet ein dänisches Unternehmen in den 1970ern einer der größten professionellen Anbieter von (damals unfassbarerweise legaler!) Kinderpornographie war, passt da ins beschämende Bild einer weit übers Ziel hinausgeschossenen Liberalisierung.
„Leave Us Alone!“ an sich ist für das, was er ist, kein schlechter Film und die deutsche FSK bescheinigte ihm sogar eine Freigabe ab 12 Jahren, vermochte also ebenfalls keine Jugendgefährdung oder gar allzu sexuelle Ausrichtung erkennen. Bei Kenntnis der eben beschriebenen Hintergründe dürfte sich das Sehvergnügen jedoch empfindlich reduzieren.
P.S.: Für die Untertitel wurde bei weitem nicht jede Dialogzeile übersetzt, was evtl. ein Indiz für deren Redundanz sein könnte.
„Alles hier ist Schrott.“
Der dänische Pädagoge und Regie-Autodidakt Lasse Nielsen inszenierte in den 1970ern drei Spielfilme, die allesamt dem Coming-of-Age-Bereich zuzuordnen sind. Bei zwei von ihnen, dem Debüt „Leave Us Alone“ und dem relativ populären „You Are Not Alone“, teilte er sich die Regie mit Ernst Johansen, der es ebenfalls auf drei Regiearbeiten in jener Dekade brachte. Ihr Erstling „Leave Us Alone“ aus dem Jahre 1975 ist eine interessante „Herr der Fliegen“-Variation und hat noch nicht, wie später „You Are Not Alone“, vornehmlich Homosexualität zum Inhalt.
„Es ist immer gut, ein Loch zu haben!“
Unter den jungen Bewohnern eines Kinderheims macht sich Unmut breit: Die Lehrer streiken, die Ferienfahrt soll daher ausfallen. Fünfzehn Kinder und Jugendliche in der Altersspanne zehn bis 16 nehmen die Organisation kurzerhand selbst in die Hand, verschaffen sich u.a. mittels Handtaschenraubs bescheidene Mittel, kapern ein Boot und setzen auf ein unbewohntes Eiland über. Dort kampiert man, genießt Sonne und Meer, errichtet Holzhütten und versammelt sich zu Gitarrenklängen am Lagerfeuer. Die Pubertierenden unter ihnen fummeln und kommen sich näher, während im Radio vom Verschwinden der Gruppe berichtet wird. Doch es dauert nicht lange, bis die Nahrung knapp wird, zudem wurde das Boot nicht richtig vertäut und treibt aufs Meer davon. Martin (Martin Højmark) übernimmt Verantwortung, stellt Regeln auf und verteilt Aufgaben, um eine Ordnung zu etablieren und das Zusammenleben zu erleichtern – wogegen Jens (Jens Wagn Rasmussen) rebelliert und sich zusammen mit drei Freunden von der Gruppe absetzt…
Der in seiner deutschen Heimkino-Veröffentlichung lediglich untertitelt vorliegende Film eröffnet mit einem in Schwarzweiß gedrehten Prolog, der die Enttäuschung der Heimbewohner und ihre daraus resultierenden Pläne zeigt. Der Vorspann wurde mit einem Lied der dänischen Schlagersängerin Mette unterlegt, einzelne Kinder werden währenddessen per Namenseinblendungen vorgestellt. Sobald die Gruppe reisefertig ist, schaltet man auf Farbe um, als verließe man die triste, graue Erwachsenenwelt und begebe sich in die kunterbunte Welt der Eigenverantwortlichkeit und Freiheit. Ausdruck dieser Freiheit war offenbar auch Nacktheit; die pubertierenden Laiendarstellerinnen und -darsteller zeigen sich oben ohne, es wird geknutscht und nacktgebadet, Svend (Svend Christensen) und sein Zeltgenosse sammeln vorsichtig erste homosexuelle Erfahrungen, für andere findet die erste Liebe romantisch im Gras liegend statt. Die Jüngeren spielen vergnügt, Kleidung wird im Fluss gewaschen, schöne Natur- und Landschaftsbilder in Kombination mit anheimelnder Musik machen Lust auf Camping-Urlaub.
Die Kehrseite der Medaille beginnt jedoch mit dem Verlust des Boots ins Bewusstsein vorzudringen. Die Idylle bekommt erste Risse, als man den möglicherweise Verantwortlichen schneidet, ein Junge gar einen Stein auf ihn wirft. Man ist gezwungen, Fischen zu lernen, nicht alle kommen gut mit der nächtlichen Dunkelheit zurecht, mit dem knappen Essen wird gehadert. Ein gefundener Bonbon kann für satte 50 Kronen verkauft werden (witzigerweise durfte der Käufer vorher sogar von ihm kosten). Nachdem sich Martin als eine Art Führungspersönlichkeit hervortat, verliert jemand komplett die Nerven und geht mit einem Messer auf den Bootsverantwortlichen los. Sven ertrinkt im Meer, seine Leiche findet man am Strand, plötzlich erklingt rockige Musik auf der Tonspur. Am Lagerfeuer unterhält man sich über den Tod und verbuddelt Svend am nächsten Morgen. Interessanterweise stellen die Filmemacher nach diesem Todesfall die Musikuntermalung vollständig ein. Als sich jemand am Bein verletzt, wird ein Floß gebastelt, um den Patienten ans andere Ufer bringen zu können – was jedoch misslingt.
Gesellschafts- und Systemkritik sowie idealisierte politische Utopie finden in einer Sequenz Ausdruck, in der man zwei Jungen im Gespräch Dialogzeilen in den Mund legte, die ich hier gern komplett zitieren möchte: „Die lebten oben in einer Gemeinschaft, wo sie alles geteilt haben. Sie leben zusammen und teilen Sachen.“ – „Aber was, wenn du alleine sein willst?“ – „Das ist kein Problem in dieser Gemeinschaft. Du hast das Recht, allein zu sein, wenn du es willst. Ich war auch bei einem Treffen der Stadtverordneten. Da trafen sich Repräsentanten, die dem Bürgermeister halfen, die Stadt zu leiten. Aber die Idee hinter der neuen Gesellschaft, die sehr gut sein könnte, könnte auch bei uns klappen. Es wäre toll, wenn wir Freunde werden könnten und das hier zusammen regeln könnten. So, wie es jetzt läuft, wird es zu einem Krieg kommen, weil wir gegeneinander arbeiten. Ich mag es lieber, wenn wir zusammen sind, alles teilen, uns gegenseitig respektieren und dies als Gemeinschaft betrachten, in der jeder Verantwortung trägt. Eigentlich wäre ich gerne in einem Kommunistencamp. Kommunismus ist wie die Gesellschaft, in der Leute aufeinander achten und Sachen teilen, wo man gemeinsame Verantwortung spürt. Er bedeutet Liebe und Zusammenhalt, und jeder bekommt dasselbe. Niemand bekommt viel Geld und niemand bekommt wenig Geld.“
Die abtrünnige Gruppe um Jens spielt Indianer, schlitzt sich die Handflächen auf und jagt einen Fasan, dem sie den Kopf abschneidet, um sich mit dessen Blut zu beschmieren. Regieduo und Darsteller schrecken für diese Szene offenbar nicht vor Tiersnuff zurück. Die „Indianer“ erklären zudem einen vorbeischlendernden Jungen zum Eindringling in ihr Gebiet und fesseln ihn an einen Baum. Unbeaufsichtigt stranguliert sich der Gefesselte mit tödlichem Ausgang, zum allgemeinen Entsetzen. Die Indianer-Metapher und -Konnotation, die hier heraufbeschwören wird, ist ziemlich unglücklich und erinnert an rassistische alte US-Western. Bevor der Film endet, findet ein weiterer Junge den Tod, als er während einer Prügelei mit einem Stein erschlagen wird. Auf einen Abspann wird verzichtet, der Schlager vom Beginn wird nun zum schwarzen Bild geträllert und klingt verdammt zynisch.
Natürlich ist die Handlung als Allegorie auf die Gesellschaft und Erwachsenenwelt zu verstehen: Während die einen über eine neue, bessere Gesellschaftsordnung nachdenken, verrohen die anderen. Das ist gleichzeitig ein gutes Stichwort, denn wer nun glaubt, es bei „Leave Us Alone!“ von seinen Schwächen abgesehen mit einem Film zu tun zu haben, der große gesellschafspolitische Themen auf eine Gruppe Heranwachsender herunterbricht, damit zwecks besserem Verständnis abstrahiert verhandelt und diesen Aspekt zudem mit halbwegs authentischen Coming-of-Age-Motiven vermengt, die vor der Skandalisierung natürlicher, ungezwungener Nacktheit auch Minderjähriger die Zeit des Entdeckens von Sexualität und erster Liebe vor dem Hintergrund eines großen Abenteuers geschmackvoll illustriert, liegt einerseits nicht unbedingt verkehrt, denn eine voyeuristische Fleischbeschau ist der konsequent düster werdende, mit einem offenen Ende versehene „Leave Us Alone“ sicherlich nicht. Andererseits könnten, wie meine Recherchen für diese Zeilen ergaben, die realen Drehumstände nicht widersprüchlicher gewesen sein, denn in der jüngeren Vergangenheit häuften sich massive Vorwürfe von unter diesen Regisseuren gearbeitet habenden Darstellerinnen und Darstellern: Diese bezichtigen die sich ausgerechnet nach Thailand abgesetzt habenden und dort unter Decknamen lebenden Regisseure des systematischen sexuellen Missbrauchs. Zumindest Johansen räumte die Taten ein und ist mehrfach aufgrund Kindesmissbrauchs verurteilt worden.
Damit erfüllt sich leider einmal mehr das Klischee der, unter dem Deckmantel damals zeitgenössischen Freiheitsbegehrens und offenen Umgangs mit Sexualität nach Jahrzehnten der Prüderie, ausgemachten Perversion älterer Männer, die die Errungenschaften der sexuellen Revolution auf verachtenswerte Weise ausbeuten, dabei noch von einer besseren und gerechteren Gesellschaft zu träumen vorgeben, jedoch alle vorgegebenen Ideale mit Füßen treten und in den Dreck ziehen. Insbesondere die irrige Annahme, sexueller Missbrauch von Schutzbefohlenen könnte in irgendeiner Weise vertretbar sein, scheint sich wie ein roter Faden durch jene häufig idealisierten Zeiten ziehen. Dass ausgerechnet ein dänisches Unternehmen in den 1970ern einer der größten professionellen Anbieter von (damals unfassbarerweise legaler!) Kinderpornographie war, passt da ins beschämende Bild einer weit übers Ziel hinausgeschossenen Liberalisierung.
„Leave Us Alone!“ an sich ist für das, was er ist, kein schlechter Film und die deutsche FSK bescheinigte ihm sogar eine Freigabe ab 12 Jahren, vermochte also ebenfalls keine Jugendgefährdung oder gar allzu sexuelle Ausrichtung erkennen. Bei Kenntnis der eben beschriebenen Hintergründe dürfte sich das Sehvergnügen jedoch empfindlich reduzieren.
P.S.: Für die Untertitel wurde bei weitem nicht jede Dialogzeile übersetzt, was evtl. ein Indiz für deren Redundanz sein könnte.
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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Re: Leave Us Alone! - Lasse Nielsen / Ernst Johansen (1975)
Erscheint voraussichtlich heute noch einmal bei cmv-Laservision auf DVD:
Extras:
- Original Trailer
- Behind the Scenes - Filming Leave us Alone
- 8mm Short The More We Are Together (Frühfassung von Leave us Alone)
- Behind the Scenes Galerie The More We Are Together
- Behind the Scenes und Fotogalerie Leave us Alone
- Programmtrailer
Quelle: https://www.ofdb.de/view.php?page=fassu ... vid=107854
Extras:
- Original Trailer
- Behind the Scenes - Filming Leave us Alone
- 8mm Short The More We Are Together (Frühfassung von Leave us Alone)
- Behind the Scenes Galerie The More We Are Together
- Behind the Scenes und Fotogalerie Leave us Alone
- Programmtrailer
Quelle: https://www.ofdb.de/view.php?page=fassu ... vid=107854
Ein-Mann-Geschmacks-Armee gegen die eingefahrene Italo-Front (4/10 u. 9+)Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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