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Gehasst - Extrem: GG Allin [Doku] - Todd Phillips (1994)

Verfasst: Fr 8. Feb 2019, 07:51
von jogiwan
Gehasst - Extrem: GG Allin - Der meistgehasste Mann des Punk

Bild

Originaltitel: Hated

Herstelltungsland: USA / 1994

Regie: Todd Phillips

Darsteller: -

Story:

GG Allin war Zeit seines Lebens ein Mann der Extreme, der sein Leben und seine Konzerte als Performance gegen jegliche Konventionen inszenierte. Er beschimpfte und verletzte sich und sein Publikum, masturbierte und kackte während Konzerte, warf mit Exkrementen nach seinen Konzertbesuchern und war auch als selbstgewählter Außenseiter auch gern gesehener Talkshow-Gast, wo er „die Gefahr zurück in den Rock’n Roll“ bringen wollte. Sein Leben war geprägt von Hass auf Menschen und Obrigkeiten, exzessiven Alkohol- und Drogenkonsum, die seinem Leben mit 37 Jahren auch ein frühes Ende setzten.

Re: Gehasst - Extrem: GG Allin - Todd Phillips (1994)

Verfasst: Fr 8. Feb 2019, 07:52
von jogiwan
Selbst wenn man nicht aus der Punkrock-Ecke kommt, so ist der Name GG Allin wohl vielen ein Begriff und irgendwo zwischen Metal-Konzert, grenzüberschreitende Kunst-Performance und Freakshow drang er mit seiner Band namens „Murder Junkies“ in Bereiche vor, in denen Selbstverstümmelung, Gewalt und das Spiel mit Körperflüssigkeiten und –ausscheidungen Teil einer Selbstinszenierung wurden, die vor allem den Hass auf alles Konventionelle ausdrücken sollte. In der Doku „Hated“ sucht Todd Phillips leider nicht den Menschen hinter seinen offensiven Auftritten zu suchen, sondern reduziert GG Allin mit Beiträgen von Freunden und ehemaligen Weggefährten als unappetitlichen Menschenfeind, der alle hasst, provoziert, sich Dinge in den Hintern schiebt und mit Scheiße nach seinem Publikum wirft. Performance-Kunst mit Fäkalien gab es ja auch schon vorher und auch musikalische Output kommt in „Gehasst – Extrem: GG Allin“ leider viel zu kurz, sodass sich die Doku auch zunehmend zwischen Legendenbildung für Fans verliert und alles außer Acht lässt, dass der Kunstfigur und seiner Selbstinszenierung zu Lebzeiten zuwider laufen könnte. Die Figur des GG Allin und sein Umfeld inklusive der Loyalität seiner Fans hätte ja sicherlich mehr geboten, als eine die Sensationsgier befriedigende Schock-Doku mit herben Bildern, die zwar GG Allin sicherlich gefallen hätte, aber so trotz nicht minder fragwürdigen Statements eines Ex-Mitglieds doch auch sehr unausgewogen wirkt bzw. dem Zuschauer nur ein einseitiges Bild eines Menschen zeigt, der Zeit seines Lebens seine Bestätigung wohl nur in extremen Situationen finden konnte.

Re: Gehasst - Extrem: GG Allin - Todd Phillips (1994)

Verfasst: Fr 8. Feb 2019, 08:32
von buxtebrawler
Im Rahmen eines Mottoabends zum Thema „Tod“ im sympathischen Hamburger Hinterhofkino „B-Movie“ bekam ich die Möglichkeit, die originale, aber leider nur ca. einstündige 16-mm-Fassung des Dokumentarfilms über Scum-Punk und Exzentriker GG Allin zu sehen, der mit verschiedenen Begleitbands besonders für seine Auftritte berüchtigt war, in denen er entblößt und aggressiv sich mit seinem Publikum prügelte, sich mit seinen Exkrementen einrieb, das Publikum damit bewarf, sich selbst Verletzungen zufügte und eigentlich so ziemlich all das machte, was „man“ normalerweise eben nicht tun sollte, schon gar nicht auf einer Bühne. Er wollte die „Gefahr zurück in den Rock’n’Roll bringen“, außerdem kündigte er seinen eigenen Selbstmord auf der Bühne an, wozu es aber nicht mehr kam, da er zuvor an einer Überdosis Heroin starb. Der Film wurde noch zu Lebzeiten GG’s gedreht und zu Wort kommen neben GG selbst sein Bruder und Murder-Junkie-Mitglied Merle, der „Naked Drummer“ Dino, ehemalige Weggefährten, Kritiker, Fans usw. Dabei kommt es bedingt durch den unaufgeregten Umgang der Filmemacher mit dem eigentlich (zumindest aus Mainstream-Sicht) so Absurden zu vielen humoristischen Momenten, während die Höhepunkte natürlich die zahlreichen Ausschnitte aus GG Allins Shows darstellen. Aufgrund fehlender Untertitel habe ich nicht alles verstanden, kann mir über die tatsächlichen Inhalte der geführten Interviews insofern nur schwer ein Urteil erlauben. Wer sich für Scumpunk im Allgemeinen bzw. GG Allin im Speziellen interessiert, einmal mal eine etwas andere Definition von Punk bzw. Rock’n’Roll kennenlernen möchte oder einfach nur Bock auf eine zünftige Freakshow mit genügend Sicherheitsabstand hat, sollte ruhig mal Ausschau nach der (längeren) DVD-Version von Todd Phillips’ Doku halten.

Re: Gehasst - Extrem: GG Allin - Todd Phillips (1994)

Verfasst: Fr 8. Feb 2019, 08:33
von buxtebrawler
“My Rock’n’Roll is not to entertain but to annihilate. I’m trying to bring danger back in the Rock’n’Roll and there are no limits, and no laws, and I break down every barrier put in front of me ‘til the day I die!”

US-Regisseur Todd Phillips suchte sich für sein Regiedebüt niemand Geringeren als GG Allin aus, seines Zeichens Sohn eines irren religiösen Fanatikers, der ihm ausgerechnet den Namen Jesus Christ gab, vor allem aber selbstzerstörerischer Punk-Musiker, Pate des Scumpunks, Tabubrecher und exzentrischer Enfant terrible, die pure Provokation, und drehte einen Dokumentarfilm über ihn und seine Begleitband, die Murder Junkies in der ersten Hälfte der 1990er-Jahre. Allins Mission war es, die Gefahr zurück in den Rock’n’Roll zu bringen und das war durchaus wörtlich zu nehmen, denn aus gutem Grund hielt sein Publikum i.d.R. einen nicht zu knappen Sicherheitsabstand ein: GG war bekannt dafür, auf sich selbst und sein Publikum einzuprügeln, sich komplett entkleidet mit Fäkalien einzuschmieren, sich in ihnen zu wälzen und mit ihnen um sich werfen, während er hasserfüllte, jenseits sämtlicher Moralvorstellungen liegende Lieder über Sex und Gewalt sang. Zu den Murder Junkies gehörten sein Bruder Merle mit einem Faible für ungewöhnliche Bartmode und der „Naked Drummer“ Dino, der grundsätzlich nackt hinter der Ballerbude saß und sich durch nichts aus der Ruhe bringen ließ. GG Allin zelebrierte sein Image als unberechenbarer Sozio-/Psychopath ohne Rücksicht auf Verluste, Konzerte wurde häufig schon nach kurzer Zeit abgebrochen und von der Polizei aufgelöst. Allin war der verkörperte Höhepunkt des selbstzerstörerischen, nihilistischen, misanthropischen Elements des Rock’n’Roll, mehr ging nicht. Und all das war keine Show, es war real. GG lebte in den Tag hinein, schmiss sich alles Verfügbare an Drogen rein und war ständig im Knast. Nichts war ihm heilig, er hat im wahrsten Sinne des Wortes auf alles geschissen. Doch er war auch ein genialer Künstler, der sowohl in extremer Musik als auch in gefühlvollem Country zu Hause war und es innerhalb kürzester Zeit fertigbrachte, ein kompletten Album zu schreiben; seine Lieder sind bei aller Überzeichnung und oftmals oberflächlicher Eindimensionalität hochinteressante, wertvolle Zeugnisse einer derangierten Seele. Er kündigte mehrmals seinen eigenen Selbstmord auf der Bühne an und man ist sich einig, dass er ihn auch einiges Tages durchgeführt hätte, wäre ihm nicht eine Überdosis 1993 zuvorgekommen.

Philipps begleitete GG Allin & The Murder Junkies auf Konzerten, unterhielt sich nicht nur mit Allin, Merle und Dino, sondern auch mit einem ehemaligen Bandmitglied, der von all dem nichts mehr hält und ehemaligen Weggefährten aus der Schulzeit sowie mit Fans, die versuchen, die Faszination für Allins Treiben zu erklären.

Nun mag man angewidert, entsetzt und empört vorm Bildschirm sitzen oder eben begeistert darüber, dass GG all das tat, was man sich selbst nie trauen würde, doch es gibt auch eine andere Möglichkeit, diesen Film zu konsumieren: Wenn die „Washington Post“ schreibt, „Hated is actually funnier than Spinal Tap“, ist das nicht von der Hand zu weisen. Was GG und seine Band damals anstellten, ist so dermaßen übertrieben, so was von „over the top“ und so herrlich die Klischees bis zum Gehtnichtmehr ausreizend und auf die Spitze treibend, dass es beinahe mehr wie eine Karikatur wirkt als Rob Reiners berüchtigte „Rockumentary“ über die vom Pech verfolgten Hair-Metaller. Hinzu kommt, dass GG Allin auch „Spoken Words Performances“ (!) absolvierte, beispielsweise in einer Universität, aus der nach wenigen Minuten die Zuhörerschaft kollektiv die Flucht antrat, oder seine Thesen über Rock’n’Roll in US-amerikanischen Talkshows einem breiteren Publikum unterbreitete. Philipps verstand es zudem, all diese Szenen so aneinanderzureihen, ohne dabei auf Kommentare aus dem Off zurückgreifen zu müssen, dass eine schwer unterhaltsame Freakshow daraus wurde. So verwundert es dann kaum, dass er sich später vor allem mit Komödien wie „Road Trip“ oder „Hangover“ einen Namen machte. Im Bonusmaterial der DVD-Veröffentlichung wird auch deutlich, dass sich die Band ihrer Absurdität durchaus bewusst war und sich nach Konzerten häufig kaputtlachte. Insofern besteht vermutlich kein Verdachtsmoment, dass Philipps sich über GG & Co. lustig gemacht oder ein manipuliertes Zerrbild abgeliefert hätte.

GG starb 1993, sein Erbe hat bis heute niemand angetreten, zumindest nicht in der Konsequenz, wie GG zu Lebzeiten agierte. Wer GG noch nicht kennt und glaubt, irgendwelche albernen „Schock-Rocker“ o.ä. wären der Gipfel der Provokation und Subversion, wer Punk mit studentischen Weltverbesserern, Rock’n’Roll mit netten Oldie-Bands und Country mit spießigen Republikanern in Verbindung bringt, sollte sich diesen Dokumentarfilm ansehen und sein Weltbild zum Einsturz bringen.

Re: Gehasst - Extrem: GG Allin - Todd Phillips (1994)

Verfasst: Fr 8. Feb 2019, 09:15
von jogiwan
"The Allins" vom Sami Saif aus dem Jahr 2017 scheint doch ein etwas vielschichtigeres Bild zu zeichnen:

Bild



https://www.imdb.com/title/tt6571500/?ref_=nm_knf_i1

Re: Gehasst - Extrem: GG Allin - Todd Phillips (1994)

Verfasst: Fr 8. Feb 2019, 09:25
von buxtebrawler
jogiwan hat geschrieben:"The Allins" vom Sami Saif aus dem Jahr 2017 scheint doch ein etwas vielschichtigeres Bild zu zeichnen:
Hui, von dem hab' ich noch gar nichts gehört! :o

Re: Gehasst - Extrem: GG Allin - Todd Phillips (1994)

Verfasst: Fr 8. Feb 2019, 09:36
von jogiwan
Die Doku scheint ja auch ziemlich neu zu sein und lt. Homepage gab es die Europa-Premiere erst vor ein paar Monaten. Leider momentan auch nur in den Staaten über Streaming-Dienst verfügbar. Ich hoffe, "The Allins" schafft es bald auch zu uns über den Teich. Laut Komentaren auf amazon.com ist das Teil auch ziemlich polarisierend, da ein Bild gezeichnet wird, dass Die-Hard-Fans nicht unbedingt gefallen wird - zumindest ist hier vom "Ausverkauf" die Rede, der in solchen Dingen ja gerne bemüht wird. Ich will die aber sehen.

Re: Gehasst - Extrem: GG Allin [Doku] - Todd Phillips (1994)

Verfasst: Fr 8. Feb 2019, 10:15
von jogiwan
Gebt der Meute was sie braucht: :kicher:



GG Allin on Jerry Springer

Re: Gehasst - Extrem: GG Allin [Doku] - Todd Phillips (1994)

Verfasst: So 10. Feb 2019, 01:53
von FarfallaInsanguinata
Ich persönlich fand GG Allin immer sehr gezwungen und verkrampft in seinem Bemühen, möglichst extrem zu sein und möglichst viele vor den Kopf zu stoßen. Das hat mich eher abgeschreckt als angesprochen, weil mir die "Natürlichkeit" fehlte.
Außerdem fehlte mir noch etwas, die gute Musik nämlich. Rein musikalisch hörte sich sein Output für mich immer sehr durchschnittlich an.
Die Doku kenne ich allerdings nicht.

Re: Gehasst - Extrem: GG Allin [Doku] - Todd Phillips (1994)

Verfasst: Do 23. Feb 2023, 12:08
von buxtebrawler
Läuft ab heute wieder in ausgewählten Kinos.