Das Gespenst - Herbert Achternbusch (1982)

Moderator: jogiwan

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Das Gespenst - Herbert Achternbusch (1982)

Beitrag von buxtebrawler »

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Originaltitel: Das Gespenst

Herstellungsland: Deutschland / 1982

Regie: Herbert Achternbusch

Darsteller: Herbert Achternbusch, Annamirl Bierbichler, Werner Schroeter, Kurt Raab, Dietmar Schneider, Josef Bierbichler, Franz Baumgartner, Alois Hitzenbichler, Judit Achternbusch, Rita Achternbusch, Gabi Geist, Gunter Freyse u. A.
Eine Christusfigur in einem Kloster wird lebendig, steigt vom Kreuz und geht über Wasser. Danach wandert er zusammen mit einer Äbtissin, die sich in ihn verliebt, durch ein fremdes, heutiges Bayern. Christus selbst erinnert sich dabei nicht mehr an sein vorheriges Leben und philosophiert über die unterschiedlichsten Themen. Auf seinem Weg kommt er mit unterschiedlichen Personen in Konflikt...
Quelle: www.ofdb.de
Onkel Joe hat geschrieben:Die Sicht des Bux muss man verstehen lernen denn dann braucht man einfach viel weniger Maaloxan.
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Re: Das Gespenst - Herbert Achternbusch (1982)

Beitrag von buxtebrawler »

„Das Gespenst“ ist eine antiklerikale Low-Budget-Satire des bayrischen Schriftstellers, Malers und Filmemachers Herbert Achternbusch aus dem Jahre 1982, an dem seinerzeit die FSK ein wenig zu knabbern hatte, der aber vor allem durch eine Kampagne des Axel-Springer-Verlags zum vielbeachteten und polarisierenden Skandalfilm geriert, der die Politik beschäftigte und zu Änderungen innerhalb der Filmfördermittelvergabe führte.

So wurde „Das Gespenst“ im eigentlich in Filmfreigabefragen so liberalen Österreich als damals bisher einziger Spielfilm beschlagnahmt, und zwar ausgerechnet auf eine Anzeige des Alpennazis Herwig Nachtmann hin; das Buch zum Film wurde ebenfalls eingezogen und unterschlagen. (1985 folgte Werner Schroeters „Liebeskonzil“ als zweiter in Österreich beschlagnahmter Spielfilm.) In Deutschland unterschlug der reaktionäre CSU-Innenminister und Kunstfeind Friedrich Zimmermann die noch ausstehenden Filmförderungsratenzahlungen i.H.v. 75.000,- DM an Achternbusch. Dank der medialen und politischen Aufmerksamkeit lockte der Film Monate nach seiner Erstaufführung jedoch mehr als 150.000 Zuschauer in die Kinosäle und bescherten ihm damit einen Überraschungserfolg. Das Landgericht wies sämtliche Klagen gegen den Film zurück – wenn auch mit der sinngemäßen Begründung, dass er schlicht zu mies sei, um überhaupt ernstgenommen werden zu können –, Zimmermann aber setzte durch, dass es unabhängige deutsche Filmproduktionen zukünftig wesentlich schwerer haben sollten, ihre Projekte mit staatlicher Hilfe vorzufinanzieren. Doch worum geht es in „Das Gespenst“ überhaupt?

In einem bayrischen Kloster geschieht ein Wunder: Eine lebensgroße Jesus-Skulptur (Herbert Achternbusch) erwacht zum Leben, steigt vom Sockel, verwandelt sich in eine Schlange und beglückt, wieder in Menschenform, die Mutter Oberin (Annamirl Bierbichler, „Bierkampf“) sexuell. Diese verschafft ihm Arbeit als Kneipenwirt (= Ober) in der Klosterbar, wo er diverse Menschen kennenlernt, und zieht, mittlerweile schwanger, mit ihm durchs bayrische Landesgebiet, bis er sich wieder in eine Schlange verwandelt und von der Mutter Oberin, die sich nun ihrerseits in einen Vogel verwandelt hat, im Schnabel davongetragen wird.

Achternbusch übernahm die Hauptrolle höchstpersönlich und konzipierte „Das Gespenst“ nach Art eines Episodenfilms: Wenig bis gar nicht zusammenhängend sieht sich Jesus mit dümmlichen Polizisten (Kurt Raab, „Endstation Freiheit“ und Dietmar Schneider, „Der Neger Erwin“), aus der Zeit gefallenen Römern (Josef Bierbichler, „Hexen“, Franz Baumgartner, „Das letzte Loch“ und Alois Hitzenbichler, „Die Atlanktikschwimmer“) und verständnislosen Passant(inn)en sowie der Erkenntnis konfrontiert, dass die Kirche und die Menschheit seine christliche Lehre kaum in seinem Sinne auslegen. Darüber lässt Achternbusch ihn bisweilen theologisch philosophieren, jedoch hat dieser Aspekt überraschend geringen Anteil am Film. Vielmehr frönt Achternbusch seinem eigenartigen, mitunter sehr plumpen Humor, sodass zwei Polizisten in Gläser zu koten versuchen, Frösche an kleine Kreuze gebunden werden und insgesamt viel, viel sinnloses Zeug gebrabbelt wird.

Einen zeitgenössischeren Film wie „Er ist wieder da“ im Hinterkopf habend, ist „Das Gespenst“ aus heutiger Sicht eher enttäuschend. Die blasphemische Komik nutzt sich schnell ab und die Religionskritik tritt hinter ermüdende, spröde und unlustige Szenen zurück, die in Schwarzweiß und bisweilen mithilfe von Laiendarsteller(inne)n umgesetzt wurden. Zudem bleibt die Kamera gerade in den innerhalb von Räumen spielenden Sequenzen meist vollkommen statisch, was „Das Gespenst“ wie ein abgefilmtes bayrisches Lustspiel erscheinen lässt. Religions- und Autoritätskritik, auch harsche und provokante, wurde schon weitaus besser verpackt, dagegen wirkt Achternbusch geradezu provinziell.

Aufgrund dessen, was er losgetreten hat, ist Achternbuschs Film eher auf der Metaebene interessant denn als Filmgenuss, dafür erscheinen seine damaligen empörten Kritiker im Nachhinein umso lächerlicher.
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jogiwan
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Re: Das Gespenst - Herbert Achternbusch (1982)

Beitrag von jogiwan »

Ich fand den spassig und deswegen hab ich im Jahr 2010 auch ein paar Zeilen getippt:
In einem bayrischen Kloster steigt eines Tages eine lebensgroße Jesus-Figur (Herbert Achternbusch) von seinem Sockel, verwandelt sich in eine Schlage und landet unvermittelt bei der Mutter Oberin (Annamirl Bierbichler) im Bett. Die ist zwar etwas überrascht, gibt dem etwas sonderbaren Gast jedoch einen Job als Ober in der hauseigenen Bar, wo dieser aufgrund seiner mangelnden Menschenkenntnis schon bald auf unlösbare Aufgaben stößt. Später ziehen beiden durch die bayrischen Landen und treffen auf einfältige Polizisten, verständnislose Passanten, Römer und allerlei sonderbare Gestalten. Als Jesus schlussendlich immer schwächer wird, verwandelt er sich ein letztes Mal in eine Schlange und landet im Schnabel der Mutter Oberin, die sich ihrerseits in einem Greifvogel verwandelt hat.

Hehe, „das Gespenst“ von dem umtriebigen Schriftsteller und Filmemacher Herbert Achternbusch ist ja eigentlich schon ein knuffiger Film. Da steigt Jesus ausgerechnet im erzkonservativen Bayern vom Kreuze, nur um dann festzustellen, dass die Menschheit seit seinem Tod am Kreuze vor knapp 2000 Jahren seine Lehren eigentlich ganz falsch ausgelegt oder interpretiert hat. Und auch die bayrische Bevölkerung scheint auf die Wiederkehr des Gottessohnes so ganz und gar nicht vorbereitet und reagiert größtenteils mit Unverständnis und sogar mit Ablehnung. Einzig und allein, die progressiv-denkende Oberin ist Jesus eine Hilfe, wird von ihm schwanger und zieht mit ihm durch das bayrische Land und verwandelt sich im theatralischen Finale selbst in einen Greifvogel, um mit dem in eine Schlange verwandelten Jesus gemeinsam in den Himmel empor zu steigen.

Der satirische Film über die Wiederkehr von Jesus löste Anfang der Achtziger dann im konservativ-geprägten Deutschland auch einen mittleren Skandal aus: Der Verleih war sich aufgrund der Thematik wohl nicht ganz sicher und legten den Streifen im Dezember 1982 der SPIO vor, die auch prompt eine Szene, in der Jesus von betrunkenen Polizisten nach dada-istischen Wortspielen als „Scheiße“ angesprochen wird, beanstandeten. Die Szene wurde geschnitten und „das Gespenst“ der FSK vorgelegt und die höchste Freigabe ab 18 Jahren beantragt. Die Prüfer verwehrten aber eine Freigabe, da Achternbuschs Attacken auf die Kirche „ein nur noch pessimistisches und nihilistisches Grundmuster der Welt“ erzeugten, was „dem religiösen Empfinden eines nach Millionen zählenden Teils der Bevölkerung“ wohl nicht zugemutet werden konnte.

Die FSK überdachte ihre Entscheidung und Achternbuschs Streifen lief in den Kinos an und wurde trotz Nominierung für den „goldenen Bären“ aufgrund seiner Machart vom breiten Publikum natürlich kaum beachtet. Monate später wurde der Axel-Springer-Verlag auf den Streifen aufmerksam und beschuldigte den mit Fördergeldern gedrehten Streifen der Steuerverschwendung. Durch die negative Berichterstattung hagelte es Protestbriefe und nachdem sich der zuständige Minister der CSU selbst ein Bild gemacht hatte, wurde kurzerhand die noch ausstehende Rate an den Filmemacher gestrichen. Das wiederum ruf Proteste von Künstler auf den Plan und ein darauffolgender Rechtsstreit dauerte über zehn Jahre, bevor er von Achternbusch schlussendlich gewonnen wurde. Die durch den Anlassfall geänderte Förderungspolitik führt aber den deutschen Autorenfilm in die Krise. Durch die ganzen Kontroversen interessierten sich über 150.000 Kinobesucher für „Das Gespenst“.

Auch in Österreich hatte der Film einen schweren Stand und wurde nach einer Anzeige des rechtsradikalen Zeitungsverleger (!!!) Herwig Nachtmann als Vorsitzender der „Bürgerinitiative gegen Religionsverhöhnung, öffentliche Perversität und Steuergeldverschwendung“ aufgrund angeblicher Herabwürdigung religiöser Lehren kurz nach Erscheinen beschlagnahmt. Das war der erste – und neben Werner Schroeters „Liebeskonzil“ – auch der bislang einzige Fall in der österreichischen Geschichte, in dem ein Film trotz der im Staatsgrundgesetz verankerten „Freiheit der Kunst“ verboten wurde. Dieses Verbot hatte natürlich zahlreiche Proteste von künstlerische Seite zur Folge und der Streifen wurde im Jänner 1984 nach einer Podiumsdiskussion trotz Verbotes vor knapp eintausend interessierten Zuschauern aufgeführt, wobei der Verantwortliche der Aufführung sogar rechtsgültig verurteilt wurde.

„Das Gespenst“ ist aber natürlich vollkommen harmlos und neben den Obrigkeiten der Kirche bekommen ja auch die Polizei und auch die konservative bayrische Gesamtbevölkerung eines vor den Latz geknallt. Die Kontroversen und das Verbot in Österreich sind ja angesichts des Werkes natürlich vollkommen lächerlich. Achternbuschs humorvolle Geschichte über die Konfrontation des Heilands mit der bigotten oder infantilen Bevölkerung ist ja eigentlich sehr humorvoll ausgefallen und ist sehr episodenhaft inszeniert. Manche Szenen offenbaren dabei die Nähe des Filmemachers zum Wiener Aktionismus oder bestehen aus Nonsens Dia- und Monologen und auch der Rest des Streifens erinnert mit seiner statischen Kameraeinstellungen auch eher an experimentelles Theater, als an herkömmliche Filme.

Dabei ist „Das Gespenst“ ja nicht der einzige Streifen des mittlerweile renommierten und auch mehrfach ausgezeichneten Künstlers, der auch in anderen Werken Kirche, Politik, bürgerliche Doppelmoral und Polizei mehrfach auch sehr ungewöhnliche Weise portraitierte und auf diese Weise bloßstellte. Er provozierte mehrfach in Polizeiuniform unwissende Passanten, „tötete“ amtierende Politiker im Hofbräuhaus und ließ Schauspieler Kurt Raab vor laufender Kamera über dessen Aids-Erkrankung und dessen nahen Tod sprechen. Insgesamt hat Achternbusch zwischen 1970 und 2002 über dreißig Filme realisiert, die unterschiedlichste und gesellschaftspolitische Themen auf sehr unkonventionelle Art und Weise aufbereitet haben.

Die DVD aus dem Hause „Pierrot Le Fou“ hat den kontroversen Streifen im Jahre 2010 neuerlich der FSK vorgelegt, deren Prüfer sich knapp 30 Jahre nach der ersten Ablehnung und zensierten Freigabe dann auch in der ursprünglichen Form zu einer Freigabe ab 12 Jahren entschieden haben, was durchaus der Realität etwas näher kommt. Angesichts mancher populistischer Parteien bzw. deren Wahlkampf wirkt Achternbuschs blasphemischer Angriff auf das religiöse Empfinden mancher Menschen ohnehin recht harmlos und würde heutzutage auch keinen Skandal mehr auslösen. Die Kirche, deren Schäfchen aufgrund zahlreicher Skandale ja ohnehin in Scharen davonlaufen, hat ja mittlerweile auch größere Probleme, als sich in die zeitgenössische Kunst einzumischen.

Die Bildqualität des Streifens ist für einen teils mit Laiendarstellern in Schwarz-weiß-gedrehten Kunstfilm eigentlich sehr gut und bietet wie auch der Ton keinerlei Anlass zur Kritik. Leider hat es keinerlei Bonusmaterial auf den Silberling geschafft, was angesichts der zahlreichen Kontroversen um den Film schon etwas schade ist. Andererseits wird „Das Gespenst“ aufgrund seiner Thematik und Inszenierung wohl auch nur ein eingeschränktes und aufgeschlossenes Publikum ansprechen, sodass sich eigens produzierten Bonusmaterial wohl nie rentieren würde. Definitiv kein Film für Otto Normalzuseher, der vermutlich bereits nach 10 Minuten von Achternbuschs Ansammlung von Albernheiten genug haben würde – trotzdem ist es umso schöner, dass ein kontroversen Autorenfilm aus deutschen Landen endlich in seiner ungeschnittenen Fassung zu sehen ist – selbst dort, wo er noch immer verboten ist. Prädikat: besonders entlarvend!
it´s fun to stay at the YMCA!!!



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